Morgenausgabe 1sTonalion
Rr. 329
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46.Jahrgang
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C.
Mittwoch
17. Juli 1929
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Der Minister des Auswärtigen hat den interimistischen chinesischen Geschäftsträger im Moskau telegraphisch beauftragt, der Sowjetregierung die chinesische Antwortnote auf das russische Ultimatum zu überreichen.
In dieser Antwortnote wird mitgeteilt,
daß der ordentliche chinesische Geschäftsträger sich demnächst von Nanking mit allen Vollmachten ausgestattet nach Moskau begeben werde, um alle schwebenden Fragen mit dem Sowjet
fommiffariat des Auswärtigen zu besprechen.
Die Note besagt weiter, die chinesische Regierung und das chinesische Bolt hätten immer freundschaftliche Gefühle gegen die Regierung und das Volk der Sowjetunion gehegt. Es seien aber jüngst auf chinesischem Gebiet Bemeise dafür geliefert worden, daß Sowjetagenten tommunistische Propaganda betreiben mit dem Ziel, die chinesische Regierung und die Gefellschaftsordnung Chinas zu gefährden.
Die Nantingregierung verlangt, daß die Sowjetbehörden erstens die jetzt in Rußland gefangen genommenen Chinesen freilasse. Zweifens die Chinesen in Rußland in gleicher Weise gegen Repreffalien und Angriffe beschüße.
Die chinesische Note schließt: Die Nationalregierung wird Handeltreibende aus der Sowjetunion immer gut aufnehmen, aber die fürzlich erfolgte Berhaftung von Russen in der Mandschurei fei nichts als gerecht und eine notwendige Maßnahme zur Unterdrückung der kommunistischen Propaganda in der Mandschurei und zur Aufrechterhaltung der Ordnung gewesen.
Die Sprache der russischen Presse. Mostay, 16. Juli. ( Telegraphen- Agentur der Sowjet- Union.) sweftija" führt auf Grund der Meldungen aus Schanghai aus, die Nankinger Kreise versuchten, indem sie die Ereignisse bei der oftchinesischen Eisenbahn als geringfügigen Zwischenfall darftellten, der Berantwortung auszuweichen. Diese Versuche würden von der Sowjetunion entschieden abgelehnt. Die Borgänge bei der ostchinesischen Eisenbahn bedeuteten tatsächlich eine Beschlagnahme Um die Ordnung aufrechtzuerhalten, hätten die der Bahn und eine Richtigkeitserklärung der Verträge von 1924. mandschurischen Behörden von der ostmandschurischen Eisenbahn Das Blatt erklärt: Im Namen der Sowjetöffentlichkeit warnen wir Besiz ergriffen und das Sowjetkonsulat in Charbin geschloffen. Die noch einmal die chinesischen Militaristen vor der Fortfegung ihres mandschurischen Behörden berichteten, daß die russischen Beamten gefährlichen Spiels und erinnern daran, daß heute der dritte und der oftchinesischen Bahn das Uebereinkommen von 1924 nicht genau legte in der Sowjetnote festgelegte Tag abläuft. Wenn die chine befolgt hätten, so daß man die Handlungsweise der Nationalischen frecen Angreifer auf ihrer provotatorischen Politit beharren und eine friedliche von der Sowjetunion vorregierung nicht als Verletzung des genannten Uebereinkommens angeschlagene Lösung des Konfliktes ablehnen, müssen sie die Folgen fehen dürfe, doin ihres Starrfinns tragen."
Die Versöhnungskommission.
Eine Erklärung des Reichskanzlers.
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machen mürde. Aus der Haltung der deutschen Delegation in der Septembertagung erfläre sich auch die Tatsache, daß über die Dauer der Kommission, wie das bei Abschluß der Genfer Berhandlungen veröffentlichte Kommuniqué zeige, teine Einigung habe erzielt werden können.
England und die Räumung.
In bezug auf die Behauptungen, die noch immer in einem| Bunft über den Versailler Vertrag hinaus Ronzeffionen Teil der französischen Presse unter Berufung auf die Genfer Verhandlungen vom September vorigen Jahres über den Plan der Einlegung einer befonderen om mission für die demilitarisierte Rheinland3pne aufgestellt werden teilt Reichskanzler Hermann Müller als der damalige Führer der deutschen Delegation mit, daß er nur die schon verschiedentlich von amtlicher deutscher Seite abgegebenen Erklärungen über dieses Thema wiederholen fönne. Insbesondere stimme er in allen Bunkten den Ausführungen zu, die noch vor wenigen Tagen Reichsaußenminister Dr. Stresemann gegenüber einem Vertreter der ,, Frankfurter Zeitung " gemacht habe. Bei den Verhandlungen im September habe er in feinem Augenblick einen 3weifel darüber gelassen, daß für Deutschland eine über das Jahr 1935 hinaus tätige Rommission der in Rede stehenden Art feinesfalls in Frage tommen fönne. Keine deutsche Regierung würde sich finden, die in diesem
Zur Durchführung der Ostpreußenhilfe.
