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Morgenausgabe

Nr. 425

A 214

46. Jahrgang

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Vorwürts

Berliner Bolksblatt

Mittwoch 11. September 1929

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Haag

Reichsrat wieder vertagt. as und die Arbeiter.

Einigungsversuche der Regierungen. - Noch keine Entscheidung i über die Arbeitslosenversicherung.

Die Bollsihung des Reichsrats, in der über die Reform des Arbeitslosenversicherungsgesetzes entschieden werden sollte, ist nun­mehr zum dritten Male vertagt worden. Die Bollfihung war auf Dienstag nachmittag 5 Uhr anberaumt. Borher tagten noch die Ausschüsse. In den eingehenden Beratungen der Ausschüsse wurde noch keine Einigung erzielt. Daher wurde die Vollversamm. lung abgesetzt. Am Montag, dem 16. September, follen zunächst um 3 Uhr nachmittags nochmals Ausschußzberatungen statt­

finden und danach um 5 Uhr die Vollversammlung.

Verhandlungen der Regierungen.

Zur Bertagung der heutigen Reichsratssigung wird amtlich mitgeteilt:

Die Preußische Staatsregierung hat sich heute bei Anwesenheit des Ministerpräsidenten und sämtlicher Staatsminister mit der Vorlage der Reichsregierung zur Reform der Arbeitslosen mit der Vorlage der Reichsregierung zur Reform der Arbeitslosen persicherung und den Beschlüssen der Reichsratsausschüffe befaßt. Die Preußische Staatsregierung legt Wert darauf, im Zusam= menarbeiten mit der Reichsregierung eine Lösung zu finden, welche die Billigung des Reichsrats findet und auch Aussicht bietet, vom Reichstag angenommen zu werden. Bei den Berhand­lungen der beiden Regierungen hierüber sollen auch die Vertreter der Länder zugezogen werden, die zu den umstrittenen Bunkten der Vorlage Anträge gestellt haben( Bayern , Sachsen , Bürttemberg).

Die Reichsregierung hat diesem Verlangen der preußi fchen Staatsregierung zugestimmt. Auf gemeinsamen Antrag beider Regierungen wurde daher die heute angesetzte Bollfigung des

Ber trägt die Lasten?

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Der Kampf um Steuern und Lohn.

Von Fritz Naphtali .

In einer Auseinandersetzung mit der Würdigung des Ers gebnisses der Haager Konferenz für die deutsche Wirtschaft, die im ,, Vorwärts" vom 1. September vorgenommen wurde,

Reichsrats durch Mehrheitsbeschluß vertagt. Die Verhandlungen beschuldigt Graf We starp die Sozialdemkratie, daß sie die wurden unverzüglich aufgenommen.

Reichstag voraussichtlich Ende September.

Das Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversiche rung bedarf einer Neuregelung schon bis Ende September, da die fristet sind. Es ist daher, wie das Nachrichtenbureau des Vereins Bestimmungen über die Krisenfürsorge bis zu diesem Termin be­Deutscher Zeitungsverleger hört, wahrscheinlich, daß der Reichstag schon für Ende dieses Monats berufen wird. Da das Reichstags­ gebäude vom 23. bis 26. September für die Internationale Par­lamentarische Handelskonferenz in Anspruch genommen sein wird, tommt für die Berufung des Reichstags der 28. September in Betracht.

Die Haltung der Sozialdemokratie.

Die Borstände der Sozialdemokratischen Partei, der sozialdemokratischen Reichs tagsfraktion und des Allgemeinen Deutschen tagsfraktion und des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes traten am Dienstagnachmittag finanzminister Dr. Hilferding teilnahm. zu einer neuen Sizung zusammen, an der auch der Reichs­

Es wurde über die erste Lesung der Arbeitslosenversiche rung im Sozialpolitischen Ausschuß Bericht erstattet. Die Haltung der Bertreter der sozialdemokratischen Fraktion wurde allgemein gutgeheißen. Insbesondere wurde einmütig die Auffassung vertreten, daß auch in der zweiten Lesung alle Anträge, die in irgendeiner Form auf einen all­gemeinen Leistungsabbau hinauslaufen, abzulehnen feien.

Apponyis Friedensbekenntnis.

Aufrüttelnde Absage an den Revanchegedanken.

W. Schw. Genf , 10. September. ( Eigenbericht.) Der Ungar Graf Apponyi hat heute in seiner Rede vor dem Bölkerbund über die ungerechtigkeiten der Frie­densverträge mit einer Deutlichkeit gesprochen, die unsere Nationalisten der deutschen Bertretung in Genf als ein Muster norhalten werden. Demgegenüber sei gleich festgestellt, daß dann mit der Rede ein tendenziöser Mißbrauch getrieben würde, denn die Ausführungen Apponyis enthielten bei aller offenen Feindschaft gegen die Gebietsregelung von Trianon sogleich eine

scharfe Absage an Krieg und Revanche.

