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BERLIN  Mittwoch 10. Juli

1929

Der Abend

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Nr. 318

B 158 46. Jahrgang.

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Hugenbergsche Schwergeburt.

Die Geschichte des Stahlhelm- Volksbegehrens.

Die Hugenberg- Preffe veröffentlicht heute morgen einen Aufruf| eines Reichsausschusses für das deutsche Boltsbegehren", der mit allen gesetzlichen Mitteln den auf dem erpreßten Schuldbekenntnis aufgebaufen Parifer Tributplan" bekämpfen will. In diesem Aus­schuß haben sich die Stahlhelmführer Seldte   und Düfterberg, der deutschnationale Parteivorsitzende Hugenberg  , der Aldeutsche Claß, der Großagrarier Schiele, der Großindustrielle Frih Thyssen, der Generaldirektor der Bereinigten Stahlwerke Bögler, der Landbund­führer Hepp und der Nationalsozialist Adolf Hitler   zusammen­gefunden; ein Bertreter der nationalen" Studentenschaft wird noch hinzugezogen. Mit welcher wahrhaft überwältigenden Tatkraft und Zielflarheit die Schar der Wachen und Wachgewordenen", wie Hugenberg fie nennt, in dies Boltsbegehren hineingeführt wurde, zeigt die Entwidlungsgeschichte dieses Boltsbegehrens, das feit zwei Jahren fortgesetzt seine Ziele ändert.

1927.

Herbft 1927: Sugenberg entwirft im Vorstand der Deutſch  nationalen Boltspartei den Plan eines Boltsbegehrens gegen die Verfassung. Der deutschnationale Innenminister v. Keudell foll das Bolksbegehren durchbringen. Als Termin ist der Tag der Reichstagswahl( Mai 1928) in Aussicht genommen. Infolge vorzeitigen Bekanntwerdens in der Deffentlichkeit zieht der Bor­stand der DNBP. gegen den Protest Hugenbergs das Projekt zurück.

1928.

September: Die kommunistische Agitation für ein Bolts­begehren gegen den Panzerkreuzerbau veranlaßt den Bundes. vorstand des Stahlhelms auf Anraten Hugenbergs zu dem Beschluß, feinerseits ein Volksbegehren einzuleiten. Das Biel des Bolksbegehrens, das sich gegen das jezige System" richten soll, wird nicht angegeben. Der Termin des Voltsbegehrens foll sich unmittelbar an das tommunistische Boltsbe.. gehren( Oftober 1928) anschließen. Später wird als der ge= naue Tag der 13. November 1928, der Gründungstag des Stahlhelms, genannt. Kreuzzeitung  ": Die von den Kommunisten entfaltete Bewegung muß von uns in Schwung gehalten werden". 1. Ottober: Der Stahlhelm verkündet als Ziel seines Voltsbegehrens: Verstärkung der Macht des Reichspräsiden ten und Einschränkung der Immunität der Abgeordneten.

Mitte Ottober: Böllige Pleite des fommunistischen Panzerfreuzervoltsbegehrens. Betlemmungen im Stahlhelm.

20. Oftober: Stahlhelmführer Seldte fündet Zensur für alle Stahlhelmreden über das Boltsbegehren an, damit nicht durch. Reden auf Wiedereinführung der Monarchie die Zielsetzung der Bundesleitung versaut und vermurtelt" werde.

22. Oftober: Hugenberg   wird erster Vorsitzender der Deutschnationalen   Partei. In einer Besprechung Hugenberg  . Seldte   wird das Stahlhelmvoltsbegehren vorerst auf zwei Monate zurüdgestellt. Die Hugenberg- Bresse behauptet, das Boltsbegehren sei seit jeher erst nach Weihnachten  " geplant gewesen.( Siehe oben!)

24 Ottober: Der rechtsraditale Werwolf" erflärt, nach dem Zusammenbruch des kommunistischen   Volksbegehrens, daß das parlamentarische Mittel der Volksabstimmung nicht geeignet sei, das jetzige System zu erschüttern.

Mitte November: Der Stahlhelm veröffentlicht den for= mulierten Text des von ihm einzubringenden Boltsbegehrens. Es beschränkt sich auf die bereits erwähnten zwei Punkte. weiteren Forderungen werden wir später fommen."

1929.

Mit

20. Januar: Führertagung des Stahlhelm in Magdeburg  . Sie ermächtigt den Vorstand, nunmehr das Boltsbegehren einzubringen." Die anwesenden Führer füllen feierlich die erste Namensliste aus!

Ende Februar: Führertagung des Stahlhelm in alle.

Düſterberg erklärt, daß man hoffe, wenigstens die 4,2 Millionen

Stimmen( ein Zehntel der Stimmberechtigten) für die Zulassung des Boltsentscheids zu bekommen.

März: Die 3widauer Ortsgruppe des Verbandes sächsi= scher Industrieller erflärt sich für Unterstüßung des Stahlhelm- Boltsbegehrens.

