Delbrück und der Zahlenschwindel. Die SntlarvWg der Geschichtslüge. Zu de « besonderen Verdiensten des verstorbenen Geschichte-' ■förschrts Delbrück zählt es. daß er die seit Jahrtausenden und Jahr-' Hunderten überlieferten Zahlenangaben der Historiker des Altertums und des Mittelalters kritisch geprüft und auf ihr richtiges Maß zurückgeführt hat. Dabei ist er, auf Drund logischer Berechnungen, zu den überraschendsten Ergebnissen gelangt. Di« Millionenheec«. mit denen die Perserkönige Darius und Terxes das freie Griechen- iand überschwemmt haben sollen, haben nie existiert. Wäre das Heer des Derxe-, wie die griechische Ueberlieferung(sogar auf Grund eines besonderen Zahlocrsahrens) behauptet, wirklich Vp Millionen Mann stark gewesen, so müßte— Delbrück hat dies an den Marsch- zahlen der preußischen Armee nachgerechnet— der letzt« persische Soldat gerade aus der Hauptstadt Susa ausgerückt sein, als die Spitze des Heeres die Schlacht von Platäa schlug! Delbrück hat erkannt, daß die Griechen zahlenmäßig stärker waren als die Perser! Ebenso haben die von den römischen Schrift» stellern genannten Millionenheere der Gallier und Germanen niemals existiert. Ein germanischer Stamm auf der Wanderung (Bölkenncnderung) kann nicht mehr als WlXX) bis 20000 Köpf« gezählt haben. Die Ritterheere des Mittelalters, mit dem Karl der Große und seine Nachfolger chre Schlachten schlugen, waren nicht stärker als 5000 bis 6000 Mann. Eine größere Stärke wäre schon an der Frage der Verproviantierung von Menschen und Pferden bei den damaligen Wirtschastsverhältnissen gescheitert. Die Sucht, durch Angabe phantastischer Feindeszahlen den eigenen Sieg mög- lichst strahlend erscheinen zu lassen, ist während der ganzen geschicht- iichen Frühzeit ebenso verbreitet gewesen wie auf der anderen Seite die Kritiklosigkeit, mit der solche Zahlen hingenommen wurden. Di« Berechnungen, die Delbrück in seiner oierbändigcn„Ge- schichte der Kriegskunst" über die wirklich« Stärk« der alten und mittelalterlichen Heere anstellt, sind überraschend, aber voll beweis- kräftig. Trotzdem kann man immer wieder erleben, daß Geschichte- lehrbücher, selbst für höhere Lehranstalten, die alten Zahlenphanta- sie» de» Herodot , des Cäsar und der mittelalterlichen Chromsten stumpfsinnig nachbeten. Woraus man sieht, daß G e s ch i ch t s- lügen unendlich zählebig sind! England und Rußland . Moskau soll einen Unterhändler nach London entsenden. London . 15. Juli. (Eigenbericht.) Außenminister Henderson teilte im Unterhaus mit, daß die Sowjetregierung hinsichtlich der Wiederausnahm« der Beziehungen zu England bisher in London keine Schritt« unternommen hätte. Die britische Regierung hob« die russisch « Regierung inzwischen jedoch durch Bermilllung der nor» wegischen Regierung bitten lassen, einen Vertreter nach London zu schicken, der mit der britischen Regierung die besten Methoden für«ine Regelung der noch vor Aufnahme der normalen Beziehungen zu erledigenden Fragen besprechen soll. Macdonald erklärt«, daß ein Beschluß der Regierung über die Frage der Wiederaufnahme der englisch -russischen Beziehungen nicht gefaßt werden würde, bevor das Haus Gelegenheit gehabt habe, die Frage zu erörtern.