Beilage
Montag, 9. September 1929
Der Abend
Spalausgabe des Vorwärt
Es geht um die Zukunft des Wohnungsbaues
Die grosse Dewog- Tagung in Schwerin Der 17. November Entscheidungstag
Der 6. Berbandstag des Revisionsverbandes gemeinnügiger Baugenossenschaften e. V., Dewog- Revisionsvereinigung, der vom 6. bis 8. September in Schwerin i. M. stattfand, begann mit einer großen Volkskundgebung für den Gedanken des gemeinnützigen Wohnungsbaues. Der Redner des Tages war Ministerpräsident a. D. Genosse Johannes Stelling . Damit das Werk freigewerkschaftlicher Wohnungsfürsorge, von dessen Größe und Bedeutung diese Tagung erneut zeugte, tatkräftig fortgesetzt werden kann, muß die Sozialdemokratie am 17. November überall in den Gemeinden entscheidenden Einfluß gewinnen. Sozialdemo tratische Gemeindemehrheiten bieten allein die Möglichteit, wahrhaft gemeinnügige Wohnungspolitik zu treiben.
Die große Volkskundgebung.
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die notwendigen eigenen Mittel verfüge. Das sei eine der Ber= leumdungen, die dauernd systematisch gegen die Dewog- Bemegung ausgestreut würden. Am 31. Dezember 1828 verfügten die Verbandsmitglieder über eine Summe von mehr als 14 Millio= nen Mart eigener Mittel. Auch die Sparbewegung habe bei den einzelnen Genossenschaften gute Fortschritte gemacht. In einzelnen Bauvereinigungen fämen im Durchschnitt 800 bis 1000 m. Spareinzelnen Genossen werden heute weit mehr Mittel im gemeinnügigen Wohnungsbau investiert als im privaten Wohnungsbau der Vorkriegszeit. Bei den parlamentarischen Verhandlungen über die Neuregelung der Gemeinnügigfeit bei Bauvereinigungen werden unsere Freunde in den Parlamenten sich dafür einjezen, daß eine Regelung zustande kommt, die im wahren Interesse des gemeinnützigen Wohnungsbaues liegt. Der Ausgang der kom- menden Kommunalwahlen in Breußen sei für die weitere Arbeit von außerordentlicher Bedeutung. Gelänge es der Partei, die die Sache der Dewog stets zu der ihren gemacht habe, einen durchschlagenden Erfolg zu erzielen, so würde der gemeinnützige Wohnungsbau den allergrößten Nugen davon haben. Der Redner rief alle Funktionäre der Bewegung auf, schon jetzt in ihrem Wirkungskreise energisch an die Propaganda für den Wahlkampf heranzugehen. Im Anschluß an die Rede Linnetes sprach Verbandssekretär Genosse Dr. Bodien. Folgende Entschließung wurde sodann einstimmig angenommen:
zmede freizugeben. Die Verlegung der chemischen Industrie und anderer Industriezweige von der Peripherie des Reiches ins Innere führte zu einer wahren Völkerwanderung". Die Städte erhielten einen derartigen Zuzug vom Lande, daß die Zahl der Wohnungsuchenden immer größer wurde. Die Stadt Berlin zum Beispiel hat einen jährlichen Zuzug von 80 000 Menschen, denen die Erstellung von 21 000 Wohnungen gegenübersteht. Es ist die vornehmste Aufgabe der Regierungen, auch dem Land- gelder auf das einzelne Mitglied. Durch die Solidarität der arbeiter Lebensbedingungen zu schaffen, die das Wohnen auf dem Lande erträglich machen. Von gelehrten Professoren würden gegen entsprechendes Honorar Bücher produziert, in denen die Privatwirtschaft als alleinseligmachende Wirtschaftsform gepriesen werde. Es seien in fast jedem Falle die alten Redensarten der Wirtschaftspartei. Nach den Berechnungen sei bis 1940 eine Neuerstellung von 4 Millionen Wohnungen erforderlich. Das unzureichende Einkommen der werftätigen Bevölkerung zwingt Ganz Schwerin steht unter dem Eindrud dieses Berbandstages.| zu massenhaftem Bau von Kleinwohnungen. Es muß immer Vor dem Bahnhof grüßen den Ankommenden sechs große Fahnen wieder gefordert werden, daß die Hauszinssteuermittel in viel masten mit riesigen Bannern in den Farben der Republik , des höherem Maße als bisher dem gemeinnügigen Wohnungsbau Landes Medienburg und der Stadt Schwerin . Die ganze Stadt hat Flaggenschmuck angelegt, und selbst von den Dächern der Straßenbahnwagen flattern Fahnen. Aus allen Teilen der Republik sind die Vertreter der freigewert= schaftlichen Wohnungswirt schaft zusammengekommen, über die Zukunft des gemeinnützigen Wohnungsbaues zu beraten.