März/ April: Der Stahlhelm erläßt Anweisungen an feine Ortsgruppenführer für die Durchführung des Boltsbegehrens. Die Kosten werden auf 7 Millionen Mark falkuliert. Ein Ter min fehlt noch immer. Es sollen Fragebogen mit Liften derer ausgefüllt werden, die sich vermutlich eintragen werden. Jeder Stahlhelmkamerad hat sich einzutragen, oder er zieht die Konsequenzen."

Rechts oben:

Das fliegende Hotel.

Der Schnitt durch den Boots­förper zeigt die beiden Stockwerke: das oberste ist das Kommandodeck mit der Kommandobrücke an der Spize, darunter liegt das Passagier­deck für 100 Fluggäsie. Der Boots förper ist 40 meter lang, die Flügel­spannweite beträgt 48 Meter.

Lints unten:

Das Flugboot Do X wird in Fried richshafen fertigmontiert. Das linke Bild zeigt den Rumpf und einen Teil der Tragfläche mit zwei von den zwölf fünfhundertpferdigen Motoren.

Neuer Bombenanschlag!

In Schleswig- Holstein  / Gegen das Haus des Landrates von Südtondern.

Niebüll  ( Kreis Südtondern), 10. Juli.

An das Privathaus des Landrates des Kreises Süd­tondern, Stalweit, war von bisher noch unbekannten Tätern eine Zeitbombe gelegt worden, die am heutigen Mittwochmorgen um Uhr zur Explosion gekommen ist.

Durch die Explosion stürzte die Küchenwand des Hauses ein, auch sonst wurde beträchtlicher Gebäude schaden angerichtet. Personen sind, soweit bis jetzt feststeht, nicht verletzt worden.

Durch die Gewalt der Explosion sind im Landratshause und in einem Nebenhause alle Gensterscheiben zersprungen.

Weitere Einzelheiten stehen noch aus.

Untersuchung des Verbrechens.

Hamburg  , 10. Juli. Wie zu dem Bombenanschlag in Niebüll   weiter bekannt wird, weilt die Staatsanwaltschaft Flensburg   bereits am Tatort, um die notwendigen Untersuchungen einzuleiten. Die Annahme, daß die Attentäter eine Bombe mit 3eit­zündung für ihren Anschlag benutzt haben, gewinnt dadurch an Wahrscheinlichkeit, daß fast genau zur Zeit der Explosion ein& raft­wagen mit rasender Geschwindigkeit in Richtung Flensburg   oder Husum   davon fuhr. Bon den Tätern fehlt bisher jede Spur.

Mai: Erwägungen, das Stahlhelm- Boltsbegehren zugunsten eines Boltsbegehrens gegen den Young- Plan zurück zu stellen. Juni: Hugenberg   gründet den Reichsausschus für das deutsche Boltsbegehren".

9. Juli: Kundgebung des Reichsausschusses im Herrenhaus. Beschluß: Der Reichsausschuß übernimmt das vom Stahlhelm angelegte Verfassungsvolksbegehren als seine Aufgabe und wird seine Durchführung weitertreiben." Hugenberg  : Aber Reihen­folge und Zeitpunkt unserer politischen Schritte bestimmen wir selbst!"( Fortsetzung liefert Hugenberg  .)

Kr.

Es ist zu erwarten, daß die Regierung für die Ergreifung der Täter, die zweifellos in den Kreisen der national­fozialistischen Landvolkbewegung zu suchen sind, eine hohe Belohnung aussetzt.

Dieser Anschlag ist bereits der siebente Fall seit November vorigen Jahres, daß Attentate dieser Art in Schleswig Holstein   verübt worden sind. Die Attentäter stammen wahrscheinlich immer aus den gleichen Kreisen. Die Attentate sind die Folge der systematischen Hehe, die gegen die Tätigkeit der Behörden in Schleswig   an der Tagesordnung ist.

Europa   protestiert.

Gegen USA  . wegen der neuen Zölle.

Washington  , 10. Juli. Insgesamt haben 38 Länder gegen die neue Zollvorlage förmlichen Einspruch erhoben, darunter England, Frant. reich, Belgien  , Italien  , Desterreich, Spanien  , Schweiz  , Dänemark  , Norwegen  , Schweden  , die Niederlande   und alle Staaten Süd­amerifas. Das Staatsdepartement hat sämtliche 38 Proteste dem Finanzausschuß des Senates übermittelt. Bislang war von jeifen

des Staatsdepartements dem Senator Herrison gegenüber erklärt worden, es lägen ungefähr ein Duhend Proteste vor. Herrison gab fich aber mit dieser Erklärung nicht zufrieden, worauf das Staats­departement gezwungen war, alle 38 Einspruchserklärungen herauszugeben. Der Senatsopposition sind die Einsprüche will­fommenes neues Material im Kampfe gegen die Zollvorlage. Senator Herrison erklärt, daß Washington heute in der Welt den Ruf genieße, einen imperialistischen Krieg entfesselt zu haben. Die ganze Welt sei über Amerika   verärgert. Amerika  werde bald vereinzelt dastehen und sein Außenhandel zerstört werden. In den veröffentlichten Listen über die Einspruchserklä­rungen ist ausdrücklich vermerkt, daß Deutschland   nicht zu den 38 genannten Ländern gehört.