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Mittwoch 9. Ottober 4929
Unterhaltung unö �Nissen
Beilage des Vorwärts
mnxDoriu: �igarreviflutvipeti
Giraldino: sieh bo, ein guter fetter Stumpen: saftig und schön: der Rest einer Zigarre Giraldino, hebe du den Stumpen auf und dann hinein damit in die graulinnene Sammeltasche, die dir an der Seit« hängt, am ledernen Gurt. Giraldino, alter treuer Stumpensammlsr, laß mal fühlen an deiner Sammellasche ij; sie bald voll?. noch nicht ganz. Da'n Zigareltcnstumpen rin damit in die Tasche und da: noch'n Zigarettenstumpen du! und dort erst ei, Giraldino, so gucke doch: da, unterm Marmortisch, vorm Zkaffeehaus: wahrhaftig, das ist ein besonderer aurö; ne halbe Virginia'ne pickfcine Zigarre: rin in die Tasche! Giraldino, wie lang« bist du heute morgen schon auf der Tour? S?it sechse und jetzt geht es auf zehne die Sonne steht gerade überm Vesuv  , mit ihrem goldenen Auge guckt sie in den brodelnden Kratertelfel hinein und der blaue 5? i mm ei hat weiß« Wolken- wasche ausgehängt: fein: Gold Dlau, Weiß. Ja. Giraldino, das 5'cben ist schön, dein cherz ist voller Freude, ein guter Sammel- rormittag heute mittag gibt es statt einen na, Giraldino! du lachst übers ganze braune runzelige Gesicht, übers sechzigjährig: - jawohl, sicuro: heute mittag gibt es due piatt! zwei Teller mit Maccaroni zwei: Santo Gennaro: das soll schmecken. Sa. Giraldino, nun wollen wir mal links einbiegen, aus der V n Roma hinein in die Via Stampiglia'ne feine Straß«, geht allerhand reiches Volk hindurch da: schnell, Giraldino: schnell ehe der chund dran geht:'n dicker Stumpen, war'ne Toskaner- zigarr«: knotig und pechschwarz. Da. am Rinnstein, Giraldino ocrade hingeworfen: wieder'n Zigarcttenende, is noch allerhand dran: rin in den Sack. Und jetzt gehen wir mal'n bißchen dem chasen zu: srcindes Seevolk an Land raucht nicht zu viel von den Zigarren ab, manch Nfc-.I werfen sie weiche weg: die überhaupt kein Feuer geschn«ckt haben zerquetschte fein« Zigarren, einen ganzen Saldo wert: man muß allerdings Glück haben nicht jeden Tag findest du so was Feine«. Der Hafen. Der Wind. Die Schiff« bunt« Flaggen. Die violette See drüben die Bronzeinsel Capri   dort das schwarz: Ischia  : wie ein treibender Sarg ein Sarg auf der See. Hoi: der Vesuv   qualmt, gerade fängt er an silberner Opferrauch ringelt auf zu Gott Sonn  «. Oder ist die Sonne  'ne Göttin, Giraldino? Dumme Fragen: da paß auf, vom Lastauto ward gerade einer heruntergeworfen, kein großer, nur'n kleiner, gut uusgeraucht da, pack zu: Giraldino:'n Stmnpen, war ne Cävourzigarve, wenn du an dem Stummelchen drückst: Giraldino: dann läuft hellbrauner Saft'raus jawohl, war ne Caoour. Niemals die Heiligen vergessen, lieber Giraldino, Santa Barbara   die Kirch«: hinein! Und setzt kniest du vorm Marmor- allar der Gütigen, Giraldino: dein Donkgebet: Dank für die guten Vonnittagsfunde, ein reicher Stumpensegen Heilige Barbora, danke für deinen Segen. Und wie ist es denn: Giraldino die Santa Barbara   schaut heute so sanft so gutmütig: ei! wahr- haftig, die gute Heilig«: mit Ihrer schlanken weihen Hand greift sie an die silbernen Leuchter: so, zugepackt drei Stummel von den gelben Wachskerzen: rin damit in die Hosentasche   echtes Wachs: zusammen mindestens sechs Soidi wert heißen Dank: Santa Barbora du schaust dich um: Giraldino:, die Kirche ist mause  - leer, es hat dich niemand gesehen mille grazie, tausend Dank: du edle Barbora l
