Beilage
Montag, 12. August 1929
FC mi mois Der Abend
Spadausgabe des Vorwärts
Das Fest der Hunderttausende.
Volksfeiern in allen Bezirken.
In Ireptom feierte der Kern des Berliner Boltes: Von der Abtei bis zu 3enner, zum Eierhäuschen saßen die Bezirke Ireptom, Neutölln, Kreuzberg, Friedrichshain, Röpenid und Lichtenberg , die ganze Waffertante war von arbeitendem Berliner Bolt besetzt. Wer keine Festplakette trug, mar im wahrsten Sinne des Wortes ein Ausgestoßener, der nirgends eine Stätte fand, um seine müden Füße auszuruhen. Und zwischen den Berlinern überall die Gäste, von der Wasserfante bis nach Bayern : Aber die gefeiertsten waren doch wieder, hier wie bei dem großen Aufmarsch, die österreichischen Genoffen, vorab die Kapelle der österreichischen Eisenbahner, die unermüdlich im Paradiesgarten tonzertierte.
Ueberall feierte man gestern das Jeft der Republit, und| Gästen zum Fadelzug antrat, zeigten die Straßen bereits feftliches| Hinein in die republikanischen Organisationen, hinein in die Gemert es wurde überall ein Fest, das bewies, wie die Republik dem Gepräge durch Fahnenschmud usw. Die Genoffinnen und Genossen schaften, die Fronten schließen. Wer abseits steht, darf sich nicht be Wolfe ans Herz gewachsen ist. sowie die Jugend des 19. Kreises waren äußerst start angetreten, flagen. Dies muß der Wille des Tages sein. Der Wille zu neuem und als sich der Fadelzug in Bewegung setzte, war er tatsächlich Kampf, zu neuen Opfern. unübersehbar. Fast zwei Stunden leuchteten die Fackeln durch die Straßen Pankows. Auf dem Marktplatz unter zwei prächtigen Fahnentransparenten mit der Aufschrift Wahlparole 1929: Berlin den Republikanern" wurden die Fahnenrefte zufammengeworfen. Im Konzerthaus Linder, Breite Straße , dauerte dann das gesellige Beisammensein mit den Gästen bis in die späten Nachtstunden. Die Kapelle der Hannoveraner spielte unermüdlich. Am Sonntag erfolgte um 6.30 Uhr das Wecken in den Straßen. Das Reichsbanner sammelte sich auf dem Marktplatz. Ueber den Ererzierplaz banner sammelte sich auf dem Marktplatz. Ueber den Ererzierplay an der einsamen Bappel ging es zum Bülowplay, ma der Gau Berlin- Brandenburg Aufstellung für die Feier im Lustgarten genommen hatte. Am Nachmittag wurde die Feier im Konzerthaus Linder fortgesetzt. Wieder wußten die Hannoveraner mit einem vorzüglichen Konzert aufzuwarten. Kamerad Nordsieck aus Chemnitz nahm das Wort zu der Festansprache, die er mit den Worten schloß:
Um 17 Uhr zogen an der langen Front der Lokale die Boote des Deutschen Wassersportverbandes vorbei: Stolze und schöne Fahrzeuge darunter, die dafür sorgen, daß die Flagge Schwarz- Rot- Gold auch auf den Gewässern Berlins endlich die Stellung einnimmt, die man ihr hier wie überall mit hundert Schifanen verbauen will. Und als endlich in der Dunkelheit von der Abteibrücke die Worte flammten: 10 Jahre Voltsstaates lebe die Republit", als Wirte und Quartiergäste müde und doch froh nach Hause gingen, da mußten sie, daß ein Geburtstagskind, das von so vielen Menschen liebevoll betreut wird, nichts und niemand mehr fürchten braucht!
