Morgenausgabe
46.Jahrgang
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Der Borwärts" erscheint mochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abenbausgaben für Berlin und im Handel mit dem Titel„ Der
Abend", Illustrierte Beilagen Boll
und Zeit" und„ Kinderfreund". Ferner Unterhaltung und Wissen". Frauentimme". Technit".
Blid in die
Bücherwelt" und Jugend- Borwärts"
Sonnabend
20. Juli 1929
Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.
Die sinipattige Ronpareillezetle 80 Pfennig. Reflamezelle 5.- Reichs mart. Kleine Anzeigen" das fettge brudte Wort 25 Pfennig( zuläffig gwel fettgedruckte Borte), jedes weitere Wort 12 Pfennig. Stellengesuche das erste Wort 15 Pfennig, jedes weitere Bort 10 Pfennig. Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Borte. Arbeitsmarkt Beile 60 Pfennig. Familienanzeigen Zeils 40 Pfennig. Anzeigenannahme im Haupt geschäft Lindenstraße 3, wochentäglich von 8 bis 17 Uhr.
Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands
Redaktion und Verlag: Berlin SW 68, Lindenstraße 3 Vorwärts- Verlag G.m.b.H.
Bernsprecher: Donhoff 292-297. Telegramm- Adr.: Sozialdemokrat Berlis
Staatssekretär Stimson teilte mit, daß die Ne gierung der Vereinigten Staaten die Verbindung mit den Botschaftern Englands, Frankreichs und Japans auf. genommen habe, um einen gemeinsamen Schritt der Mächte zur Verhinderung eines russisch- chinesischen Krieges herbeizuführen. Stimson erklärte, Rußland und China hätten den Kellogg - Paft unterzeichnet und die Ansprüche beider Bölker feien solcher Natur, daß sie einem Schiedsgericht zur Lösung unterbreitet werden könnten.
Militärbezirks teilnahmen. Besprochen wurden die Schutzmaßnahmen an der chinesisch- russischen Grenze für den Fall eines falls feitens weißgardistischer Emigranten oder chinesischer Truppen. Das Ergebnis der Besprechung wurde geheimgehalten. Wie von amtlicher ruffischer Seite zu den Gerüchten über den Abbruch des Urlaubs Budjonnys mitgeteilt wird, entsprechen diese Gerüchte nicht den Tatsachen. Auch die Nachrichten über eine Mobilmachung der Rofen Armee entsprächen nicht der Wahrheit.
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Banktonto: Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten Wallstr. 65. Diskonto- Gesellschaft, Depofitentaffe Lindenstr. 8
Klaffentampf ist Kampf der Unorganisierten gegen die Organisierten!
In der Praris haben die Kommunisten immer Spaltung der Arbeiterklasse getrieben. Aber theoretisch haben fie fich lange Zeit gesträubt, diese Spaltung als ihr Ziel anzuerkennen. Sie wurde vielmehr hingestellt als bedauerUeber- licher, leider notwendiger Begleitumftand des Kampfes gegen die Reformisten", wobei es den Massen zum Trost dienen mußte, daß die Spaltung nur von ganz kurzer Dauer sein würde: denn in fürzester Zeit würde sich auch der letzte Arbeiter von dem Verrat der Reformisten und Gewerkschaftsführer überzeugt haben und zur KPD. gestoßen sein. Dann sei unter der KPD . die alte Einheit wieder hergestellt. Diese Prognose ist aber nirgends eingetroffen, weder in Deutschland noch in einem anderen Lande. Die Kommu niften bleiben überall in hoffnungsloser Minderheit, das einzig Reale ist die Spaltung. Was tut ein Kommunist in solchem Falle? Er baut flugs eine neue Theorie: Er beweist der Welt, daß die Spaltung der Arbeiterklasse durchaus notwendig sei und auf una bänderlichen öfonos mischen Ursachen beruhe. Mit anderen Worten: Die Spaltung avanciert vom„ notwendigen Uebel" zum gewollten und beabsichtigten Ziel, die Klassenkampflinie wird nicht sondern quer zwischen Bourgeoisie und Proletariat, durchs Proletariat gezogen!
Mostau, 18. Juli.
Staatssekretär Stimson beabsichtigt, die Vermittlung Die in Moskau eingetroffene amerikanische Wirtso einzuleiten, daß Frankreich den ersten diploma ihaftsdelegation besteht aus 87 Vertretern amerikanischer tischen Schritt bei der Sowjetregierung unternimmt, da Industrieunternehmungen, Handelsfirmen und Großbanken. Unter Amerika mit ihr keine diplomatischen Beziehungen unter ihnen befinden sich u. a. Todd von der Colombia Trust Co., ein hält. Dagegen wird Amerika den Vermittlungsschritt bei Better des Reparationsagenten Parker Gilbert. Der Delegation der Nankinger Regierung selbst unternehmen. In gehören auch Journalisten an, darunter Willis, der Heraus folge dieser Regelung unternehmen also die beiden geber des„ Journal of Commerce". Die Handelskammer der Sowjet union für den Westen veranstaltete für die Delegation einen EmpSchöpfer des Kellogg - Paktes, Frankreich und die Verfang, an dem auch Vertreter der Sowjetregierung teilnahmen. einigten Staaten, den Friedensschritt. Vorausgeseht, daß China und Rußland sich mit dem Vermittlungsschritt einverstanden erklären, sollen an der eigentlichen Lösung des Konfliktes alle diejenigen Staaten teilnehmen, die an Ostasien interessiert sind und zu den Hauptmächten des Kellogg Paktes gehören.