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Eindeutig für jeden, der die Zeichen der Zeit versteht, wurde die Tagung durch eine gewaltige Massenfundgebung, die gemeinsam von der Sozialdemokratischen Partei Schwerins, dem Reichsbanner und den Gemertschaften veranstaltet worden war, eingeleitet. Rauschende Mujit und wehende Fahnen gaben der Demonstration durch die Stadt das Ge
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Die notwendige Steigerung der Neubautätigkeit ist nur möglich durch weiteren Ausbau der Haus 3inssteuergesetzgebung. Der noch immer so erschreckende Mangel an gefunden Kleinwohnungen zwingt überdies zur Verwendung der aus der Neuregelung der Reparationsfrage freiwerdenden Mittel für den Kleinwohnungsbau. Infolge der dadurch eintretenden erhöhten Tätigkeit des Baugewerbes als Schlüsselindustrie wird gleichzeitig der Arbeitslosigkeit gesteuert und die Frage der Arbeitslosenversicherung mit gelöſt werden. Die wichtigsten Träger des Kleinwohnungsbaugedankens find anerkanntermaßen die gemeinnügigen Bauvereini. gungen. Ihre Förderung bedeutet deshalb die wirksamste Befämpfung der großen sozialen Nöte unserer Zeit des Arbeits. losenelends und der Wohnungsnot."
Der Abend brachte eine von der Stadt Schwerin zu Ehren des Verbandstages veranstaltete Fest vorstellung im Mecklenburger Landestheater. Bei Anbruch der Dunkelheit wurde das alte Schwe=
präge eines Triumphzuges. Der De Ein neuer Großrohnblock der Dercog, der Friedrich- Ebert- Hof" in Altona monstrationszug endete vor der Stadthalle, wo Landtagsabgeordneter Gen. Fuchs Schwerin und Reichs. I zugeführt werden. Lipinski erläuterte die Wege, die zu beschreitenriner Schloß festlich beleuchtet. Bis in die späte Nacht herrschte tagsabgeordneter Genosse Stelling zu den Versammelten find, um die Baukosten zu verringern. Es ergibt sich die Forderung Bersammelten sind, um die Baukosten zu verringern. Es ergibt sich die Forderung prachen. Während Fuchs in seiner Begrüßungsansprache darauf an die Gemeinden, großzügige Wohnungspolitit zu treiben. Nie hinwies, daß die Rechtsregierung Medlenburgs es dürfe der Wohnungsbau zum Ausbeutungsobjekt der nicht für nötig gehalten habe, der Einladung Privatindustrie werden. au folgen, richtete Stelling einen Appell an alle Werktätigen,
mehr denn je für den Ausbau der Arbeiterbewegung das höchste Der 17. November Entscheidungstag!
einzusehen. Das Werk der Dewog, auf das wir mit Recht stolz
Im meiteren Verlauf des Verbandstages gab Verbandsvorsein können, war nur möglich durch engste 3usammenarbeit sigender Genosse Richard Linneke den Bericht über die Arbeit mit den Gewerkschaften, der Arbeiter bank, der des Verbandes im letzten Jahr. Es werde häufig von Unternehmer Boltsfürsorge und der Sozialdemokratischen Bartreisen behauptet, daß der gemeinnützige Wohnungsbau nicht über tei. Diese Gemeinschaftsarbeit weiter zu pflegen und auszubauen, ist unsere Aufgabe. Heraus aus der Mietkaserne! Wir schaffen uns selbst lichte, sonnige Wohnungen! Das ist Dienst an der Mensch heit im höchsten Sinne, das ist Dienst am Proletariat. Mit einem Hoch auf die Dewog und ihr Werk schloß Landtagsabgeordneter Fuchs die eindrucksvolle Kundgebung.
Zu Ehren der Delegierten des Verbandstages veranstaltete das Reichsbanner anschließend einen prachtvollen Fadelzug, der den Gästen wie den Schwerinern noch lange in Erinnerung bleiben wird.
Die öffentliche Tagung.