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Jm Spreegarten versammelten sich gestern abend nach dem großen Aufmarsch, begeistert gefeiert, die Abordnungen aus Desterreich. Der riesengroße Garten des Restaurants war über und üher poll. Selbst in den Gängen standen noch Hunderte, die keinen Blah mehr fanden. Gegen 8 Uhr begrüßte der Ortsvereinsvorsitzende, Franz Gutschmidt, die Bersammelten und insbesondere die Freunde aus Desterreich. Reichstagsabgeordneter Franz Künstler erinnerte in einer ausgezeichneten Ansprache daran, daß Treptow historisches Aufmarschgelände für die Borfämfper für Freiheit und Recht, für die Veteranen des Sozialismus ist. Das große Werk der Völkerverständigung und die Durchdringung der Staatssysteme mit sozialem Geist ist nur zu schaffen, wenn die Arbeiterschaft aller Länder zusammenarbeitet. Darum begrüßte er besonders die herz: liche Freundschaft, die zwischen den Desterreichern und den Deutschen besteht. Nationalrat Dr. Deutsch, der Führer des Desterreichischen Schutzbundes, konnte minutenlang nicht sprechen, als er das Podium betrat. Immer wieder und immer wieder erscholl der Ruf ,, Freundschaft und Frei Heil" durch den Garten. Die Desterreicher und die Deutschen jubeln dem Führer zu, als er mit den Worten schließt: Alle Kraft angesezt für die großdeutsche Republif. Die Westbezirke im Lunapark.
Der riesige, meitverzweigte Lunapart fonnte fie taum alle faffen, die gekommen waren, den Tag der Berfaffungsfeier in Frohfinn und Heiterfeit harmonisch austlingen zu lassen. Ein buntes Leben und Treiben von den frühesten Nachmittagsstunden bis zum späten Abend. Mufit an allen Eden und Enden, im Original und durchs Mikrophon, Tausende, fröhlich, festtäglich gekleideter Menschen. Der prächtig mit schwarzrotgoldenen Fahnen, Inschriften und Transparenten geschmückte Garten brachte den Tag und seine Bedeutung in schöner Weise zum Ausdrud. In der Mitte des Gartens, an Stelle der Fontäne, war ein Ehrenmal errichtet worden, das die Bilder jener Männer trug, die den Gedanken der Freiheit, den Willen zum Bölkerfrieden, den Wiederaufbau und die Gesundung des deutschen Boltes verwirklichen halfen: Ebert , Rathenau und Erzberger . Flugzeuge umtreiften in Schwärmen den Platz, der Himmelsschreiber führte seine Wolkenfeder und erimerte an den bedeutsamen Tag. Dann marschierte das Musittorps des Reichsbanners ein, in seiner Mitte einen Fahnenträger, der Grüße aus Buenos Aires , pon der dortigen 300 Mann starken Kameradschaft überbrachte. Reftor Kellermann und der Berliner Gauvorsitzende, Ministerpräsident a. D. Genoffe Johannes Stelling sprachen in schönen tiefempfundenen Worten über die Bedeutung des Tages und Alfred Beierle brachte mit prächtiger Begeisterung proletarische Dichtungen zum Vortrag. Dann zischte und frachte es gegen den dunklen Abendhimmel, Hunderte von Raketen und Leuchtkugeln stiegen auf, ein Riefenfeuerwert bildete den Abschluß der Feier. 20 Fackelzug in Spandau .
Der Arbeiterbezirf Spandau zeigte bereits am Vorabend der Berfassungsfeier einen imposanten Fadelzug, an dem sidy rund 4000 Bersonen beteiligten. Auf dem Rathausvorplatz hielt der Genoje Stadtrat 3 ander die Berfassungsrede. Am Sonntag hatten sich die Spandauer Republikaner in Bichelsdorf in der Haveltrone" zufammengefunden. Der große Park und der Saal waren überfüllt. Als erster Redner sprach der zweite Kreisvorsitzende, Genosse Stadtrat Adolf Suth. Seine Rede mar insofern besonders bemerkenswert, als er in den Mittelpunkt seiner Ausführungen die kommenden Kommunalwahlen stellte. Nach einem Hinweis auf die Bedeutung der Berfassung für die arbeitende Klaffe und die Erwähnung unserer großen Toten führte er aus: Die nächste Gelegenheit, unsere Tatfraft erneut zu beweisen, bilden die kommenden Wahlen in den Stadt und Gemeindeparlamenten. Bisher hat die arbeitende Bevölkerung den Gemeindewahlen viel zu wenig Intereffe entgegengebracht. Das ist um so unverständlicher, als die Auswirkungen der Gemeindepolitit jeden einzelnen treffen Ich habe jedoch das Vertrauen, daß das schaffende Berlin den Demagogen von rechts und lints am 17. november die richtige Antwort geben wird. Nach dem Redner sprachen als Vertreter des Zentrums Ramerad Galle und als Vertreter der Demokratischen Partei Ramerad Hirschfeld.
