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BERLIN   and edge

Dienstag 8. Oktober

1929

Der Abend

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Nr. 472

B 235

46. Jahrgang

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Die Abschaffung der U- Boote.

Einschränkung der Schlachtschiffe.- Konferenz in London  .

London  , 8. Oktober. I

Ueber die an die Vereinigten Staaten  , Frankreich  , Italien   und Japan   ergangenen Einladungen zu einer Seeabrüftungskonferenz meldet ,, Times": Das Dokument enthäst ungefähr tausend Worte. Zu Beginn werden die Punkte aufgezählt, in denen die Regierungen Großbritanniens   und der Vereinigten Staaten   im Laufe der Be­fprechungen zwischen Macdonald und General Dawes zu einer vor= läufigen Berständigung gelangt sind. Danach besteht Einigkeit darüber: 1. daß die gegenwärtigen Verhandlungen das Ergebnis und die direkte Fortsetzung des Kriegsverzichtspattes ( Kellogg  - Paft) find, 2. daß der Grundsatz der Parität der Flotten stärken für alle Kriegsschijfsklassen akzeptiert wird, die nicht durch den Washingtoner Vertrag erfaßt werden, und daß diese Barität am 31. Dezember 1936 erreicht sein soll. Die britische   Regierung hat über diese Punkte mit den Regierungen der Dominions beraten, und es verlautet, der Times zufolge, über die Auslegung des Pari­tätsbegriffs, daß die Marinestreitkräfte des gesamten britischen

ist, auch die Frage einer Revision der Dienstzeit von

Reichs in Rechnung gestellt werden sollen; 3. daß es wünschenswert Schlachtschiffen aufzuwerfen, um die Durchführung des vollen Ersatz programms zu vermeiden, das im Washingtoner Vertrag von 1922 vorgesehen ist; 4. daß beide Regierungen der Ansicht sind, daß 11- Boote völlig abgeschafft werden sollten, daß aber diese Maßnahme nicht ohne die Zustimmung aller beteiligten Mächte durch geführt werden kann.

Im allgemeinen wird anerkannt, daß eine endgültige Verein barung nur durch eine Konferenz mit den anderen Seemächten erreicht werden kann. Infolgedessen ladet die britische   Regierung die vier anderen Regierungen zu einer Konferenz ein. Man hofft, daß

Wo blieb das Raiffeisengeld?

In den Taschen prominenter Deutschnationaler!

der Berichterstatter Kuttner eine Anzahl von Berluftkonten der In der heutigen Sigung des Untersuchungsausschusses brachte Raiffeisen- Bank zur Sprache, die bisher noch nicht in Erscheinung getreten waren. Bei der Besprechung der einzelnen Konten mit den Vorstandsmitgliedern Dietrich, Seelmann und Schwarz ergaben sich sehr interessante Aufschlüsse. So hat eine Bio­hemische Industrie A.-G. in Hamburg   Kredite bekommen,

von denen 67 000 m. verloren sind.

An der Spitze dieses Unternehmens stand der Admiral und volksparteiliche Abgeordnete Brüninghaus.

An einer 3entralstelle der Kameradschaftsheime", einem Unternehmen, dessen Sinn noch nicht ganz aufgeklärt werden fonnte, find 90 000 m. verloren worden. Hinter diesem Unter nehmen stand die Reichswehr  , die der Raiffeisen Bank für die Kredite eine entsprechende Einlage gegen ganz niedrige Zinsen zur Berfügung stellte. Angeblich sollte diese Zentralstelle der Beschäfti­gung ehemaliger Heeresangehöriger"; dienen,

Es wird Sache des Reichstags sein, aufzuklären, was hier getarnt worden ist.

Dietrich, daß der Bermittler, ein adliger Herr, auf ihn einen Gefragt, wie er zu diesem Geschäft gekommen sei, erklärt so, che valeresten Eindruc" gemacht habe. Hinterher habe fich freilich herausgestellt, daß es auch ihm nur um die Vermittler­provision zu tun gewesen sei! Aber seine Provision hat dieser vor­nehme Agent wenigstens erhalten! Die letzten Gründe für diese eigenmächtige Kreditgewährung des Generaldirektors sind noch nicht flar.

"

Schließlich ist an einem westdeutschen Unternehmen, der West­fauf A.-G." für die Raiffeisenbank ein Verlust von 1,1 Millionen entstanden. Aufsichtsratsvorsitzender dieser Westkauf 2.-G." war der deutschnationale Landtagsabgeordnete Jan. fen. Eng   liiert mit der ,, Westtauf A.-G." war ferner der deutsch­nationale Reichstagsabgeordnete Neuhaus- El­berfeld, an den die Raiffeisenbank 376 000 Mark verloren hat. Ferner wurden 160 000 Mart an die Herlingswerke in Köwensen verloren, deren Aktien zu 51 Prozent Herrn Neuhaus, zu 49 Prozent der Westkauf A.-G." gehörten.

