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Aegypten und die Arbeiterregierung Außenminister Henderson erringt die liberale Zustimmung. London , 26. Juli. (Eigenberichts Die Verteidigung der Arbeiterregicrung wegen der Entlassung des britischen Oberkommissars in Aegypten Lord Lloyd ge- staltet sich KU einem persönlichen Triumph für den Außenminister chendcrson und zu einem großen moralischen Sieg der Re- gierung auf der ganzen Linie. Die Debatte wurde durch eine Rede des ehemaligen konservatwen Ministarpräsidenten Baldrqin er- ösfnet, die bewies, daß er sich als Ankläger in diesem Falle beson- ders unwohl fühlte. Außenminister Heuderson begann mit der Erklärung, daß kein« grundsätzliche Aenderung der ägyptischen Politik erfolgt sei; besonders wandt« er sich gegen den im Oberhaus erhobenen Vorwurf, daß er hinter dem Rücken des ägyptischen Oberkommissars mit dem ägyptischen Ministerpräsi- denten oerhandelt hätte, chenderson besprach die Vorgeschichte der Entlassung Lord Lloyds und berichtet«, wie er tur� nach seinem Regierungsantritt eins der üblichen Mitteilungen Lord Lloyds an die Regierung erhalten und mit wachsendem Erstaunen von der Sprache des Oberkommissars gegenüber London und dem Geist seines Berichtes Kenntnis genommen hätte. Er Hab« sich hieraus den ganzen Akt Lord Lloyds geben lassen und sei von dem Auseln- anderklaffen der Ausiassungen zwischen Chamberloin, seinem Vor- ganger, und Lord Lloyd, dem Oberkommissar in Aegypten , in höchstem Maße betrossen gewesen. Heuderson wies in einer Reihe überaus bezeichnender Fälle nach, wie Lord Lloyd in allen großen Fragen der britische« Aegypten- Politik in scharfem Gegensah ju Sit Austen Ehambrrlain gestanden oder dem Außenminister geradezu entgegengearbeitet hatte, was zu umfangreichen telegraphischen Auseinandersetzungen geführt habe. Roch Henderson« Angabe wollte Lord Lloyd u. a. 1926 die Wieder» lehr des verfassungsmäßig gewählten ägyptischen Ministerpräsidenten Zaghlul Pascha zur Macht verhindern und habe dies trotz der Gegnerschaft Austen Chamberlains durchgesetzt: 1927 wollte Lord Lloyd die Anzahl der britischen Cisenbahnangestellten in Aegypten vermehren, konnte das jedoch in London nicht durchsetzen: später setzte Lord Lloyd beim Kabinett gegen den willen Chamberlains, der an eine Gefahr nicht glauben wollte, die Entsendung brillscher Schlachtschisse nach Aegvpten durch, was die ägyptisch-britischen Beziehungen mehr vergiftet hat als irgendein anderes Ereignis der letzten 10 Zohre. Im Frühsahr 1928 hat Lord Lloyd im Falle der Nicht,zurück- Ziehung des Versammiungsaefetzes durch die ägyptische Regierung das Parlament auflösen uno trotz der Nachgiebigkeit des damaligen Ministerpräsidenten zuextremen Maßregeln" schreiten wollen. ciu Beginn 1929 seien die Beziehungen zwischen London und dem Oberkommissar so gespannt gewesen, daß der Verkehr schwierig ge- worden war. Henderson erklärt« weiter, daß jhm dieser Zustand un> erträglich schien und verlas sein Telegramm an Lord Lloyd, das den Anlaß zum Rücktritt gab. De» Telegramm beweift, daß Henderfon» Handlung van dem wonsch getragen war, die unter seinem Vorgänger verloren. gegangene Oberherrschaft der Politik über die diktatorischen Ge- lüfle eines