Morgenausgabe
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46.Jahrgang
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Freitag
26. Juli 1929
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Faschistisch kommunistische Brüder. Prag und Budapest .
Sowjetbotschafter trinkt auf Mussolini. - Kommunisten im Faschistenferfer.
Gestern abend gab das Luftfahrtministerium der mit einem dreimoforigen Flugzeug in Rom eingetroffenen sowjetrussischen Mission ein Banfett. Unter den eingeladenen
Gästen befanden sich Unterstaatssetretär im Luftfahrt.
ministerium Balbo, der russische Botschafter, weiter verschiedene andere italienische Unterstaatssekretäre, General
de Pinedo, zahlreiche Offiziere der Fliegertruppe sowie verfchiedene andere Persönlichkeiten. Unterstaatssekretär Balbo überbrachte den Gruß des italienischen Regierungschefs Mussolini an die russische Aviatik und hielt eine Ansprache, in der er u. a. fagte, daß das Flugwefen nicht nur eine furchtbare Kriegs
waffe, sondern auch ein Wertzeug des Friedens darstelle, weil es die Völker einander näherbringe und sie immer mehr vereinige.
Balbo schloß mit einem Hochruf auf die russische Aviatit. Der russische Botschafter drückte im Namen der Sowjetbefahzung den Dant aus für den freundschaftlichen Empfang, der ihr in Rom zufeil geworden ist. Er sprach von der großen technischen und zivilen Bedeutung des Orientfluges, der von Unterstaatssekretär Balbo geleitet wurde, und äußerte den Wunsch, die russische Aviatit möge den von den Italienern in Odeffa gemachten Besuch möglichst bald erwidern Der Botschafter schloß seine Rede mit einem Hoch auf 3talien und auf die Macht der Aviatik.
Ein Borstoß für die Konferenz.
Labour schlägt Haag vor.- Ausweg aus der Sackgasse..
London , 25. Juli. ( Eigenbericht.)
Die britische Regierung, die bereits vor einer Woche ihre grundsäkliche Zustimmung zum Saag als Ta. gungsort der Reparationskonferenz gegeben hatte, hat nunmehr trotz ihres lebhaften Wunsches, die Konferenz in London zu sehen, die Initiative er griffen und den interessierten Mächten von sich aus den Borschlag gemacht, die Konferenz im Saag abzuhalten. In amtlichen Kreisen ist man der Auffassung, daß der belgische Widerstand angesichts der Bereitwilligkeit sämtlicher anderen interessierten Mächte, nach dem Haag zu gehen, nicht mehr als unüberwindlich zu be trachten sei und die Konferenz nun doch noch, wke ursprünglich geplant, am 6. August im Haag zusammen. treten wird.
Bier Mächte einig für Haag.
Die Agentur Havas veröffentlicht folgende Mitteilung: Der Meinungsaustausch, der über die Wahl des Konferenzortes geführt wird, wird zwischen den intereffierten Regierungen eifrig forfgesezt. Außenminister Briand hat darüber gestern und heute mit dem englischen Botschafter, mit dem japanischen Botschafter und heute vormittag mit dem deutschen Botschafter verhandelt. Im Augenblid scheinen Deutschland , England, Frankreich und Japan sich dahin verſtändigt zu haben, daß die Konferenz im Haag stattfindet.
Es handelt sich jeht darum, die 3ustimmung Belgiens zu erhalten, dessen Regierung durch den englischen Botschafter zur
französische Regierung daran unannehmbare Bedingungen knüpfen sollte, würde sich Belgien vermutlich eher dem englischen Stand punkt anschließen, wenn es auch aus taktischen Gründen versuchen wird, formell eine gewisse Mittelstellung zwischen den beiden Groß: mächten einzunehmen. Im übrigen macht Belgien große und, wie es scheint, nicht aussichtslose Anstrengungen, um die Zustimmung der Mächte dazu zu gewinnen, daß die Internationate Bant
Nach der Beilegung des Konflikts.
Von Rudolf Illovy.
Prag , Ende Juli. Dunkle Wolfen, die in der ersten Julihälfte zwischen Brag und Budapest aufgestiegen waren, sind glücklicherweise verscheucht. Der Konflikt wegen des von den Madjaren unter Spionageverdacht verhafteten und verschleppten tschechoslowakischen Eisenbahners wurde durch das Entgegentommen der Tschechoslowakei fast ganz liquidiert und die Wiedereröffnung des eingestellten Eisenbahnverkehrs vom Tatragebirge nach Budapest steht bevor.
