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Beilage

Montag, 21. Oktober 1929

Der Abend

Spalausgabe des Vorward

Ein ,, Vorläufer" von Karl Marx  

Auseinandersetzung mit Stefan Zweig  

Die blaffe Furcht läßt unsere Historifer in jedem Jafobiner einen Kommunisten sehen. Karl Kautsky  . Erfährt Stefan Zweigs   Joseph Fouché", soeben im Insel- Verlag zu Leipzig   erschienen, auf der ganzen Linie der Besprechungen das hohe Lob, das diese Monographie durch die Kraft ihrer Einfühlung und die Kunst ihrer Darstellung verdient, so fehlt es doch ganz an wahrer historischer Kritik, die an mehr als einem bedenklichen Punkt des Buches einhaken könnte. Am ehesten wohl dort, wo 3 weig enthüllt, daß der spätere Polizeiminister Napoleons   I. Anno 1793 ein Kommunist" gewesen sei und ,, ein radikalsozialistisches und bolschewiftisches Programm" aufgestellt

habe:

Das erste flare tommunistische Manifest der Neuzeit ist in Wahrheit nicht jenes berühmte von Karl Marg, nicht der ,, Hessische Landbote" von Georg Büchner  , sondern jene sehr un bekannte, von der sozialistischen   Geschichtsschreibung geflisfentlich übersehene Instruction" in Lyon  , die zwar von Collot d'Herbois  gemeinsam gezeichnet, aber zweifellos von Fouché   allein verfaßt ist. Dieses energische, der Zeit in seinen Forderungen um hundert Jahre vorausbegehrende Dokument stempelt ihn zum ersten flaren Sozialiffen und Kommuniffen der Revolution. Wenn Zweig will, fann er sich dabei auf Paul Aretz   stützen, der vor etlichen Jahren die apokryphen Erinnerungen" Fouchés auf Deutsch   herausgab und im Geleitwort betonte, daß Fouché   in feiner jatobinischen Periode, geleitet von der Idee des Kommunis mus", auf die Sozialisierung des Besizes" und die vollkommene Abschaffung des Besizes" ausgegangen sei. Neu ist also die Ent­deckung Zweigs nicht. Ist fie wenigstens richtig?

Die große Revolution war der ungestüme Durchbruch der bürgerlichen durch die feudale Eigentumsordnung, die gründliche Ablösung der Aristokratie durch die Bourgeoisie, die vollkommene Verdrängung des Feudalismus durch den Kapitalismus. Zu feiner

Zeit war darum

das Privateigentum Gegenstand fanatischerer Berehrung. Der Eigentümer und nur der Eigentümer erschien als der klassische Typ des Staatsbürgers, Einziehung und Aufteilung der riesigen Liegenschaften der Kirche gebaren das Schlagwort von der Demo­fratisierung des Eigentums", alle Franzosen sollten Eigentümer werden, erst dann war das Land im sozialen Gleichgewicht. Auch als im rajenden Lauf der Begebenheiten das Königtum der Republik  und die Gironde der Jakobinerpartei wich, waren immer noch Bürger, wenn auch Meinbürger statt Großbürgern, am Ruder. Die Schreckensherrschaft umschloß den Versuch des revo lutionären Kleinbürgertums, die Republik   mit allen, anselbst den äußersten Mitteln zu verteidigen, und Marat  , Danton  , Robespierre   waren neder, wie 3 weig annimmt ,,, Führer des Proletariats", noch dachten sie auch nur im Traum daran,., die restlose, die radikale Revolution bis zum Kommunismus" an zustreben. Im Gegenteil waren auch sie Fanatiker des Privateigen­tums wie einer der heftigsten jatobinischen Heißsporne, Bafire, der dartat, man müsse gerade in den politischen Stürmen der Revolution die beiden einzigen Anter auswerfen, die das Staats­schiff festhalten: den Anker des Eigentums und der öffentlichen Moral", und ganz in diesem Sinne winkte ein Gesetz des National­fonvents jedem mit dem Fallbeil, der es versuchen sollte, das ,, Agrargeset" einzuführen, das war: eine gleiche Verteilung des Bodens anzuregen, oder sonstwie ,, Grund-, Handels- und Industrie­befiz umzuwälzen".