Nach den großen Wolfstundgebungen am Tage vorher murde die öffentliche Tagung durch Landtagsabgeordneten Genossen Fuchs Schwerin in den Stadthallen eröffnet. Der Verbands. vorsitzende Genosse Linnete begrüßte anschließend die Dele gierten und Gäste. Den Reigen der Begrüßungsansprachen eröffnete
der Schweriner Oberbürgermeister Saschenbrecher. Es war überaus interessant, hier von einem Bertreter der Deutschen Bolfspartei ein eindeutiges Bekenntnis für den Gedanken des gemeinnügigen Wohnungsbaues zu hören. Die persönlichen Glück. wünsche des Reichsarbeitsministers Genossen Dr. Rudolf Wisse 11, der seit jeher zu den Förderern der Dewog- Bewegung gehört, überbrachte Oberregierungsrat Durst. Vom preußischen Wohl. fahteministerium war Oberregierungsrat Baumgarten er schienen. Er begrüßte die Tagung im Auftrage der preußischen Staatsregierung und der preußischen Landespfandbrief. anstalt. Herzliche Begrüßungsworte richtete im Auftrage des All gemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes Nikolaus Bernhard vom Deutschen Baugewerksbund an die Versammelten. Die Arbeiterbant hatte ihren Direktor Genossen Bach em entjandi, der Verband sozialer Baubetriebe war durch den Genossen Ellinger vertreten, und im Auftrage der sozialdemokratischen Reichstags- und Landtags fraktion wünschte Genosse Stelling der Tagung besten Verlauf. Außer dem Bundesvorstand der AfA, der durch den Genossen Behrend vertreten mar, überbrachte auch der Bund deutscher Mietervereine beste Wünsche.
Das Referat Lipinskis.
Nunmehr ergriff Reichstagsabgeordneter Genosse Lipinski das Wort zu seinem großangelgten Vortrag über Gegenwart und Zukunft des gemeinnügigen Wohnungsbaues". Lipinski, ein auch auf der Gegenseite anerkannter Sachkenner des deutschen Wohnungswesens, gab eine ausführliche glänzende Darstellung der großen. Probleme moderner Woh nungspolitif. Alle statistischen Berechnungen über die Wohnungs. not hätten den tatsächlichen Zuständen nicht stand gehalten. Für Breslau hatte sich als notwendig herausgestellt, die vom Wohnungskommissar gesperrten Wohnungen wieder für Wohn
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Leben und Treiben in dem sonst so stillen Schwerin. Am Sonntag besichtigten die Delegierten die Wohnungsbauten der Gemeinnüßigen Baugenossenschaft Selbsthilfe", Schwerin . Die große Tagung der freigewerkschaftlichen Wohnungsbauorganisationen ist vorüber. Es ist selbstverständlich, daß die Sozialdemokratie der De= mog nach wie vor stets hilfsbereit zur Seite stehen wird. Sie wird das um so eher tun können, wenn die Wähler am 17. November für die notwendigen sozialdemokratischen Mehrheiten in den Gemeindeparlamenten sorgen. Nur dann ist es möglich, wahrhaft foziale Arbeit auch auf dem Gebiet des Wohnungsbaues zu leiften.
Das Fest der Arbeit.
Wahlkampferöffnung in der Großsiedlung Britz .
Es war ein Fest der Arbeit, ein Fest der Freude, das die Brizer Parteigenossen gestern in der Großsiedlung feierten. Es war aber noch mehr: Es war wirksame Werbung, Appell an alle, bei der kommenden Stadtverordnetenwahl der Sozialdemokratie zum Siege zu verhelfen!
Um 14 Uhr nahm der Festzug vor der Siedlungsschule Aufstellung. Und dann marschierten sie durch die Straßen: Borweg die Roten Falfen unter einem Wald wehender roter Fahnen, dann famen die fräftigen, gebräunten Gestalten der Arbeitersportler. Reichsbannerkameraden. Eine Abordnung des Deutschen Landarbeiterverbandes. Sozialistische Jugend...
Da war ein Leuchten auf allen Gesichtern, Freude, Lebensfreude. Und da waren Fahnen in allen Straßen, rote und schwarzrotgoldene Fahnen. Die Großfiedlung Briz, das Werk joziali stischer Architekten und einer von Arbeitern geschaffenen gemeinnüßigen Baugenossenschaft, wußte den Tag würdig zu feiern.
