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&ei1a&e Mittwoch, 10. Juli 1929

Em Bericht/ Die Stadtbahn kommt von der Friedrichstraße her und fährt eine Station weit die Spree entlang, bis zum Bahnhof Börse, und der Reisende erlebt schon von seinem Abteil aus das wechseloolle Bild- nis Berlins : Fabriken, Museen, schwarze Wetterwände der Miets- kasernen, von denen die Reklame schreit. Das Schloß wird sichtbar, der Dom, der Lustgarten und der Zirkus Busch. Die Börse ist nicht weit, das Textilviertel, das Schcunenviertel, der Alexander- platz. Der Reisende kann bei dieser Fahrt auch in die nahegerückten Wohnungen der Leute sehen. Er sieht auch durch die Fenster in die kahlen Zimmer des Polizeipräsidiums, und wenn er bei der Jannowitzbrücke wieder an die Spree stößt, trifft er auf große Fa- brikanl.rgen dicht am Wasser, auf Metoll, Maschinenbau und Zi- garetten und sieht rllckwärtsschauend das alte Berlin mit der Fischerbrück«, den baufälligen Häusern, den dunklen Kaschemmen und Gassen, in denen Heinrich Zille seine Typen sammelte. Dann geht der Blick wieder vorwärts, neuen Industrien zu, und wenn der Reisend« in Stralau-Rummelsburg aussteigt, ist es bis nach Klingenberg nicht mehr weit. Hinter Stralau- Rummelsburg ist die Stadt ein chaotisches Trichterfeld. Gaswerke lieg«n NAch den Gleisanlagen, Lagerplätze dehnen sich weit, ein Waisenhaus baut sich auf. Diese Fabrik dort stellt einen berühmten Hundekuchen her und jene Anlagen gehören zu einem internationalen chemischen Konzern. Bald wird wieder die Spree sichtbar und ist nicht wiederzuerkennen. Jetzt strömt sie in gewaltigem Uebersluß zwichen grünen Ufern. Die Baum­kulissen des Treptower Parkes werden sichtbar. Aus dem Wasser wachsen Inseln. Restaurants haben sich nah« dem Wasser an- gefiedelt. Auf der Spree schwimmen die tief eingesackten Kohlen- lähne aus Oberschlesien . Segelboote fliegen vor dem Wind und blähen die weißen Tücher. Elektrizitätswerk Klingenberg Das Chaos ordnet sich, die Technik organisiert das zerrissene Land und die Großkraftmaschine der Ordnung ist das größte deutsche Elektrizitätswerk Klingenberg . Noch geht in Berlin der Kampf zwischen dem Gas und der elektrischen Kraft. In der nächt- lichen Stadt hat auf den Straßen das Gas gesiegt, aber schon sind über 5l) Prozent aller Wohnungen an das elektrische Stromnetz angeschlossen. Und schon wachsen neben den Kohlen- gruben Elektrizitätswerke hoch und keine Gaswerke. Die Kohle in Klingenberg kommt von Oberschlesien her durch den Oder-Spree- Kanal. Ktingenberg ist die Hauptstromquelle der Berliner Betriebe. Klingenberg liegt an der Spree . Die Spree sorgt für die Kühl- wasserzufuhren und für die Kohlefrachten. Klingenberg liegt auch an den Schienensträngen der Eisenbahn. Klingenberg ist ein tech- nisches Meisterwerk unserer technischen Zeit. Roch klingen die letzten- Hainnierschläge einer kleinen Fabrik im Ohr, wir denken noch an Hundekuchen, an das Waisenhaus, an die Treptower Spielwiese, da wachsen an der Chaussee die roten Würfelhallen und Blocks von Klingenberg auf. Der schöne hohe Turm wird sichtbar, das 140 Meter lange Schal thous liegt vor dem Werk im Schatten und ist doch die gcniaale Halle, in der sich die Kraft in höhere Stärken verwandelt. Schon qualmen die Schornsteine über den Kesselhäusern, und das klirrende Summen und Sausen der Turbinen stürzt wie Musik auf die Straße. Der Genosse vom Betriebsrat nimmt den Besuch in Empfang und geht mit ihm durch alle Hallen, Häuser und Etagen, in denen sich die immer noch mystische Umwandlung des Dampfes zur elektrischen Kraft vollzieht. Aber vorher geht er mit dem Gast in das Turm- haus und fährt die 11 Stockwerke hoch. Drei Etagen gehören den Arbeitern. Dort liegen die Garderoben, Bäder und Waschräume. In den anderen Etagen liegen die Berwaltungs- räume, die Laboratorien, die Sitzungszimmer, der Vortrogssaal. Der Führer erzählt mit großem Stolz von der K u l t u r ar b e i t im Betrieb. Die Klingenberger Arbeiter haben sich der Berliner Gewerkschaftsschule angeschlossen. Und dann steht man auf dem

