Die Sanierung.
Bur Leftendedung in der Arbeitslosenversicherung.
Im Mittelpunkt der jest beginnenden Auseinanderfegungen im Sozialen Ausschuß des Reichstages steht die Frage des Lastenausgleichs in der Arbeitslosenversicherung. Es ist deshalb notwendig, noch einmal die Gefichtspunkte herauszustellen, die bei der Ent. scheidung dieser Frage maßgebend sein müffen. lleber dreierlei mus man fich dabei flar sein: melches Risifo soll die Bersicherung tragen, welche Leistungen soll sie gewähren und mie ist der fich daraus ergebende Aufwand zu decken.
Die Sachverständigenkommission hat auf Borschlag des Mi. nifterialdirektors Weigert als Rechnungsgrundlage die Sahl von 1 100 000 Arbeitslojen im Jahresdurchschnitt gemählt. Mit melchem Recht ist diese hohe Zahl gewählt worden? Beil es der Durchschnitt der letzten drei Jahre ist. Darunter befindet fich das schmere Krisenjahr 1926, in dem die niedrigste Zahl der Hauptunterstützungsempfänger 1 308 000 betrug. Wäre es Herrn Beigert eingefallen, statt den Durchschnitt von drei Jahren den Durchschnitt von vier oder noch mehr Jahren zu nehmen, er wäre nie und nimmer auf die Zahl 1.100 000, sondern auf eine erheblich geringere gefommen. Daß diese Zahl richtig ist, behauptet ſelbſt Herr Beigert nicht. Er selbst hat erklärt, daß diese Zahl etwas neffimistisch fei, aber es empfehle fich doch, vorfidhtig zu rechnen. Peil Herr Weigert vorsichtig rechnen wollte, wird die Zahl von 100 000 zu einem unumstößlichen Dogma. Mit ebenso großem Recht fönnte ein noch vorsichtigerer Rechner fordern, daß man die Jahl von 1 300 000 zugrunde legt. Wenn er boshaft wäre, würde er darauf hingewiesen, daß Herr Weigert bei der Schaffung des Celeges es ift alfo gar nicht einmal so lange her die Durch Ichnittszahl um 400 000 geringer veranschlagte. Das richtige Prophezeien ist also gerade in dieser Frage nicht ganz einfach.
Während man von uns fategorisch verlangt, die Zahl von 1 100.000 als absolut zuverläffig hinzunehmen, ergibt sich aus den Borschlägen für eine vorübergehende Beitragserhöhung von ½ Prosent, daß meber Herr Weigert noch die Sachverständigenfommission auf die Dauer mit dieser hohen Zahl rechnen. Würde man das năm. lich tun, dann müßte man auch eine dauernde Beitragserhöhung porschlagen. So ist auch damit, wenn auch ungewollt, der Nachweis erbracht, daß die Zahl zu hoch gegriffen ist. Wenn man davon auseht, daß die Arbeitslosenversicherung in der nächsten Zeit im Durch nitt eine Million Arbeitslose unterstützen soll, dann ist das schon of gegriffen. Man muß sich doch vor allen Dingen darüber far Jein, daß feine Arbeitslosenversicherung in der Welt das gesamte Rijito in allen Fällen frägt.
t die Entwicklung des Arbeitsmarftes günstig, bann werden fich alle gegenwärtigen Berechnungen als viel zu peffimistisch erweisen, treten neue, unporaussehbare Katastrophen ein. dann werden auch dadurch alle Berechnungen über den Haufen geworfen. In solchen Situationen muß das Reich einspringen. Das entspricht auch der gangen Ronstruftion unseres Gesezes, das in diesem Buntte dem englischen Beispiel folgt. In England ist sogar der Staat von vorn herein bei der Lastendeckung der Bersicherung mit rund 30 Broz. beteiligt. Daneben stellt der Staat für den Arbeitslosenfonds Darleben zur Verfügung; durch das Gesetz vom 28. November 1928 ist der Betrag auf 800 Millionen Marf erhöht worden, man hofft damit bis zum 31. Dezember 1930 auszureichen..
Die zweite Frage ist die nach der Höhe der Leistungen. Es braucht in diesem Zusammenhange nicht nochmals erörtert werden, wie höchst unjozial die Inbeziehungfehung von Anwartschaft, aljo Beitragsdauer, mit der Höhe der Unterstützung ist. Wenn die Arbeitslosigkeit ein unverschuldetes gesellschaftliches Ereignis ist, dann darf man den arbeitswilligen Arbeitslosen nicht für die Folgen des kapitalistischen Wirtschaftssystems verantwortlich machen. Es liegt nicht in der Hand des Arbeiters und Angestellten, ob er beschäftigt wird und wie lange. Wenn es nach ihnen ginge, würden sie gewiß nicht arbeitslos werden.