Neapel   wechselt die Farbe, das Gold und all das grell« Bunt bekommt«ine tiefe Pattina unrd dunkler und dunkler dann flackert es rot und g«b und weiß und silbern auf: all« Dinge atmen elektrischen Lichterglanz. Und rauschend« Menschen- und Auw- und Trambahnströme fließen durch alle Straßen Neapels   Gott: diese Menschen wo kommen die nur alle her? All« wollen Lust schnappen-» alle wollen erleben: was sehen, was greifen, was essen, was trinken was rauchen. Essen, trinken, rauche» was du da nicht alle« schwätzt: vom Essen, Trinken und Rauchen wovon willst du das alles bezahlen-- als armer Lazzarone Haft du doch kein Geld. Nicht? Kehre mal dein« Taschen richtig um Eoreasti! trillalo in veritä: due Saldi'ne große Kupfermünze wißt ihr was? Das gibt zu rauchen möglichst viel. Gut, möglichst viel zu rauchen denn man mal hin zur Piazza Popolo  --. Wir sind schon da, dort steht der Bourbonen  » könig, der aus Erz, aus Bronze und dort steht der Stumpen- könig: Buona Sera, vi Giraldino: per du« Soidi- Mozzi: Stummels, Tabak. Due Saldi? Da kannst« schon was Anständiges für kriegen such« aus wähle. Und der Stumpenkonig Hilst bei der Wahl sein« alte zitternd« Hand weist hierhin und dort- hin wie ein Schachspieler läßt der Giraldino sein« Hand über das klein« Berkaufstischchen wandern und er preist und lobt: dieses Häuschen Aigarettenstummels: un Saldo, vier Pfennige dafür rauchst du den ganzen Abend in die Pfels« damit. Das da, auch nicht übel kostet ober zwei Solln   lauter gut« Stumpen, Zigarrenendchen, is auch ne halb« Virginia dabei zwar 'n bißchen breit getreten Schadet nixen hier is Geld Buona Sera. Padre Giraldino. Glückaus für morgen morgen ist Lottotag vielleicht gewinnen wir'nen Terno: das wären vierzig Lire: dann kaufen wir gai.z Neapel   auf. Wein, Braten, Blumen und Mädchen: Buona Sera. Nacht. Ganz spät. E, mag wohl zwei Uhr sein. Neapel   schläft. Schläft Neapel   wirklich? Ja, das eine Neapel   schläft das ander« Neapel   aber wacht: es zecht, es liebt, es singt, es tanzt im Hafenviertel, Neapels   Sirenen holten fremde Matrosen in chre.r weißen Armen, drücken die an ihre vollen Brüste Neapel  , die Königin der Nacht: sie macht jeden zu Prinzen und Fürsten   und Moguls sie krönt dich mit dem Diadem der Liebe wenn du Geld host. Wähle in Schönheit. Und trink« Wein roten Skftnno. Abgeschweift. Wo ist Giraldino, der Stumpensammler? Er träumt. Wo liegt er denn? Leim San Gennaro   beim guten edlen Helligen da: die Kirche in der Nische drin: zwischen zwei Granitsarkophagen: da liegt und träumt Vater Giraldino-» wie ein Toter liegt er da- sein« Füße sind vom Licht de? Straßen- latente grün beleuchtet: kaputte Schuh« die Zehen gucken heraus: alles strebt zum Licht: zum grünen Gaslicht. Vorsicht die Schmier«, Ls Guardie, Polizei ein Blitzlicht springt an: überleuchtet schnell dos Antlitz de« Schläfer« und stirbt wieder im Dunkel. Chi e? Der Schläfer, wer? Padre Giraldino, der StummeltSnig. Gut, laß ihn schlafen. Der kommt nicht ins Netz der Razzia Doter Giraldino ist harmlos, der stiehlt nicfjt, der ist weder bei der Maffia   noch bei der Cmnorra-- er lebt von Stumpen. Mozzi di Sigarn sind sein Brot damit er­nährt er sich. Buon Riposo: Giraldino gute Ruh«. Träume du vom Lotto, morgen kommt dein Los raus: ein Terno: vierzig Lire! Giraldino was dann?
