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BERLIN  Dienstag

10. September

1929

Der Abend

Erfdetattadslid anter Sonntag& Bugleich Abendausgabe des Vorwärts". Bezugspreis beide Ausgaben 85 Pf. pro Woche, 3,60 M. pro Monat. Redaktion und Erpedition; Berlin   SW 68, Lindenstr. 3

66

Spätausgabe des Vorwärts

10 Pf.

Nr. 424

B 211 46. Jahrgang.

nzeigenpreis: Die einfpaltige Nonpareillezeile 80 P., Reklamezeile 5 M. Ermäßigungen nach Tarif. Bosschecktonto: Vorwärts- Verlag G. m. b. H., Berlin   Nr. 87536. Fernfprecher: Donboff 292 bis 297

Die neue Europa  - Politif.

Pariser   Echo der Genfer   Besprechung.

Paris, 20. September.  ( Eigenbericht.) Die beiden großen Ereignisse der Völkerbundstagung, das paneuropäische Frühstück der 27 Mächte bei Briand  und die Rede Stresemanns, haben selbst bei der ge­mäßigten Rechtspresse in Frankreich   die Ueberzeugung ausgelöst, daß in Europa   heute ein neuer Wind weht. Die Rede Stresemanns wird, abgesehen von der reaktionären Rechten, im allgemeinen sehr freund. lich aufgenommen. Man findet allgemein, daß der deutsche   Außenminister gut europäisch gesprochen habe, wenn auch mit etwas deutschem Akzent.

So schreibt Marcel Ray   im ,, Petit Journal": Bei allem Bei­fall, den man Stresemann zollen müsse, habe er allzu sehr auf die Kritik der deutschnationalen Opposition Rücksicht genommen, und es sei zu wünschen gewesen, daß sein Internationalismus dieselbe Temperatur gehabt habe wie sein Patriotismus habe. Der deutsche   Minister möge doch zu dem Deutschland   von morgen und nicht zu dem Deutschland   von gestern sprechen. Das Zögern eines Staatsmannes, der genügend Proben seines Mutes gegeben habe, sei ein trauriger Beweis der Widerstandsfähigkeit, die zu befiegen er sich zur Aufgabe gemacht habe. Ere Norvelle" erklärt, daß man nach den Reden Macdonalds, Briands und Stresemanns zu der Ueberzeugung gelangen müsse, daß die Politik von Locarno   nicht nur nicht abgeschwächt, sondern attiper und schöpferischer geworden sei denn je. Besonders die deutsch  - französische Entente fei feine abstrafte Idee mehr, sondern greifbare Realität.

Die Paneuropa- Besprechung.

Französisch- offiziöser Bericht.

Genf   über Paris  , 10. September.  ( Havas.) Durch seine Initiative will Briand   die Genfer   Organisation beleben und einer Stagnierung vorbeugen, die, wenn sie eintreten sollte, die berechtigten Hoffnungen der Völker sent täuschen müßte. Er will den europäischen   Staatenbund im Rahmen und im Geiste des Völkerbundes verwirklichen. Briand  hat fich formell dahin ausgesprochen, daß eine derartige Gruppie rung teinerlei Offensiochar after gegen nicht daran be­teiligte europäische Staaten oder gegen Staaten anderer Erdteile haben dürfte, Die Nachfriegszeit hat die gegenseitige Ab hängigkeit der europäischen   Staaten besonders auf wirtschaft­lichem und sozialem Gebiet gezeigt. Es erweist sich immer mehr als dringend notwendig, die Produktion und den Warenaustausch zu rationalisieren, besonders angesichts der stets schärfer werdenden Weltkonkurrenz, die unwiderstehlich werden kann, wenn der

Anarchie des europäischen   Marktes

nicht ein Ende bereitet werde. Gegen die Gedanken Briands ist feinerlei grundsägliche Opposition laut geworden. Allerdings hat man Vorbehalte gemacht, wie dies angesichts eines so uni­fassenden Planes ganz natürlich ist. Aber es hat sich weder eine systematische Ablehnung noch eine Kritif a priori ergeben. Stresemann  , der als erster seine Ansicht äußerte, hat das unbestreitbare Interesse vom wirtschaftlichen Standpunkt an. erkannt und sich troh Hervorhebens der politischen Schwierig­keiten dem Plan entschieden günstig gezeigt.

