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Morgenausgabe

Nr. 347

A 175

46.Jahrgang

Böchentlich 85 Bt. monatlich 3,60 2. tm voraus zahlbar, Boftbezug 4,32 einschließlich 60 Bfg. Boftzettungs- und 72 Bfg. Boftbestellgebühren. Auslands abonnement 6.- M. pro Monat.

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Vorwärts

Berliner Bolksblatt

Sonnabend

27. Juli 1929 Groß Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

Die etnipetttge Ronpareillezette 80 Pfennig. Reflamezeile 5.- Reichs mart. letne Anzeigen das fettge brudte Bort 25 Pfennig( zuläffig met fettgebrudte Borte), jedes weitere Bort 12 Pfennig. Stellengesuche das erste Bort 15 Pfennig, jedes weitere Bort 10 Pfennig. Worte über 15 Buchstaben zählen für zwet Worte. Arbeitsmarkt Beile 60 Pfennig. Familienanzeigen Zeile 40 Pfennig. Anzeigenannahme im Haupt refchäft Lindenstraße 3, wochentäglich Don 81, bis 17 Uhr.

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

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Poincaré zurückgetreten. Krieg den Kriegsbegern!

Krankheit als Grund- wahrscheinlicher Nachfolger Briand .

Ministerpräsident Poincaré richtete an den Prä| übernimmt und die Umbildung des Ministeriums bis nach sidenten der Republik ein Schreiben, in dem er vorschlägt, angesichts seiner Erkrankung und einer notwendig werdenden Operation, die ihn für zwei bis drei Mo­nate arbeitsunfähig mache, ihn seines Amtes zu ent. heben und einen Nachfolger zu benennen.

Hierauf trat der Kabinettsrat im Außenministerium zusammen. Der Kabinettsrat, der bis 23 Uhr tagte, er teilte der stellvertretenden Ministerpräsidenten, Justiz­minister Barthou , und dem Außenminister Briand den Auftrag, Poincaré die Zuneigung des Kabinetts zum Ausdruck zu bringen und ihn zu ersuchen, nach seiner Wiederherstellung wieder an die Spike der Regierung zu treten. Barthou und Briand begaben sich hierauf zu Poincaré , um sich ihres Auftrages zu entledigen.

Sonnabend vormittag wird der Ministerrat um 10 Uhr 30 zusammentreten. Man erwartet, daß Briand das neue Kabinett bilden wird.

der Konferenz und den Barlamentsferien vertagt. Sollte Briand jedoch jetzt schon eine Umbildung des Ministeriums vornehmen, dann ist mit einer Verzögerung der Einberufung der Konferenz zu rechnen. Innerpolitisch wird der Rücktritt Poincarés wohl eine Lintsorientierung der Regierung nach sich ziehen. Boincaré hat es immer vermieden, mit der Rechten zu brechen, und sich wiederholt in offenem Gegensatz zu den Radikalen gestellt. Trog der großen Autorität, die sich Poin­ caré als Finanzpolitiker besonders durch die Stabilisie rung des Franten erworben hat, ist seine parlamen Radikalen immer unsicherer geworden. Bei der legten tarische Situation infolge des Gegensages zu den Abstimmung, wo Poincaré nur eine Mehrheit von acht Stimmen erhielt, wurde die Stellung Poincarés bereits als unhaltbar bezeichnet.

Parlamentsferien.

Paris , 26. Juli. ( Eigenbericht.)

In der Kammer verlas Justizminister Barthou mitten in der Sizung plöglich das Schlußdekret Der Senat hat das Ratifikationsgefeß angenommen und gleich der Kammer eine Entschließung, daß die an die Bereinigten Staaten zu leistenden Jahreszahlungen durch die deutschen Reparationszahlungen zu decken seien. Außenminister Briand verlas das Schlußdekret. Die Kammer lehnte das letzte Sigungsprotokoll mit 276 gegen 256 Stimmen ab..( Bahlreiche Zurufe: Demiffion!) Auch im Senat gab es zwischenfälle, da mehrere Senatoren erklärten, eine von der erledigen zu können.