Krieg wird nicht erklärt.
Riga , 19. Juli. ( Eigenbericht.)
Der russische Verkehrskommissar erklärte
am Freitag gegenüber einem Pressevertreter, daß Mosfau aus prinzipiellen Gründen der chinesischen Regierung teinen Krieg erklären werde, solange chinesische Truppen das Sowjetgebiet nicht betreten. Im übrigen seien alle Maßnahmen zum Schute der russischen Grenze getroffen.
Kowno , 19. Juli. Wie aus Moskau gemeldet wird, fand am Freitag unter dem Borfil des Kriegsminifters eine Sonderfihung des Kriegs- und Revolutionsrates statt, an der der Chef des Generalftabes, der Leifer des Versorgungsamtes und der Chef des Leningrader
Wahltag: 17. November.
Allgemeine Kommunalwahlen in Preußen. Der Amtliche Preußische Pressedienst meldet: Das preußische Staatsministerium hat durch Beschluß vom 18. Juli d. J. als Wahltag für die allgemeinen Neuwahlen zu den Provinziallandtagen, den Kommunallandtagen der Bezirksverbände Kassel und Wiesbaden und des Landeskommunalverbandes der Hohenzollernschen Lande, den Kreistagen, den Gemeindevertretungen der Städte und Landgemeinden sowie der Amtsvertretungen in der Rheinproving und der Provinz Westfalen den 17. November 1929 festgesetzt.
Zugleich hat es beschlossen, die an dem genannten Tage stattfindende Wahl miteinander zu verbinden.
Die Zerstörung beginnt. Grenzfunnels in die Luft gesprengt.
London , 19. Juli. ( Eigenbericht.) Aus Charbin wird gemeldet, daß russische Truppen die chinesischen Grenztruppen in der Nähe von Brofraniffchaya am Freitag früh angegrifen haben. Es verlautet, daß Kavallerie an dem Gefecht teilgenommen habe. Die kämpfenden Parteien sollen sich nach kurzem Feuerwechsel wieder zurückgezogen
haben.
Die Chinesen haben die Eisenbahntunnels der chinefischen Ostbahn in Brofranitfchaya 3 er stört und 40 kilometer füdlich dieser Stadt mit Minenlegungsarbeiten im Seetanal von San Fen Ho begonnen. General Tschanghsüling, der in der Mandschurei kommandierende chinesische General, befindet sich mit Inftruffionen von Tschiangtaischef auf dem Wege nach Mukden, um dort die militärischen Vorbereitungen zu überwachen. Die Sowjetkonsuln in der Mandschurei haben am Freitag den mandschurischen Boden verlaffen.
Eine Bestätigung für die Reuter- Meldung aus Osaka ( Japan ). wonach die Russen in der Mandschurei die Offensive ergriffen und wonach die Ruffen in der Mandschurei die Offensive ergriffen und die Grenzflädte Brofranitschay und Mantschuli eingenommen häften, liegt hier nicht vor. ( Siehe auch 2. Seite.)
Der Parteifreund des Ministers, der Demokrat Krüger, er widerte seinem Vertrauensmann fühl:„ Wir werden Ihre Borlage mit aller Gewissenhaftigkeit prüfen und dann unsere Stellung dazu nehmen." Der Sozialdemokrat Fröhlich protestierte gegen die Diktaturgelüfte des Minifters. Der aber wiederholte in größter Aufregung:„ Ich bleibe der Meinung, daß Sie nicht wissen, was Sie tun." Die Herausforderungen des Ministers gingen schließlich in dem Entrüstungssturm des Landtages unter.
Angora in Flammen.
Feuersbrunst in der türkischen Hauptstadt.
Angora, 19. Juli.
Im Stadtzentrum ist gestern nacht gegen 1 Uhr ein Großfeuer ausgebrochen, das in den Morgenstunden noch nicht gelöscht war, sondern sich in drei Richtungen mit rasender Schnelligkeit weiter ausbreitete. Die Verwüstungen sind erheblich.
In einer weiteren Meldung aus Angora heißt es, daß der Brand um 19 Uhr noch andauert. Nach den letzten Meldungen brannten etwa 500 Vertaufs Einige von der sozialdemokratischen Fraktion zum Bolfsstätten und 100 Häuser ab. Das Feuer entstand bildungsetat eingebrachte Leitfäße über die Gestaltung aus bisher noch ungeklärter Ursache in einem Bretter des Berufsschulwesens wurden mit Unterstützung der beiden demokratischen Abgeordneten angenommen. Erregt beppt. Bisher sind ein Toter und außerdem zahlreiche Sprang darauf hier der demokratische Bildungsminister Dr. Paul Verletzte zu beklagen. fen auf und rief der Abstimmungsmehrheit und seinen eigenen Freunden zu:„ Sie wissen ja nicht, was Sie tun! Sie machen mir dadurch eine Vorlage zunichte, die ich für die nächsten Tagen beabsichtige. Ich werde die Borlage aber trotzdem einbringen." Der Landtagspräsident sah sich gezwungen, den Minister in die Schranken seiner Zuständigkeit dem Landtag gegenüber zu perweisen.