Allerdings wucherte namentlich unter der Schredensherrschaft leinbürgerliches Mißtrauen gegen den Reichtum sehr üppig. Schon Montesquin und Rousseau   hatten gelehrt, daß der Lugus der Gleich heit in einer Demokratie widerstrebe, daß die Tugend der sicherste Stüßpfeiler der Republiken sei, und daß der Reichtum die Tugend untergrabe. Aus Montesquieu   und Rousseau   schöpften also die Jakobiner die Ueberzeugung, daß für eine ideale Demo­fratie und Republit eine gewisse Ausgeglichenheit der Vermögen und Einkommen Voraussetzung sei. Da überdies in den schweren ökonomischen Krisen, durch die das Frankreich   der Revolution hin­durch mußte, gewiffenlose Profitjäger und Preistreiber, Accapareurs oder Schieber genannt, aus der Not des Volkes gleißendes Gold münzten, fielen die Begriffe Reicher" und Feind der Republik  " leicht zusammen. Seit Loustalot 1789 den Ausdrud geprägt hatte, wurde immers wieder gegen die Aristokratie der Reichen" gewettert; eine Adresse des Jafobinerklubs warnte Die Geldaristokratie will sich auf den Trümmern der Geburts­aristokratie erheben"; Danton   donnerte gegen die Reichen, diese elenden Egoisten", und Robespierre vermerfte Juni 1793 in seinem Taschenbuch:

,, Unsere Feinde? Die Lasterhaften und die Reichen!" Aber selbst wo sich die allgemeine Abneigung gegen die gewinn gierigen Schieber bei Eraltados wie Roug und Chaumette in unmittelbar antikapitalistischen Tiraden entlud, war das eine rückwärtsgewandte Revolte des vom Kapital erdrückten Kleinbürgers und Kleinkrämers und hatte mit Sozialismus, mit Soziali sierung der Produktionsmittel, mit Umwälzung der auf Privat­eigentum gegründeten Gesellschaft nicht das Geringste

zu tun.

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Theorie schlug in Praxis, das dumpfe Gemurr wider die Reichen in derben Zugriff um, als der Sommer 1793 die junge Re­publif vor ihre Existenzfrage stellte. Die republifani schen Heere an Rhein   und Mosel, Alpen   und Pyrenäen in täglich aussichtsloserer Abwehr gegen das andrängende feudale Europa  , die Vendée   im hellen Aufruhr, der Royalismus immer frecher die zer Stirn erhebend, Lebensmittelwucher und Hungersnot am mürbenden Wert, allenthalben Schwund des Vertrauens zu den hier halfen nur harte Schläge und ganze neuen Machthabern Mittel! So beschloß der Konvent in seinem berühmten Defret vom 23. August, in gewaltigster Kraftanstrengung zu mobilisieren, was immer zur Verteidigung des Baterlandes dienen konnte: Menschen, Rohstoffe, Geld! Kommunismus? Es war der ,, Kommunismus  " des Befehlshabers einer belagerten Festung, wenn er über die Häuser und Vorräte der Einwohner verfügt, es war der Kommunismus" Ludendorffs, als er uns die messingenen Klinken von den Türen und die fupfernen Refsel aus den Küchen holte, beileibe nichts anderes. Zugleich schuf die Brandschatzung der Reichen die Genug tuung, daß Feinde der neuen Ordnung der Dinge getroffen wurden,

und was aus den Kassenschränken der Besitzenden an Unterstützung den Bedürftigen zufloß, diente dazu, die Massen in Laune zu halten, aus deren Leibern der Wall gegen den Feind geschichtet wurde Camille Desmoulins   forderte geradezu, daß die Reichen ihre Börje, die Armen ihr Blut hergäben.

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Da Joseph Fouché   fich nach 3 weigs Meinung als Rom  munist" betätigte, war er denn nur einer unter den Kommissären des Konvents, die mit gebundener Marschroute in die Provinz entsandt wurden. Ru amps und Milhaud   heischten im Unter­elsaß die Landesverweisung der reichen Egoisten", die weder zahlen noch sich schlagen wollten, en 3, B6, und Massieu jagten in Heng, den Ardennen den Geldsäcken Schrecken ein, und Lecomte Saint- Michel   ging in Calvi   den Reichen als Todfeinden der Republik  " zu Leibe; Carrier in Nantes  , Regnaud im Puy, Dartigoente im Gers, Paganal in Toulouse  , Maignet in Marseille  , sie alle verfuhren wie Tallien und sabeau, die sich in einem Schreiben aus Bordeaug rühmten,

die Reichen zur Ader zu lassen".