g in Berlin Hott Alaff Varthel Turm, sieht weit ins Land und schickt den Blick m den Dunst der Stadt zurück. Die Sicht ist weit und groß. Durch Grünflächen und Wiesen schimmern die roten Dächer neuer Siedlungen. Auch Britz ist sichtbar, die Schöpfung der Berliner Arbeiter, diese Großsiedlung mit ihrem Stolz und Ruhm, dem Kollektivrundblock desHufeisens", einer Anlage, die ohne Vorbild und Beispiel in Europa ist. Aber aus dem Grünen geht der Blick ins Schwarze, auf die riesigen Kohlenlager des Werkes. Die Kohle kreist... Di« Kohlen schwimmen in 1000-Tonnen-Kähnen her oder rollen in geschlossenen Großraumgüterzllgen an. Ueber den Kohlen ragen die 16 Meter hohen und 119 Meter langen Lager- platzbrücken auf, herrlich konstruierte Schienen- und Träger- gerüste. An den Brücken hängt ein kleines Haus und mit dem Haus fährt ein Mann die Brücke entlang und holt mit den Greifer- kästen aus dem schwarzen Gebirge seine Fracht, fährt zurück und gibt sie an die kleine Standbahn ab. Von der Standbahn erst werden die Kohlen von den Einschienkatzen der Förderbahn hoch» gerissen und in die Mahlräume gebracht. Bon dort aus geht ihr Weg durch viele Trommeln und Mühlen, aus der Kohle wird der feine Staub, der Staub heizt die riesigen Kessel. In den Kesseln wütet der Dampf, der Dampf geht in die Turbinen, die Turbinen siird mit den Dynamos gekoppelt, aus den Dynamos endlich zuckt die elektrische Kraft. Es ist ein langer Weg von der schwarzen Kohle bis zur beschwingten Elektrizität, die dann in den Motoren summt, in strahlenden Lichtbündeln zischt, in den Radiosendungen die Welt umrast, Musik wird, Vortrag, Funkspruch, LOLruf des verunglückten Ozeanfliegers oder havarierten Schiffes: eine Licht- kette unerhörter Wunder. Und am Anfa.rg des Wunders stehen in Klingenberg zwei schwarze Arbeiter: der Mann an der Brücke über dem Kohlengebirge und der Mann mit dem Standwagen unter den Einschienkatzen. Der Mann vom Betrieb führte den Mann von der Schreib- Maschine auf den Wegen der schwarzen Kohle durch das ganze Werk. Die Kohle liegt in den Bunkern und wird dann in den Mühlen in feinen Brennstaub verwandelt und rinnt, ein schwarzer Strom, durch Röhrensysteme nach den Kessel- Häusern, die wie die Etagen eines Gefängnisses angelegt sind. Dort steht der Steuermann, das ist der Mann, der vier Kessel zu- regulieren hat, die Kohlenstaubzufuhr, die Kühlwasserzufuhr, der kleine Mann in blauer Bluse steht in dieser stählernen Etagenstadt wie auf einer Kommandobrücke, an den Lichttafeln und Schalt- brettern liest er das wütende Chaos in den Kesseln ab und bändigt es durch kleine Handgriffe. Bor den Kesseln liegen die großen Turbinen wie UrweltriesenschneckeN in den lichten HälleN. Sie sind, wie die Kessel, wie das vorgelagerte Schalthaus mit den schwarzen Bimkern und Kohlemühlen nur durch Kabel oder Röhren- systeme verbunden. Die Sonnenenergie der Steinkohle strömt sich aus im Wunder der elektrischen Kraft. Das alles ließ sich der Journalist erklären, das olles wurde ihm manchmal auch selber klar auf seiner Wanderung durch die Hallen und Häuser, in denen die Maschine so überragend herrscht, daß der Mensch ganz klein und unwichtig wird. Aber der Mensch ist größer als die Maschine. Er hat sie erdacht, er reguliert ihren Gang und Rhythmus. Und so muß der Ingenieure gedacht werden, die das Werk konstruierten und die Maschinen erfanden, und so muß der Arbeiter gedacht werden, die in fünfzehn Monaten Klingenberg ausrichteten und in der Bau- zeit über 10 Tote und 7 0 Schwerverletzte von den Plätzen wegtragen mußten, die Blutapfer unserer Zeit. Keine Tafel im ganzen Werk sagt ein Wort über dies« Opferungen. Klingenberg ist die technische Gipfelleistung der deutschen Elek- trizitätswerke. Eine Reise durch die airderen Berliner Werke ist eine Reise durch Sturm und Stille. Das Moabiter Wert an der Putlitzbrücke schießt mit acht riesenhaften Schornsteinen in den