hohen Beamten wiederherzustellen. Henderson erklärt« schließlich, daß kein auf Aegypten bezügliches Abkommen getroffen werden würde, ohne dem Unterhaus zur Rati- iizierung vorgelegt zu werden und auch die Zustimmung des S g y p- tischen Volkes gefunden zu haben. Diese Bemerkung henderfons wurde von dem Haus allgemein als eine Anspielung auf eine Rück- lehr Aegyptens zur parlamentarischen Demokratie verstanden. Als heuderson unter lebhaftem Beifall der Arbeiterpartei wieder Platz genommen hatte, gab Sir Herbert Samuel , der frühere Oberkommissar in Palästina, die. qualisizierte L-u stammung der lLrb eralen zu dem Vorgehen Hendersons bekannt. Oes Schahkanzlers Kritik am �ouna-plan. London , 26. Juli. (Eigenbericht.) Schatzkanzler S n o w d e n erklärte im Unterhaus zur Repa- rationssrage, Großbritannien werde unter dem Poung-Plan gerade genug erhalten, um die zukünftigen Iahreszahlungen an Amerika leisten zu können. Irgendwelche Ueberschüsse würden Groß- britannien nicht oerbleiben. Vorläufig bestände eine Differenz von 4 Millionen(Mark) zwischen den Summen, die Großbritannien an Amerika gezahlt, und den Zahlungen, die es von seinen kontinentalen Schuldnern erhalten habe. Unter dem Poung-Plan könne Groß- britannien alle Hoffnungen aufgeben, diesen Rückstand je- malz zurückzuerhalten. Graßbritannien werde den Zahlungsplan dennoch annehmen, aber es könne nur unter Zwang diejenigen Maßnahmen des Aoung-Planes annehmen, die sich auf die Sach- leistungen beziehen. Die Vorschläge des Poung-Planes stellten eine neu« Forderung nach weiteren Opfern Großbritanniens dar. Cr. Snowden, glaube im Namen der Regierung zu sprechen, wenn er seststelle, daß nunmehr die Grenze für Großbritanniens Konzessionsbereitschaft erreicht sei. Der Erklärung Snowdens war ein heftiger Angriff Lloyd Georges auf den Voung-Plan voraufgegangen. Hakenkreuz-Ley verurteilt. 1000 M. Geldstrafe für eine unsagbare Gemeinheit. Köln , 26. Just.(Eigenbericht.) Das erweiterte Schöffengericht Köln verurteilt« am Freitag den nationalsozialistischen Landtagsabgeordneten Dr. Robert L« y, entsprechend dem Antrag des Staatsaimmltes, wegen Religionsbefchlmpfung. Aufhetzung zum Klassen- haß und groben Unfugs zu 1090 Mark Geldstrafe an Stelle einer oerwirkten Gefängniestrofe von zwei Monaten. Am 27. Ottober l92« erschien derWestdeutsche Beob- achter', für den der Abgeordnet« Ley verantwortlich zeichnet, mit der Aufschrift:Daube von den Iyden geschädigt'. Darunter fand sich ein unsagbar gemeines Bild mit folgender Dar» stellung: Gin Knabe wird von zwei Juden, die Zylinderhüt« tragen. gepackt. Der eine Jude sticht den Knaben mit dem Messer in den .Hol«,«in anderer Jude fängt Blut, und ein weiterer jüdisch aus- sehender Mann trinkt das Blu? aus einer Schal«. In dem Artikel hieß es. es besteh« kein Zweifel, daß Daube zum O st e r s e st von den Juden geschlachtet worden sei. Der Angeklagte erklärte, er habe mit dem Artikel nicht all« Juden gemeint, sondern nur eine bestimmte Sekt«. Auch der Verteidiger betonte, er wolle von seinen jüdischen Kollegen nicht behaupten» daß sie Christenblut trinken; damit seien nur..bestimmt« ungezügelte Juden' gemeint. Den B e w e i s für das Schauermärchen blieben beide Herken schuldig