Alexander v.Saeher-Vlafoch:
9)ramatifche
Alles ist in Bewegung. Gegenwart rauscht auf, blendet in ihrer Bcelfarbigleit der entstehenden, werdenden und vergehenden Werte. Wir, die mitgetrieben, strauchelnd, uns wieder erhebend, festen Fuß fassend, in Abgründe stürzend und in mühseligem Steigen selten genug Hohen erklimmend in ihr atmen, stehen zu nahe, um letzte Objektivität zu erlangen. Eine Kritik der Gegenwart kann nur sub- jektiv sein. Mühsam au» dem Harten der über Nacht gewachsenen Felsen gebrochen, aus allen Fernen erahnter Zukunft zurückgeholt und aus den Fixpunkten der Dergangenheit hergeleitet, braust durch unser Blickfeld Kunst. Wissen. Politik des Tage«. Kritik der Gegen­wart und im Rahmen dieses Aussatzes Kritik des neuen Dramas kann und darf nur vom Standpunkt des subjektiven Erzählers ge- sehen werden. Er erkennt dos Geschaute, erklärt und kommentiert e» aus dem Eigenen, hebt es so über das dumpf« Gesicht der Masse heraus, zieht es vor den Richterstuhl der öffentlichen Meinung, be- gründet so seine Eristenz. Der nachfolgende Versuch,«in Heraus- greifen einzelner anscheinend wichtiger Schöpfungen aus der ungc  - ordneten Masse des Geschossenen, ist also subjektiv und fußt auf der Erkenntnis, daß ein« Kritik der Gegenwart im allgemeinen und des Gegenwartsdramas im besonderen immer nur in Beziehung zu den Problemen und Kampfrichtungen der Zeit ein Urteil fällen darf. Nicht abrr soll ein« absolute Kritik in Schwarz-Weiß-Manier, die bestimm«, ob«in Drama»gut� oderschlecht" sei. gestattet sein. Zusammenfassend darf also gejagt coerden, daß Im Nachfolgenden die Krittk lediglich als schöpferischer Kommentar gehondhabt wird, Empfindungen und Gedanken formulierend, die bei dem Gewiß dra- matischer Werke der jüngsten Zeit erwacht sind. Es sei jeden Mannes Recht, selbst zu schauen, zu fühlen und zu denken und da» Aus- genommene mit Hilf« der eigenen Wesenheit zu formen und der eigenen Erkenntnis nach zu erklären. Eine Ordnung, di« wie jedes System willkürlich gewählt ist, muß auch hier ausgestellt werden. Berlin  » größter Th»aterkonzcrn, di«Reibaroklcha". die Ver- eimgung von neun Schauspielhäusern unter den Direktionen Rein, Hardt, Bornowski, Klein und Hortung, kündigt einen Spielplan an, der interessante Schlüsse zuläßt. Wir finden hier Stück« von Shakc- speax«. Lessing  , Molier«. von Wedetmd, Schnitzler, Stnndberg. Nauptmonn. Aber auch jüngst« Zeitgenossen sind vertreten: Bröl», Sternheim, Kaiser, Rutra sollen aufgeführt werden, Berstt, Bruckner, Joochimson, Zuckmayer   bereite» neue Werk« vor, die noch in dieser Spielzeit ihrer Urauffühninz harren, viel größer aber ist die Anzahl der Stücke ausländischer Herkunft, die in diesem Jahre über die deutsche» Bühnen gehen werden. Unter den letzteren finden wir Werke der Franzosen Achard, L-normond, Perneuic. Davoir. Pognol, Rostand  , der Angelsachsen Chesterton, O'Neill, Shernss. Sherwood, Louesdale, der Slaven Tlchechoff  , Dymow, Longer, Tretiakosf. Zweifellos wird ausländisch« Literatur bevorzugt, und man ge-