Kentrum..." ftmktotett ottO dem Reichotag Jesuitisch . Der freisinnige Vizepräsident Dave des letzten Reichstags im kaiserlichen Deutschland war bekannt dafür, daß«r sein Amt oft mit Witz und Humor verwaltete. Einmal charakterisiert« der sozial- demokratische Abgeordnete Ludwig Frank die Ausführungen eines geehrten Vorredners alsjesuitisch". Sofort unterbrach ihn Dave: Herr Abgeordneterl Wenn Sie mit der Bezeichnungjesuitisch" ein« außerordeiUlich« dialektische Geistesschulung und Gewandtheit Ihres Vorredners ausdrücken wollen, so wäre dagegen von hier aus nichts zu sagen. Sollten Sie das Wort aber in einem anderen, im Volk« vielfach üblichen Sinne gebraucht haben, so müßt« ich das als unparlamentarisch zurückweisen." Das Haus quittiert mit schallender Heiterkeit, Dave nimmt schmunzelnd seinen Präsidialsitz wieder«in. Kurz nachher trifft Dave in den Wandelgängen den Abgeordneten Frank und fragt ihn:Sagen Sie, Herr Kollege, war meine präsidiale Zwischenbemerkung vorhin nicht ein wenig jesuitisch!.. Presse und Parlament. Im vorkriegsflutlichen Reichstag war«in alter Zentrums- abgeordneter, der mit so leis«r Stimme sprach, daß er auf der Pressetribüne nicht zu verstehen war. Da zu jener Zeit der Laut- spreche? noch nicht erfunden war, hätten die Pressevertreter sich aus dem stenographischen Protokoll«men Auszug machen müssen, wenn sie«inen zuverlässigen Bericht hätten bringen wollen. Aber der Zentrumsmonn gehört« nicht zu denProminenten", und da bekannt war, daß sein Steckenpferd das Eintreten für die Sonntags- ruhe im Handelsgewerbe war, konnte man jedesmal, wenn der Leiseredner gesprochen hatte, am anderen Tag in der Presse lesen, er habe wieder über sein Liebling-chema geredet. Als der Gut« wieber einmal auf der Rednertribüne stand, nahm er all sein« Stimmkraft zusammen und erklärt«:Ich bitte nun aber die Herren von der Presse, zur Kenntnis zu nehmen, daß ich heute über die geistliche Schulaufjicht spreche!" Am nächsten Morgen aber stand in fast allen Zeitungen:Abgeordneter$.(Zentrum). toi jür die Sonntagsruhe. im Handelsgewerb« em." Da tat er

einen heiligen Schwur, daß er im Reichstag nie mehr eine Rede halten wolle. Eisenberger und das Telephon. Der bayerische Bauernbündler Eisenberger ist ein kerniger Bajuvare. Und damit die Preihen«inen gehörigen Respekt vor ihm bekommen, stelzt er auch im Reichstag in seiner graugrünen Oberlandlertracht herum. Als er zum erstenmal in den Reichstag gewählt war, ergab es sich, daß er an eine behördliche Stelle tele- phonieren mußte. Die Telephonzentrale des Reichstags hat nun zunächst mit dem Telephonamt ,L e n t r'u m" verbunden. Dort meldet sich die Telphonistin:Zentrum..." Eisenberger ist der Meinung, er würde nach seiner Parteizugehörigkeit gefragt und antwortet prompt:Raa, Bayerischer Bauernbund !" Wieder tönts vom Amt:Zentrum..." Grob, aber herzlich gibt der Bayer zurück:Kruzifix, kruzifix! Bauernbund sag i!" Das geht noch ein paarmal so hin und her, bis dem Bauernbündler die Geduld reißt. Er brüllt voller Zorn ins Telephon:3m Arsch leckst mi! Kennst dös nöt, daß i a Bauernbündler bi?" Und wütend verläßt er die Telephonzell«. Guten Appetit. Im Reichstag debattiert« man über eine soziale Unterstützungs- Maßnahme. Frau Abgeordnet« T e u> ch vom Zentrum plädierte für Ausdehnung der