Die halb-Erneuerona der holländischen Ersten Sammer hat den sozialdemokratischen Parteisührer Oudcgeest hineingebracht. Die amerikanischen Industriellen, die zurzeit In Rußland weilen, reisten noch Nischninowgorod ob, wo am 1. August die Mess« cröffn«t wird.

Englisch -amerikanische Abrüstung.

Eine Vernichtung, bei der die Welt nichts verlieren wird, auch wenn nach den kleinen Schiffen die großen drankommen!

Die Arbeitslosenversicherung. Beschlüsse der Sachverständigen.

Amtlich wird in später Nachtstunde mitgeteilt: Die Sachverständigenkommission zur Begutachtung von Fragen der Arbeitslosenversicherung, die im Reichsarbeitsministerlum feit dem 2. Juli tagt, erörterte in ihrem vierten Togungsabschnitt die finanziellen Fragen in ihrer Gesamtheit und beendete nach der zwei- ten Lesung ihre Arbeiten am 26. Juli. Bekanntlich war es Auf- gäbe der Kommission, eine Reihe von unerwünschten Auswirkunzen des Gesetzes und seiner Durchführung zu beseitigen und den finanziellen Aufbau der Arbeitslosenversicherung nachzuprüfen. Eine wesentliche Rolle spielte die Frage der Arbeitslosenunter- stützung bei berufsüblicher Arbeitslosigkeit. Die Kom- Mission einigte sich dahin, daß die Saisonarbeiter auch weiterhin die Versicherung zu betreuen hat. Die Frage, ob ein« Sonderregelung für die Saisonarbeiter eintreten oder«ine Gosamtregelung gefunden werden soll, bei der dos Saisonristko entsprechend berücksichtigt ist, wurde von der Mehrheit dahin entschieden, daß beiden G«- sichtspuntten Rechnung getragen werden soll. Die Höhe der Arbeitslosenunterstützung soll in Zukunft allgemein zu der Dauer der voraufgegong«. nen Beschäftigung in Beziehung gebrocht werden. Daneben sollen die Saisonarbeiter nur die Unterstützungssätze der Krisenfürsorge erhosten, und zwar nach einer Wartezeit von �wei Wochen. Von den anderen Derhandlungsergebnissen ist hervorzuheben, daß der Begriff der Arb qt tsl o s i g k t i t.i m Gesetz b«. stimmt und damit eine Reihe von Unzuträglichkeiten aufgeräumt werden soll. Für eine Anzahl von Personengruppen, z. B. für die unständig Beschäftigten, für die nebenberuflich Tätigen und die Heimarbeiter jollen besondere Regelungen getroffen werden. Weiter schlägt die Kommission in ihrer Mehrheit vor, die

Wartezeit für alleinstehend« Arbeitslos« allgemein auf zwei Wochen zu verlängern, für Arbeitslose mit großer Familie die Wartezeit auf drei Tage abzukürzen. In den Fällen, in denen dos Lohnniveau am Unterstützungeort geringer ist als am Arbeitsort, soll die Unterstützung der Lohnhöhe am Unterstützungs- ort angepaßt werden. Ferner sind eine große Reihe von Beschlüssen gefaßt worden, durch die die Verwaltung und das Bcr - fahren vereinfacht werden sollen. Soweit die bisher erwähnten Maßnahmen in ihrer sinanziellen Auswirkung übersehen werden können, kann die Ersparnis auf rund 169 Millionen Marl im Jahre geschätzt werden. Das würde ober nach Auffassung der Kommission nicht genügen, um auf die T)auer die Einnahmen und Ausgaben der Reichsanstalt in Einklang zu bringen. Die Kommission schlug deshalb, da Reichs- Zuschüsse nicht in Frag« kommen, eine befristete Beitrags- erhöhung um Vi Prozent vor. Schließlich soll die Reichs- regierung ersucht werden, die Darlehen, die bisher der Reichsanstolt gegeben wurden, bis zum 1. April 1933 zu stunden. Die Beschlüsse der Kommission wurden, wie dies bei der beson- deren Schwierigkeit der Materie verständlich ist, vielfach m i t wechselnden Mehrheiten gesatzt. Immerhin konnte in einer Reihe von Punkten volle Uebereinstimmung erzielt werden. Das Reichsarbeitsministsrium wird nunmehr nach Fühlung- nahm« mit den Landesregierungen eine Gesetzesoorlage vorbereiten, die nach dem Beschluß des Reichstages in der ersten Hälft« des August dem Reichsrot und dem Reichstag zugehen wird. Der ausführlich« Bericht über das Ergebnis der Beratungen der Sachverständigenkommission wird in naher Zest im Reichs- arbeitsblatt veröffentlicht werden. Soweit sich aus diesem dürftigen Bericht erkennen läßt, bedeuten diese Beschlüsse eine erhebliche Berschlechterung.

Volksbundführer M bedingt verurteilt. Das Gericht blamiert den Ankläger, wagt aber nicht, freizusprechen.