Wißt ihr, was der Krieg ist?

Ueber dem Portal eines Berliner Museums steht- auf lateinisch der Spruch eingemeißelt: ,, Nur der haßt die Runft, der sie nicht fennt." Umgekehrt fönnte man auch fagen: ,, Nur der liebt den Krieg, der ihn nicht fennt." in Deutschland . Aber noch weit größer ist die Zahl derer, Leute, die von Kunst keinen Begriff haben, gibt es viele die sich vom Kriege keinerlei zureichende Borstellung machen. Der Prozentjag der wirklichen Frontkämpfer wird abge= sehen davon, daß sie ausschließlich die zwei Millionen Toten des Weltkrieges lieferten von Jahr zu Jahr in der Be­völkerung geringer. Aber nicht nur das: in den ehemaligen Frontsoldaten selber verblaßt das furchtbarste Erlebnis ihres Daseins.

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Gewiß, wir haben jetzt eine stattliche Zahl ungeschminkter Und die fünfzig bis fünfundsiebenzig Millionen anderen? Kriegsschilderungen, wir besigen die aufwühlenden Kriegs­auch die bildlichen Kriegsdarstellungen eines Dig und Krain. romane der Remarque, Renn und anderer. Wir besitzen Soeben läßt auch die Amsterdamer Gewertschafts­internationale unter dem Titel ,, Nie wieder Krieg!" eine Anzahl erschütternder photographischer Dokumente, Naturaufnahmen des Krieges und seiner Greuel als Broschüre erscheinen. Wer diese anklagenden Bildnisse ver­stümmelter Gesichter und zerfeßter Leichen ohne tiefes Grausen betrachten kann, muß ein Herz von der Roheit des Femehenters Klapproth besitzen.

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Trotzdem wer alles dieses gelesen und angeschaut hat, weiß der, was Krieg ist? Er weiß vom Krieg unge­fähr so viel, wie vom Geschmack des Kaffees einer weiß, der ein Heft über Kaffeezubereitung liest, ohne je welchen ge­trunken zu haben. Wenn man einem Nichtkriegsteilnehmer fagt: Es ist oft so, daß du dich auf den Operationsstuhl des Bahnarztes fezest, vor dem du als Kind die größte Angst dritten Tage einer Grabenschlacht bei

Der Rücktritt Poincarés tommt überraschend. Bis gulegt schien es, als ob Poincaré großes Gewicht darauf lege, der Konferenz der Regierungen über den Young- Plan bei­zuwohnen, und zwar als Hauptdelegierter Frankreichs und Bräsident der Konferenz. Es ist zu befürchten, daß der Rück fritt Poincarés eine Verzögerung der Konferenz nach sich ziehen wird. Es ist aber durchaus möglich, daß die wird. Es ist anzunehmen, daß Briand unter Beibehal- Rammer übermittelte Borlage nicht nach Schluß der Karimertagung ftrömendem Regen begann mein Nachbar, ein Mann, der Lösung der Regierungsfrise sehr schnell vor sich gehen tung des Außenministeriums die Leitung der Regierung

Der Reichskanzler außer Gefahr

Reine täglichen Krankheitsberichte mehr.

Aus Heidelberg wird mitgeteilt:

Da der Verlauf des Heilungsprozeffes der Operationswunde des Herrn Reichskanzlers ein durchaus normaler ist, kann von der weiteren Herausgabe täglicher Krankheitsberichte abgesehen werden. gez. Enderlen.

Die Verhandlungen mit Polen .

Eine deutsche Erklärung.

Zu den Angriffen der polnischen Presse auf die Reichsregierung wegen der abermaligen Hinausschiebung des Verhandlungsbeginns wird offiziös in Berlin erklärt: es ist rid, tig, daß von beiden Bar­teien der 25. Juli als Verhandlungsbeginn in Aussicht ge= nommen war. Da sich jedoch noch gewisse Vorbereitungen not­wendig machten, sollte der Verhandlungsbeginn um vier Wochen hinausgeschoben und dies durch eine gemeinsame Veröffentlichung mitgeteilt werden, zu der der polnische Geschäftsträger in Berlin feine 3ustimmung in Aussicht gestellt hatte. Er erteilte aber dann seine Zustimmung nicht, so daß die gemeinsame Veröffent­lichung unterbleiben mußte. Die Warschauer Presse aber scheint über die Borgeschichte des furzen Aufschubs vollkommen einseitig und tendenzios informiert worden zu sein.