Im Jura- Departement erklärten. Bassal und Lamarque, daß alles was an Gold, Silber, Eisen, Kupfer und Blei, an Holz, Leder und Seife, an Getreide, Wein, Branntwein und Effig, an Pferden, Bieh, Futter und Kleiderstoffen vorhanden sei, zur Verfügung der Republik   stehe; in Orleans   schröpfte La planche die Reichen mit ,, Revolutionstagen", und im Lot et l'Aveyron mußten auf Befehl Taillefers alle Aristokraten, Bucherer und Schieber" Riesen­fummen ausspuden. Man berechnet, daß damals binnen weniger Monate allein an Metallgeld 300 bis 400 millionen Franken ent­eignet wurden und nach Paris   strömten.

Fouché   freilich ging mit seinen berüchtigten ,, Philantropischen Komitees" noch strammer als alle anderen ins Zeug, um siebzehn große Riften voller Gold, Silber und Silbergerät dem Wohlfahrts ausschuß einsenden zu können. Aber ganz unangefränfelt war er dabei von irgendeiner sozialen oder gar sozialistischen Dottrin. Wenn es in seinem Lyoner Edikt vom 24. Brumaire des Jahres II hieß: Reichtum und Armut müssen beide unter dem Regime der Gleichheit verschwinden", so spiegelte sich darin höchstens Montes.

quiens und Rousseaus Ideal der mittleren Gleichheit DOI   Vermögen und Einkommen, und seine Verfügung, daß die Bedürftigen auf Kosten der Besitzenden zu ernähren seien, war, um die Massen zur Verteidigung der Re­ publik   bei der Stange zu halten, mehr von revolutionärer Not­wendigkeit als von sozialpolitischer Erwägung diktiert.. Ja, oft gemug erwies fich, daß auch durch die radikalsten Maßregeln weniger der Reichtum an fich als die Republikfeindschaft der Reichen getroffen werden sollte. Mehr als einmal betonte Fouché   in seinen Berichten an die Pariser   Gewalthaber, daß der Reichtum die schrecklichste ihrer Feinde befinde", und wie er die Requisition von Geld Waffe gegen die Republik sei, wenn er sich in den Händen und Gut nicht etwa mit sozialen Grundsätzen, sondern als ,, außer ordentliche Hilfeleistung während des Krieges" erklärte, so diente ihm als Richtschnur, den Feinden der Freiheit" ihren Ueberfluß zu nehmen und nur jenen Reichen den Beutel zu leeren, die des ,, incivisme", des Mangels an republikanischer Gesinnung verdächtig waren. Verwahrte sich La planche vor dem Konvent dagegen, auch die Patrioten, das war: Republikaner   mit der Revolutionstage" belegt zu haben, so strich Fouché   durch Dekret Dom 13. Brumaire des Jahres II einen Patrioten, obwohl er zu den Besitzenden zählte, von der Schröpfliste der Reichen, und wies seine Ausschüsse an, nur die Aristokraten und Gemäßigten und nicht die Sansculoften", mochten diese seine politischen Freunde auch im Golde schwimmen, zur Abgabe heranzuziehen.

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Nichts zeigt besser als diese Beschränkung der Enteignungen auf die Feinde des Regimes, daß Fouchés Büten gegen die Reichen eine Kampfmaßregel zur Verteidigung der Republik   nach außen und innen war, aber, weltenfern von jedem gesellschaftlichen System,

mit Kommunismus, Sozialismus, Boljchewismus nicht mehr zu schaffen

hatte als die Einziehung des Vermögens der französischen Pro testanten nach Aufhebung des Editts von Nantes  . Gar die ,, In­stuction de la commission temporaire de Lyon", die übrigens faum aus Fouchés Feder stammt, als seinerzeit um hundert Jahre voraufeilendes Dokument und erstes flares kommunistisches Manifest der Neuzeit" hinzustellen, zeugt von einer Unkenntnis des sozialistischen   ABC's, die bei einem Schriftsteller vom Range Stefan 3weigs betrübend wirkt, doppelt betrübend, da viele Leser, ge­blendet durch den Glanz seines Namens und Stils, fünftig die dumme Mär: Joseph Fouché   ein Vorläufer von Karl Mart gläubig nachbeten werden, Hermann Wendel  .