langt unwillkürlich zur Frage, worin diese Tatsache begründet ist. Haben die Ausländer wertvollere Produtt« zu vergeben, find ihre Werke gehaltvoller, besser? Natürlich ist die Summe der Auf- sührungen, di« durch den großen Theaterkonzern herausgebracht werden, an sich bezeichnend für den Stand des heutigen Drama». An diesen Bühnen wirken erste Darsteller, beste Regisseur«, und man darf annehmen, daß ihre Aufführungen schwer zu überineten sind. Andernteils ist dieser Konzern und seine Produktion, wenn auch der wertvollste, so doch nur«in Ausschnitt au, dem großen Mosaik der deutschen   Bühnen. In Oesterreich  , Frankreich   und anderen Ländern fristen nämlich die Prooinztheater ein nur unbedeutendes Leben im Vergleich zu den Tl>«atern ihrer Kulturzentren. In Deutschland   ist es anders. Hier ist jede größer« Provinzbichne«in beachtenswert freies und in ihrer Kampf- und Kunstrichtung nicht auf Nachempfindung angewiesene» Fort der Künste, eigenwillig»nd stark. Die, wird ermöglicht durch Stützung auf Organifattonen. derr» erst« die Volksbühne ist. Durch sie ist oft nicht nur die Existenz der Provinztheater, sondern auch ihr Spielplan ermöglicht. Ohne sie könnt« clwa Fred A. Lngermayere neues BauerndramaFlieg. roter Adler von Tirol!" nicht an vielen deutschen   Bühnen zur Aufführung gelangen. Ohne sie könnte Erfurt   nicht die Nr- aufführung von Bronnen»Michael Kolhaas' wagen, und RehfischsProzeß Dreyfuß' wäre kaum auf die Bühne zu bringen. Da» Lessingtheater   könnte ohne die ähnliche Hilfe der Ge- werkschast der Angestellte� Iwan HeilbutsBürgertragödie' nicht in sein Programm aufnehmen, vi« vier erwähnten Dramen sind vermutlich di« wichttgsten Stationen der kommenden Spielzeit. wenn wir unser Hauptaugenmerk auf die Produtte ernster Literatur richten. Es wird interessant sein, vergleichend und erzählend da« Wesen dieser Werte, die Lust, die sie atmen, wiederzugeben. Wichtig ist Iwan H e> l b u t»vürgertragädie' durch ihr Milieu. Das Milieu kleiner Angestelltenverhältnifse. Iwan Heil« but ist den Lesern desvorwärts" nicht unbekannt. Er hat stille. zarte Erzählungen geschrieben. Schilderungen von gleichsam hin- gehauchter Innigkeit.Bürgertrogödie" ist sein erster großer dra- matischer Wurf. Ein« Tragödie, di« in einer Atmosphäre kleiner kaufmännischer Angestellter spielt. Wir erleben ein tragisches Privat- schicksal, das die Angestelltentohnkämpfe beleuchtet. Seit Gustav FreytogsSoll und Hoben" wird Ver zum ersten Male da« tauf-. mänmsche Leben in der Literatur ernsthaft, sachlich und gefinnutigs- voll geschildert. Mit einer dichterisch gerechten Austestung in Licht und Schatten, au» der blutvoll, mitreißend, der Kampf der arbei- tenden Angestelltenklasse um vroi und Frieden einporwfjihst. Im sozialen Wesen ähnlich ist Angermayers neues Drama Flieg, roter Adler von Tirol!", aber politisch stärker und bedeutungsvoller. Di« soziale Lage dor Südtiroler Bauer» med
der neue politische Zustand, durch die Grenzverschiebung zwischen welschem und deutschem Berg- und Weinland entstanden: ein Kamps- stück. Kampf um da, Leben. Kampf um die Erde und Kampf um die Grenz«. Ein machtvoller Dreiklang, der diesem neuen Drama etwas Urhoftes verleiht. De? Autor ist selbst Nachkomme Alttiroler Bauern. Im Schassen dieses Wertes brauste das Blut versunkener Generattonen aus, das durch in der Fremde verlebte lange Jahre eingeschlummert, aber nicht versiegt war. Es ist vielleicht sein