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Morgenausgabe

Nr. 497

A 250

46.Jahrgang

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Vorwärts

Berliner Boltsblatt

Mittwoch

23. Oftober 1929

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Briand gestürzt!

In der ersten Kammerfitung nach den Ferien: 288 gegen 277 Stimmen.

Paris , 22. Oktober.

minifters Maginot hingewiesen, der den Räumungs­Das Kabinett Briand ist heute abend 7.30 Uhr in abmachungen vom Haag eine höchft illoyale Auslegung gibt, der Kammer gestürzt worden. Der Antrag der Radi- ohne daß Briand bisher den Mut fand, ihn öffentlich zu des­falen, die Debaffe über die außenpolitische Jnfer- avouieren. Er hätte weiter zusammen mit dem sozialistischen pellation auf den 15. November festzusehen, gegen den Abgeordneten Frossard den sonderbaren Komplex der Briand die Vertrauensfrage stellte, wurde mit 288 Besprechungen Paul Reynauds mit Deutschnationalen gegen 277 Stimmen angenommen. und Stahlhelmern zur Sprache gebracht, die ein sonder bares Licht auf die Ehrlichkeit der Nationalisten bei der Länder wirft. Das alles war Briand recht peinlich, denn er hätte endlich in der Kammer Farbe befennen, das müssen. Er hat es vermeiden wollen, und ist darüber ge heißt von feinen Mitarbeitern auf der Rechten abrücken stürzt.

Das Kabinett ist somit mit 11 Stimmen in der Minder­heif geblieben und hat den Saal verlassen.

Sofort nachdem das Kabinett in der Kammer in die Sofort nachdem das Kabinett in der Kammer in die Minderheit versetzt worden war, haben sich die Minister Minderheit versetzt worden war, haben sich die Minister ins Elysee begeben und dem Präsidenten der Republik die Gesamtbemission überreicht. Präsident Dou­ mergue hat diese angenommen und Briand und seine Mitarbeiter mit der vorläufigen Weiterführung der Taufenden Regierungsgeschäfte betraut. Abends 7 the 45 verließen die Minister das Elysee. Ministerpräsident Briand verweilte noch 10 Minuten länger und ver handelte während dieser Zeit mit Präsident Doumergue .

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In früheren Jahren, als Aristide Briand noch im Bollbesitz seiner physischen Kräfte und seiner geistigen Elaftizi tät mar, wäre ihm ein solches Mißgefchid nicht widerfahren. In den letzten 25 Jahren ist er etwa zwölfmal Minister präsident gewesen ge stürzt wurde er fast nie. Er ließ es nämlich in den meisten Fällen gar nicht darauf ankommen, fondern er befaß eine sehr feine Bitterung für drohende und unvermeidliche Regierungstrijen. Als fluger Mann baute er vor, indem er rechtzeitig und freiwillig abtrat. Dadurch vergrößerte er nur sein Prestige im Parlament und nach höchstens zwei Jahren griff das jeweilige Staatsoberhaupt bei der nächsten Krise auf ihn zurüd.

Wie fonnte ein so fluger Taftifer, ein so routinierter Virtuose des parlamentarischen Instrumentes fich dermaßen über die Stimmung in der Deputiertenfammer täuschen? Noch am Montag ließ er, indem er das Demissionsgesuch des bei den Senatswahlen durchgefallenen Pensionsministers Antériou ablehnte, erklären, daß er die dadurch unvermeidliche Um bildung des Kabinetts nicht wünsche, daß er aber nach der Ratifizierung der Haager Vereinbarungen freiwillig zu rüdtreten werde. Und nun dieser plögliche Szenenwechsel! Anstatt des so selbstbewußt verkündeten spontanen Abganges in vier bis sechs Wochen wird er gleich in der er sten Sizung des wiederzusammengetretenen Barlaments über einen An­trag gestürzt, den er eigentlich gar nicht zu bekämpfen brauchte.

Bisher liegen nur die rohen Abstimmungszahlen vor. Aber es ist kaum zu bezweifeln, daß er von der Linten allein nicht gestürzt worden ist, obwohl natürlich der Borstoß in der Kernjache von den Radikalen und Sozialisten geführt worden ist. Unter den 288 Gtimmen der gestrigen Mehrheit befinden sich aber sicherlich 30 bis 40, die von der Rechten stammen: entschiedene Gegner jeder Verständi­gungspolitik, die vor allem die Haager Räumungsbeschlüsse um feinen Breis billigen, vielleicht aber auch etliche, die von Maginot und Tardieu zu dem Zwede a blomman­Diert wurden, eine Krise und Klärung schon jetzt herbei­zuführen.