Der Aufmarsch und das Feft des Reichsbanners in Bantom war von überwältigender Birkung. Rieler, Oldenburger und Han. noveraner Kameraden, im ganzen rund 1200, trafen im Laufe des Sonnabends ein. Sie nurden freudig aufgenommen und fast reft los in Einzelquartieren untergebracht. Als am Abend des Sonnabend das Reichsbanner der Rameradschaft Bantom mit den
Der Bezirk Prenzlauer Berg des Reichsbanners SchwarzRot- Gold gab sein Volksfest im Garten des Saalbaues Friedrichs hain. Er fah bei sich als Gäste die Kameraden von den Provinzen von der Waterkant, Schleswig- Holstein , Kiel und Altona . Es war nichts von der sprichwörtlichen norddeutschen Steifheit zu spüren, man unterhielt sich angeregt mit den fremden Kameraden, tauschte Erinnerungen an Frankfurt , Leipzig und Hamburg aus und stand noch ganz im Bann des glänzenden Aufmarsches Unter den Linden . Der Garten war sehr üppig mit Fahnen geschmückt. Bäume boten Schatten. Direkt am See im Schloß Weißensee hielt der Bezirk Weißensee sein Volksfest ab. Die auswärtigen Kameraden musizierten.
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Das Festspiel im Stadion.
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Die von den Jugendgruppen in schwarzen, goldenen und roten Kostümen gestellte Reichsfahne.
Die Reichsregierung, die Preußische Regierung und die Stadt Berlin hatten für den Sonntag nachmittag eine große Berfaffungsfeier im Grunewald- Stadion arrangiert. Zum ersten Male, seitdem der Tag der Geburt der deutschen Berfaffung vom Bolte gefeiert wird, ist es den genannten Beranstaltern möglich gewesen, folche Massen zu einer Feier zu versammeln, die nicht mit Musik und Reden, sondern mit einer jymbolischen Darstellung des Werdens der Reichsverfaffung ausgefüllt wurde.
Das riesige Oval des Stadions mit seinen etwa 50 000 Sig plägen war bis zum legten intel gefüllt, als die vereinigten Kapellen der Berliner Schutzpolizei unter Leitung von Polizeiobermeister Hahn mit Fanfarentlängen und dem Florentiner marsch den Einzug der studentischen Abordnungen einleiteten. In dem langen Zuge der in vollen Wichs mit ihren Bannern und Stanbarten marschierenden Studenten fielen besonders die republika nischen und sozialistischen Studentengruppen der Berliner Hochschulen auf, die, allerdings in Zivil, schwarzrotgoldene und rote Fahnen vorantrugen. Ein neuer Fanfarenstoß, und unter der Leitung von Musikdirektor Wiedemann fingen 7500 Schultinder das Gelübde Ich hab' mich ergeben mit Herz und mit Hand". Schlicht und flar tönen die frischen Kinderstimmen durch das Stidion, die Verstärkung durch die Lautsprecher ist fast unnötig.
Dann hält der Reichsverkehrsminister Guérard eine kurze Ansprache: In schwerster Zeit der Sorge und der Not ist die Verfajfung geschaffen worden, eine Verfassung, die das Baterland zur Gonne der Freiheit führen soll.
Ohne Weimar hätten wir kein deutsches Baterland, ohne die Verfassung wäre Deutschland nie wieder ein so gewaltiger Faktor in der Politik geworden, wie es gegenwärtig der Fall ist. Deshalb sollen die Tage, an denen die Verfassung geboren wurde, im Boff immer lebendig bleiben. Sie soll für uns fein Sommernachtstraum sein; wir wollen an ihr weiterarbeiten mit bester Hingabe, wobei uns jeder willkommen ist, der guten Willens ist. Deutschlands Söhne und Töchter! Ihr seid die Zukunft, an euch wird es sein, den deutschen Reichsbau zur Bollendung zu führen. Setzt euch ein, jederzeit, überall, wo es auch sei, für das Baterland. Einer für alle, alle für einen! In diesem Sinne werden unsere Kinder jetzt fingen: Stimmt an mit hellem, hohem Klang, des Baterlandes Hochgesang".