Die Landbundniederlage soll verschleiert werden. Rechtsstehende Blätter fuchen aus der Erledigung der Differenz zwischen dem Landwirtschaftsverband Ostpreußen und der Staats. regierung eine Schlappe" für die preußische Regierung zu fonstruieren unter der Begründung, daß der deutschnationale Ab. geordnete v. Rohr im Landtag darauf hingewiesen habe, daß von einem Käuferstreit überhaupt feine Rede sei, und daß auch die Insterburger Bontottandrohung in nicht einem einzigen Falle in die Praxis umgesetzt worden sei.
Hierzu erklärt der Amtliche Preußische Pressedienst: Beil von dem Käuferstreit teine Rede mehr ist und weil die Infter. burger Boykottandrohung nicht nur in feinem einzigen Falle in Die Braris umgesetzt worden ist, sondern nach der verbind lichen Aeußerung des Borstandes des Landwirt. schaftsverbandes überhaupt nicht mehr besteht, hat die Staatsregierung die Angelegenheit gemäß ihrer amtlichen Ver öffentlichung als erledigt betrachtet. Lediglich aber der Einwirtung der Staatsregierung in dieser Angelegenheit ist es zu danken, daß der von dem Landwirtschaftsverband nach seinen Mitteilungen in feinem amtlichen Organ feinerzeit in Aussicht genommene Käufer streit und auch die Bontottandrohung des Kreisverbandes in Insterburg nicht in die Wirklichkeit umgesetzt worden sind.
Die preußische Staatsregierung hat den beabsichtigten 3wed, der Durchführung der Ostpreußenhilfe schädliche Maßnahmen des
London , 16. Juli. ( Eigenbericht.) Der Staatssekretär im Kriegsministerium Snimvell erklärte im Unterhaus in Beantwortung einer Frage, daß es unmöglich sei, definitive Weisungen hinsichtlich der Rhein landräumung an das Hauptquartier der britischen Besatzungsarmee ergehen zu lassen, che ein fester Entschluß bezüglich der Räumung vorliege. Die im Falle der Räumung zu treffenden Maßnahmen felen natürlich bereits zwischen dem Kriegsminister und dem Kommandeur der britischen Rheinlandtruppen be sprochen worden.
Landwirtschaftsverbandes zu verhindern, voll erreicht. Es gehört daher eine bemerkenswerte Umbeutungstunst der zitierten Blätter dazu, aus diesem Gang der Ereignisse der preußischen Staatsregierung eine„ erhebliche Schlappe" anzubichten!
Der Befreiungsdrang Indonesiens .
Scharfe Sprache auf einem Kongreß in Batavia .
Amfterdam, 16. Juli. ( Eigenbericht.) Im indischen Boltsrat in Batavia tam es anläßlich der Haushaltsdebatte zu einer großen politischen Aussprache. Für die nationalistische Partei erklärte Abgeordneter Suroso, daß Indonesien wegen der geringen Zahl der dort wohnenden Niederländer kein Dominion nach englischem Mufter werden könne, daß aber
jede Kolonie einmal aufhören müsse, Rolonie zu sein. Er forderte einen Staatsausschuß zur Vorbereitung eines wirklich indischen Parlaments. Für die indische Sozialdemokratie forderte Middendorp, daß man dem Nationalgefühl der sich als unterdrückt betrachtenden Indonesen Rech. nung tragen müffe. Der Glaube an eine gütliche Lösung des folonialen Verhältnisses sei heute schon bei vielen indonesischen Führern geschwunden. Die heutige Zeit sei für Ostindien eine Uebergangsperiode, die in einer völligen Befreiung Indonefiens ausmünden müsse.
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Imperialismus.
Rußland und die Chinesische Mandschurei .
Was bisher die fommunistische Presse in Deutschland über den Konflikt in der Mandschurei zu erzählen wußte, ist nichts anderes als ein Sammelsurium von fonfusen Behauptungen und primitiven Schlagworten, die es einem sehr schwer machen, dem russischen Standpunkt gerecht zu werden. Danach stünde man einer planmäßigen, von langer Hand vorbereiteten Offensive des internationalen Imperialismus gegen den ,, einzigen Arbeiterstaat" gegenüber, den es für die Proletarier lischen Intrigen, von japanischen Geheimabkommen aller Länder zu verteidigen gelte. Es wird da von eng= mit China gefaselt und es fehlt nur noch, daß die Sozialistische und die Amsterdamer Internationale beschuldigt werden, die Russenausweisungen aus der Mandschurei veranlaßt zu haben. Aber auch das fommt sicher noch.