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Die rise ist nun da wird auch die Klärung ein­treten? In den letzten Wochen wurde immer wieder im Hinblid auf die angekündigte spätere Demission Briands der Name Tardieu in den Bordergrund geschoben. Dieser energische, ehrgeizige, talentierte und vielseitige Bolitiker hatte sich feit Monaten als Innenminister befonders hervorgetan. Aus der diplomatischen Karriere hervorgegangen. ipäter jahr. zehntelang schreib und geschäftsgewandter außenpolitischer Leitartikler des Temps" war André Tardieu während des lekten Teils des Krieges und besonders in der Zeit von Ver­ sailles die rechte and Clemenceaus. Seine per­fönliche Feindschaft gegen Poincaré führte ihn sogar zeitweilig dazu, als Sprecher der allerertremsten Nationalisten im Bar lament aufzutreten. Seine Niederlage bei den Wahlen von 1924 löfte fast überall Freude aus. Aber schon nach einigen Jahren tauchte er als Abgeordneter von Belfort wieder auf. Bald stellte er sich als bedingter Anhänger der Verständigung

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vor. In Frankreich pflegt man solche Wandlungen ohne besonderes Erstaunen zur Kenntnis zu nehmen. Als Poincaré fein Burgfriedenskabinett bildete, nahm er Tardieu auf. Seit fast zwei Jahren leitet er das Innenministerium und spielt sich dort immer mehr als der starke Mann auf, scheinbar vor allem gegen die Kommunisten, die mit ihrer blöden Taktik das Spiel ungeheuer erleichtern, in Wirklichkeit gegen die Sozialisten und sozial gesinnten Teile der Radikalen. So. wurde in letzter Zeit in der gemäßigt- reaktionären Bour­geoisie allgemein Stimmung für den kommenden Mann" vorbereite. Freilich zeigte die große Mehrheit der Radi­André Tardieu gemacht, der ein Kabinett der Konzentration" falen, deren Parteitag in Reims unmittelbar bevorsteht, menig Neigung, dieser neuen Form des Nationalen Blods beizutreten. Nun: dann hätte Tardieu die Minder­heit der Radikalen, die der Opposition müde ist, mit einigen Ministerposten gelödert und ein Kabinett gebildet, das sich fast bis zur äußersten Rechten erstreckt hätte.

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Hat das unerwartet schnelle Ende der Regierung Briands diesen Plan durch kreuzt oder gefördert? Nach der Logit des parlamentarischen Systems müßte eigentlich als Folge des gestrigen Sieges der Linken ein Rud nach linis eintreten.

Aber es gibt ein Aber, mit dem man sich ernsthaft auseinandersehen muß: Eine Mehrheitsbildung nach links ist heute, genau mie im Jahre 1924, nur möglich mit Sozialisten. Nun Hilfe der französischen waren bisher unsere französischen Genossen in ihrer Mehrheit der Koalitionspolitit abgeneigt. Die Gründe der Parteimehr­beit sind hier früher so oft dargelegt worden, daß wir auf eine Wiederholung dieser Auseinandersetzung verzichten fönnen. Als sich die Mehrheitsverhältnisse innerhalb der französischen Bartei von 1924 bis 1926, von Parteitag zu Parteitag zu­gunsten jener Auffassung immer mehr verschoben, die in den meisten übrigen Parteien der Internationale längst zum Ge­meingut geworden ist, war es zu spät: Poincaré war in­zwischen ans Ruder gekommen. Seitdem schien die Frage nicht mehr aftuell. Jezt tritt sie über Nacht abermals und dringlicher denn je an die Partei heran. Sie trifft sie ziemlich unvorbereiet. Die Mehrheit der sozialistischen Fraktion ist zweifellos für attive Regierungspolitik, die Mehrheit der letzten Parteitagsbeschlüsse ist dagegen. Der

Das neue Republikschutzgesetz.

Beröffentlichung durch die Kölnische Zeitung ".

Auf dem Umweg über die Kölnische Zeitung " meldet WIB. in später Nachfitunde den Wortlaut des vom Reichskabinett ver­

abschiedeten Entwurfs eines Gefeßes zum Schuße der Republit. §. 1 lautet: Wer an einer Verbindung oder Berabredung teil­nimmt, die Verbrechen wider das Leben einer Person

