190 895 Bip Sonntag
22. September 1929
Gegen den Kollegen Bumba bestand am Amtsgericht von jeher ein Vorurteil. Nicht unter uns Referendaren, sondern bei seinen Borgesetzten. Bumba war sein Spigname; er hieß noch weniger schön und besaß auch sonst keinerlei äußere Vorzüge. Auf dünnen Säbelbeinen lastete ein breiter, ungefüger Rumpf und auf dem furzen Hals ein massiger Schädel mit finsterem, eigensinnigem Antlig, das nie zu lächeln verstand.
Er lebte einsam und ärmlich, ohne jeden Verkehr. Aber weil er gern Vertretungen und Aushilfen übernahm, sich mit seiner zähen Arbeitskraft und seinem erstaunliche Wissen immer nüßlich machte, persagten wir ihm unsere Achtung nicht. Anders die Richter. Die fonnten ihn nicht ausstehen, wollten am liebsten nichts mit ihm zu tun haben und suchten sich seiner Ausbildung, wo es nur anging, zu entziehen. Bumba war nämlich ein unbequemer Untergebener; er nahm es nicht nur mit den Fällen und Akten sehr genau, bemerkte und monierte jeden Verstoß, jeden Rechtsirrtum, jede Nach lässigkeit. Aergerlicher noch war sein Widerspruchsgeist, mit dem er sich unerbittlich und immer gestützt auf das Gefeß, gegen die bequeme Uebung des Gerichts auf Seite der Parteien stellte, indem er die Ansicht vertrat, daß sie vor allem, mehr als die Richter, des Schußzes des Gesetzes bedürften. Wenn umnüz verlagt wurde, in der Hezjagd der Termine jemand nicht genügend zu Worte tam, über eine ungeklärte Sache Urteil gesprochen werden sollte, konnte der Amtsrichter sicher sein, daß ihm Bumba unter vier Augen bescheiden, aber deutlich, seine Berwunderung darüber aussprach. Infolgedessen bestand Konduite aus einer Reihe abfälliger und
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,, Los! Los! Laßt mich los! Ich muß hinein zu ihnen! Ich mache ihn falt, den Hund! Der will das Recht und die Ge: sehe hüten? Bosheit und Niedertracht! Die Wahrheit sollen sie hören..., das war kein Examen..., das war ein Lumpenstreich!" Nur mit Mühe gelang es, ihn zu bändigen und die Treppe hinabzudrängen. Sein Geschrei und Geheul dröhnte durch die stillen Korridore des ehrwürdigen Ministeriums.
Bumba verschwand für längere Zeit aus dem Gesichtskreis der Berufsgenossen. Es hieß, daß er in der Kanzlei eines unbedeuten den Anwalts Beschäftigung gefunden hätte. Nach Jahren wollte ihn jemand als Bureauvorstand in einer Kanzlei wiedergesehen haben.
Dann tauchte er auf einmal als einer jener Rechtskonsulenten" auf, die das Aergernis der Rechtsanwaltschaft und das Kreuz der Amtsrichter sind. Er vertrat die Interessen kleiner Leute, die sich feinen Anwalt leisten können oder mißtrauisch lieber zu einem Außenseiter gehen. Er hielt Sprechstunden ab in dem dunklen Hofgelaß einer Mietfaserne und ergriff vor Gericht das Wort für solche, denen es nicht geläufig war.
Dort traf er oder stieß er wohl auch manchmal mit seinen ehemaligen Vorgesetzten und Kollegen zusammen, die während der Borbereitungszeit von seiner Allwissenheit profitiert hatten.
Beilage des Vorwärts
Das Kümmerliche und Demütigende dieser Eristenz lastete sichtlich schwer auf ihm, und er merkte gar nicht, mit welch aufmertsamem, wenn auch widerwilligem Respekt die Richter seinen Ausführungen folgten. Daß er seinen Klienten fast immer zum Sieg verhalf erschien ihm selbstverständlich; denn er leistete niemandem Beistand, von dessen Recht er nicht überzeugt war.
Bei seiner armseligen Klientel und bald auch bei allen, die mit den Gerichten Fühlung hatten, sprachen sich seine Erfolge herum. Es entstand ein großer Zulauf, auch von zahlungsfähigen Kunden, und selbst angesehene Rechtsanwälte gingen ihn zuweilen in schwierigen Fragen insgeheim um seinen Rat an.
Die Kanzlei, die er nun im Zentrum der Stadt eröffnete, wohlbesetzt mit rechtskundigen Leidensgenossen und einem Stab von Stenotypistinnen, gelangte so rasch zur Blüte, daß er auch innerlich auflebte und sein verdorrter Idealismus neue Reime trieb.