Ein Konflikt wurde beigelegt, doch neue Streitfälle dürfBethlen ist von dem Wahne befangen, es sei der Augenblic ten nicht lange auf sich warten laffen. Die Regierung Horthygekommen, an dem das Königreich Ungarn in seinen alten Grenzen wiederhergestellt werden fönne. Am 26. Mai hielt Ministerpräsident Graf Bethlen bei einer militärischen Dentmalfeier vor geladenen diplomatischen Vertretern der Kleinen Entente eine Rede, in der er den Kampf für die Rückeroberung der früheren ungarischen Gebietsteile ankündigte. Die Folge davon war eine Demarche der Kleinen Entente in Budapest . Troß der ironischen Antwort Bethlens gab man sich schließlich mit einer Erklärung zufrieden.
Ungarn ist zwar dem Scheine nach entwaffnet, in Wirklichkeit aber unterhält es militärische Organisationen, die zum Kriege rüsten. Offiziere und Mannschaften sind in harmlose Formationen, wie Finanzwache, Sportvereine und ver= schiedene staatliche und private Korporationen, eingekleidet. Sie werden militärisch geschult und mit Waffen versehen. Die einzige Frau im Budapester Abgeordnetenhause, die Sozialdemokratin Kéthly, machte in ihrer Parlamentsrede am 10. Juni d. I. auf den militärischen Charakter der Levente- Organisationen aufmerksam, die unter der Maste der jezigen Machthaber in Ungarn dienen, während die ungarische Arbeiterschaft eine Erziehung der Jugend für den Frieden verlangt.
ihren Sizin Brüssel erhält. Dieser Frage mißt Belgien eine ungleich größere Bedeutung bei als der nach dem Siz der Liquides Sports auftreten, jedoch nur den kriegerischen Zwecken dationskonferenz.
Noch keine Polenverhandlung. Warschauer Entrüftung wegen der Bertagung.
Warschau , 25. Juli. ( Eigenbericht.)
Die deutsche Antwortnote auf den polnischen Vorschlag, die Handelsvertragsverhandlungen am 25. Juli wieder aufzunehmen, etklärt, daß infolge der Urlaubszeit erst in vier Wochen Terminvereinbarungen überhaupt treffbar find. Das erregt hier größte Entrüftung und heftigen Preffefturm. Die Antwort wird allgemein auf Einfluß Hermes zurückgeführt und als Beweis schlechten Willens und der Aussichtslosigkeit weiterer Berhandlungen beurteilt, zumal frühere deutsche Noten vom Mai, Juni und Juli unverzügliches Weiterverhandeln zujagten. Es ist daraufhin zu befürchten, daß die polnische 3usage über die Zurückstellung anderer Streiffragen im Berhandlungsintereffe nicht länger aufrechterhalten wird.
Meinungsäußerung aufgefordert worden ist. Einwendungen Hermann Müllers Genesung.
gegen den Haag als Konferenzort werden von einer anderen Macht nicht erwartet.
Französischer Widerstand.
Paris , 25. Juli. ( Eigenbericht.) Der deutsche Botschafter in Paris hatte am Donnerstag nach mittag eine Unterredung mit dem franzöfifchen Außenminister über den Tagungsort der bevorstehenden Reparationskonferenz und den Beginn dieser Verhandlungen. Auch der englische Botschafter sprach wegen der gleichen Fragen bei Briand vor. Die franzöfifche Presse lehnt den englischen Vorschlag, die Konferenzim Haag stattfinden zu laffen, wegen der gespannten belgisch - holländischen Beziehungen ab und schlägt Lausanne als Tagungsort vor.
In Brüsseler politischen Kreisen urteilt man trotz der noch ve ftehenden Schwierigkeiten ziemlich optimistisch über die Ausfichten der bevorstehenden Liquidationstonferenz. Nach der Einigung mit Deutschland über die Martfrage erwartet man, was die belgischen Ansprüche anbetrifft, feine besonderen Schwierig teiten mehr. Bohl weiß man, daß die englische Regierung in bezug auf den von Frankreich und Italien geforderten Prozentsatz der Reparationsleistungen gewisse Borbehalte zu machen gedenkt, aber man glaubt nicht, daß gegen den von den Experten Belgien zugeftandenen Anteil Einwendungen erhoben werden. Was die Rhein landräumung anbelangt, so ist man sich in Brüssel klar dar über, daß
fie nicht mehr aufzuhalten ift
und es übrigens auch gar nicht im belgischen Intereffe liegt, die Rheinlandbesetzung noch länger aufrechtzuerhalten. In dieser Beziehung weiß man genau, daß die englische Regierung unbedingt auf einer schnellen Lösung besteht. Falls die
Rückschläge nicht mehr befürchtet.
Heidelberg , 25. Juli. ( Eigenbericht.) Der Zustand des Reichstanzlers hat auch am Donnerstag weitere Fortschritte gemacht. Die Aerzte sind hinsichtlich der Genesung des Patienten bester Soffnung und glauben, daß Rückschläge jetzt nicht
mehr eintreten.