Wäre er der gradlinige Vorfämpfer der europäischen Verständigungspolitit gemejen, als der er fich gern feiern ließ, dann hatte er es gar nicht nötig, die Vertrauensfrage gegen den Antrag der Radikalen zu stellen, der sich sicher nicht gegen seine Berson richtete. Aber gradlinig ist Briand nie gewesen, sondern immer nur Tattifer., Seit drei Jahren machte er Verständigungspolitik auf um­megen. Er hielt es für sicherer und ungefährlicher, die Politik der Rheinlandräumung und des Abbaues der Dames: Lasten mit der Rechten oder zumindest mit einem möglichst großen Teil der Rechten zu machen. Was dabei heraus­fam, war oft verwirrend und enttäuschend: es sei nur an die ersten Wochen der Haager Konferenz erinnert, wo er vor lauter Ausflüchten in der Räumungsfrage auf dem besten Bege war, das Vertrauen nicht nur der deutschen , sondern der gesamten europäischen Demokratie restlos zu verlieren. Ein mutiges Eintreten für das, was er selbst für richtig und unvermeidlich hielt, hätte ihm, allerdings erst nach erbittertem Rampf, eine flare Mehrheit im Parlament und im Bolte gestrebungen fichert. Aber diese Schlacht zu suchen und zu führen, lag ihm nicht. Er hielt es für flüger, die Nationalisten mit zu fom­promittieren", indem er sie durch Zugeständnisse in Einzel fragen auf das Ganze festzulegen versuchte. Aehnlich übrigens mie es Stresemann in den Jahren 1925 und 1927 mit den Deutschnationalen praffizierte. Aber ähnlich wie damals Stresemann erreichte er nur eine Berwirrung der Begriffe: die Nationalisten machten die offizielle Außenpolitik im Kabis nett stillschweigend mit, aber ihre Abgeordneten, ihre Zeitungen und sogar ihre Minister nahmen für sich das Recht in An­spruch, draußen im Lande diese Verständigungspolitik anzu­greifen und zu verhöhnen.

ferner die Beschimpfung des Reichspräsidenten , der Minister, der Reichs- und Landesfarben, die Beschimpfung von Personen, die aus

politischen Gründen getötet worden sind, die Aufforderung zu Ge­

walttätigkeiten gegen Politifer, die Anpreisung begangener Gewalt­tätigkeiten oder eines Hochoerrats.

Nach§ 6 zieht Berurteilung zu Zuchthaus wegen Hochverrats wegen ihrer amtlichen oder beruflichen" Stellung ober Berbrechen gegen§ 1 des Gesetzes Berluft der aus öffent im politischen Leben bezweckt oder als Mittel für andere Zwecke lichen Wahlen hervorgegangenen Rechte nach sich. Nach§ 8 in Aussicht, nimmt, wird mit Gefängnis nicht unter sechs Monaten tönnen Bersammlungen, in denen bestimmte Bergehen gegen bestraft: ebenso mird bestraft wer eine solche Verbindung unter­das neue Gesetz begangen werden, aufgelöst werden. Dasselbe be­stügt. In besonders schweren Fällen ist die Strafe Zuchthaus nicht stimmt§ 9 für die Vereine. Für solche Auflösungen ist, wenn die inter zwei Jahren. Straffrei wird, wer der Behörde oder dem Landesbehörde von ihnen abfieht, auch durch den Reichs­Bedrohten von der Berbindung oder Verabredung oder ihrem minister des Innern zuständig. Beschwerde hat leine auf­3wed so rechtzeitig Kenntnis gibt, daß ein in Verfolgung der Behebende Wirkung. Das Vereinsvermögen fann nach§ 10 eingezogen trebungen der Verbindung oder Berabredung beabsichtigtes Ber­brechen miber das Leben verhindert werden kann. § 2 bestraft Nicht anzeige des Bestehens einer im§ 1 ge­nannten Berbindung mit Gefängnis.

§ 3 bestraft mit Gefängnis, nicht unter 3 Monaten den, der gegen eine Person wegen ihrer a miligen oder beruflichen Stellung im politischen Leben einen Angriff auf Leib und Leben unternimmt oder verabredet. Derselbe§ 3 bestraft mit Ge­fängnis nicht unter drei Monaten die Teilnahme an geheimen oder ftaatsfeindlichen Berbindungen gegen die Republik . § 4 bestraft mit Gefängnis nicht unter einem Monat sonstige Verabredungen zu Gewalttaten gegen Politiker.

§ 5 bestraft mit Gefängnis nicht unter drei Monaten die öffent Das ist es, was der Abgeordnete Montigny im fiche Namen der seit zwei Jahren geschloffen in der Opposition Beschimpfung und Verächtlichmachung der Republit befindlichen Radikalen durch seine Interpellation feftnageln wollte. Er hätte auf die sonderbaren Reden des Kolonial- oder die absichtliche Befundung der Nichtachtung ihr gegenüber,

werden.§ 11 enthält Strafbestimmungen( Gefängnis nicht unter drei Monaten) für Bersonen, die sich an aufgelösten Vereinen weiter beteiligen.§§ 12 bis 15 enthalten

Borschriften über die Presse. Druckschriften, die gegen die Hochverratsparagraphen des Straf­gefeisbuches verstoßen oder schwere, durch das neue Gesetz norméerie Gegen einen Aufhebungsbeschluß des Gerichts ist sofortige Be Bergehen begehen, tönnen staatsanwaltlich beschlagualymt werden. schwerde mit aufschiebender Wirkung zulässig. In ben namentlich aufgeführten schweren Fällen fönnen Tageszeitungen bis auf pier oder sechs Wochen verboten werden. Das Ver­bot tann auch durch den Reichsminister des Innern erfolgen. Beschwerde hat feine aufschiebende Wirkung. Erfaßdruck­schriften für verbotene unterliegen gleichfalls dem Berbot, und ihre Hersteller machen sich strafbar.