Unterstützungssätze. Bisher sei bei der Unter- stützung im günstigsten Falle noch das dritte Kind berücksichtigt worden, es sei aber notwendig, auch das vierte Kind einzu- beziehen. Reichsfinanzminister R e i n h o l d widersprach zunächst dieser weiteren Mehrbelastung. Als sich ober Frau Abgeordnet« Teufch von ihrer Forderung nicht abbringen ließ, erklärt« schließlich der Reichsfinanzminister resigniert:Dann will ich in Gottes Nomen auch noch das vierte Kind der Frau Abgeordneten Teufch schlucken!" DerDauerredner. Ein« langweilig« Red« wird im Reichstag völlig unerträglich, wenn sie am Sonnabendnachmittag gehalten wird. Als wieder«in- mal ein Abgeordneter der Rechten, dessen Ausführungen sich nicht gerade durch Kurzweiligkeit auszeichneten, zu einer endlosen An- spräche das Wort ergriff, lichteten sich di« Reihen der Volksvertreter immer mehr, mU> einer nach dem andere» schlich sich hinaus. Rur

verräucherten Himmel. Die Eisenbahnen klirren vorüber, aber im Kesselhaus hört man ihren Mann nicht mehr. Im Kesselhaus steht der Mensch wie in einem Dom der schweren Arbeit. Da sind gotische Strebeseiler, die durch den erhitzten Raum gehen. Sie heißen sachlich Kohlen schurren, sind dicke Röhren und bringen aus den Bunkern die zerkleinerte Kohle. Die fällt in die Feuerung und wird durch K e t t e n r o st e in die Höllenglut trans - portiert. Die Kettenroste sind mit Antrieben gekoppelt. Die An- triebe gehen wie Pumpen klirrend auf und ab. In diesem Werk und auch in Charlottenburg triumphiert nicht die vollendete Technik. Hier gibt es noch Oesen mit Hand- feuerung. Die Arbeit der Heizer ist kein Vergnügen. Ueber den Kesseln brütet tropische Hitze von über 50 Grad. Aber unter den Kesseln ist es noch schlimmer. Da arbeiten im Dunkel die Schlackezieh er. Da wirbeln dicke Staubwolken durch die Keller, die Flugasche stäubt auf und es ist kein Trost, zu wissen, daß da oben aus den Kesseln der Dampf nach den Turbinen stößt und sich endlich in Kraft und Licht verwandelt. Das banale Wort: wo viel Licht, ist auch viel Dunkel, gewinnt in den Kellern bei den- Schlackeziehern seine tragische, ursprüngliche Bedeutung. Äie vollkommene Mofchtnenstabt Die Turbinen lagern klar, brummend und summend in den lichten Hallen, die Hilfsmaschinen der Turbinen, der technische Untergrund, sind eine vollkommene Maschinenstadt. Der Metro­polissilm ist ein verlogenes Puppenspie! dagegen. Die Technik er- zieht keine Heloten, sie erzieht denkende Arbeiter. Die dampfende, stampfende Welt unter den Turbinen geht ohne viel Lärm. Aber der Luftfilter, der die Dynamos verkühlt, ist wie ein brül- lcnder Orkan. Kein Wort ist zu hören, es sauft und braust, wie es saufen und brausen soll an der Grenze unserer Atmosphäre, wie die kühnen Flieger erzählen. Aber es ist auch furchtbare Stille um die elektrische Kraft. Da ist zum Beispiel das Abspannwerk, in dem die Ströme gesammelt und nach den Stützpunkten verschickt werden. In der riesenhaften Anlage arbeiten wenig Menschen. Ganze Etagen sind vollkommen leer. In ihren Kammern schweigt die gebändigte Kraft. Diese Kammern sehen wie kubistische Ge- wälde aus. Grün«, rote und gelbe Schienen und weiße Isolatoren liegen hinter den Schutzgittern. Die Besucher eilen durch diese Kammern, sie verweilen nicht lange, sie sind voller Gefahren und Tod. Jede Berührung der so schönen kubistischen Figuren bringt nichts als den tödlichsten Schlag. Schon mancher Elektro- monteur mußte daran glauben. Das also ist das stille Gespenster- haus und sein Hirn heißt: die Warte und ist ein schönes Oval mit vielen Schaltpulten. Ein Mensch sitzt in dem Oval und liest an den Schaltpulten und Lichttafeln das geheimnisvolle Leben des Lichtes, der elektrichen Kraft ab. Er ist der Herr und Meister der Ströme, der