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Beilage

Mittwoch, 11. September 1929

Der Abend

Spalausgabe des Vorward

Zwischen Europa  , Afrika   und Südamerika  

Eine Fahrt nach den Capverdischen Inseln

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Las Palmas  , den ersten Hafen, den wir nach Madeira  anliefen, hätte ich um ein haar verschlafen; was mich aber noch mehr erschreckte, als ich nach einer echt spanischen Siesta aus der Koje sprang, war mein Spiegelbild, das ich vor mir sah: ich war auf meiner Afritafahrt selbst zum Neger geworden fohlpechraben­schwarz. Glücklicherweise ließ sich die schwarze Schicht durch gründ­liches Abseifen von meinem Gesicht wieder entfernen, es mar Kohlenstaub, der von den längsliegenden schon eifrig arbeitenden Schuten durchs offene Bullauge hereingeweht war. jedoch blieben jetzt nur mehr zwei Stunden für Las Palmas   übrig, das schon hinter Schuppen und Sanddünen hervorlugte. Ich schob mich zwischen den Händlern durch, die das Deck überflutet hatten, rannte die Mole hinauf, fuhr mit der Elektrischen in die Stadt und wurde dort sogleich in die Kathedrale geschleift. Trotz des Sonntags war nicht eine Seele anwesend, die Insulaner hielten eben auch

Madeira  ,

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Siesta. Für eine Peseta deckte der Kirchendiener den in Silber getriebenen Altar auf und zeigte mir das in Spiritus fonservierte Herz eines früheren Bischofs. Ich floh ins Museum und floh, als dort auch nichts weiter Aufregendes zu sehen mar, nach der in feiner spanischen   Stadt fehlenden Plaza Mayor( das heißt nicht Majars sondern Hauptplatz), wo ich mich zu einer Taffe Raffee häuslich niederließ. Kaum hatte mich aber das Leben und Treiben auf der Plaza einigermaßen in eine Las Palmas  - Stimmung versett( ewiger Frühsommer), da bemerkte einer der sechs Deutschen  am Nebentisch, die an Eleganz erheblich hinter den Eingeborenen zurückstanden, daß es nun Zeit für den Capverdischen Dampfer sei. Ich erwarb rasch noch eine Rifte canarischer Bigarren( in pompöser Habanaaufmachung) und sprang auf die Elektrische. Auffallend war der lebhafte Dampferverfehr im Hafen: während der vier Stunden unserer Anwesenheit waren nicht weniger als neun große Schiffe ein und ausgelaufen. Bei der Weiterfahrt, die noch etwa drei Stunden an der Küste der Insel entlang ging, bot Gran Canaria  " im Lichte der untergehenden Sonne mit seinen vielen Ortschaften, blühenden Tälern und bizarr gezadten Bergrüden ein Bild, das entschieden malerischer war als die Gemälde, die in unseren Museen hingen.

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Da es drei Tage dauern sollte, bis wir bei Cap Verde  wieder Land unter die Beine bekommen würden, genossen wir es allgemein als Sensation, daß am nächsten Vormittag nicht nur das Bromenadendeck, sondern auch das Vordeck mit dicken Wasserstrahlen abgewaschen wurde. Die sich dort befindlichen Ochsen ließen die Brozedur gleichmütig über sich ergehen, aufgeregter zeigten sich die Maultiere, als ihnen der Wasserstrahl zwischen die Beine fuhr, aber in heller Entrüstung protestierten die Schweine, ein Schwein will eben unter allen Umständen ein Schwein bleiben. Am nächsten Tag begann sich das Meer ungeberdig zu benehmen, die starke Dünung lief von hinten auf und half schieben, während die entgegenkommenden Dampfer folossale Berbeugungen vor uns machten und dabei mit der Nase ins Wasser stießen. Am über nächsten Tag lag das Meer wie geschmolzenes Blei da und am britten fuhren wir in einen wunderbaren Naturhafen ein, einer riesigen Bucht, die auf allen Seiten von mehr oder weniger hohen Bergen eingeschlossen wird: S. Vicente.

5. Vicente ist wichtig: als Hafen, durch seine Lage an der afrikanischen Rüste, als vorspringender Buntt gegen Südamerika  hin, durch seine geschützte Bucht und als Kohlenstation. Als Stadt ist S. Vicente die Trostlosigkeit selber in Schwarz. Wir sind in Afrika  . Alles, das ein bißchen was vorstellte, von denen, die an

Pferde kommen an Bord.

Das öde, verdorrie Praia  .

