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Jr. 353 46.3abrgang 1. Beilage des Vorwärts

Am Rande der Mark

Cychen. Stargarder. Torturm.

In Fürstenberg   in Mecklenburg   beginnen wir unsere Wanderung am Rande der Mark. Es ist ihr Nordrand, der nördliche Teil der Uckermark, die von Mecklenburg  - Strelik begrenzt wird. Nach Fürstenberg   kommen wir vom Stettiner Fernbahnhof mit der Nord­bahn, Sonntagsfarte 3. Klasse 4 Mart. Bom Bahnhof gehen wir zum Markt hinab und dann durch die Straße Unter den Linden  " zum Schloß, das zu einem Sanatorium umgewandelt wurde.

Nach Himmelpfort  .

Heute gehört Fürstenberg   mit seiner prächtigen Umgebung von Wald und Wasser zum Ausflugsgebiet von Berlin  . Wie anders war es jedoch in jener Zeit, als Witt und Swart in Reuters   Reis' na

Belligen hier hindurch famen mit Karl Bepupps Anebus( Omnibus). Nahe der Grenze ihres Heimatlandes befamen sie Angst vor dem ,, Ausland", vor dem preußischen Zoll, von dem sie annahmen, daß fie für ihr Körpergewicht Pfund für Pfund 3oll zahlen müßten und daß ihr Geld ihnen abgenommen würde. Vom Schloß geht es nörd­lich nach dem sich eng an Fürstenberg   anschließenden preußischen Dorf Ravensbrüd. Bald biegen wir von der Streliger Chauffee rechts ab auf die Lychener Chaussee, die mir nach einer furzen Strede wiederum nach rechts verlassen. Die Landstraße führt in den Wald, einem schönen Mischwald, der anfangs vorwiegend Riefern enthält. Rechts leuchtet der Schwedtsee und später der Stolpfee auf, wir bliden zurüd auf die Kirchtürme von Fürstenberg   und Ravensbrüd. Weiterhin sehen wir links den Sidowsee, einen tief in den Waldesgrund eingebetteten fleinen See. Wir sind in Himmelpfort  . Auch hier machen sich schon Wochen­endsiedlungen auf. Himmelpfort   iſt ein sich in den letzten Jahren recht gut entwickelndes Dorf mit Ober­försterei. Hier lag das ehemalige, 1299 als Filiale von Lehnin   gestiftete Bisterzienser Mönchstloster, das eine Pforte zum Himmel sein sollte( Coeli Porta). Bon dem Kloster ist noch ein Gebäude an der Straße, wohl das Brauhaus, und die Ruine der Back­

Die

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steinkirche aus dem 14. Jahrhundert erhalten. Diese liegt jeh malerisch vom alten Friedhof mit seinen schattigen Bäumen und dichten Heden umgeben am Ufer des Hausfees. Kloster Himmel­ pfort   besaß das ganze Land Lychen   mit Ausnahme dieser Stadt sowie ausgedehnte Besizungen in Mecklenburg   und Brandenburg  und war eins der reichbegütersten Klöster in der Mark.

An der Woblik.

Sonnabend, 17. August 1929

Ein anderer gleich schöner Weg führt vom Forsthaus Weblizz östlich um den Großen Lychensee herum. Wir wandern anfangs süd­östlich, dann östlich und nördlich in der Nähe des Mellensees und des Gehöfts Brennickenswerder vorüber, das links liegen bleibt, schließ­lich zum Seeufer hinab und kommen nach Hohenlychen. Hier be­finden sich viele Heilstätten, die wegen der reinen und gesunden Luft hier angelegt wurden. Meilenweite Wälder umgeben die Stadt, Industrie fehlt, so daß die Vorbedingungen für die Entstehung eines Luftkurorts hier geradezu vorbildlich sind.

Lychen   wird bereits 1248 als Stadt erwähnt. Es tam 1236 an Brandenburg  , ging aber später an Mecklenburg   verloren, von dem es 1442 wieder an Brandenburg   zurückgelangte. Wie Grenzstädte im allgemeinen, so war auch Lychen   ein gut befestigter Play. Schon die natürliche Lage bot einen guten Schutz. Inselartig liegt die Stadt inmitten von sechs Seen: Oberpfuhl und Zenssee im Osten, Burlsee und Großer Lychensee im Westen, Nesselpfuhl oder Niederpfuhl im Norden und Stadtsee im Süden. Die Stadtmauer ist noch zu einem uten Teil erhalten geblieben.

