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BERLIN  * Freitag 12. Juli

1929

Der Abend

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Nr. 322

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46. Jahrgang.

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Aufmarsch der roten Jugend.

Der Wiener   Bürgermeister begrüßt die 50000.

Wien  , 12. Juli.  ( Eigenbericht.) Freitagmorgen marschierten in Wien   50006 in. gendliche Arbeiter und Arbeiterinnen aus europäischen und außereuropäischen Ländern zur Er­öffnung des zweiten internationalen Jugend­treffens auf. Der Aufmarsch auf dem Heldenplatz dauerte 1 Stunden. Ein Meer von roten Fahnen wogte über einer bunten Menge junger Menschen, tausende Wiener   Arbeiter und Jugendliche waren eben­falls erschienen, um an dieser einzigartigen und gewal tigen Feier teilzunehmen.

Eine große heilige Ruhe fam über die Zehntausende, als ein Fanfarenkorps mächtige Weisen aus dem Mikrophon über die Menge ertönen ließ. Der Leipziger   Jugendchor singt das Lied: ,, acht auf, es naht der Tag." Sprechchor und Sprecher grüßen die versammelte Jugend. Darauf wird die Anwesenheit der einzelnen Delegationen angekündigt. Es ertönen einige Terte des Liedes, das in dem betreffenden Verband vorwiegend gesungen wird. Dann spricht ein Vertreter dieses Berbandes in seiner Mutter­sprache einige Begrüßungsworte in dichterischer Form. Jeder Verband wird dann begrüßt von dem Hamburger Sprech­chor. Ein Bläserkorps läßt wieder Fanfaren ertönen. Dann folgen drei Ansprachen. Im Namen der österreichischen Arbeitjugend spricht Felig Kanit.

Er ermahnt die Jugend, den Wiener   Jugendtag vor allem als ein Gelöbnis für den Bölkerfrieden aufzufaffen und die Wiener  Erlebnisse in diesem Sinne in ihrer Heimat zu verbreiten und weiter Tausende junger Menschen zu gewinnen. Stürmisch und lang begrüßt wurde Bürgermeister Seiz, der die Jugend als Vorsitzender der österreichischen Sozialdemokratie und als Bürgermeister des roten Wien   herzlich willkommen heißt. Die Jugend möge aus Wien   den Eindruck mit nach Hause nehmen, daß Sozialismus Aufbau und Ausbau und Tat bedeutet.

Der Höhepunkt der Feier ist das

Der Schlafwagen­autobus

In Kalifornien   ist ein Riesen­autobus in Verkehr genommen worden, der so bequem einge­richtet ist, daß die Reisenden sich in ihm wie in einem Eisenbahn­wagen tagelang aufhalten tönnen. Nachts können die Size in Schlaf­gelegenheiten umgewandelt wer­den. Der Schlafwagenautobus fährt zwischen Portland   und San Diego  .

Briands Europa- Union.

Pläne nach der Reparationsregelung und Rheinlandräumung.

Paris  , 12. Juli.  ( Eigenbericht.)

Zollherabsetzung als Farce. Autoeinfuhr nach USA  . foll frei fein.

Washington  , 12. Juli.  ( Eigenbericht.)

Hiffen der Fahne der Sozialistischen Jugendinternationale, die der holländische Arbeiterjugendverband der Jugendinternationale auf dem ersten internationalen Jugendtreffen Pfingsten 1926 in Amsterdam   gewidmet hat. Auf dem Balkon der Hofburg waren die Fahnen sämtlicher vertretenen Delegationen gehißt. Unter dem Massengesang der Internationale murde dann über allen nationalen Fahnen die Fahne der Internationale gehißt, bezeugend, daß die sozialistische Jugend über nationale Ver= schiedenheiten und über alle Landesgrenzen hinweg die Idee des internationalen Sozialismus verbindet. Fast alle aus­ländischen Organisationen find in viel stärkeren Delegationen er­schienen, als in den Anmeldungen angegeben war. Das machte der Leitung des Jugendtreffens große Sorge. Glücklicherweise meldeten feien schon auf der Madrider   Bölferbundstagung und anläßlich des nische Autoproduktion macht 90 Proz. der Weltproduktion aus, sodaß

sich in den letzten Tagen und Stunden immer noch neue Quartiergeber, so daß alle Teilnehmer dennoch gut unter

gebracht werden konnten.

Freitag abend fommen auf dem Westbahnhof in Wien   zwei­hundert holländische Sozialdemokraten an, größtenteils Pflegeeltern von Wiener   Arbeiterkindern, welche vor Jahren in Holland   waren. Die holländischen Gäste haben schon vor zwei Jahren einen Klub Auf ins rote Wien  " gegründet, um jezt anläßlich des Jugendtreffens nach Wien   kommen zu können.

Zu Fuß, per Rad und im Flugzeug.

Vor den Sonderzügen tamen einzelne Teilnehmer aus allen möglichen Ländern, die sich aller denkbaren Berkehrs mittel bedienten, um nach Wien   zu gelangen. So find zwei junge Schwebinnen eingetroffen, die zu Fuß aus ihrer Heimat nach Bien gewandert sind und hier in ihrer heimischen Tracht Aufsehen erregten. Desgleichen sind zwei junge Dänen in Wien  , die Ende April auf dem Fahrrad ihr Land verließen und auf dem Bege nach Bien den fleinen Umweg über Paris   gemacht haben. Sie haben auf dieser Reife 3017 Kilometer zurückgelegt. Am Mitt woch tam ein Dutzend Ulmer mit Paddelbooten an, und ein paar Engländer sind sogar im Flugzeug hierhergekommen. Heute nachmittag spricht im Arbeiterheim Ottakring der Finanzreferent der Stadt Wien  , Stadtrat Genosse Hugo Breitner  , über die sozialdemokratische Finanzpolitit der Gemeinde Wien  . Am Abend finden fünf große Jugend feiern statt, bei denen nach den ausgegebenen Karten mit 32 000 Teilnehmern gerechnet werden kann.