10. August im Haag. Die Young- Plan- Konferenz festgesetzt.

Paris , 26. Juli. ( Eigenbericht.)

Die englische und die französische Regierung haben sich dahin geeinigt, den anderen Mächten Haag als Tagungsort der tommen. den Regierungskonferenzen vorzuschlagen. Die belgische Regierung hat beschlossen, ihren Widerstand gegen diesen Konferenzort aufzu­geben und dem Vorschlag der französischen und englischen Regierung zuzustimmen.

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Die Konferenz wird mie der Soz. Pressedienst" erfährt- am 10. August beginnen. Die Verzögerung ist auf den unfrucht­baren Streit über den Konferenzort zurückzuführen.

Riesenbesuch erwartet.

Den Haag, 26. Juli. ( Eigenbericht.) Im Außenministerium werden Borbereitungen für die Unter­bringung von etwa 1000 bis 1500 Ronferenzteilneh mern und 400 Journalisten getroffen. Die Frage, ob die Konferenz im Huis ten Bosch, wie die erste Friedenskonferenz von 1899, oder im Friedenspalast tagen wird, ist noch nicht geklärt.

Antwort an die Kriegsheher. Beschluß der Hamburger Hafenarbeiter.

Hamburg , 26. Juli. ( Eigenbericht.) Die fozialdemokratijchen Hafenarbeiter Hamburgs haben zu der KP D.- parole, 1. August als Anfitriegs­demonstration den Hamburger Hafen ffillzulegen, in einer stark befuchten Bersammlung Stellung genommen. Einstimmig wurde eine Entschließung angenommen, in der der KPD . und ihren Moskauer Befehlshabern die Berechtigung abgesprochen wird, gegen den krieg zu demonstrieren.

Schärfster Proteft wird gegen die Terrormaßnahmen der PD. und ihrer Mitläufer erhoben, durch die die Hafenarbeiter einge­schüchtert werden sollen. Die Hafenarbeiterschaft wird auf das kläg. liche Fiasko hingewiesen, das die PD. im Offober bei ihrem Kampf im Hamburger Hafen erlitten hat, und aufgefordert, auf feinen Fall den unsinnigen Parolen einer Partei Folge zu leisten, an deren den unsinnigen Parolen einer Partei Folge zu leisten, an deren Händen noch das Blut der Berliner maiopfer flebe.

Mörderische Dittatur. Oppositionsführer Pribitfchewitsch im Sterben.

Wien , 26. Juli. ( Eigenbericht.)

Der Zustand des vor einigen Monaten von der Diffatur in Jugoslawien internierten Oppositionsführers Pribitschewitsch verschlimmert sich von Tag zu Tag. Neben schwerer Tuberkulose leidet Pribitschewitsch an einer Blutvergiftung, so daß sein Zustand ziemlich hoffnungslos ist. Alle Berfuche, pribitfchewitsch aus dem für ihn schädlichen Klima Mittelferbiens herauszubringen, find an der Hartnädigteit der Machthaber gescheitert. Auch in Belgrad rechnet man mit seinem baldigen Ableben.

Der tote Pribitfchewitsch dürfte den Diffatoren gefähr. licher sein als der lebende. Neben Raditsch werden die Kroaten und wird die gesamte Oppofition einen neuen Märtyrer haben. Dem Ausland aber zeigt der Fall Pribitfchewitsch, wie die Diktatur in Jugoslawien beschaffen ist: Sie geht über Leichen!

Kemal zahlt für Amanullah .

Der Er König in der Türkei .