Wenn man den Dingen auf den Grund geht, dann handelt es sich bei dieser Forderung doch nur um einen Leiſtungsabbau, dem
Harg
Geni
Benn berr Stresemann abergläubis if, io lönnte er in dem äußeren Zusammentreffen seiner Rüdlehr von feinem verhängnisvollen Birten im Daag mit der Explofien im Reichstag ein Benetetel feben." Deutige Beitung.
Benn er nicht abergläubisch ist, so fönnen wir ihm ja auch das Menetefel an die Tür schreiben!"
Wir ergeben uns nicht!
Kundgebung der Sozialdemokratie Deutschösterreichs.
mien, 4. September. ( Eigenbericht.)
In dem Aufruf der Sozialdemokratischen Partei, den die erweiterte Parteipertretung legthin beschlossen hat, heißt es:
,, benteurer und Hochperräter bereiten einen Errungenschaften der Arbeiterklasse por. Habsburgisches und Gewaltstreich gegen die Verfaffung der Republik und gegen die Errungenschaften der Arbeiterklasse vor. Habsburgisches und mittelsbadisches Gelb, ber reichsbeutschen Schmer mittelsbahisches Geld, der reichsdeutschen Schmerindustrie und ber ungarischen Gegenrevolution steht den Heimwehren zur Berfügung.
Der reichsdeutsche Stahltrust stellt in der Alpinen MontanGesellschaft den Unternehmerterror in den Dienst des Hochverrats gegen die Republik .
Die bürgerlichen Barteien magen nicht, diesem Treiben entgegen. zutreten. Sie glauben die Heimwehr benügen zu fönnen, um das Barlament unter den Druck der Butschdrohungen zu sehen... Die Sozialdemokraten wollen feinen Bürgertrieg Wir werden uns weder von faschistischen Abenteurern niederwerfen noch unter dem Druck der Butschbrohungen irgend etwas von unseren Rechten abringen lassen.
all
Wenn gedungene bewaffnete Banden uns überfallen, dann werden wir uns weyren. Wir erklären vors aller Welt, daß wir auch jetzt bereit sind, der vollständigen inneren Abrüstung zuzustimmen, wenn uns ehrliche Gegenseitigkeit verbürgt wird. Dann werden die Arbeiter aufgefordert, unverzüglich und überMitglieder- und Massenversammlungen einzuberufen, die Protest
man ein ſcheinbar foziales Brinzip zugrunde legt. Wit den gleichen Macdonalds Revisionspläne.
Argumenten tönnte man ja sagen, daß die gegenwärtigen Unterftügungssäge für alle Anwartschaften mit 26 Wochen gelten und mer Anwartschaft von über 39 oder von 52 Wochen nachweist, erhält
spricht.
höhere Unterſtügungsfäße. Deshalb ist doch wohl die entscheidende Frage, ob vom fozialpolitischen Standpunkt die gegenwärtigen Unterſtützungssäge überhaupt eines Abbaus fähig sind. Würde man ernst. haft eine solche Untersuchung führen, dann würde man sehr rasch zu dem Ergebnis kommen, daß selbst in den höchsten Beitragsklassen die Unterstügungssäge nur ein fümmerliches Dasein gewähren, vielfach nicht einmal den notwendigen Unterhalt, von dem die Reichsverfassung Es war der entscheidende Fehler der Sachverständigenkommiffion, daß sie diese sozialpolitische Seite des Problems völlig außer acht ließ und in dem Bunsche, einen Lastenausgleich herbeizuführen, auch vor einem Leistungsabbau nicht zurückschreckte. Dieser mußte dann, durch die falsche Rechnungsgrundlage, so groß sein, daß für alle Anwartschaften unter 52 Wochen der Unterstützungsjah auf die Lohntlasse VI zu senten mar. Bu ihrer Entschuldigung muß gesagt merden, daß sie sich dieser Auswirkungen gar nicht bewußt war, mas allerdings ihren Sachverstand nicht im besten Lichte erscheinen läßt. Dieser Abbau ist aber nicht einmal nölig, wenn man von einem Beitragsjah von 3½ Proz. ausgeht
und sich endlich von der Rechnungsgrundlage des Herrn Weigert frei macht. Bei 3½ Proz. Beiträgen hat die Reichsanstalt eine Einnahme von 980 Millionen Mart. Berücksichtigt man die bereits befchloffenen Einsparungen bei den Krankenversicherungsbeiträgen für die Arbeitslosen und was sonst noch an Einsparungen durch Kon trollen ermöglicht wird, dann ist aus diesem Beitragsauffommen die Unterstützung von mindestens 1 Billion Arbeitslose im Jahres durchschnitt gewährleistet. Auf dieser Grundlage ist aber die Sanierung der Reichsanstalt ohne Abbau der Leistungen gegeben.