Wir überschreiten bei der Schleuse das Berbindungsfließ zwischen dem Haussee und dem Stolpsee und wandern auf der Landstraße in südöstlicher Richtung weiter. An den Weggabelungen halten wir uns links und kommen zur Ablage Rosenbaum beim Einfluß der Woblitz in den Haussee. Jetzt führt ein schöner Fußweg ( Treidelsteig) an der Woblik entlang. Das Flüßchen schlängelt sich durch schönen Wald, der vorwiegend von Laubhölzern, Buchen und Erlen, gebildet wird. Die Boblig erinnert manchmal an Bilder aus durch die friedliche Ruhe des Waldfließes. Bei einer Biegung taucht dem Hochwald des Spreewalds. Paddelboote ziehen still ihre Bahn wohl auch unvermittelt eine dickbauchige Zille auf, die am Ufer festgemacht ist und Sonntag feiert. Der Leinpfad führt bis zum Forsthaus Woblig, das am Austritt des Flusses aus dem Großen Lychensee liegt. Dieser Gee, der sich bis nach Lychen  erstreckt, hat mehrere Inseln; eine davon beherbergt eine Trinker­heilanstalt. Die Insassen können, solange sie auf diesem rings von Wasser umgebenen Eiland verweilen müssen, nicht in ihr altes steinbau, nach Johannis benannt. Man ist auch in Lychen   dem Leiden zurückverfallen.

Lychen  .

Vom Forsthaus Woblizz können wir auf zwei verschiedenen Wegen nach Lychen   wandern. Wir lassen uns über die Woblitz mit einem Kahn übersetzen und gehen dann zwischen dem Kleinen Lychen­fee( links) und dem Großen Lychensee( rechts) auf schönem Wege zum Waldende. In der Nähe des Bahnhofs Lychen   tommen wir schließlich auf die Chaussee, und auf dieser haben wir bald die alte Stadt erreicht.

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Himmelpfort  . Ruine der Klosterkirche.

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Plaster Käden

von A.M.Frey  .

Copyright 1929 by Gustav Kiepenheuer Verlag A.-G., Berlin  

Der Kommandeur fommt zu Pferd vorbei, die Herren vom Stab werden reiten, soweit es geht. Der Adjutant hat viele Flaschen Rotwein einpacken lassen, die von Ordonnanzen hinausgeschafft werden. Hauptsache ist, daß der Alte was zu trinken hat. Mehr, Hauptsache für den Adjutanten selbst, der ein eiskalter, ehrgeiziger, hochfahrender Herr ist und den zappeinden, draufgängerischen, aber wenig fähigen Komman­deur faltgestellt wissen will, damit er selber die Zügel in die Hand nehmen kann. Was für Anordnungen er zu treffen hat, das wird er dem Alten schon beibringen, der in eine Ede gesetzt, plappern wird, besoffen gemacht, ohne zu wissen, wie ihm geschieht.

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Die Feldwebel schließen ihre Sanitätswagen auf zu jedem Bataillon gehört einer und entnehmen ihnen Mate­rial. Sie warten Lipps Befehle nicht ab, der herumrennt und nach einer Rekordsprize fahndet.

Die Sanitätswagen dürfen- Anordnung höherer Stel­len! tunlichst nicht ins Feuer hineintutschiert werden. Sie müssen- Materialknappheit! möglichst geschont bleiben, und wenn die Schonung des Menschenmaterials auch darunter leiden sollte.

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Träger werden mit Binden, Flaschen, Hartspiritus, Ber­bandmull, Zwieback, Tee, Medikamenten beladen. Sie schlep­pen die Dinge davon, in Rucksäcken oder auf Bahren zu Bergen gehäuft.

Lipp ist so weit, um mit seiner Schar abzurücken. Das heißt, die Schar ist fertig geworden ohne ihn, und er muß mit. Er läßt Funt und Malz zurüd. Jemand muß in Fournes bleiben." Malz ist ihm zu fahrig für die heutigen Aufgaben. ,, Ein labiler Narr!" Auf Funt verzichtet er wohl, meil er nicht wünscht, seine desolate Verfassung in ihrem ganzen limfang vor ihm enthüllt zu sehen.