___ König von England abermals operieri. ?iippenteile entfernt. London , 16. Juli. Der König hat sich heut« vormittag einer neuen Ope« ratio» unterzogen, bei der, dem ärztlichen Bulletin zufolge. Teil« van zwei Rippen entfernt wurden, um eine direkte Behandlung und Drainage des Abzesjes in der rechten Brust- seit« zu ermöglichen, der einen Durchmesser von eineinhalb Zoll hat. Bei der Operation waren sieben Aerzte zugegen. Der Zu- stand de; Königs wird als zufriedenstellend bezeichnet. Keine wetteren Todesurteile in Litauen . Erfolg eines Drie�es Macdonalds an Woldemaras. Nvnmo, IS. Juli.(Eigenbericht.) Im Zusammenhang yzit dem im Mai versuchten Attentat airf den litauischen Ministerpräsidenten Wold«. mara» wurden besonders in den Kreisen der Studenten.zahlreiche Verhaftungen vorgenommen. Die Mitglieder der sozial-revolutio- nären Gruppe unter der Studentenschaft wurden restlos gefangen- gesetzt. Bon ihnen ist der Student W o s i l i u s als aktiver Teil- nehmer an dem Attentat kürzlich erschossen worden. Der Bater eines anderen Studenten, der nach dem Attentat geflüchtet ist, wurde in da» Konzentrationslager von Warna verschickt. Im Gefängnis verblieben 14 Studenten. Mehreren drahte die Todesstrafe. Der Prozeß gegen sie wurde jedoch wider Erwarte» vo Kriegsgericht immer wieder verschoben. Das hing nach unseren Informationen mit einem persönlichen Brief ZNocdonalds an Woldemaras zusammen. Darin warnt Macdonald den liiauischen Mnister- Präsidenten vor ltandgerichtiichen Todesurteilen und der Anwendung politischer Reprcstalicn. Auf Grund dieser Warnung wurden die Verhandlungen vor dem Kriegsgericht zunächst wiederholt ver- ichoben. Erst dieser Tage ist die erste Gruppe der Angeklagten ab- geurteilt worden. Der Student M e s ch l u» erhielt lebenslängliche» Zuchthaus, die anderen drei wurden zu schweren Kerkerstrafen verurteilt. Die Aburteilung der übrigen Gruppen steht in den nächsten Tagen bevor. Auckvibrien stehen im Gegensatz zu der Prozedur des Kriegsgericht» Verteidiger zur Verfügung: außer- dem ist die Vernehmung von Entlastungszeugen zugelassen. Trotz Faschismus neues Parteiorgan in Litauen . Kowno , 15. Juli. (Eigenbericht.) Einigen entschlossenen Sozialisten in Litauens Hauptstadt ist es gelungen, trotz der VersNgungen durch die Woldemaras-Regierung ein neues sozialistische» Organ ins Leben zu rufen: „varbo Balß"(„Di« Arbeitsstimme"). Da» Blatt erscheint ein» mal wöchentlich und wird von den Sozialisten Kairi«, Pureniene, Biekski und Augustlnawiciu» heraus» gegeben. Unter dem Druck der Zensur muß e, sich zumeist darauf beschränken, Berichte aus der sozialistischen Bewegung de. Au»» l a n d e s zu bringen. Ueber Litauen selbst findet yian wenig darin, denn da ist„c 1 i e» in Ordnung"! Einspruch Kanadas gegen den Zolltarif der USA . Der �-nadii-hk Gesandt« in Washington hat beim Staatsdepartement gegen dl« geplant« Erhöhung der Zollsätze aus Bauholz, Vieh und ander« Er» zeugnisse Einspruch erhoben.
Die Lastenverteilung.
am— SS—£/v�Sr- Oer Arbeiter: ,Aber Sie tragen ja auf Ihrer Seite alle Säulen ob!' Oer Kapitalist: ,0as tut nichts. Wenn das Oach auch etwas schief steht, deswegen stürzt es doch nicht ein.'� Reichsiagsubertragung durch Rundfunk? Ein Wort an die Parlamente.