Kattowltz, 26. Juli. Ilm 20 Uhr 20 verkündet der Vorsitzende«ach drei» stündiger Beratung im Ulitz-Prozetz folgendes Urteil: Ter Angeklagte wird der Beihilfe zur Gutziehung vom polnischen Militärdienst schuldig erklärt und zu fünf Monaten Gefängnis bei voller Anrechnung der Untersuchungshaft und zweijähriger Be» Währungsfrist verurteilt. In der B e gr ü n d u n g führt« der Vorsitzende aus. daß das Gericht zu einemSchuldig" kommen mußte, weil es di« Unter» schrift unier dem sogenannten Biolucho-Dokumeni al» echt an» erkannte, da nach der Aussag« von Ulitz selbst er t«in Schriftstück ohne seinen Namenszug herausgehen ließ. Das Gericht erkannte jedoch an. daß er aus idealen Beweggründen und aus Lieb« zu seinem Volk« gehandelt habe, und deshalb hob« es auch das Strafmaß niedriger bemessen. Außerdem, so führt« der Vorsitzende weiter aus. hat das Gericht dem Angeklagten«inen dreijährigen Strojaujjchub gewährt und Bewährung»- frist zugebilligt und gleichzeitig dl« Untersuchungshast voll an- gerechnet. Die Verteidigung hat gegen das Urteil sofort Berufung eingelegt. Dieses Urteil ist als Brandmarkung der Anklage um so höher zu werten, als in Polen die Unabsetzbarkeit der Richter durch ein Regierungsdekret aufgehoben worden ist, jeder Richter also mit dem Verlust seiner Existenz rechnen muß, wenn er nicht so urteilt, wie man oben wünscht. Man kann aber auch vermuten, daß die R e g i e r u n g im Interesse der deutsch -polnischen Annäherung nicht mehr zu jener An- klage steht, die Ihr Mitglied Z a l e s k i in geradezu verwerf» sicher Weise, lange vor ihrer Klärung in öffentlicher Gerichts- Verhandlung, zur Stimmungsmache im Volkerbundsrat miß- braucht hat. Wenn auch Mig jetzt die Genugtuung erfährt. von dieser haltlosen Anklage freigesprochen zu werden, di« auf Spitzelmachc und Fälschung beruht, so bleibt er doch von Strafe srei. Fürs erste mag das genügen für die Zukunft ober sei Polen gesagt, daß eine unerläßliche Vorbedingung

jeder Annäherung der beiden Nachbarstaaten sein muß: die Herstellung voller Rechtssscherheit und Gleich- berechtigung der deutschen Minderheit so- wohl im Völkerbundland Ostoberschlesien wie in ganz Polen !

Ohrfeige für Bazitle. Stuttgarter Gemeinderat korrigiert den verfossungs« feindlichen Minister. Slutlgark, 26. Juli. (Eigenbericht.) D?r württembergisch« Kultusminister Bazill« Hot di« Ab- sicht der Reichsregierung, die von ihr zum 19. Gedenktag des Zu- standekommens der Weimarer Verfassung herausgegeben« Festschrift als Prämie an die Schullinder verteilen zu lassen, durch fein« schroff ablehnende Haltung zu sabotieren gesucht. Darauf antworteten die sozialdemokratischen Rathausfrakttonen in den größeren Städten des Landes mit Anträgen, die Schrift zum gleichen Zweck aus städtischen Mitteln anzuschasien. Di« zuständig« Abtellung des Stuttgarter Gemeinde- rats hat jetzt diesem Antrag gemäß beschlossen, 3999 Exemplare der Schrift zu bestellen und in dem von der Reichsregierung ge- wünschten Sinne zur Verteilung zu bringen. Für den Antrag stimmten Sozialdemokraten, Demokraten, Zentrum und Deutsche Dolkspartei. Als«in« besonders schmerzhafte Ohrfeige für Bazille muß die Erklärung der Vertreter der Deutsch « atio- n o l« n im Gemeinderat angesehen werden. Sie erklärten ledig- lich, daß ihnen di« Zahl von 3999 zu hoch erscheine, daß st« aber für«inen Antrag, 1999 Exemplar« anzuschaffen, gestimmt haben würden. Sie haben sich damit grundsätzlich in Gegensatz zu Bazwe und der Stuttgarter deutschnationalen Presse gestellt, di« gegen die Verteilung der Festschrift Stellung genommen hatten.

Der sächsische Innenminister hat nach einer Konferenz mit den Polizeipräsidenten festgestellt, daß«instweil«» kein Anlaß bestehe, dieSächsische Arbeiterwehr" zu verbieten.