Bei Malz und Funk bleibt der preußische Arzt, der die Meter trinkt. Er übernimmt eine eventuell nötige ärztliche Bersorgung des Ortes, erklärt aber, seinen bereits zurüd

gezogenen Schippern nachzurüden, falls die Engländer unan­genehm nah herankommen sollten.

Es wird unheimlich still in Fournes. Außer den paar Leuten der Ortsfommandantur und Einzelgängern von der Bagage ist nichts zu sehen. Die Zivilbevölkerung hat sich bebend verkrochen, das Revier ist aufgelöst, wer ein Gewehr tragen fann, wird dorthin gezwungen, wo die Erde tobt.

Funk hat dafür zu sorgen, daß neues Verbandmaterial hinauskommt, daß Meldungen weitergehen, daß Verbindung mit Divisionsarzt, Sanitätstompagnie, Lazaretten gehalten wird.

Aber das bedeutet, daß er und Malz im ganzen, und gemessen an den entseglichen Leistungen von jenen da draußen, nichts zu tun haben.

Die Stunden schleichen quälend.

Immer noch trommelt der Engländer. Um drei hört er auf, schlagartig. Für den Laien wäre es ein Aufatmen, für den Eingeweihten ist es das Zeichen, daß jetzt erst das Gräß­lichste beginnt.

Funk schweift unruhig, fast mehr noch gelangweilt umher eine Langeweile, die den Ekel zum Ursprung hat. Im Vorgärtchen um die Rosen surren Hummeln. Die Erde steht noch, aber alles surrende Geräusch, alle schnell bewegte Luft ist unerträglich. Funt schlägt nach ihnen, auch er will fämpfen, fie sind ebenbürtige Feinde, fie haben einen giftigen Stachel... Es ist abgeschmackt, was er tut, aber es ist der wilde Drang nach Beschäftigung. Artillerie tobt wieder in alter Kraft. Die Engländer haben das Feuer hinter den Graben verlegt.

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Um sechs Uhr abends tommt die Kunde: der Feind ist durchgebrochen. Er hat den deutschen   Graben genommen. Er im Vormarsch. Wann wird er in Fournes sein? Er hat ja nicht weit. Malz, der Nachlässige, der nie in Ordnung ist, durchsucht jeden Winkel seines verödeten Kellers und findet wirklich noch eine zerrissene Genfer   Binde, die er mit vielen Sicherheits­nadeln um seinen Aermel heftet. Jetzt mögen sie eintreffen, er wird im Gefangenenlager Sanitätsdienst machen und es ein wenig besser haben als die andern.

Aber jene fommen nicht. Sie dringen vor bis hart an die Befehlsstellen, an den Verbandsplay. Da werden fie auf gehalten. Sie merden ,, aufgefangen", wie der militärtechnische Ausdruck heißt; er flingt harmlos und anmutig, nach Afro­baten- und Jongleurfünsten. Er und viele andere decken die Wahrheit zu die eintönige Wahrheit, daß gemordet und gemezelt wird.

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Forsthaus Woblitz.

Große Feuersbrünste haben auch Lychen   heimgesucht; 1648 und 1732 wurde der größte Teil der Gebäude vernichtet. Das Rathaus, ein fast quadratischer abgeputzter Backsteinbau, stammt etwa aus der Mitte des 18. Jahrhunderts. Es steht am Markt und ist von zwei Lindenreihen umgehen. Abseits liegt die Kirche, ein alter Feld­

städtebaulichen Zug gefolgt, die Kirche abseits von den Berkehrs­megen zu errichten, damit die Besucher ungestört ihre Andacht ver­richten und sich erbauen können. Auch die Hauptkirche von Berlin  , die Nikolaikirche, zeigt dieses Merkmal. Dagegen betrachte man von den neuzeitlichen Kirchenbauten z. B. die Gedächtniskirche am 300lo­gischen Garten, um die der Verkehr mit ungeminderter Kraft braust und wo daher eine Erbauung für den andächtigen Kirchenbesucher wohl faum möglich ist.

Von den Resten der mittelalterlichen Befestigungswerke ist noch der Stargarder Torturm am Ende der Stargarder Straße erhalten. Er stammt aus dem 15. Jahrhundert; ein Storchnest krönt ihn.