Die Pariser Presse weiß einige nähere Einzelheiten über ein Projekt Briands über die Bildung der Bereinigten Staaten eine fontinentale Bereinigung zu bilden nach dem Beispiel der pan­von Europa   mitzuteilen. Briand   beabsichtigt danach, amerikanischen Union und des britischen   Reiches. England foll den Bereinigten Staaten von Europa   nicht ausgefchloffen werden, denn Briand   habe unbedingt den Wunsch, daß sich die verschiedenen großen Bölfergruppierungen möglichst nahe berührten, wenn nicht gar überschnitten. Es sei vorläufig geplant, neben einen wirf­fchaftlich- finanziellen Zusammenschluß auch eine politische 3ufammenarbeit zu organisieren. Wirtschaftlich sollen Produktion und Verbrauch in Europa   vereinheitlicht, finanziell alle Kreditquellen vereinigt und politisch die Sicherheit zur Bildung einer internationalen Militärmacht garantiert werden. Borverhandlungen Befuchs von Stresemann in Paris   geführt worden. Stresemann habe in Paris   namentlich eine Eisenbahn- und 3011­union vorgeschlagen.

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Stillstand um die Reparationen. Wer entscheidet über den Konferenzort?

Paris  , 12. Juli.  ( Eigenbericht.) Die französische   Regierung scheint den Stillstand, der augenblicklich in den diplomatischen Vorbereitungen zur internatio­nalen Regierungsfonferenz zu verzeichnen ist, zu einem gewissen Drud auf Deutschland   ausnutzen zu wollen. Jedenfalls teilt der Petit Parifien" heute in einer recht furiofen Notiz mit, daß es außerordentlich schwierig sein werde, die Ernennung der mit glieder für die nach Berlin   einzuberufenden Sachverständigen tomitees zur Organisation der Internationalen Reparationsbank und zur Ueberleitung vom Dawes zum Young- Plan bis zum 15. Juli zu vollziehen, zumal man sich noch nicht über die Zuziehung ameri­fanischer Sachverständiger einig sei. Das Blatt läßt dabei durch bliden, daß Frankreich   diese Ernennung befchleunigen fönnte, falls Deutschland   sich bereit erklären sollte, in der Wahl des Kon­ferenzortes den französischen   Standpunkt zu teilen und für die Bestimmung einer neutralen Stadt einzutreten. Die Forderung Frankreichs   nach dem neutralen Konferenzort scheint mit um so größerer Heftigkeit aufrechterhalten zu werden, als Frankreich   be­fürchten zu müssen glaubt, daß England die Verteilung der mobi­lifierbaren deutschen   Zahlungen zuungunsten Frankreichs   ab­ändern will.

Die Proteste der europäischen   Staaten und Latein- Amerikas gegen die neuen amerikanischen   Zolltarife werden voraussichtlich zur er abseßung verschiedener Tarife führen. Präsident Hoover konferierte am Donnerstag über die Neugestaltung mehrere Stunden mit den maßgebenden Persönlichkeiten. Vor allem dürfte der Auto­mobil3oll wesentlich herabgesetzt werden. Die Ford- Company tritt für die restlose Abschaffung der Autotarife ein, während General Motors   und andere führende Firmen eine Herabsetzung der Tarife von 25 auf 10 Proz. befürworten. An sich sind die Erörte­rungen über den Autotarif rein akademischer Art. Die amerika­die Einfuhr ausländischer Wagen nach Amerita verschwindend gering ift.

Die Diftatur blamiert sich. Journalisten- Ausweisung aus Südstawien.

Der Korrespondent des ,, Berliner Tageblattes" in Südslawien  , Theodor Bertes, wurde am Donnerstag zum Chef der poli­tischen Polizei in Belgrad   gerufen und ihm mitgeteilt, daß er in drei Tagen Südslawien zu verlassen habe. Auf seine Frage wurde ihm mitgeteilt, er werde wegen eines Artikels über die Massen­erschießungen auf dem Balkan  " ausgewiesen.

Mit dieser Ausweisung beweist die südslawische Diftaiur­regierung nur, daß die tatsächlichen Angaben dieses mit großer Sorgfalt verfaßten Artikels, der alle Gerüchte und unbestätigten Be­hauptungen ausschied, unbestreitbar find. Südflawien, das einst in seinem Kampfe gegen den Faschismus die Sympathien der euro­ päischen   Kulturländer auf seiner Seite hatte, isoliert sich mit diesen Methoden der Bekämpfung der Weltmeinung mur mehr und mehr selbst.

Ueberfall auf Ministerauto in Bulgarien  . Bei Philippopel   wurde nachts ein Regierungsauto, in dem sich der Präfekt des Bezirks, ein der Regierunaspartei angehörender Abgeordneter, der General­jefretär im Ministerium für öffentliche Arbeiten und einige Polizei­beamte befanden, von Banditen überfallen, die etwa 20 Schüsse gegen das in voller Fahrt befindliche Auto abgaben. Ein Beamter wurde dabei tödlich verlegt. Die Untersuchung hat bisher nicht ergeben, ob es sich um einen Ueberfall von Wegelagerern oder um ein politisches Attentat gehandelt hat,