echtestes Werk. Angermayer ist als Uebersetzer und Mittler zwischen ironzösischem und deutschem Geiste bekannt geworden und war einer der vorkämpser des Verständigungsgedankens. Er schrieb ferner kraß-satirische antibürgerliche Komödien. InFlieg, roter Adler von Tirol" nähert er sich zum ersten Male bewußt der Thealralik und folgt so den Borangeeilten, Znckmayer, Rehsisch und Kaiser. Weniger eindeutig als Erscheinung ist A r n o l d Bronnen. Er hat sich in letzter Zeit nationalistischen Kreisen und Tendenzen sehr genähert, und es ist natürlich, daß er sich dadurch viele Gegner geschaffen hat. Er ist von einem ursprünglich revolutionären Weg plötzlich abgewichen, denn die Prosa derSeptembernovelle" und die Dramatik desVatermord" sind mit dem heutigen Bronnen schwer zu vereinbaren. Ausgesprochen republikanisch wirkte noch in der Inszenierung Ießners im StaatstheaterRheinische Rebellen". Als eine Brücke zum nationalen Ufer kann der letzte RomanO. S." angesehen werden. Aber auch hier handelt es sich noch um Arbeiter- schicksale und Arbeiterstätten, wenn sie auch mit nationalen Farben gemalt sind, und es wird ausgesprochen, daß der arbeitenden Klasse anzugehören nicht unbedingt undeutsch zu fühlen bedeutet. Vielleicht gibt es keine Brücke, kein Ufer und keine Häfen der Beständigkeit. Vielleicht, und das wäre zu wünschen, ist es so, daß zum Ausgleich auch von drüben Schisse ausfahren, die sich unserem Ufer nähern al» Ziel.  Michael Kohl Haas" erlebte jetzt seine Urauffüh- rung und ist schon al, Bearbeitung der Kleistschen Novelle inter­essant. Ein Menschenschicksal auch hier. Ein Mensch, der mit dem Leben schwer kämpfenden Kreis«, ein Mann aus der Masse des deutschen Volke» und dazu ein typisch deutsches, ein Michel-Schicksal. Die Kunstform.�Dramatischer Bearbeitungen" scheint gegen- wärtig eine Blütezeit zu erleben. Dennoch ist eine Bearbeitung Bronnens nicht ohne weiteres mit sogenannten Bearbeitungen Brechts, die mitHappy End  * ein nicht sehr glückliches Ende ge- funden haben, zu vergleichen. Man weiß, daß Bronnen ein über Mißtrauen erhabener Dramatiker ist. Das gleiche Lob dürsen wir Haus ff. Rehsisch zollen. dessen Aufstieg als Dramatiker recht eng mst dem Aufstieg jenes Mannes zusammenhängt, der heute die Berliner Volksbühne leitet, Karl Heinz Martin  . Martin war Rehfischs erster Regisseur, und sein« Inszenierung sicherte den Erfolg vonChauffeur Marlin". Er und Rehsisch sind vewrandt in ihrer Kampfrichtung und Ge- sinnung. Heute wird er al» erster Rehfischs letztes DramaPro- zeß Dreysus" ausführen. Das Stück nimmt seinen Stoff aus überlieferten Dokumenten der bekannten Dreyfus-Asfäre und schildert den Kreuzweg eines unschuldig von einer Militärkast« gehetzten und in letzt« verzweislung getriebenen Menschen. Der Dreysus-Prozeh war damals die große Sensation Europas   und hat in seiner po'i- tischen Situation eine ganze Reihe von Beziehungen zur heutigen Zeit. Rehfisch gab das Stück zuerst unter dem Pseudonym Rette Kestner in den Bühnenoertrieb. ließ jedoch später den Decknamen fallen. Bei der Aufarbeitung des Materials war Wilhelm Herzog   sein Mitarbeiter. Es wurden hier Stücke herausgegriffen, bei denen sich dichte- rischer Inholt mit sozialem oder