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Bilder und Text von Heinrich Haemmer

mittel faufen zu tönnen( während ihm bei reichlichem Regen die liebe Natur alles in den Mund wachsen läßt). Aber auch an ein­träglicher Arbeit mangelt es auf der Insel. Resultat: Aus. wanderung. Mit Ausnahme einiger Greise sah ich nur Frauen auf der Straße. Auf dem großen Kohlenplag arbeiteten nur Frauen. Frauen schleppten Säde und Petroleumtanister auf der Mole. Abgerissen aussehende Frauen, die jeden Fetzen Stoff als brauchbares Kleidungsstüd anlegen. Frauen, die ich im Kampf ums tägliche( nein, nur gelegentliche) Brot einander verprügeln sah.( Ein Kampf, den der schwarze Polizist prompt beendete, indem er mit seinem Knüttel gänzlich unparteiisch auf beide Parteien losdrosch.) Irgendein Lokal, wo man eine Erfrischung hätte nehmen tönnen, gab es nicht in dieser Weltstadt"( ich sage Weltstadt ohne Ironie, denn es fommen doch große Schiffe aller Nationen hier vorbei). Bald war ich wieder auf dem Dampfer und es ging der Küste entlang nach einer anderen der Capverdischen Inseln: Ilha do Fogo.

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Der( Haupt-) Hafen dieser Insel: Praia   ist als Bucht nicht so gut wie S. Vicente( meniger tief und mehr der Brandung aus­

Hafen von Praia  .

gesetzt) und als Ort nicht ganz so elend. Rote Ziegeldächer und einige Türmchen winkten beinahe freundlich von felfiger Höhe, die Bevölkerung ist Typ S. Vicente, die Straßen sind um ein meniges sauberer, die Küsten vollständig vegetationslos, von der Sladhöhe aus blickte ich in ein staubiges Tal mit einem pasen­gleichen Balmenhain hinab und vom Inselinneren zeigten sich einige grüne Flecke in der wie verrostet daliegenden Natur, die Reis­und Zuckerrohrfelder darstellen sollten. Die wahrhaft infernalische Hize war in der Tat ausreichend, um sämtliche Tropenpflanzen in der halben sonst üblichen Zeit zum Reifen zu bringen; aber auch zu versengen.

Auch in Praia   herrschte Hungersnot: von dieser feurigen Ilha manderten sogar Frauen aus. Vor dem Auslaufen des Dampfers nahmen wir als Dedpassagiere an die 40 Negerinnen mit den dazu gehörigen Sprößlingen auf, die nach S. Tomé zur

Schlafkrankheitshospital in Principe  .

eine

geld hatte sich eine jede von ihnen erst einmal ein buntes Kopftuch Arbeit in die Rataoplantagen gingen. Von dem erhaltenen Hand­getauft und mit gutem Geschmad gewählt: grellrot oder gelb für die ganz Schwarzen oder Dunkelbraunen, hellila für alles, mas schon einen weißen Ahn in der Familie aufweisen fonnte. Wie Blumenbeete sahen die Kähne aus, die diese bunte Gesellschaft zum Dampfer brachte. Dort mies man den Negerfömmlingen zarte Aufmerksamkeit für ihre Hautfarbe einen bisher als Kohlenbunker figurierenden Raum an, in dem sie sich sofort häuslich einrichteten. Ich hörte sie alsbald eifrig plappern; was mochte wohl in ihrem Innern vorgegangen sein, als der Dampfer in die sinkende Nacht hinaussteuerte, die heimatliche Insel in einem prachtvollen Sonnenuntergang versant und nichts mehr zu sehen war als bleierner Himmel und perlmutfarbenes Wasser- als das Land, mit allem was es bewegt, ausgelöscht war für volle achi Tage, die wir brauchen würden, die afrikanische Küste hinab­zuschleichen! Aehnliches wie bei weißen Arbeiterinnen, die, um ihr Brot zu verdienen, ihre Heimat verlassen müssen. Im Innern sind wir alle von gleicher Farbe.

Mecklenburg  - Schwerins Polizeikampf

Krieg gegen Preussen glücklich vermieden

Der Tatbestand: Zwischen Medlenburg- Schwerin und Preußen ist es zu einem Konflift gekommen, weil preußische Polizeibeamte auf einigen Gütern in Mecklenburg- Schwerin Er­mittlungen bei der Suche nach den Bombenattentätern vorgenom­men haben. Medlenburg- Schwerinische Beamte sind nicht hinzu­gezogen worden. Die mecklenburgisch- schwerinische Regierung hat sich bei Preußen beschwert, der Berliner   Polizeipräsident hat sich ent­schuldigt, der Konflikt ist beigelegt. Wir hatten uns seinen Fort­gang folgendermaßen vorgestellt:

Preußischer Einfall in Mecklenburg- Schwerin  . Unerhörter Eingriff in dieSouveränität unseres Baterlandes.

Schwerin  , den 10. September 1929.