Herr der Kraft, der Meister des Lichts. Alles ist laut- los und wundervoll organisiert: eine Schaltung lähnit den moto- rifchen Herzschlag eines ganzen Stadtviertels, läßt die Maschinen anhalten, die Lampen verlöschen, die Telephon« verstummen. Auch in der U m f o rm e st a t i on ist nicht viel Lärm. Dort. wird der Drehstrvm in Gleichstrom verwandelt.. Die großen Um- fonnemaschinen sunnnen und brummeln, von den Amperemetern kann man an tanzenden Nadeln den Aromverbrauch der Trams ablesen, ihre Fahrt und auch ihre Haltestationen. Und wenn das Kraftnetz einmal gestört werden sollte(in zehn Minuten wird jede Kabelstörung durch ausgewählte Kolonnen beseitigt), auch da brauästen die Trams nicht zu halten. In drei Etagen sind große, gewaltige Akkumulatoren aufgestellt, in denen für drei Stunden Kraft und Licht aufgestapelt ist. Auf einer Fahrt durch die Stadt hatte unser Freund vorher auch diese Werke besucht. Am Ende der Besichtigung von Klingenberg stand er nun im Zimmer des Betriebs- rates. Er hatte die Kollegen von Moabit und Charlottenburg kennengelernt und hinter ihnen ihre tapfere Arbeit: beinahe 100 Proz. der Belegschaft waren gewerkschaftlich organisiert. Und nun wurde die Fahne einer Belegschaft entfaltet, die rote Fahne von Klingenberg . Da sind zwei Fäuste, aus denen gleißei'.de Blitze zucken, auf das Tuch gestickt, und wenn in den großen Aufmärschen das Banner mit den Blitzen weht, kann man die Botschaft lesen: Fest wie der Felsen im stürmischen Meer Stehet der Arbeit gewaltiges H erl

ganz wenige verharrten in einer teilweisen Agonie. Da hob der Redner an:Ich komme jetzt zum 8 81..." Das war selbst den Standhaften zu viel. Abgeordneter C r i s p i e n«rhob sich, rief mit Stentorstimme von hinten durch den Saal:Auf Wiederhören am Montag!" und strebte auf die Nein-Türe zu. Der Redner war gerade im Begriff, seinen ß 81 zu zitieren, hatte den Vorfall nur halb bemerkt, war atftir doch erfreut, daß der Zwischenruf«inen anscheinend aufmerksamen Zuhörer oerriet, und fragte leutselig:Was meinen Sie, Herr Kollege?" Darauf wandte sich Crispien zwischen Tür und Angel noch einmal um und rief:Vergessen Sie nicht die Antenne zu erden!" Dann oerschwand er aus dem Sitzungssaal. Der Redner aber schritt unbeirrt zum§ 82 weiter. Der Kanzler bestimmt die Richtlinien... Vor der Anahme des Dawes-Planes im Reichstag fanden hinter den Kulissen eifrige Verhandlungen üb«r die Stellung der einzelnen Fraktionen zum Londoner Abkommen statt. Vor allem blieb die Haltung der Deutschnationalen bis zum Augenblick der Abstimmung Geheimnis. Niemand wußte vorher, daß die eine Hälft« der Fraktion Westarp mit Ja, die andere mit Nein stimmen werde. In den Wandelgängen des Reichstages werden diePromi- nenten" von Journalisten interviewt. Gruppen von Abgeordneten erörtern die bevorstehende Entscheidung. Reichskanzler Marx geht auf den sozialdemokratischen Abgeordneten Breit- scheid zu und fragt:Na, wie stchen di« Verhandlungen, Herr Kollege?..." Worauf Breitscheid zurückgibt:Aber das müssen Sie doch am besten wissen, Herr Reichskanzler!" Elegisch antwortet Marx:Mit mir verhandelt niemand..." Der Traum des Hundes. Zolldebatte im Reichstag. Der Bürgerblock will die Lebens- mittelzöll« erhöhen. Die sozialdemokratische Abgeordnete Mathilde Wurm hält«ine flammende Rede gegen den Zollwucher. Dabei reißt sie ihr leidenschaftlicher Redestrom zu dieser klassischen Formu- lierung hin:Das Fleisch ist jetzt schon so teuer, daß bereits Tausende Hundesleisch essen müssen, wenn sie aus den Fleischgenuß nicht völlig verzichten Mollen. Wohl mancher Hund ist im Kochtopf ver- schwunden, der sich b«i Lebzeiten nie hat träumen lassen, daß er im Mage» eines armen Proleten enden würde!..." lSesamaelt von Stttt istchenbachO