3m ganzen hat dieses Geschäft, an dem zwei deutschnationale Abgeordnete hervorragend beteiligt waren, der Raiffeisenbank einen Berlust von mehr als 1,6 millionen Mark gebracht.

die eingeladenen Regierungen fofort zu einem Meinungsaustausch des deutscher   Difiziere, der bekannten rechtsradikalen Difi. Neue Verhandlungen mit Polen  

über die aufgeworfenen Fragen schreiten werden. Ausdrücklich wird in der Note erklärt, es sei nicht geplant, einen neuen Mechanis mus zur Behandlung der Seeabrüstung zu schaffen, im Gegenteil hofft man, die Arbeit der Konferenz derart zu gestalten, daß dadurch die Aufgabe des Bölferbunds, der das gesamte Abrüstungs­problem zu behandeln hat, erleichtert wird.

Diese Einladung Englands an die Vereinigten Staaten  , Fran? reich, Italien  , Japan   zu einer Flottenabrüftungsfonfe­renz trägt den Namen Hendersons. Sie ist nicht erst bei den persönlichen Unterhaltungen Macdonalds mit Hoover fertiggestellt worden, sondern stellt das Ergebnis monate­langer Verhandlungen zwischen der amerikanischen   und eng­lischen Regierung dar. Wie hier im ,, Bormärts" voraus­gesagt wurde, ist es nicht möglich gewesen, eine wesentliche Kürzung des Kreuzer programmes zu erzielen: Die Ungleichheit zwischen der englischen   und der amerikanischen  Kreuzerflotte ist so beträchtlich, daß es sich hier nicht so sehr um eine gemeinschaftliche Abrüstung, sondern erst ein mal um die grundsägliche Herstellung der Gleichheit handeln konnte. Ob die Kreuzergleichheit zwischen England und Amerika   bedeuten wird, daß Amerika   einen großen Teil feines Kreuzerprogrammes ausführt, oder ob sie bedeutet. daß England einen erheblichen Teil seiner Kreuzerflotte außer Dienst stellt, hängt von der Politik Frankreichs  , Italiens  und Japans   auf der Flottenkonferenz ab. Sind sie bereit, einen Teil ihrer Kreuzer abzuwracken oder auf Neubauten zu ver zichten, so wird auch die Größe der englischen   und ameri­tanischen Kreuzerflotten stärker vermindert. Angesichts dieser Sachlage tonzentriert sich die englisch- amerikanische Ab= rüstungsoffensive auf Schlachtschiffe und U Boote. Die Kreuzer stellen mehr als andere Seewaffen eine Art See polizei dar; Schlachtschiffe und U- Boote find die eigentlichen Werkzeuge des Seekrieges  . Deshalb liegt es insbesondere in der Richtung der Politik des Kriegsverzichtes, daß die beiden größten Seemächte die Einschränkung der Schlachtschiffe und die Abschaffung der U- Boote in einem internationalen Vertrage beabsichtigen; das letztere liegt insbesondere im englischen Interesse, das die Bedrohung seiner Handelsschiffahrt durch die U- Boote fürchtet.

Die Initiative der britischen   Arbeiterregierung hat also bereits dazu geführt, daß nicht nur über die Kreuzer, mie 1927 in Genf  , sondern über die Einschränkung der gesamten Seerüstungen verhandelt werden wird. Welchen Ausgang die im Januar in London   abzuhaltende Konferenz hat, hängt davon ab, wieweit sich in Italien  , Frankreich   und Japan   der Gesichtspunkt der finanziellen Lastenerleichterung gegenüber den Militarismus und Nationalismus durchsetzt.

Ferner taucht als Kreditnehmer auf der ehemalige Offi zier Moltentin, der Begründer des Nationalvetban Offi­ziersvereinigung. An ihm und seinen geschäftlichen Unternehmungen hat die Raiffeisen- Bant rund 55 000 mart verloren. Die Kredite hat der Prokurist Möhring auf eigene Faust bewilligt, wie er sagt, aus Gefälligkeit gegen Mollentin. Die Direktoren wollen nichts von dem Kredit an Mollentin gewußt haben.

Ein Unternehmen Elektrizitätsindustrie" in München   hat durch Bermittlung des Prinzen Bjenburg Kredit erhalten, es wurden dabei 190 000 Mart verloren.