Mit dem Sturmvogel " über dem Festplatz. Wieder hatte der Sturmvogel" feine fonntäglichen Runde flüge benutzt, um dem merftätigen Freunde der Flugkunst ein Fest der Arbeiterschaft zu zeigen. Wir sahen mit Freude, wie die Massen aufmarschiert maren zur großen Kundgebung am Turm der Arbeit. Bir sahen die Fülle der roten und schwarzrotgoldenen Fahnen und die fröhlichen Spiele der Jungen und Mädels. Und wir maren dem Sturmvogel" dankbar für diesen schönen Flug über Briz .
Ehrung Moses Mendelssohns.
jüdischen Gemeinde Berlin veranstaltete Moses . Die gemeinsam mit einigen anderen Organisationen von den Mendelssohn Feier in der Singakademie tann für sich den Ruhm in Anspruch nehmen, viel mehr gewesen zu sein als eine der üblichen Gedenkfeiern.
Als Einleitung die Ouvertüre zu ,, Athalia" von einem der Nachfommen von Moses Mendelssohn gab der Feier schon ihr besonderes Gepräge. Der Borsigende begrüßte die zahireich erschienenen Ber
Im Wäldchen hatte die Deutsche Bahütte einen Turm der Arbeit errichtet, einen schwarzen Block mit einem roten und einem goldenen Pfeiler. Und auf diesem Monument nahmen sie dann Auf stellung, die Fahnenabordnungen, der Chor. Es war ein übertreter der Reichs- und Staatsregierung, des Reichs- und Landtags, wältigender Anblick: diese Menge mehender roter Fahnen unter ben rauschenden grünen Bäumen. Und es riß alle mit fort, als die rote Fahne emporstieg und sich die Schmurfinger erhoben. Dann setzte der Chor ein, der Sprechchor, Fanfaren schmetterten. Kampf: ruf, Gelöbnis, Berben und Becken!
Als sich die Dunkelheit herniedersenkte, als Hunderte von jubelnden Kindern mit ihren Stoclaternen abmarschierten, fand das Fest einen erhebenden Abschluß im Hufeisen. Der Schein der Fackeln und bengalischen Flammen spiegelte sich im Teiche wider, gewaltige Schatten wehender Fahnen geisterten über die weißen Häuserinauern. Die Jugend marschierte ein, und dann hämmerte der Sprechchor die aufrüttelnde Dichtung Fabriken" in die Massen. Man hörte das Rollen und Stampfen der Räder, jah Proletariat in Fron. Hörte den Jammer, die Klage von Millionen. Dann aber reckten sie sich auf, die Massen, die Stetten fielen zu Boden. Der Mensch war frei.
Nach einer furzen eindrucksvollen Ansprache des Stadtverord netenvorstehers Genossen a ß, der unter Hinweis auf die sozialen Aufgaben der Stadtverwaltung und die Wirkungsmöglichkeit einer sozialdemofre atischen Mehrheit aufforderte, sie am 17 November zu schaffen, stieg der Sang der Internationale in die rot durchleuchtete Nacht empor.
und von Kunst und Wissenschaft. Für die Reichsregierung, aber auch mehr noch als Persönlichkeit, als freiheitsliebender und gerechter Mensch, sprach Innenminister Severing. Er fand warme Worte der Anerkennung für das Wert des Philosophen, dessen wesentlichster Zug ftille Tapferfeit war. Severing gedachte in seiner schlichten Art der Persönlichkeit Mendelssohns, dem Lessing in seinem Nathan" ein Denkmal gesezt hat, das mehr bedeutet als eins aus noch so edlem Gestein. Mit einem Hinweis auf die Ereignisse in Palästina sprach der Minister den Wunsch aus, daß dort bald der Friede einziehen möge, der Friede, der durch eine wahrhafte Toleranz verbürgt wird, wie sie aus den Briefen eines Menschenfreundes" flingen.
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Für die Stadt Berlin sprach Oberbürgermeister Dr. Böß, der den Wunsch äußerte, in den Toren Berlins recht viele Moses Mendelssohns beherbergen zu können. Dr. Baumgart, der für die Kant- Gesellschaft redete, würdigte in Mendelsohn einen Philosophen der Aufklärungszeit und den Borfämpfer des Toleranz gedankens.
In einer großen und tiefangelgten Rede schilderte damn Rabbiner Dr. Baed das wirken von Mendelssohn .
Als würdiger Abschluß der Feier wurde Strauß, Tod und Bertlärung" zum Rortrag gebracht.