Ministerialrat Hans Goslar , der Letter der presseslelle de, preußischen Siaatsminisleriums. nimmt in der nächsten Nummer der Zeiischrist„D> e Sendung"(Verlag Beckendorf) zu diesem Problem Siellitng. wir gebe» einen Auszug aus seinem Aussah wieder. Ueber das Formell« und im Augenblick praktisch Durchführbar« hinaus, muh einmal das wirklich Grundsätzliche hier zur Debaiie gestellt werben. Zunächst einmal sind nach der Reichsoerfassung Artikel 29 die Reichstagsvollsitzungen öffentlich Di« Tribünen sind der— sich in den Greven der ausnugbaren Räumlich. keit haltend«— Ausdruck für dies« vessentlichkeit. Di« Presseempor«, von der die telcphonischen Berichte über die Sitzungen in» ganze Land und i» das Ausland hinausgehen, ist die sozusagen in« Euro- pöisch« und darüber hinaus über den gesamten Globusbereich er- wectert« Oeffentlichkeit. Der Rundfunk stellt daher da» parlameut nicht etwa prinzipiell, sondern nur technisch vor eine neue Situation. Vom Standpunkt der versaflungsrechtlichen Zulässigkeit aus und noch mehr von dem der Parlamentsideologie aus werden Reichstag und deutsche Länderparlamente keine Schwierigkeiten machen können. Ein« ander« Frag« ist, ob die durch Reichsrotsrichtlinien und Konzessionsbedingungen dem deutschen Rundfunk auferlegte Ausschaltung aller P a r t e i p o l i ti k der Uebettragung hindernd im Weg« stehen könnte. Das wäre doch nur dann möglich, wenn nach Belieben nur«in Ausschnitt aus einer Sitzung gegeben und wenn von der vollständigen Ueberiragung einer Debatte Abstand genommen würde. Kommen alle Parteien im Lauf« der Debatte zum Wort, so werden sie gewiß— und das wird je nachdem das Pech der«inen und das Glück der anderen sein— nicht alle zu Zeiten gehört werden, in denen die Masse der erwerbstätigen Rundfunk- Hörer am Apparat sitzen kann. Aber das gleiche würde ja auch Geltung haben, wenn die Tribünen im Reichstag selbst nicht nur für ein paar Hundert, sondern Zehntausenden Raum böten: es kann das also keine Rolle bei der Beurteilung spielen. Da» Wesentlich« ist und bleibt, um das überparteiliche Gesamtbild herzustellen, das den Ausgaden und Arbeitsbedingungen de» Rund- funk » entspricht,, die vnrelv schiert«, getreu« Wiedergabe einer Aussprache von Anfang an. — sagen wir einmal: Regierung»- oder Porieieninitiativantrag, beziehungsweise große Anfrag«, Reden der Parteien in erster und eventuell auch zweiter Garnitur und Schlußwort der Regierung. Schon dies« Forderung zeigt aber die eminenten technischen Schwierigkeiten. Debatten über Ding« von minder großer Bedeutung für weite Volkskreise wird man nicht übertragen. Große Debatten aber von Allgemeininteresse über brennend« Tageefragen werden eben— in erster und zweiter Rednergarnitur— zumeist nicht nur einen vollen, sondern zwei SjZungstage beanspruchen. Und jeder Versuch, die Uebertragung�rüher abzubrechen, würde aus den ver- ständlichen Widerspruch der Parteien stoßen, di« glauben, tziit ihrem Standpunkt noch nicht genügend zur Geltung gekommen zu sein und noch im weiteren Verlaus der Debatte Wesentliches sagen zu müssen. Die Ueberiragung �großer" parlomentsdeballen käme de«' zufolge nur in Arage. wenn der Berliner Kender sich enlschließen könnt«, einige Male im Jahre bei entsprechenden Gelegenheiten einen oder zwei ganze Sendetoge von etwa 10 Uhr morgen» Ms in den Späinachmilkag oder gar Abend hinein zu reservieren. Dies« Forderung aber stellt durchaus nichts Ungeheuerliche» dar: sie löge nur im Interesse der sehr notwendigen Maßnahmen zur staats- bürgerlich«» Interessierung des Volke». (Eine scheinbar kompliziert« Frage ist aber die, ob, wie im Fall« der J&pd« Dr. Stresemanns, der Widerstand des Aeltestenrat» ver- ständlich ist. wenn lediglich«!»« Minlsterrede, nicht ober ein« Debatte übertragen werden soll. Zunächst: ein« Red« de» Außenminister» zu den da» Leben der Gesamtnation betreffenden großen Fragen der Außenpolitik ist keine Parieirede. S>« müßte dem ganzen Volke zur Meinungsbildung be- kannigegeben werden— in Frankreich werden solch« Reden durch LnscAag im Land« verbreitet—, damit die Diskussion darüber einsetzen kann und damit die Regierung ihren Standpunkt, den sie doch praktisch— mit der ganzen Verantwortung für Gelingen oder RichtgeNngen belastet— gegenüber dem Ausland vertreten muß,