Später wurde gemeldet: Die Feuersbrunst hat den größten Teil der Altstadt und den Markt zerstört. Das Feuer hätte fast die ganze Neustadt erreicht. Es ist noch nicht bekannt, wieviele Menschen umgekommen sind. Bisher hat man sechs verkohlte Leichen zwischen den zerstörten Gebäuden gefunden.
Der in diesem Fall die neue Theorie besorgt, ist der tommunistische Landtagsabgeordnete und Redakteur Paul Merter. Seine Schrift Revolutionäre Gewerkschaftsstrategie und die rechten Liquidatoren in Deutschland " liest sich zwar insofern ziemlich bequem, als sie ganz auf Polemik gegen die Brandler- Thalheimer- Gruppe eingestellt ist und mehr Kritik als pofitive Darstellung gibt. In seiner Polemit jedoch gezwungen, seiner eigenen Anschauung, zugleich der gegen die Liquidatoren" und Versöhnler" wird Merker offiziellen Anschauung der KPD. , ein theoretisches Fundament zu geben. Und wie sieht dieses aus? Nach Merker gibt es nicht eine Arbeiterklasse, sondern zwei Arbeiterklassen, die ökonomisch voneinander getrennt und ander eingestellt sind: nämlich durch notwendige Gegensäge tlassenfeindlich zueinaristokratie auf der einen, die übrige Arbeitermasse auf der eine Arbeiteranderen Seite. Aus der Existenz dieser beiden Arbeiterklassen ergibt sich dann als zwangsläufige Folge die Spaltung der Arbeiterbewegung und der Arbeiterorganifationen.
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Hören wir mit Merkers eigenen Worten. Er begreift unter Arbeiteraristokratie nicht etwa nur die Gewerkschaftsspigen", also die besoldeten Gewerkschaftsbeamten und sonstigen Funktionäre. Von diesen steht für Merker ohne weiteres weiteres fest, daß sie bezahlte Agenten der imperialistischen Großbourgeoisie" sind und daß sie als solche ,, systematisch bürgerliche Auffassungen unter den Arbeitern propagieren, um sie vom Kampf um Erhöhung der Löhne und Berkürzung der Arbeitszeit abzulenten".( Vgl. S. 80 a. a. D.) Die Liquidatoren" bekommen von Merfer heftige Tritte, weil sie einem Teil der Gewerkschaftsführer wenigstens subjektiv den guten Glauben zusprechen und in feiten" in der Beurteilung der Gegner geziemen einem Revo ihnen nur objektive Verräter" sehen. Siehe Feinfühliglutionär nicht, erklärt Merker. lutionär nicht, erklärt Merker.
Sind aber die Gewerkschaftsführer samt und sonders Berräter, so genügt es nach Merfer feineswegs, die Beweis führung auf diesen Tatbestand zu beschränken. ,, Der Schwerpunkt des Problems liegt sicherlich in den sozialen Wur= zeln der Reformismus." Diese sozialen Wurzeln" gräbt Merker auf Seite 24 feiner Broschüre aus. Man liest da:
,, Nicht nur deshalb sind die reformistischen Führer für die Arbeitersache nicht zu gewinnen, weil sie mit dem kapitalistischen System versippt und verwachsen sind, weil sie ihren Gruppen- und Klasseninteressen im fapitalistischen System viel besser versorgen fönnen als im Sozialismus. Das Entscheidende liegt darin, daß die Führergruppe eine bestimmte soziale Schicht vertritt, deren Intereffen fapitalistisch sind."
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Diese soziale Schicht, deren Interessen kapitalistisch sind, ist die Arbeiteraristokratie". Von dieser Schicht behauptet Merker, daß sie mit dem Kapitalismus zufrieden ist, weil sie die Knochen vom Tisch der Bourgeoisie erhält".( S. 26.) Aus diesem Grunde ist es nach Merker auch ,, hoffnungslos", diese Schicht für den Klassenfampf zu gewinnen. Vielmehr muß der Klassenkampf nicht nur gegen die Bourgeoisie, sondern auch gegen die Ge= samtheit der gelernten, organisierten, furz irgendwie beffer entlohnten Arbeiter geführt werden. Das spricht Merker deutlich auf S. 25 der Broschüre mit folgenden Sägen aus:
,, Die Arbeitertiasse ist feineswegs aus einem Guß. Zu den Zeiten Engels und Mary' war die Erscheinung der Arbeiteraristokratie eine national- englische... Die
Periode des Imperialismus hat Möglichkeiten für die Herausbildung einer solchen Arbeiterschicht in den wichtigsten Industrieländern der iWelt geschaffen. Das Proletariat ist sozial gespalten.