Die Rückfahrt können wir von Lychen   oder Hohenlychen der Bahn nach Fürstenberg   antreten( zuzahlen). Ungleich schöner ist jedoch die Fahrt mit dem Dampfer über den Stadtsee, den Großen Lychensee, durch die Woblitz, deren landschaftliche Schönheiten uns noch besser zum Bewußtsein kommen als bei der Fußwanderung, und über den Haussee nach Himmelpfort  . Hier wird durchgeschleust, dann geht die Fahrt weiter über den Stolpsee, durch die Havel   und über den Schwedtsee nach Fürstenberg  ( Fahrpreis 1 Marf). Unvergleich. lich schön, von hohem Genuß ist die Fahrt durch dieses prächtige Gebiet der mecklenburgisch- uckermärkischen Seenplatte.

Länge der Fußwanderung Fürstenberg- Himmelpfort- Lychen etwa 19 Kilometer. Empfehlenswerte Karten: Reichstarte( 1: 100 000), Blatt 215, Rheinsberg  , Meßtischblätter  ( 1: 25 000): 1317 Lychen  . 1397 Fürstenberg   und 1398 Himmelpfort  .

Englische Trüppchen werden abgeriegelt". Ihre Ver bindung nach rückwärts wird unterbunden.

Das ist um acht. Dann fällt die Dämmerung ein und mit ihr stärker die Hingabe an Erschöpfungen, Hingabe des Geg ners an die Erfenntnis vom mißlungenen Schlag.

,, Hab' ich's net gleich gejagt? Sie bezwecken nichts!" triumphiert Fähnlein draußen.

Wie recht er hat! Ein großer Aufwand ist schmählich

vertan.

Hunderte von Toten. Sie verwesen sehr schnell in der Julihize. Sie werden später auf Rippwägelchen der Feld­bahn, des Materialbähnchens, mie Stückware verladen und fortgerollt. Zu Hügeln türmt sich in Fournes ,, der Abfall aus der Werkstatt des Mars", wie ein Leutnant meint, der früher Reporter mar. Das unbrauchbare Fleisch, vorgestern noch verwendbar als Gewehrträger, als Bajonettstich und Schuß, fällt in die Grube. Wenn es je hier draußen etwas Würdiges, etwas Sinnvolles getan hat, jo jeẞt: es düngt die Erde. Endlose Züge von Verwundeten, von Sterbenden, die erst noch ein wenig mitmachen müssen in Eisenbahnwagen, in Lazarettbetten. Sie sind verstümmelt worden um 3 Uhr 20, um 4 Uhr 3, um 6 Uhr 18 und sind so zugerichtet für alle Ewigkeit. War es die große Minute ihres Daseins ein Höhepunkt, der nun bleibend firiert ist? Das Eiserne Kreuz  zweiter und das erster Klasse! Bei manchem ist der Lungen­flügel nicht mehr da, über dem es prangen müßte.

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Drei Tage später aber der Kommandeur, wieder in Fournes, hat sich ausgeschlafen und gar keinen dicken Kopf mehr, Lipp ist, ohne Schnupfen ebenfalls zurück erscheint ein fulminanter Regimentstagesbefehl:

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Ein neues Ruhmesblatt bildet die erfolgreiche Abwehr der starten englischen Angriffe. Schwer waren die Aufgaben, manche Opfer mußten stattfinden, hervorragend aber leuchten die Leistungen. Vorbildlichstes und schneidigstes Verhalten sämtlicher Öffiziere, musterhaftes Benehmen der übrigen Dienstgrade wie auch der Mannschaft, bewundernsmerte Tapferfeit und zähe Ausdauer, somie geniales Zusammen­wirken aller Führer waren die Grundlagen, auf denen unsere herrlichen Ergebnisse aufgebaut werden konnten. Dafür aber auch den Teilnehmern an diesem Ehrentag des Regiments mein vollstes Lob, meine größte Befriedigung, meinen innig­ften Danf im Anschluß an die höheren Ortes uns bereits ge­mährte, tief zu perehrende Anerkennung.

Es soll in Zukunft und für alle Zeit nicht anders mit gez von Bummer. uns stehen. Forthegung folgt.)