Glückwunsch des englischen Ministerpräsidenten.
Macdonald hat an den Reichskanzler Müller das folgende Telegramm gerichtet:„ Ich habe mit lebhafter Befriedigung von der erfolgreichen Operation Kenntnis erhalten, der sich Eure Exzellenz unterzogen hat. Nehmen Sie bitte meine Glück wünsche und herzlichen Wünsche für die baldige Wiederherstellung Ihrer Gesundheit entgegen.
Streit der Bauschloffer.
1500 Arbeiter am Kampf beteiligt.
Die gestern in den Bauschlossereien und Geldschrank fabriken des Schutzverbandes Berliner Schlossereien vorgenommene Urabstimmung hat mit großer Mehrheit den Streitbeschluß ergeben. Etwa 95 Proz. der Abstimmenden haben sich für den Streit entschieden.
Die Branchenkommission der Bau- und Geldschrank schlosser sowie die Vertrauensleute haben in ihrer Sigung gestern abend beschlossen, ab heute früh die Belegschaften von 33 Betrieben in den Streit zu ziehen. An dem Kampf sind zunächst etwa 1500 Bau und Geldschrank schlosser beteiligt.
Horthys Presse ist gegenwärtig fehr erbost über den englischen Außenminister Henderson, der auf eine Anfrage über Affentierungen in Ungarn im Unterhause am 11. Juli d. J. erklärte, daß gewisse Umstände für die nicht strifte Einhaltung der Friedensbestimmungen über militärische Angelegenheiten durch Ungarn zeugen. Henderson verlangte gleichzeitig von dem Interpellanten Beweise über die ungarischen Affentierungen, um sie dem Bölkerbunde vorzulegen. Die ungarischen Aristokraten, die in ihrer Naivität gehofft hatten, die Labourregierung in England für sich zu gewinnen, sind jetzt enttäuscht. Bethlen hatte sich gebrüstet, er fenne Macdonald persönlich, und es werde ihm nicht schwer fallen, mit ihm in Verbindung zu treten. Die berüchtigte Rothermerefampagne, von der man sich in Buda pest so viel versprach, ist ganz im Sande verlaufen, und Lord Rothermere gab den Ungarn den guten Rat, die Demofratie in ihrem Lande einzuführen, wenn sie etwas erreichen wollten. Die verwandtschaftlichen Beziehungen des ungarischen Hochadels zur englischen Aristokratie halfen nichts, und auch die Londoner Großbanken, die einen namhaften Teil des Aktienkapitals der Budapester Geldinstitute in Händen haben, schwiegen sich sattsam aus.
Nun wollen sich die Magnaten umorientieren. Statt nach London schielen sie nach Paris , um Briand und Poincaré für sich zu gewinnen. Bergebliche Liebesmühe! Bethlen wurde zwar freundschaftlich in Paris aufgenommen, doch den Budapester Blättern wurde von ihren Korrespondenten aus Paris berichtet, daß in der französischen Deffentlichkeit die Ansicht vorherrsche, die Wege Ungarns müßten unbedingt zu einer wirtschaftlichen und politischen Annäherung an die Kleine Entente führen. Frankreich hat die Fälschung von Tausend- Franken- Noten für nationalistische Zwecke der erwachenden Ungarn " noch nicht vergessen.
Es bleibt daher ebenso wie früher als einzige Hoffnung der Magnaten nur das faschistische Italien . Zwar brachte der kürzliche Besuch des Unterstaatssekretärs im italienischen Außenministerium Grandi in Budapest nichts Konkretes, worauf die ungarische Regierung bei einer etwaigen Aktion sich stüßen tönnte, doch sind für sie die stetigen Sympathiefundgebungen der Mussolinischen Presse eine Ermunterung. Italien war es bekanntlich auch, das Maschinengewehre und anderes Kriegsmaterial nach Ungarn geschmuggelt hat.
Die Königsfrage, die noch immer in Ungarn spukt, wurde aus taktischen Rücksichten vorläufig beiseite ge= fchoben. Man will die Situation durch sie nicht komplizieren, hofft jedoch im geeigneten Augenblick, die Welt vor eine vollendete Tatsache zu stellen. Die Revanchebewegung steht jezt im Vordergrunde. Als ernſtefter Thronanwärter gilt Otto, der Sohn des verstorbenen österreichischen Kaisers Karl, den seine Mutter, die ehrgeizige Zita , für seinen Königsberuf erzieht. Schon bald wird er das Alter erreicht haben, wo ihn seine Anhänger, die sogenannten Legitimisten, auf den ungarischen Thron sehen zu können glauben. Sein Ronkurrent ist Erzherzog Albrecht , Sohn des habs