Kürzlich begegnete ich ihm in der Generalversammlung eines Industriekonzerns, der ihn zu seinem Syndikus bestellt hatte, und beglückwünschte ihn zu seinem Aufstieg.
Kopfschüttelnd erwiderte er:
,, Es wäre mir auch heute lieber, wenn ich zu denen gehörte, dic das Recht zu zeugen haben, statt zu denen, die dabei nur Hebammendienste leisten. Immer wieder muß ich mich fragen: Gibt es überhaupt eine eratte Wage der Gerechtigkeit? Oder verhält es sich mit dieser vielleicht ebenso wie mit dem Ring des weisen Nathan, der verloren ging? Nun, Gott schüße das Recht und uns alle vor dem Gestümper des Rechts- Betriebes!"
ausfälliger Zeugniffe. Wohl oder libel mukte ihm obenbin fein L. Loeske: Die Schweiz von der Kehrseite
Fleiß, sein juristischer Scharfsinn, seine gediegene Gefeßestenntnis bescheinigt werden, gleichzeitig aber wurde allerseits betont, daß er es nicht verstände, sich in die Pragis einzuleben, vorlaut und anaßend aufträte und seine Stellung richterlicher Autorität gegenüber völlig verkenne.
Troß den Bergen von Protokollen und Urteilsbegründungen, die man ihm aufbürdete, fand er die Zeit, sich in der wissenschaftlichen Literatur auf dem Laufenden zu halten, als einziger Jurist im Städtchen die Fachzeitschriften zu studieren und in Arbeiterkursen Borträge über die Grundlagen der Rechtspflege zu halten.
Zur Borbereitung auf das Assessoregamen tamen die Referendare gruppenweise in den Abendstunden zusammen, fragten sich gegenseitig die Gesetzesstellen ab, erörterten Iniffliche Fälle und übten sich im juristischen Denken. Da war Kollege Bumba auf einmal die gesuchteste Persönlichkeit. Kameradschaftlich stellte er sich als Einpaufer zur Verfügung und setzte jeden in Verwunderung durch den Umfang und die Klarheit seines Wissens wie durch die Sicherheit des Urteils. Das Bürgerliche und das Strafgesetzbuch hatte er fast wörtlich im Kopf, über die Masse der Nebengesetze er besser unterrichtet als mancher Reichsgerichtsrat. fagten ihm alle für das Examen die Nummer Eins und eine große Zukunft voraus.
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Aber es tam anders, als wir und er selbst geglaubt. Schon nach dem schriftlichen Teil der Prüfung, zu der er fich als einer der Ersten und Zuversichtlichsten gemeldet hatte, wurde er zu allge: meiner leberraschung zurückgewiesen. Seine Arbeiten, so wurde bekannt, waren abwegig" und deshalb ungenügend gewesen, abmegig in dem Sinne, daß sie bei allen sonstigen Borzügen mit dem Tert des Gesetzes zu frei umgingen, den Geist und Billen des Gesetzgebers, also die eigentliche Gerechtigkeit über den Buchstaben stellten und mehr rechtsphilosophisch als durch Auslegung der Paragraphen die geforderte Entscheidung trafen. In dem Strafrechtsfall das wurde ihm am meisten verübelt hatte er den Angeklagten, den ein offenbarer Widerfinn des Gesetzes zu Falle bringen mußte, dem verpönten gefunden Menschenverstand" entsprechend freigesprochen. Der gesunde Menschenverstand ist bekanntlich das rote Tuch unserer Rechtspflege, und die Prüflinge werden immer wieder vor die Aufgabe gestellt, sich durch entschlossenes Festhalten an rein juristischen Schlüssen von ihm nicht beirren zu lassen. Bumba hatte an einer Stelle ausgeführt, daß solche Irrtümer und Entgleisungen im Gesetz, die immerhin selten vorkommen, von der entscheidenden Instanz nach eigenem richterlichen Ermessen berichtigt werden müßten. Das allein hätte ihm den Hals gebrochen. Mit dem besten Vorsatz zum unvermeidlichen Formalismus stieg er nach einem Jahre zum erstenmale ins Examen. Da ging es leidlicher; er wurde zur mündlichen Prüfung zugelassen. Die aus höheren Richtern und Minifterialräten bestehende Kommiffion nahm ihn mit ungewöhnlicher Strenge ins Berhör. Seine schlechte Konduite und das Ergebnis seines ersten Versuchs sprachen von vornherein zu seinen Ungunsten. Das Auditorium der Referendare spürte deutlich das Pfeifen eines widrigen Windes. Der Vorsitzende, ein dürres, vertrocknetes Männchen aus dem Justizministerium, ohnehin als ,, Mordkommissor" bekannt, rückte ihm mit den tückischsten Waffen zuleibe. Er legte ihm Fälle vor, die für Bumbas leidenschaftliches Gerechtigkeitsgefühl voll gefährlicher Fußangeln waren und in denen er sich dann auch richtig des öfteren verfing. Damit nicht genug, fragte er Bumba aus über jene fernliegenden Gebiete, die eines Juristen Fuß nur in ganz besonderer Mission betritt, nämlich über die Aufwertungsfragen, die neuesten, ewig wechselnden Miet- und Steuergesetze und die sie umschvärmenden, häufig sich widersprechenden Verordnungen. Kein Referendar hat Zeit und Gelegenheit, sich während seiner Ausbildungsjahre mit diesen zu befassen und braucht in der Regel auch eine Prüfung darin nicht zu be fürchten. Auf einen solchen Angriff war nicht einmal Bumba vorbereitet. Er hüllte sich in Schweigen, dann bemerkte er biffig: Jch glaube die Jurisprudenz mindestens in dem gleichen Umfang zu beherrschen wie die Herren Richter, unter denen ich zu arbeiten hatte."