Konftantinopel, 26. Juli. ( Eigenbericht.) Die türkische Regierung bewilligte dem bisherigen König von Afghanistan nicht nur die Einreise in die Türkei , sondern bis auf weiteres eine monatliche finanzielle Unterstügung. Aman­ ullah wird mitte August in Konstantinopel erwartet.

Radet wieder aufgenommen. Wie aus Mostau gemeldet wird, hat die Zentralfommission entschieden, Radel, Smilga und andere in die Kommunistische Partei wiederaufzunehmen, ohne daß ihnen das Recht gewährt wird, amtliche Posten zu bekleiden.

es im zivilen Leben schwer genug hatte, por völliger Ver­zweiflung wie ein fleines Kind zu meinen!"

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wenn man

das noch so oft und eindringlich wiederholt, fühlt deshalb der Angeredete die wirklichen Schmerzen und Qualen, unter denen der Kamerad zusammenbrach? Der Durchschnitts­mensch sucht unangenehme Eindrücke so rasch als möglich los zu werden, er verkapselt die Qual, die selbst das Anhören und Lesen solcher Dinge bereitet, unter einer soliden Schicht angenehmerer Gegenwartseindrücke.

Nun kommt leider noch hinzu, daß ein Teil derer, die am heftigsten an die Gefühlsiphäre appellieren, ihre eigene Bropaganda nicht aufrichtig meinen. Niemand hat die Kriegsgreuel so zum Gegenstand der öffentlichen Propa­ganda gemacht wie die Kommunisten. Aber leider sind zerschossene Gliedmaßen und zerfekte Gedärme für Kommu­nisten nur solange Greuel, wie sie von Kriegen bürgerlich­fapitalistischer Staaten verursacht werden. Wie alle Greuel, die der Kommunismus angeblich bekämpft, wie die Todes: strafe, das Hängen, das Prügeln, das Foltern so werden auch die Kriegsgreuel mit einem Schlage höchst wohl­gefällige Werte, sobald sie im Interesse Mos= taus vor sich gehen.

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Die zügellose Kriegspropaganda, die jetzt auf Moskauer Befehl von der gesamten fommunistischen Presse und Parteiorganisation gegen China getrieben wurde, zeigt deutlich, daß von diesen ,, Kriegsbekämpfern" eine wirt­liche Kriegsgegnerschaft nicht zu erwarten ist. Der bettelnde Kriegsverstümmelte, sonst eine stehende Propagandafiqur der fommunistischen Zeichner, hat in den Spalten der Bolsche­wistenpresse schleunigst Plaz machen müssen den schneidigen Paradebildern, auf denen der Leser den Drill von Bud­jannys Reiterscharen und die ausgezeichnete Marsch­disziplin der Infanterie Woroschilows bewundern fann! Mit genau den gleichen Mitteln treiben heute die Kom­munisten Kriegspropaganda, mit denen sie unsere deutschen Militaristen und Batentpatrioten seit vielen Jahrzehnten treiben. Die täuschende Fassade des Paradeglanzes, der leuchtenden Uniformen, der blizenden Waffen, der schmettern­Militärmusit wird einem leichtgläubigen Bublifum aufge­baut, das großenteils nicht ahnt, was hinter dem schmucken Aeußeren und der strammen Marschrichtung für die große Mehrzahl der Beteiligten sich verbirgt: die Qual monate­langen Bedrillt und Gebimstwerdens.

Das war ja das Schlimmste des Krieges: Eine kleine Raste von Vorgesezten machte er zu Halbgöttern, umgab sie mit einem traumhaften Herrendasein und zehn Millionen Muschkoten verwandelte er in Stlaven. Das Leben eines Feldsoldaten erreichte im Durchschnitt etwa den Freiheits­grab eines auf Außenarbeit abtomman­dierten Zuchthäuslers mit dem Unterschied, daß der Feldsoldat seine Ruchthausarbeit in ständiger Lebens­Sonst aber: Massenquartier, gefahr verrichten mußte. Massentost, um neun Uhr Zapfenstreich, die geringste Ent­fernung mit schwerer Strafe bedroht. fast den ganzen Tag Dienst unter Aufsicht und bei allem nicht einmal der