Es mag sein, daß Apponyi in Budapest nicht den gleichen Beifall für seine pädagogischen Grundsäge findet mie in Genf , aber es wird zu Nuz und Frommen unserer auf Ungarn als den Hort des Widerstandes blickenden Patrioten sein, wenn sie einen objettiven Auszug aus der Rede Apponyis vor Augen bekommen.

er

Apponyi begann seine pädagogischen Bemerkungen mit der grundsäßlichen Ablehnung des Hasses, der eine Ent­artung der Liebe zum eigenen Bolte darstellt. Die Durchführung dieses Grundsages sei freilich bei denen leicht, die in der Sonne ihres erreichten Erfolges leben und mit der Prokla­mierung der allgemeinen Brüderlichkeit sich sogleich für den Zustand einsehen, der ihnen ihre Vorherrschaft sichert. Diese Durchführung ist aber für denjenigen schwer, der im Schatten lebt und den gegenwärtigen Zustand als Ungerechtigkeit verurteilt. Wenn einen jungen Landsmann vor eine Karte des heutigen Ungarn stellt, fann er nicht von ihm verlangen, daß er die Grenzen seines Landes als gerecht anerkennt, aber ich würde ihm sagen: Denten wir nicht daran, den jezigen Zustand durch einen Krieg zu ändern, selbst wenn er nicht aussichtslos wäre. Denn es gibt feinen irgend mie gearteten Zusammenhang zwischen der Gerechtigkeit einer Sache und den Kräften, die über einen militärischen Sieg entscheiden. Die Ungerechtigkeit wechselt nur die Partei, fie verschwindet niemals. Das ist der verderbliche Zirkel des Krieges." Also werde ich dem jungen Ungarn sagen:

,, Suche nicht im Krieg das Heilmittel gegen den Stand der Dinge. Suche es in der Entwidlung des Mensch. heitsbewußtseins.

Suche es in der Entwicklung einer Geisteshaltung, die sich mehr und mehr durchsehen wird und die Beziehungen der Böller auf das Recht gründen wird und auf die Achtung vor dem Recht auf nationales Dasein eines jeden Volkes. Suche den Ausweg in der geistigen Entwicklung, die zu diesem Ende führen muß. Es ist noch nicht erreicht, aber wenn man die Mentalität vor einigen Jahren mit der von heute vergleicht, so stellt man einen fühl baren Fortschritt feft. Suche die Lösung in den Einrich tungen, die den Frieden befestigen sollen, also die bestehenden Un gerechtigkeiten heilen und so das freie Spiel der nationalen Kräfte sichern sollen, von dem das Dasein der Nationen abhängt. Suche die Lösung in dieser Richtung, wenn auch der Erfolg nicht von morgen, vielleicht auch noch nicht von übermorgen sein wird." So arbeite ich vorbehaltlos am Friedenswert mit, denn je mehr ein Rechtszustand erreicht wird, um so mehr ist es möglich, von einer Berbesserung auf dem Wege des Friedens zu sprechen."

Das find die Worte eines ungarischen Aristokraten, der aus dem Zusammenbruch seines Landes gelernt hat. Sie find so recht geeignet, den bidschädeligen, noch immer unbelehrten Anhängern der Revanchepolitik in Deutschland um die Ohren geschlagen zu

werden.

Dr. Stresemann verläßt voraussichtlich morgen Genf , um nach den Anstrengungen der Haager Konferenz und der Genfer Tagung sich zu erholen. Briand wird am Donnerstag abfahren und gegen Ende der Tagung möglicherweise zurückkehren.

Senat untersucht Marineskandal. Borah sagt: Verbrecherische Verschwörung". Washington , 10. September. Der Marineausschuß des Bundessenats hat einstimmig befchloffen, eine Untersuchung über die propagandistische Tätig­feit der amerikanischen Schiffsbauwerften in Berbindung mit den internationalen Marineabrüstungskonferenzen einzuleiten. Der Ent­schluß wurde gefaßt nachdem Senator Borah im Ausschuß erklärt hatte, er betrachte die Tätigkeit, die Shearer und die Propagandisten für eine große Marine im Intereffe der Werften in Genf entfaltet habe, als eine verbrecherische Verschwörung gegen die Intereffen des amerikanischen Boltes und der Regierung.