Damit war er natürlich geliefert. Man würdigte diese frivole Verteidigung feiner Antwort und beschäftigte sich nur noch mit den
anderen drei Kandidaten.
Als das Ergebnis dieses großen Staatsexamens eine halbe Stunde später im Wartezimmer verkündet wurde, lautete es für Bumba auf Nichtbestanden. Und da er zum zweitenmal versagt hatte, mar ihm die juristische Laufbahn für immer verschloffen. Die Rechtspflege hatte ihn als einen Unfähigen ausgespien aus ihrem Munde. Die Kollegen umstanden ihn wie vor den Kopf geschlagen, erschüttert von der sinnlosen Härte dieses Schicksals. Auch Bumba war bis zum letzten Augenblick hoffnungsvoll geblieben.
Die Wut der Verzweiflung fochte in ihm hoch. Er brüllte auf wie ein mißhandeltes Tier und stürzte sich gegen die Pforte, die ihn von den Zerstörern seines Lebens trennte. Man hielt ihn fest, und er begann zu toben:
Bei meinem letzten Besuche der österreichischen Alpen grinste mir einmal inmitten einer herrlichen Alpenwelt ein meterhoch in den Fels gemeißeltes, in roter Kriegsbemalung weithin leuchtendes Hakenkreuz entgegen. Um vor solchen armseligen Naturverhunzelungen sicher zu sein, versuchte ich es diesmal mit der Schweiz .
Diesem Lande fehlt es nicht an lieblichen Gefilden, aber zu einem erheblichen Teile besteht es aus Bergen, die einem überall im Wege find. Die einen dienen als Aussichts, die anderen als Anfichtspunkte, worin sie durch Ansichtskarten wirksam unterstützt werten. Denn als ich am Sankt Gotthard fünf Tage im dicken Nebel faß, hätte ich ohne die Ansichtskarten nicht gewußt, ob ich in Goschenen oder in Freienwalde eingeregnet war. Wenn sich dann der Nebel verzieht, dann sitzt man da, von Himmelstraßern rings umgeben, wie erschlagen. Ein Wald von Bergen! Der Busen der Natur, an dem man in der Schweiz unaufhörlich ruht, ist noch budliger als in Tirol, und man atmet auf, wenn man gelegentlid, Stellen sieht, wo die Berge fehlen. Auf dem Bierwaldstätter See 3. B. stehen keine. Wenn man bedenkt, daß die ganze Schweiz nur einige Quadratmeilen größer ist als die Mark Brandenburg, dann fommt man aus dem Staunen über die ungeheure Berg- und Gletscherwelt, die sich auf so kleinem Raume häuslich einzurichten verstand, nicht heraus.
Eine Anzahl dieser Berge, die wir wie die ewige Jungfrau und das unvermeidliche Matterhorn schon seit frühester Jugend kennen, find ganz passabel und durchaus geeignet, sogar Berlinern, froß ihrer ,, Glindower Schweiz" und ähnlichen Maulwurfshausen, zu imponieren, obwohl man bei Berlinern in dieser Hinsicht nie ganz sicher sein fann.
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Frühstück Misch und Honig reichlich fließen und wo er sich an der Mittags-, noch mehr an der Abendtafel in mehreren Gängen bis zur Wunschlosigkeit betätigen kann. Bleibt ihm dabei noch Zeit, so tann er zwischendurch gelegentlich auch Natur schlemmen.