Münzenbergs Sozialpolitik.
Der Betriebsrat entlaffen.
Die Zeitungshändler und fahrer der Münzenbergschen Belt
am Abend" in Berlin werden laut ,, Boltswille" von dem Geschäftsführer Schwarz rüdsichtslos und wenig proletarisch behandelt. Sie wählten sich daher für ihre Interessenvertretung das KPD. - Mitglied, den Expedienten und Kontrolleur Knoll zum Betriebsrat. Dieser nahm sich der Interessen der Zeitungshändler und fahrer der ,, Welt am Abend" an. Der Erfolg war, daß Münzenberg ihm fündigte. Knoll glaubte, als Mitglied der KPD . Unter stügung bei seiner Barteileitung zu finden. Er hatte sich aber geirrt. Das lintstommunistische Blatt fügt hinzu: So sieht es im Reiche des roten Hugenberg" aus. Die selbstverständlichsten Rechte der Proleten bleiben ungewahrt. Wer wider den Stachel left, fliegt."
W. Schw. Genf , 4. September. ( Eigenbericht.) Arbeiterregierung eine Revision der VölkerbundsverBie Ramjan Macdonald am Dienstag anfündigte, wird die Arbeiterregierung eine Revision der Völkerbundsverfassung beantragen, um die im Laufe der Zeit morsch gewordenen Balten in das Bölkerbundsgebäude einzuziehen. Die Vorschläge der Berfassungsartitel herauszuwerfen und an einigen Stellen neue britischen Delegation werden, wie ich aus bester Quelle erfahre, vor eine Berfassungsänderung aus der Völkerbundsfagung gest rich en allem darin bestehen, daß das Recht auf den Krieg durch und dafür der Verzicht auf den Krieg und die Pflicht zur friedlichen Streiterledigung in allen Fällen eingefügt werden soll. soll angeblich morgen das Wort ergreifen. Es steht noch dahin, ob Dr. Stresemann tam heute nachmittag in Genf an. Briand Briand vor oder nach Stresemann sprechen wird.
Für und gegen Bölferbundreformen.
gegen die Heimwehrtreibereien erheben und Ausbau des fozialen Rechtes verlangen sollen. Die Bersammlungsaktion ist sofort zu beginnen und während des ganzen September weiter zuführen und zu steigern. In diesen Bersammlungen soll
tatkräftigste Werbearbeit für den Republikanischen Schuhbund entfaltet werden. Es find ferner Frauen verlammlungen einzuberufen, in denen die Frauen die innere brüstung fordern und ihre Stimmen gegen die Bürgerkriegdrohungen erheben. Die Organisierung der Jugend ist tatkräftig zu fördern." Weiter wird gefagt, daß ft rengfte Disziplin und Belonnenheit notwendig ist und alle Einzelaftionen, die nicht von berufenen Ber trauensmännern beschlossen wurden, zu unterlassen sind. Weiter wird Daher sollen Bersammlungen und Aufzüge der Heimmehren nicht aufgefordert, alle gewaltsamen Zusammenstöße zu vermeiden. die ganze Kraft der Arbeiterschaft zusammenzuhalten, für den Fall, ein Grund sein, es auf Stampf anfommen zu lassen. Vielmehr fei baß die Heimwehren etwas gegen die Republit unternehmen.
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Wo die Faschiffen in Arbeiterinftitutionen oder in Arbeiter. ba verfammlungen gewaltfam eingreifen, dort find sie mit gleicher Tatfraft und Tapferteit abzuwehren, wie es in St. Corenzen geschehen ist
Zum Schluß wird noch einmal gesagt:„ Wir wollen den inneren Frieden, wir wollen die friedliche Entwicklung unseres republitanischen Gemeinwesens. Aber wenn man uns den Kampf aufwir errungen haben. Es lebe die Freiheit!" zwingt, werden wir fämpfen. Wir werden nicht preisgeben, was
die Minderheitenverhandlungen in Madrid . Dandurand hatte dort erreicht, daß der Generalsekretär offiziell erklärte, das Dreierfomitee zur Untersuchung ber Minderheitenflagen fönne Informationen aus allen Quellen einziehen. Auf diese Erklärung hin hatte er einen entsprechenden Antrag zurückgezogen. Auf irgendeine geheimnisvolle Weise ist diese Erklärung des Bölterbundssekretärs aus dem Bericht an die Versammlung verschwunden, eine Angelegenheit, die
wegen des Bertrauens zum Bölterbundssekretär restloser Aufflärung bedarf.