auch an das eigene Volk heranbringen kann. Schon bei Begründung des Rundfunks ist in die Reichsratsrichtlimcn ein Passus eingeschaltet worden, der der Reichsregierung und den Regierungen der Länder die Berechtigung zuerkannt, Nachrichten, denen sie Bedeutung bei- messen und auf deren weitestgehende Publizität sie demgemäß Wert legen wüsten, als sogenannt«„A u f I a g e n a ch r i ch t« n" ohne Be- fragen der Ueberwachungsausschüsse durch alle(Reichsregierung), respektive(Länderregierungen) durch die auf ihrem Territorium stn- denden Sender auszugeben. Der Passus lautet: .vi« von der Nachrichtenstelle als.Auslagenachricht«," be- zeichneten Nachrichten müssen unverzüglich, unverkürzt«ad uuver- ändert verbreitet werden." Und in der Erklärung heißt es dazu, daß Reich und Länder dancher einig sind, daß als Auflagenachrichten und Dorträg« nur „amtliche" Nachrichten und Dorträg« in Frage kommen. Sinngemäß« und von Aeinlich-bureaukrotlscher Betrachtungsweise frei« Auslegung muh dahin führen, anzuerkennen, daß nicht nur Nachrichten und Vorträge, sondern auch außen, und innen- poltNsche Erklärungen von besonderer Wichtigkeit, die an da» ganze Volk herankommen sollen, zweifellos jederzeit durch die Reichsregierung— fei es im Reichstag oder sonst— vor dem Rundfunk abgegeben werden können. Das gleiche gilt dann sinngemäß für die Länderregierungen. Schon di« Möglichkeit, daß einmal ein Außenminister, der die Fernwirkung seiner Red« im Reichstag aus das«igen« Volk bei einer nicht immer ausreichenden Presseberichterstattung nicht für wirksam genug hält, dazu übergehen könnte, nicht nur im Parlament— dem er Rechen- schast schuldet, und von dem er das Vertrauen für feine Politik votiert«rhalten muß— zu sprechen, sondern sein« Politik darüber hinaus auch vor dem Rundfunk und damit vor Millionen Hörern zu vertreten, dürft« dem Parlament zu denken geben. Will es nach wie vor die einzig« legitime Stelle sein, vor der�über di« Schicksals- fragen der Nation autoritativ gesprochen wird, dann darf«» sich nicht länger gegen die Einführung von Rundfunkübertragungen der Reden führender Regierungsvertreter und ganzer parlomentsdebatten sträuben und muh auch Energie genug besitzen, um vbstruktiou au» den eigenen Reihen, die die würde' de» Parlament» bei Ueber. traguug der Debatten in den Augen de» Volke» beeinträchtigen könnte. zu unterdrücken._< 1929»der 1629. Lehnsherrliche Genehmigung. In der„Kreuz- Zeitung " wird ein.Aufgebot' de» Justiz- Ministeriums in Mecklenburg-Schwerin veröffentlicht, das so be> ginnt:„Nachdem der Gutsbesitzer von der Lüh« zu Äonnstors mit lehnsherriicher Genehmigung sein Lehnyut verkaust hat..." E« bleibt in Mecklenburg-Schwerin noch allerlei zu tun. um da» dortige Mittelalter endgültig zu beseitigen. Ein Opfer Büngers. Kleine Tragödie in Sachsen . Man schreibt uns aus Dresden : Als Herr Bünger mit Schmerzen an der Zusammenstellung seine, Kabinett, arbeitet«, lenkt« di« Recht« sein« Blick« auf Herrn Schreiber, den Führer der Landvolkspartei. Herr Schreiber war tiefinnerlich beglückt. Bier« long kam er zum Schützenfest nach Meißen gefahren. Bei fröhlichem Bankett löst« der Wein die Zunge. Unter lärmendem Jubel seiner Freunde stellt« er sich vor: der soeben ernannte neu« sächsische Wirtschastsminister. Da» Glück währte nicht lange. Herr Bünger nahm einen anderen. Grollend zog sich Herr Schreiber zurück. Er vermochte nicht, Herrn Bünger da» vertrauen auszusprechen, bei der entscheidende» Abstimmung über da» Mißtrauensvotum im Sächsischen Landtag verließ er den Saal. Der Wurm fraß ihm am Herzen: so legte er die Führung das Landvolt» nieder und trat zu den Deutschnotionalen über. Und nun meldet der Telunion-Sachsendienst, daß er ernsttich seelisch ertrankt sei. Er. hat in Meißen di» Wonnen hp» Ruhms genossen, und kann nicht zurückfinden in die dunkle-, ruhmlos« Existenz«in«,«in. achen Abgeordneten. Ezg Opfer Bünger- 1
sich' fach«