Jugend in die Arena. Sie will den Werkleuten zu Hilfe tommen, das Wert zu vollenden. Schnell füllt sich das große Oval mit Jungen und Mädeln, die, mit buntem Tuch behangen, die Farben der deutschen Freistaten darstellen. Sie scharen sich zusammen um die Werkleute, die sie freudig empfangen:
Bereinten Kräften gelingt, was vorher getrennten Bertleuten Vereinten Kräften gelingt, was vorher den getrennten Werkleutert unmöglich mar. Aus einzelnen goldenen Stangen wird ein riefiger Fahnenmast zusammengestedt und im gleichen Augenblick ftürmen Tausende und Abertausende Schulfinder, in Schwarz tot gold gefleidet, herein und gruppieren sich am Knauf des Fahnenmaffes zu einem unendlich großen schwarz rot goldenen Reichsbanner.
Das Werk ist vollendet, Mast und Fahne werden im Stadion herumgetragen. Vollstänze und sportliche Spiele zeigen die Freude der Jugend am geschaffenen Wert. Die Glocken läuten, Fanfaren schmettern, die Kinder fingen:„ Mein Vaterland, mein Feimatland". Während des Gesanges steigt in der Mitte des Blages an einem hohen weißen Mast ein Reichsbanner empor, stürmisch be jubelt von der zuschauenden Menge. Die Werkleute und die lebenden Landesfarben schließen den Mast in ihrer Mitte und jubelnd tönt der Schwur des Boltes als Bekenntnis zum Reich.
Mächtig flattert das riesige schwarzrotgoldene Tuch im Winde. Die Mufit intoniert das Deutschlandlied und stehend singt die vers sammelte Menge den ersten und den dritten Vers. In der Höhe freisen andere Flugzeuge, die der„ Sturmvogel ", der Flugverband der Werktätigen, zu der Feier entfandt hat. In prächtigem Fluge ziehen die schwarzrotgold geschmückten Riesenvögel ihre Bahn, um dann wieder in der Ferne zu verschwinden.
Als im April dieses Jahres das neue Verwaltungsgebäude in 3ehlendorf eingeweiht wurde, wirkte es auf weite Streise befremdend, daß der Bezirksvorstandssaal zwar die Gemälde von Bismard, Hindenburg , Friedrich II. und dem Freiherrn vom Stein aufmies, nicht aber das des ersten Reichspräsidenten Ebert . Es stellte sich heraus, daß die vier Gemälde von bürgerlicher Seite geftiftet worden waren. Runmehr taten sich die Angehörigen der sozialdemokratischen Partei des zehnten Kreises zusammen und eröffneten eine Sammlung, deren Ergebnis Baluschef ein Porträt des ersten Reichspräsidenten malen zu lassen. Es ist ein wunderbares, lebenswahres Bild Friedrich Eberts geworden. Am Sonnabend vor der Berfassungsfeier murde das Bild von einer Deputation der Zehlendorfer Sozialdemokraten unter Führung des Stadtrats Rettor Holz dem Bezirksbürgermeister Dr. Schuhmacher in Dbhut' gegeben, der es mit Worten des Danfes entgegennahm und dem Bild in dem Ausschuß- Sigungssaal einex Blaz anmeisen wird.
Während noch Flugzeuggeschwader, geschmüdt mit schwarzrot goldenen Wimpeln, über der Festpersammlung freisten, begann auffie instand fezte, von dem bekannten Berliner Maler Prof. Hans der grünen Rajenfläche des Stadions das von Joseph von Fielig verfaßte und unter der Leitung des Reichskunstwartes Dr. Reds 1ob aufgeführte Festspiel Ein Männersprechchor des Deutschen Arbeiter- Sänger- Bundes begann:
Bruder am anderen Ufer höre: Wir sind ein Bolt
Wir schaffen ein Wert Das lebendige Reich!