Die Südamerikaner sowie der Japaner Adatschi, die am tieren den Flügel der Versammlung, der mit der jetzigen Rolle des Dienstag nach Macdonald noch das Wort ergriffen hatten, repräfenBölkerbundes zufrieden ist und teine Reformen münidt. Die füdamerikanischen Redner begnügen sich infolgebessen im allgemeinen damit, fich gegenseitig zur Beendigung ihrer fleinen Konflitte, wie des Chaco 3mischenfalles und des TacnaArica Streites zu beglückwünschen.
England, Dänemart und die anderen für Reformen eintretenden Staaten, die in den nächsten Tagen das Wort ergreifen werden, und zu denen zweifellos Deutschland gehört, haben jedoch die fefte Absicht,
scharf umriffene Borschläge einzureichen. So wird England eine Untersuchung der Ausmirfun pattes fordern. Der dänische Hinweis auf eine Demokratis gen des Kellogg Battes auf die Artikel 12 und 15 des Bölkerbundshoben werden und Deutschland dürfte eine neue prinzipielle sierung ber Rommissionen wird zu einem Vorschlag erBrüfung des Minderheitenproblems perfangen. Am Donnerstag pormittag fprechen der belgische Außenminister Symans und der Außenminister Finnlands , Procope. Der letztere wird für ein Infrafttreten des vorliegenden Abkommensentwurfs über die finanzielle Unterstützung angegriffener oder mit Krieg bedrohter
Genf , 4. September. ( Eigenbericht.) Die beiden Sigungen des Wölferbundes vom Mittwoch gehörten, von der( bereits in unserer heutigen Abendausgabe wiedergegebenen) Rede des dänisch e n. Ministerpräsidenten Stauning abgesehen, den außer europäischen Ländern. China , Kanada , Beru und Bolivien ergriffen das Wort. Der Chinese machte einen nicht unerwarteten Vorstoß zugunsten der Anwendung des 19 des Völkerbundsvertrages, des Vertragsänderungsartifels. Er betonte, daß dieser Artitel einer der wichtigsten des Bölkerbundspattes sei, und daß seine Nichtbeachtung sehr gefährliche Folgen für den Frieden und die internationale Berständigung haben könne. Der Böllerbund tönne seine Macht nicht besser zeigen, als indem er die öffentliche Meinung mobilisiert für die Aenderung unhaltbarer Verträge, wie fie im§ 19 vorgesehen sei. Einen bestimmten Vorschlag gedenkt China allerdings Der sozialdemokratische Ministerpräsident Dänemarks , Staunicht zu machen, da die Großmächte haben verstehen I affen, daß ning, fündigte in seiner Rede auch die bevorstehende Ratifikation China eine Besserung seiner Bertragsverhältnisse eher durch einiger Arbeitsabtommen an. Das sozialdemokratische Mi direkte Verhandlungen erreicht. Im übrigen betonte dernisterium beabsichtigt als erstes die Abkommen über das KoaChinese, daß die wiederholten Gerüchte, daß China aus dem Bölfertitionsrecht der Landarbeiter, über einen mödjent: bund austreten wolle, jeder Begründung entbehrten. die Minderheiten im Bölterbundsrat bekannte Ranadier Dan. Bon den übrigen Rednern machte der durch sein Eintreten für Itchen Ruhetag und über die Kinderarbeit zu ratifizieren. durand Mitteilung davon, daß sein Land die Fakultativ. Auch Auftralien tritt der Optionsklausel bei. flaufel unterzeichnen werde. Das gleiche erklärte der VerLondon, 4. September. treter Berus .
Zur Minderheitenfrage.
führte Dandurand aus, daß die Neuregelung des Verfahrens einen gewissen Fortschritt bedeute, dessen Auswirtung man vorläufig ab warten solle. Dagegen. tlagte er über eine sehr merkwürdige Auslaffung in dem offiziellen Bericht des Rates über
Staaten eintreten.
In Uebereinstimmung mit der Erklärung des tanadischen Bertreters im Bölkerbund, Dandurand, gab am Mittwoch der australische Ministerpräsident Bruce im australischen Bundesparlament in Canberra eine Erklärung zum Beitritt der Optionsflausel des Haager Schiedsgerichtshofes ab. Australien werde die gleichen Borbehalte machen mie bie übrigen Teile des Weltreiches.