An der Steinkohlengrube Gewerkschaft König Ludwig" in Gundels­dorf verlor eine Filiale der Raiffeisen- Bank 1,7 millionen Gold­mart. Die Grube ist dafür berüchtigt, daß sie die minderwertigste Steinkohle in ganz Deutschland   produziert. Jetzt liegt fie still, der Schacht ist eingestürzt.

Während der Generaldirektor Dietrich sich sonst um nichts kümmerte, muß er zugeben, für die Braunkohlengrube Hasse in Mitteldeutsch­ land   ohne Wissen seiner Mitdirektoren in Höhe von anderthalb Millionen Mark Bürg­schaften übernommen zu haben.

Nach dem Grund der Bürgschaft gefragt, gibt Dietrich an, daß die Bant eine Provision von 2 Broz. habe verdienen wollen, aber nicht einmal dieses Geld scheint eingegangen zu sein. Für die Bürg­schaft ist die Raiffeisenbank voll in Anspruch genommen worden, das Geld wurde restlos verloren.

Ein deutsches Handelsvertragsangebot.

Nach polnischen Blättermeldungen hat der deutsche Gesandte in Barschau, Ulrich Rauscher  , der polnischen Regierung ein neues Angebot unterbreitet, das den Abschluß eines provi= forischen Handelsvertrages porsieht. Dieses neue An­gebot, das die seit Monaten vollkommen festgefahrenen deutsch  - pol­nischen Handelsvertragsverhandlungen wieder in Fluß bringen soll. ist, wie es heißt, vom Reichsfinanzminister Hilferding ausgearbeitet worden.

Das deutsche Angebot sieht in erster Linie einen Abbau der beiderseitigen Einfuhrverbote und Kampfzölle vor. Ferner sollen beide Länder sich gegenseitig die Meistbegünstigungs­flausel zuerkennen. Deutschland   will Polen   außerdem ein. monat­liches Einfuhrkontingent für Steinkohle in Höhe von 300 000 bis öhe von 300 350 000 Tonnen zugestehen.

Nach den bisher vorliegenden Meldungen wird in Warschauer Kreisen darauf hingewiesen, daß die Meistbegünstigungsklausel in erster Linie der deutschen   Industrie zugute käme, der auf diese Weise auch die bedeutenden Zollfenkungen zugebilligt würden, die Bolen anderen Staaten beim Abschluß von Handelsverträgen gewährt hat. Dagegen wäre die Meistbegünstigung für Polen  von geringerer Bedeutung, da ein Holzabkommen mit Deutschland  ohnehin besteht und die Viehausfuhr durch die deutschen   veterinär­polizeilichen Bestimmungen nach wie vor gehemmt wäre. Praktisch würden für Polen   nur Vergünstigungen beim Export von Eiern und Butter in Betracht kommen. Die Saison der Eierausfuhr sei aber bereits vorüber und wegen Erhöhung der Butterzölle stände

Volkspartei  - Deutschnationale Dutchland zurzeit in Verhandlungen mit Finnland  , deren Abſchluß

Deutschnationale

Volkspartei

DN VA

Deutsche

Volksparte

DVP  

Run fann man wieder die Fühler ausstrecken!

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auch eine automatische Zollerhöhung der polnischen Buttereinfuhr zur Folge hätte. Unter diesen Umständen müsse es zweifelhaft er­scheinen, ob das deutsche Angebot für ein monatliches Kohlenkontin= gent von mindestens 300 000 Tonnen einen Ausgleich für die Bei Don polnische Seite erwarteten Zugeständnisse bieten würde. diefer Rechnung haben die polnischen Stellen offenbar übersehen, daß das erst fürzlich verlängerte deutsch  - polnische Holzabkommen von Deutschland   nur aus dem Grunde erneuert wurde, um die all­gemeine Spannung in den Wirtschaftsbeziehungen der beiden Länder nicht noch mehr zu verschärfen. Bolen müßte also dieses Abkommen gleichfalls als ein erhebliches deutsches 3ugeständnis auf sein Erfolgskonto buchen.

Polen   setzt die Enteignungen fort.

Die Enteignung deutschen   Grundbesizes nimmt ungeachtet aller deutschen   Proteste weiterhin ihren Fortgang. Nach dem letzten Ausweis des Monitor- Polsti" werden wiederum vier deutsche Grundstücke im Kreise Dirschau   und Zempelsburg liquidiert.

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Es

ist in der Tat höchste Zeit, daß ein Jahrzehnt nach Beendigung des Krieges die polnische Regierung endlich mit dieser Politik der Nadelstiche gegen die deusche Minderheit in Polen   Schluß macht,