Die medlenburgisch- schwerinische Staatsagentur teilt amtlich mit: Banden von preußischen Polizeibeamten sind in mecklenburgisch­fchwerinisches Gebiet eingefallen, um widerrechtlich nach Berbrechern zu suchen, die ihre Straftaten im Ausland, in der Republit Preußen, begangen haben. Der mecklenburgisch- schwerinische Gesandte in Berlin   ist beauftragt, der preußischen Regierung eine Note zu überreichen, die in scharfen Worten Sühne für diesen einzigartigen internationalen 3wischenfall fordert. Das medlenburgisch- schwerinische Staatsministerium tagt in Ber­manenz.

Die mecklenburgisch- schwerinische Note überreicht.

Berlin  , den 11. September 1929. BIB.   teilt mit: Der mecklenburgisch- schwerinische Gesandte über­reichte der preußischen Staatsregierung eine Note, die mit einer Frist von 72 Stunden eine Entschuldigung für den Einfall preußi­scher Polizeibeamter in Mecklenburg- Schwerin   verlangt.

Wie Nachrichten aus Schwerin   besagen, hat die Note insofern ultimativen Charakter, als Mecklenburg- Schwerin   mit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen im Falle einer Ab­lehmung droht. Eine Kriegsertlärung ist nicht vorgesehen.

Stresemann   aus Genf   abgereift.

Genf  , 12. September. Reichsaußenminister Stresemann ist vorzeitig aus Genf  abgereift und nach Berlin   zurückgekehrt, um im preußisch- mecklen­burgisch- schwerinischen Konflikt zu vermitteln.

Bord famen( ob Weiß, ob Schwarz, ob Mulatte), trug den Tropen helm, zuweilen in reichlich schmutzigen und verbeulten Eremplaren, und die Bemannung der Hafenboote und die Kohlenarbeiter waren Neger, Neger, Neger. Die schwarze Bevölkerung aber machte einen miesen, heruntergekommenen Eindrud. Auf den Cap verdischen Inseln herrschte( es war zur Inflationszeit, und ist auch sonst des öfteren so) Hungersnot, da es seit drei Jahren nicht zur richtigen Zeit geregnet hatte. Jede zweite Hand auf der Straße streckte sich mir geöffnet entgegen: ich sollte Münze hineinlegen, damit man sich zu essen taufen fönne. Nahrungsmittel werden hin­reichend importiert: man braucht sie nur zu bezahlen. Das mecklenburgisch- schwerinische Bolt demonstriert in Schmarin, Der Reger muß arbeiten, um die teuren importierten Lebens- Bismar, Rostod und Teterom gegen Breußen. Bor Dielen

Kriegsstimmung in Schwerin  .

Schwerin  , 13. September.

Gebäuden weht die blaugelbrote Flagge mit dem Ochsenkopf. Transparente mit der Inschrift Nieder mit

Es lebe die Kleinstaaterei!" werden den Zügen vorangetragen. Bei der preußischen Gesandtschaft sind die Fenster eingeworfen worden. Die Erregung ist ungeheuer.

Die preußische Antwort.

Berlin  , 14. September.

Die preußische Regierung hat die Note der medlenburgisch­Schwerinischen Regierung dahingehend beantwortet, daß bei der Ber­folgung von Schwerverbrechern nicht fleinstaatliche, bureaukratische Erwägungen gelten fönnten, fondern daß einzig das Intereffe des gesamten deutschen   Boltes maßgebend sei.

Abbruch der diplomatischen Beziehungen. Schwerin  , 15. September. Amtlich wird mitgeteilt: Die mecklenburgisch- schwerint­fche Staatsregierung betrachtet die Antwort der preußischen Staats­regierung als ungenügend. Sie nimmt die Herausforderung auf und hat dem preußischen Gesandten die Pässe zugestellt. Berlin  , 16. September. Der medlenburgisch schwerinische Gesandte ist aus Berlin   abgereist.

Stresemanns Aftion gescheitert!

Berlin  , 17. September.

Die Antwort der mecklenburgisch- schwerinischen Staats­regierung auf die Anfrage des Reichsaußenministers Stresemann besagt, daß die medlenburgisch- schwerinische Staatsregierung die Bermittlung des Reiches ablehne, da es eines souveränen deut­ schen   Landes unwürdig sei, sich bei einem Konflikt mit einem anderen deutschen Lande der Vermittlung des Reiches zu bedienen. Die preußische Staatsregierung hatte sich mit der Bermittlung des Reiches ohne Berzug einverstanden erklärt.

Mobilmachung in Mecklenburg- Schwerin  .

Schwerin  , 18. Geptember. Amtlich wird mitgeteilt: Die mecklenburgisch- schwerini sche Staatsregierung hat die Mobilmachung der Land­gendarmen angeordnet, Mecklenburgisch- schwerinische Flugzeuge freisen   über der preußisch- mecklenburgisch- schwerinischen Grenze. Zu bewaffneten Zusammenstößen ist es bis zur Stunde nicht ge­fommen.

Fortsetzung auf der nächsten Seite.)