Daß die englische Arbeiterregierung, die gerade bemüht ist, die Politit ihrer fonservativen Vorgängerin gegenüber Sowjet- Rußland rückgängig zu machen und die diplomatischen und sonstigen Beziehungen zwischen London und Mostau restlos wieder herzustellen, ihre Hand im MandschureiKonflikt haben fönnte, das wird selbst der dümmste Jungspartatiſt nicht glauben. Ernsthaftere Beachtung würde schon der Hinweis auf Japan verdienen. Indessen ist die Behauptung der Roten Fahne", daß ein geheimer Militärvertrag zwischen Tokio und Nanking abgeschloffen worden sei, reichlich findisch. In Wirklichkeit besteht seit Jahren eine ernfte Spannung zwischen der japanischen und der chinesischen Nationalregierung, die oft gefährliche Formen anzunehmen drohte. Der chinesische Warenbontott gegen Japan wird von der regierenden Kuomintang- Partei weiter durchgeführt und, während sich die Beziehungen zwischen Nanking und allen übrigen Mächten besserten, galt in den Augen der Chinesen Japan bis zuletzt als der rüdsichtslose Gegner, der von seinen Vorrechten nichts preisgeben wolle und alte, doch nicht restlos beigelegte Zwischenfälle( z. B. in Tsinanfu) dazu benuße, um weiter seine Truppenteile auf chinesischem Boden zu belassen. Erst vor kaum zwei Wochen ist die chinesenfeindliche Regierung Tanaka in Tokio gestürzt und durch ein ausgleichsfreundlicheres Kabinett abgelöſt worden. Aber bisher sind noch keine positiven Schritte zur Bereinigung der alten Gegensäge unternommen worden. Daß fich über Nacht diese ausgesprochene feindselige Haltung in ein geheimes Militärbündnis gegen Rußland umgewandelt haben sollte ist offenfundiger Unsinn.
Dieser Unsinn ist um so auffallender, als in Wirklichkeit eine imperialistische Interessensolidarität zwischen Japan und Sowjetrußland gegen China besteht. Denn das muß einmal flar ausgesprochen werden, um der verlogenen bolschewistischen Agitation einen Riegel vorzuschieben: Rußland - und zwar gilt dies für die heutige Sowjetunion genau so wie früher für das zaristische Rußland - hat in der Mandschurei , die chinesisches Gebiet ist, in Wirklichkeit nichts zu suchen. Es bestehen zwar Verträge, gewiß, Berträge, die den Russen einen Einfluß auf die oftchinesischen Eisenbahn- und Telegraphenlinien in der nördlichen Mandschurei sichern. Diese Verträge sind vom 3aren im Interesse des russischen Imperialismus den Chinesen aufoftropiert worden, und das bolschewistische Ruß= land hat sie übernommen und erneuert und beruft sich heute auf sie.
Aehnliche Verträge hat der japanische Imperialismus für die südliche Mandschurei den Chinesen in der Zeit ihrer Ohnmacht und Zerrissenheit auferlegt. Japan und Sowjetrußland sind in dieser Frage gegen China so sehr folidarisch, daß Mostau in den letzten Monaten mit Totio Verhandlungen über die etwaige Abtretung seiner Sonderrechte in der Nordmandschurei gegen entsprechende Kompensationen eingeleitet hatte!
Damit soll nicht dem endgültigen Urteil über die Schuldfrage in dem gegenwärtigen Konflikt vorgegriffen werden. Es bleibt abzuwarten, ob das Material, das die chinesische Regierung der Weltöffentlichkeit unterbreiten wird, genügt, fertigen. Dann wird es sich zeigen, ob das bei den Hausum die Ausweisung der russischen Eisenbahnbeamten zu recht suchungen in den russischen Konsulaten von Mulden und Charbin vorgefundene Material eine etwaige Berlegung der Verträge durch Rußland als bewiesen erscheinen läßt. Es soll nicht einmal bestritten werden es ist hier vielmehr von vornherein betont worden, daß Rußland ein lebenswichtiges Interesse an der direkten Bahnlinie zwischen Tschita und Wladiwostof befigt, denn sonst ist die Hauptstadt der Republik des Fernen Oftens vom übrigen Sibirien aus nur durch eine andere Bahnlinie zu erreichen, die einen mehrtägigen Umweg bedeutet.
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Bogegen wir uns wenden, das ist lediglich die grenzenlose Berlogenheit, mit der der Bolschewismus, weil es sich um seine eigenen imperialistischen Interessen handelt, sich über den Imperialismus der anderen entrüftet. Ja, wenn es sich bei der oftchinesischen Bahn lediglich um