Die Schweiz von der Kehrseite? Nun, sie fann von dem Naturgesetz, daß auch das schönste Medaillon eine Rückseite hat, feine Ausnahme machen. Und sie kann einen scharfen Buff vertragen. Sie bleibt bei alledem doch Gottes Schatzfäftlein, und wenn im Sonnenschein die Juwelen darin funkeln, dann ist alles vergeben, und man hat nur den Wunsch: Jeder einmal in die Schweiz !
Aber offene Augen muß er mitbringen. Nicht nur für die Speisekarten, für zweisternige Sehenswürdigkeiten( die oft so überlaufen sind, daß sie erheblich verlieren), überhaupt nicht bloß für Dinge, die man angeblich durchaus gesehen haben muß. Auch nicht bloß für Gemsen, Murmeltiere und Alpendohlen, sondern auch für die Welt der Blumen. Die Botanik fann er meinetwegen zu Hause lassen, denn die Namen sind nicht das Wesentliche. Edelweiß und Alpenrosen auch nicht. Das Wesentliche ist die stumme Freude an der Fülle wunderbarer Blatt- und Blütenformen. Da erreicht man 3. B. einen hohen Paß, inmitten einer grandiosen Felswüste mit Schneeflecken und Gletscherzungen; die Sonne prallt auf das nackte Gestein und man meint das Tal des Todes erreicht zu haben. Bis man den Pfad verläßt und zwischen den Trümmern herumsteigt. Aus allen Rizen und Klüften schauen Blütensterne und Blattwerk in nie gesehenen Formen, und das tieffatte Blau der Enziane ist eine Offenbarung. Und ein dicht geschlossener Rasen ist da, voll roter Blüten, über die eine Schar bunter Falter gaufelt. Ein ganz alltägliches, inmitten der Hochgebirgsnatur aber ganz unbeschreiblich wirkendes Bild. Und es ist ich kann nichts dafür-, es ist nicht der weiße Dom der Jungfrau und nicht der himmelwärts drohende dunkle Teufelsfinger des Matterhorns, es ist dieser kleine Fleck voll bunten gaukelnden Lebens im Hochgebirge, der in meiner Erinnerung am tiefften haftet....
Außer aus Bergen, Firnen, Gletschern und Pensionen besteht die Schweiz aber hauptsächlich aus Kontrasten: strahlende Sonne, Rebel, grüne Matten, schwarze Tunnel ohne Ende, blaugrün schil lernde Gletscherabbrüche, herrlich flare und nach Unwettern schlammgelb dahinrasende Bergströme, Seen, die von einem Kranz leuchtender Billen umgeben sind, und andere auf hohen Bässen, die kein Strauch, fein Baum umrandet und deren Einsamkeit uns ans Herz Heinrich Kemmer: greift.
Die
Denn zum Glück gibt es auch in der Schweiz noch Einsamkeiten. Sonst nämlich! In einem alten Führer las ich, daß die berühmte Straße über den Sankt Gotthard seit der Vollendung des Tunnels ziemlich verödet sei. Damals lagen die Autos nämlich noch in den Windeln. Heute ist diese prachtvolle Paßstraße, so etwa zavischen Göschenen und Andermatt , nur für recht behende Wanderer passierbar. Mag in der Tiefe die Reuß noch so herrlich iosen, die Autos sind ihr über, mit ihrem heiseren Bellen, ihrem Auspuff, ihren Staubwolfen. Das ist nur ein Beispiel für viele Alpenstraßen, die den Eindruck machen, als sei die Schweiz ein Experimentierfeld für den Rennkoller geworden. Sie hat sich im Engadin einen großartigen Naturschußpart geschaffen. Vielleicht schafft die Schweiz auch mal ein Gebiet für Naturfreunde, die die Natur genießen und nicht durchrasen und vom Autosnobismus dabei nicht gestört sein wollen. Fremdling, der du schweizwäris reisest: Tu Geld in deinen Beutel! Es ist ein wunderbares Land, glänzend durchorganisiert, so daß besonders die Engländer sich ganz wie zu Hause fühlen, was man auch daran merkt, daß man mit etwas Englisch und tausend Worten Sächsisch im Berner Oberland überall durchkommt. Verpflegung hört man täglich preisen, die Bahnen, besonders die Bergbahnen, lassen es sich etwas fosten, dir alles Sehenswerte so nahe wie möglich vor die Brille und vor den Photokaften zu rücken, und das alles kostet auch dich allerhand. Tu Geld in deinen Beutel! Hast du vorher an eins der Verkehrszentralen geschrieben, dann haft du unentgeltlich eine Menge schön bebilderter Prospekte und eine Liste der Hotels mitsamt den Preisen erhalten. Aber die Liste enthält