Sympathieerklärung der USA  .

New York  , 10. September. Nach einer Meldung der Associated Pres" aus Washing. ton wird in offiziellen Kreisen erklärt, die Regierung habe. den Versuchen einer politischen oder wirtschaftlichen Organisation Europas   seit mehreren Jahren ihre Aufmerksamkeit zugemendet. Der gegenwärtige, von Briand   und Stresemann   unterſtüßte. Bersuch merde als bedeutendste dieser Bestrebungen angesehen. Es werde besonders anerkannt, daß Stresemann   betonte, er wünsche nicht, daß die Organisation Europas   als Block gegen die Bereinigten Staaten aufgefaßt werde.

Verschärfte Versicherungsaufsicht.

Gesetznovelle vom Reichsarbeitsministerium.

Eine Berschärfung der Reichsaufsicht über die Bersicherungsgesellschaften will das Reichswirtschaftsminifterium durch einen 3 usah zum Versicherungsgesetz herbeiführen. Die Borbereitungen find, wie verlaufet, bereits jo weit gediehen, daß aller Wahrscheinlichkeit nach der Reichstag   bereits bei seinem Susammentritt eine entsprechende Borlage vorfindet.

Raubüberfall auf einen Tankwärter

Von zwei Motorradfahrern niedergeschlagen und beraubt.

Ein schwerer Raubüberfall, der den bis heute noch immer nicht geklärten Wächtermord auf der Avus in Erinnerung ruft, wurde in der vergangenen Nacht auf den Wärter einer Zankstelle der Reichs traftsprit G. m. b. S. in Wannsee   verübt.

Die Tankstelle befindet sich an der Ede Kronprinzenweg, etma 200 Meter vom Bahnhof Wannsee   entfernt. Gestern hatte der 24jährige Bärter Karl Hoba aus Lichterfelde   Dienst. Gegen 22 Uhr hatte er noch mehrere Automobilisten bedient, taum 20 Minuten später wurde der junge Mensch vor seinem Häuschen mit schweren Kopfverlegungen bewußtios aufge funden.

Ein Herrenfahrer, der tanken wollte, sah den Wärter leblos am Boden liegen.

Er benachrichtigte sofort die Polizei, die für die Ueber­führung des Bewußtlofen ins Zehlendorfer   Hindenburg Krantenhaus sorgte. Erst einige Stunden nach seiner Auf nahme konnte der Ueberfallene vernommen werden. Er gibt an, daß zwei Motorradfahrer, junge Leute mit dunklen Anzügen, vor, gefahren feien und 10 Liter Benzin gefordert hätten. Nach dem Tanten forderte einer der Motorradfahrer eine Quittung und be­tonte ,,, daß es schnell gehen müsse, da sie es eilig hätten".

Als H. fich anschidte, das Häuschen zu betreten, um dem Wunsch der Kunden nachzukommen, fielen die Burschen plöhlich hinter­rüds über ihn her und schlugen ihn nieder.

Sie raubten dann die Einnahme in Höhe von 210 Mart und flüchteten. Wie der Bärter weiter mitteilte, sollen die Täter im Befige einer Marly Davidson Maschine gewesen sein.

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Die neue Front.

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HUGENBERG

Sugenberg: Wer beim nächsten Krieg freiwillig daheimbleiben und die Redaktion des Lot- Anz." über nehmen will, der...

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... frete einen Schritt vor!"