politisch wesentlichem Milieu decken. Vielleicht muß man hier noch ein Drama erwähnen, dessen Auf- sührung noch unbestimmt ist, das aber seiner Beurteilung nach zu ! den besten Schöpfungen des letzten Jahres gehört:Menschen wie du und ich" von Alfred H. N n g« r. Ein Querschnitt durch die soziale Schichtung eine» Hause». Die Handlung,«ine Fülle über- und untereinander«inherlaufender und«inander durchdrin- gender Schicksale, die sich alle in der Unendlichkeit des Gedankens Menschtum treffen. Der bisher noch vollkommen unbekannte Autor hat sein Stück einem Preisrichterkollegium, dem u. a. die Direktionen Ießner, Tagger und Saltenburg angehören, vorgelegt.' Das Stück wurde unter hundert eingesandten als das beste befunden und mit einem beträchtlichen Geldpreise ausgezeichnet. Die Uraufführung findet in Bochum  -Duisburg   statt, und die erwähnten Direktionen verpflichteten sich, da» Stück noch in dieser Spielzeit an einer Berliner   Bühne auszuführen. Das hier Gesagte tonnte nur einen kleinen Abschnitt aus der Gegenwartsschöpfung zeigen, eine schnell erhaschte Welle ans dem nie versiegenden, vorwärtsdrängenden Strom des Geschaffenen durchleuchten. Sein« Feststellung und Kritik ist heute, wie eingangs erwähnt, nur von subjektiver Wahrheit und wird morgen unwahr sein. Unendlich viele sind da, die im Verborgenen arbeiten und kämpfen, von denen wir nicht» wissen und bei dem heutigen Stand de» Theaterbetriebr» kaum etwa» erfahren können. Eine Ver- svchsbühue müßt« geschaffen werden, unterhalten von einer Bereinigung aller maßgebenden Theaierdireklionen, um den un- bekannten, nicht arrivierten Dramatikern die Möglichkeit zu geben, ihr« Stück» einer Kritik überhaupt unterbreiten zn dürsen. Aus dem Material der aus dieser Bersuchsbühn« aufgeführten Stücke könnten die genannten Direktionen nach freier Wahl einen Teil ihres Programms bestreiten. Es wäre nicht nötig, in die Nachbar- schaft zu gehen und fremde Autoren in dieser Ueberzahl an deutschen  Bühnen aufzuführen, wie es heute geschieht. Das soll zu keiner Absperrung gegen wirklich erhabene Werte ausländischer Dramatiker auffordern. Aber betrachten wir die Auslandsproduktion unserer deutschen   Bühnen genauer. Sind diese fremden Stücke wirklich alle so einwandfrei und von so internationaler Bedeutung, daß sie nicht durch bessere oder wenigstens gleichwertige unserer Dra- matiker ersetzt werden könnten? Nein! Der höchst« Staudamm aus de« europäischen Festland. Ob- gleich die Schweiz   im Ausbau der Wasserkräfte allen übrigen Lön- bem der Erde voran ist, arbeitet man dort doch noch rüstig überoll an dieser Entwicklung weiter. Nah« d«m Grimselpaß. der die Täler der Rhone   und der Aare miUinander verbindet, wird der höchste Staudamm des europäischen   Konttnents erbaut. Er wird 116 Weier hoch und erhält am Fuße eine Basisbreite von 68 Metern. Man rechnet mst einer Bauzeit von vier Iahren, glaubt aber auch dafür mehr als eine Drittelmillion Pferdestärken an dieser Stelle zn ge- wittNON. Al»..«olle» Zahr" bezeichnet der Spießbürger das Revolution»- tehr 1848. Der Ausdruck stammt ans dem Titel eines 18.1" erschienenen Romans von Ludwig vechstein, der die Geschichte städtischer Wirnrn in der Stadt Erfurt   im Jahre 1«» dehandeli