Arbeiter täusche durch die Vorstellung, als ob die Last von 2 Milliarden Mart ohne Belastung der Arbeiter aufgebracht werden könnte. Aus dieser Täuschung in Verbindung mit der Feindschaft des Marrismus" gegen den Besiz erklärt er eine Reihe von Unterlassungssünden in dem erwähnten schlechte Kassenlage des Reiches, noch die allerdings allmählich Artikel. Weder das Anwachsen der Steuerlast, noch die finkende Passivität unserer Handelsbilanz, noch das An­wachsen der Verschuldung Deutschlands gegenüber dem Aus­land sind Dinge, die von der Sozialdemokratie verschwiegen werden oder verschwiegen werden könnten. Es sind Dinge, die zur Würdigung der deutschen Wirtschaftslage ohne Zweifel gehören, auch wenn es unmöglich ist, sie alle in einem Ar­tikel zu behandeln. Gerade wegen der Höhe der Steuerlasten, der schwierigen Kaffenlage des Reiches und der Beziehung zwischen Auslandsverschuldung und Reparationslasten halten wir die Entlastung, die der Young- Plangegen= über dem Dawes plan bringt, und die in den nächsten Jahren, auf die es für die Erholung der deutschen Wirtschaft hauptsächlich ankommt, selbst ohne Berücksichtigung des Wohlstandsinder gegenüber dem Dames- Plan jährlich 700 millionen Mart beträgt, für eine belangreiche Tatsache, die mir neben der Räumung der besetzten Gebiete als einen Erfolg der Haager Verhandlungen buchen. Aber wir wollen nicht auf die Einzelheiten eingehen, sondern der großen Täuschung" selbst zu Leibe rücken, deren sich die Sozialdemokratie gegenüber der deutschen Arbeiter­schaft schuldig machen soll.

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Wir glauben, daß niemals von sozialdemokratischer Seite verkannt worden ist, daß die Laft der Reparationszahlungen zum größten Teil die Arbeiterklasse trifft. Es wäre auch sehr unmarristisch wie wir Herrn Grafen Westarp, dessen Bor­stellungen von Margismus etwas verworren zu sein scheinen, verraten wollen, wenn mir verkennen würden, daß in der tapitalistischen Wirtschaft die Tendenz zur Ueber= mälzung aller politischen Lasten auf die schwächsten Schultern, die Schultern der Arbeiterklasse stets vorhan­den ist. Wir wissen sehr gut, daß die Mitschuld am Kriegs­ausbruch und am Kriegsausgang wesentlich bei den all­deutschen Wortführen der Junker und Schwerindustriellen lag, daß die Folgen des verlorenen Krieges aber in großem Umfange zu Lasten anderer Klassen der Bevölkerung, nicht zuletzt zu Lasten der Arbeiterklasse gehen. Wie weit es ge­lingt, gegenüber dieser Tendenz zur Üleberwälzung der Lasten auf die schwächsten Schultern die Arbeiterschaft zu schützen und andere zahlungsfähigere Schichten der Bevölkerung heranzu­ziehen, das ist allerdings nach unserer Auffassung eine Frage des Grades der politischen und gewerkschaftlichen Macht der auf Grund der Reparationsleistungen nach dem Dawes- Blan Arbeiterklasse. In diesem Augenblick, in dem die Steuerlast bereits besteht, handelt es sich aber keineswegs darum, die zwei Milliarden Mart der Durchschnittslaften des Young­Blanes in ihrer Gesamtheit neu zu regeln, sondern es handelt fich zunächst vor allen Dingen darum, mie die Ent­lastung von 700 Millionen Mart, die in den nächsten Jahren eintritt, zur Verteilung gelangt.

Wenn Graf Westarp und seine Freunde mit allem Nach­drud die Meinung vertreten, daß die bisherige Belastung auf Grund des Dames- Planes in erster Linie von den Arbeitern aufgebracht wird, so müßten wir uns eigentlich leicht mit ihnen verständigen können. Denn dann fann es ja teinem Zweifel unterliegen, daß die Entlastung vor allen Dingen dort ein fetzen muß, wo fie der Arbeiterschaft zugute kommt. Aber leider liegen die Dinge nicht ganz so einfach. Die gleichen Kreise, die die Resolutionen gegen den Young- Plan, von denen wir gesagt haben, daß sie billig seien wie Brombeeren ( vielleicht haben wir bei diesem Vergleich den Preis der Brom­beeren unterschätzt), in Massen annehmen, erklären mit Nach­druck, daß die deutsche Wirtschaft zugrunde gehen müßte, wenn nicht gerade sie durch Berringerung der Befiz­steuern den Nugen der Entlastung, die der geschmähte Young plan bringt, haben würden. Also wird es auch um die Formen der Auswirkung dieser Entlastung auf das Steuersystem scharfe Rämpfe geben.

Die Sozialdemokratie, die, weil sie marristisch ist, gar nichts davon hält, die Arbeiter zu täuschen, macht es sich auch nicht so einfach, diesen Forderungen auf Besizsteuerentlastung um 700 Millionen Mark die Forderung auf Massensteuer­entlastung um den gleichen Betrag entgegenzustellen. Denn wir wissen, daß zunächst einmal das von uns angeblich ver­