nur die dem Hotelverband angeschlossenen Gaststätten; die fleinen und kleinsten, in denen man billiger unterkommen tann, fehlen. Und wenn du dich nach Privatwohnungen bei der Verfehrszentrale erkundigst, weil du auf die Pension verzichten und als freier Wanderer dich freihändig verföftigen willst, dann bleibt die Auskunft aus, alldieweilen die Privatwohnungen ja den Hotels Konturrenz machen. Dieses fönnte ein wenig anders werden! Bis dahin: Tu Geld in deinen Beutel, denn bei aller Bescheidenheit wirst du mindestens um die Hälfte mehr als in den österreichischen Alpen verbrauchen. Füllt man übrigens auf dem Bostamt ein For mular mit der Adresse für nachzusendende Briefe aus, so hat man 20 Rappen dafür zu berappen. Weder die österreichische, noch die sonst so findige deutsche Post ist auf diese Einnahmequelle geraten, und wenn es auch nur 20 Rappen sind, so empfindet man doch, in eitel Ferienstimmung gehüllt, dergleichen als überflüssigen Nadelstich. Umsonst ist in der Schweiz außer den prächtigen Prospekten mir der Absturz, wobei man eine konturrenzlose Auswahl hat. Dem Glücklichen aber, dem es gleich ist, ob die Reise hundert Mart mehr oder weniger foftet. für diesen ist die Schweiz das Land, wo schon beim
Das Mittagessen des Dichters
Nach australischen Begriffen ist es häßlich und egoistisch, sein Bier oder seinen Whisky still und einsam in sich hineinzuirinken. Man lädt sich jemand ein, wenn man in eine Kneipe geht. Auf jeden Fall begibt sich, wer einen Bekannten trifft, vor allen Dingen bestellt zwei Gläser von der gewünschten Sorte und trinkt: jeder auf des anderen Gesundheit. Diese eigentlich in allen anglosächsischen Ländern herrschende oder vielmehr diese be herrschende Trinkfitte nennt man shouting( sprich: schauting). Hat jemand für Sie geschautet, d. h. eine Lage bestellt, so schauten Sie zurück. Wenn ihrer zehn beisammen sind, so werden( nach und nach) zehn Runden bestellt, wenn auch nicht notwendigerweise in demselben Lokal. Man macht eine Bar- Reise. Solche Bar- Reisen dehnen sich öfter auf lange Straßen und ganze Stadtviertel aus, denn auf eine Revanche revanchiert man sich von neuem und so ist des Revanchierens und Trinkens fein Ende: daher gibt es viele arme Teufel und reiche Barbesizer. Nun gibt es Leute( in, Australien wie außerhalb), die einen immer größeren Durst befommen, je mehr sie trinken. Nachdem sie sich banterott geschautet haben, stehen diese Unglücklichen an eine Barmauer gelehnt auf der Straße und warten, bis jemand des Weges kommt, der einen Trinkkumpan sucht. Vor jedem Bareingang sieht man eine Ansammlung von Menschen und nicht gerade von den appetitlichsten.
mit ihm in ein Trintlokal. What will you have?" fragt man,
zu denen, die am häufigsten anzutreffen waren in und vor den Bars von Sydney , gehörte Australiens größter Dichter, der unlängst verstorbene Henry Lawson . Henry trant in seinen Glanztagen Whisky, dann sank er zu Rum und Gin herab. Seine Weste war voll Flecken von vergossenen minderwertigen Geistern und seine Rede irr und endlos. In der Nationalgalerie hängt sein Bild aus besseren Tagen, und der Verleger hat seine Werke neu herausgegeben. Der Dichter selbst war aber schon lange welt und zerbrochen. Als ich( mit dem Uebersezungsrecht von seinem Verleger tommend) Henry Lawson mittags einmal wie eine Latte an einer Barece lehnen sah, erfaßte mich ein menschliches Rühren. Wie viele Rums und Gins , dachte ich, hat er wohl heute schon getrunken und gewiß noch feinen Bissen im Magen. Wie eine Schnapspulle wird er nur mit Alkohol gefüllt was würde er sagen, wenn ihm einer einmal ein Mittageffen spendiert? ,, Henry," rief ich, tomm mit!" Und ich nahm den Dichter unterm Arm, um ihn durch die Bar in das dahinterliegende Restaurant zu führen. Hast du schon geluncht?" fragte ich teilnahmsvoll. Der Dichter hob zwei Finger und schüttelte traurig ,, Not a das Haupt. drop," sagte er ,, nicht einen Tropfen!"
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