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Die Besichtigung des Häuschens, die von der Kriminalpolizei sofort vorgenommen wurde, ergab, daß die Täter alles durch sucht hatten. Halb aufgezogene Schubfächer und geöffnete Schränke zeigen aber, daß sie auch an anderen Stellen nach Geld forschten, aber bis auf den erbeuteten Betrag nichts mehr gefunden haben. Herrenfahrer des Weges kam, hatte schon ein Autobus die Mit ihrem Rade sind sie dann unerkannt entkommen. Ehe der Strede passiert. Der Chauffefur sah vor dem Häuschen einen Mann liegen, glaubte aber, daß jener etwas suche und machte sich weiter hörte, wurde ihm der Zusammenhang klar. Hoba muß etwa eine feine Gedanken. Erst, als er bei der Rückfahrt von dem Ueberfall halbe Stunde bewußtlos auf der Erde gelegen haben.

Die Maschine der Räuber trug, wie Hoba sich erinnert, das Kennzeichen I A und eine fünfftellige Ziffer, die mit 357 begann.

Die Nachforschungen nach dem Motorrad und den Tätern sind gefunden. Wer über die Maschine und ihren Eigentümer etwas fofort aufgenommen worden, doch hat man bis jetzt noch feine Spur weiß, wird ersucht, sich bei Kriminalkommissar Werneburg im Polizeipräsidium zu melden.

Deutscher   Dampfer gesunken. Die Besatzung gerettet.

Gestern lief in

Rotterdam  , 10. September. en der schwedische Dampfer Vesuvius ein. Er hatte 19 Sorüchige von der Bemannung des am Eingang der Meerenge von Calais   in Brand geratenen deutschen   Motor­fchiffes 33 nan" an Bord.

Wie die Schiffbrüchigen mitteilen, ist die Iznay" infolge einer Explosion des Motors schnell gejunten. Die Bemannung fonnte sich in die Boote retten und wurde von der Besuvius" aufgenommen. Bei der Expl a wurde der Maschinist ich wer verlegt. Die 19 Schiffbrüchigen sind in Poortershaven" an Land gegangen.

Das Unglück von Rotterdam  . Die Zahl der Opfer noch nicht feststellbar. Rotterdam  , 10. September. Die Zahl der Personen, die bei dem bereits ge= meldeten Brand des englischen Tankdampfers ,, Visneire" ihr Leben verloren haben, hat sich von drei auf sieben erhöht. Fünf Arbeiter der Rotterdamschen Droog­dok- Maatschappij sowie der Erste Offizier und der Erste Steuermann der ,, Visneire" werden noch vermißt. Vier Arbeiter der genannten Notterdamer Werft sind so schwer verlegt worden, daß bei ihnen Lebensgefahr besteht. Auch die Frau des Kapitäns ist bei einem Sprung von der Kommandobrücke des Schiffes ernstlich verleki worden. Die Zahl der Leichtverletten dürfte etwa 25 betragen.

Wie inzwischen festgestellt werden konnte, scheint der Brand auf eine Explosion in der Funkstation der ,, Bisneire", eines erst im Jahre 1927 vom Stapel gelaufenen Dampfers von 5728 Tonnen, zurückzuführen zu sein. Die Explosion ereignete sich, während das Schiff von zwei Schleppdampfern zwecks Vornahme von Aus­befferungsarbeiten zur Werft der Rotterdamschen Droog­dok Maatschappij geschleppt wurde und etwa 60 Arbeiter der letzteren mit Unterſtüßung der Besatzung in dem unteren Raum des Schiffes mit der Ausgasung beschäftigt waren. Nach dem Ausbruch des Brandes entstand unter den Arbeitern und der Besatzung eine Panit. Biele von ihnen sprangen, so­bald sie das Dec erreicht hatten, in die Maas  .

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Da sich das aus dem Tank der Visneire" ausgelaufene Def entzündet hatte, glich die Maas um den Dampfer herum einem Flammen meer. Erst in den späten Nachmittagsstunden konnte der Brand von der Hafenfeuerwehr mit Unterstützung mehrerer Schiffe gelöscht werden.