Konfessioneller Friede?

Bemerkungen von Max Sievers  

Wir eröffnen mit diesem Auffah die Diskussion über| eine Frage, die weite Kreise des arbeitenden Bolles lebhaft bewegt.

Wenn in der heutigen Zeit irgendwo die Mahnung ertönt, religiöse Ueberzeugungen zu achten und zu tole. rieren, so verbirgt sich dahinter fast immer eine Stellungnahme gegen die Atheisten und eine Verteidigungsrede für die Kirche. Freidenfern gegenüber scheint die Unterstellung, daß sie nur von der böswilligen- Absicht getragen sind, die Gefühle Andersdenkender zu verlegen, immer erlaubt zu sein.

Bewegung, die aus den Boltsmassen kommt und mit elementarer Kraft sich stürmisch aufwärts entwickelt?

Nein? Und dennoch geschieht es!

Die Kirche hat im letzten Jahrzehnt im umgekehrten Ber. hältnis zu ihrer wirklichen inneren Werbefraft die politische, mo­ralische und finanzielle Unterstützung des Staates unausgesetzt ge­fordert und erhalten. Sie behielt alle ihre früheren Privilegien und erhielt noch neue durch das bayerische und preußische Konkordat dazu. Der Staat hat auch ihren finanziellen Bedürfnissen gegen­über eine Haltung eingenommen, die mit der Kennzeichnung ,, groß­zügig" doch bestimmt sehr vorsichtig charakterisiert wird.

Diese voreingenommene einseitige Stellungnahme gegen die im Boltsleben immer stärker sich verwurzelnde atheistische Welt= Man wird hier einwenden, daß dies alles nicht aus weltanschau­anschauung ist nicht nur dazu angetan, tief empfundene Erlicher Parteinahme heraus, sondern mit Rücksicht auf politische bittering in den Reihen nichtkirchlicher Volksschichten hervorzurufen, Realitäten geschehen sei. Schön! Warum aber dann immer das Wort von der Pflicht des Staates, religiöse Toleranz zu üben? sondern zeigt auch recht klar auf, daß hinter den Begriffen Re­Wen toleriert die Kirche? ligiöse Toleranz" und Wahrung des fonfeffionellen Friedens" nur politische Schlagworte liegen, die je nach Bedarf, aber niemals im Sinne weltanschaulicher Neutralität zur Anwendung gelangen.

Schenken wir uns eine Debatte über den Wert oder Unwert der verschiedenen Weltanschaungen und lassen wir nur tonkrete Tat­sachen reden.

Daß sich im Volte eine immer stärkere Abfehr von der Kirche und von religiösen Gedankengängen überhaupt vollzieht, ist ganz unbestritten. Die amtlichen Statistiken melden davon, wenn auch in gänzlich unvollkommener Weise, und ebenso werden die Frei­benker, wie auch die Kirchen selbst nicht müde, diese Tatsache zu er­

örtern.

Auf der diesjährigen Freiburger   Ratholitentagung wurde die Bahl der in Deutschland   erfolgten Kirchenaustritte im letzten Jahr­zehnt auf zwei Millionen beziffert. Daß nicht nur Steuerflucht oder weltanschauliche Indifferenz zum Austritt aus der Kirche führten, geht aus der weiteren Tatsache hervor, daß von diesen zwei Millionen allein 650 000 sich in demselben 3eit­raum als Freidenter organisiert haben."

Niemand kann bestreiten, daß der Atheismus als Weltanschauung gewertet werden muß. Niemand wird behaupten, daß die atheistische Weltanschauung etwa eine vorübergehende Modekrankheit darstellt, der keine ernste Lebenskraft innewohnt. In leidenschaftlichem Ringen, in ernster wissenschaftlicher Arbeit haben durch viele Jahrhunderte hindurch die Vorfämpfer dieser Weltanschauung ihr den Weg ge­ebnet. Durch Jahrhunderte hindurch haben sich Atheisten gegen einen übermächtigen Feind, gegen Staat- und Gesellschaftsordnung durchgefeßt. Der Atheismus ist trotz aller Machtmittel des früheren Obrigkeitsstaates nicht überwunden worden. An der Wiege des freien Volksstaates stand zum erstenmal in seiner geschichtlichen Eristenz die Möglichkeit der freien Entfaltung.

Resultat: Das Anwachsen zu einer vielhunderttausendtöpfigen Maffenbewegung im Zeitraum eines einzigen Jahrzehnts. Die Loslösung von der Kirche ist zur Voltsbewegung ge­worden. Die Loslösung der Massen erfolgt, obwohl die Kirche eine ungeheuer mächtige Bresse, die Unterstützung des Staates, feiner Gesetze und einen unermeßlich reichen Propagandaapparat hinter sich hat.

Das Anwachsen der Freidenkerbewegung erfolgt, obwohl diese ganz auf ihre eigene Kraft angewiesen ist, nicht einmal eine öffentlich erscheinende Zeitung befigt und in ihrem Wirken noch immer auf starte gesetzliche Hindernisse stößt.

Wir stellen die Frage: Soll in der Demokratie, menn schon die Toleranz zur Staatsmoral erhoben wird, eine im Absterben befind üche Geistesströmung ungleich stärter toleriert werden, denn eine

Die Führung der evangelischen Kirche toleriert zum größten Teil nicht einmal die Republit. Die katholische Kirche zeigt sich zwar der Republik   gegenüber folerant, aber um welchen Preis? Sie läßt fich ihre Staatstreue sehr, sehr hoch bezahlen.

Auch die Haßgefänge gegen den Sozialismus, die auf dem Frei burger Katholikentag gesungen wurden, sind schwer mit Toleranz in Einklang zu bringen.

Wer toleriert die Freidenkerbewegung?

Sie genießt das verfassungsmäßige Recht des öffentlichen Wirkens, wie jede andere Volksschicht auch, und doch nicht im gleichen Maße. Viele immer noch bestehende Gesezesverfü­gungen aus der Zeit des absolutistischen Deutschland   hemmen ihr Wirken auf Schritt und Tritt.

Hinsichtlich der Pflege ihrer besonderen weltanschaulichen Be­dürfnisse ist die Freidenkerbewegung, auch relativ mit der Kirche verglichen, das mißachtete Stiefkind in der Republik   geblieben. Sie muß durch ihre Steuerfraft zur Erhaltung der Kirche beitragen, ja jogar organisierte Freidenker haben heute noch vielfach dingliche Kirchenabgaben zu entrichten.

Die Leitungen vieler Krankenhäuser, Erholungs­heime, Fürsorge und Strafanstalten verbieten die Verbreitung freidenkerischer Literatur. Versammlungs- und Plakat­verbote gehören in vielen Gegenden der Republik   noch zu den all­täglichen Erscheinungen. Handwerkerinnungen dürfen den Boykott über freigeistige Eltern mit der Aufnahme von Lehrlingen ver hängen. In vielen kleinen Orten herrscht heute noch gegen Frei denker der absolute Kirchenterror.

Der Preußische Landtag   beschloß im Juli 1928 die gesetz fiche, Regelung der Körperschaftsrechte für die Freidenferbewegung. Das Kultusministerium versucht scheinbar, durch eine Häufung von fünftlich geschaffenen Hindernissen die Ausführung dieses parlamentarischen Beschlusses der nächsten Generation zu überlassen.

Der Rundfunk überschlägt sich in der Darbietung firchlicher Propaganda, die Freidenferbewegung vertröstet er mit Radensarten. Und alles im Namen der religiösen Toleranz, alles aus Rücksicht auf Andersdenkende.

Man verschone uns mit derartigen politischen Schlagworten. Es ist trasseste Intoleranz, die hier gegen eine Bewegung geübt wird, deren Treue zur Republik über jeden Zweifel erhaben ist, deren Wirken in keinem peinlichen Gegensatz zu den Erfordernissen des modernen Staates steht und deren geistige Fundamente auf der Linie des menschlichen Fortschrittes, der modernen wissenschaftlichen Er­fenntnis und der sozialistischen   Zielsetzung liegen.