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Mittwoch 23. Oktober 1929

Unterhaltung unü ÄVissen

Beilage des Vorwärts

Conrad Diubra: kPOfflß

Als Ich 1920 zum erstenmal nach Athen kam, zählte die Haupt- stadt Griechenlands dreihunderttauscnd Einwohner. 9lach dem griechisch-türkischen Krieg« von 1922 kamen große Scharen von griechischen Flüchtlingen aus Kleinosicn herüber. Hunderttausende landeten im Piräus und wurden dort und in den Vororten der Haupt. stadt notdürftig untergebracht. In der folgenden Zeit wuchs die Be- volkerung so gewaltig, daß Athen heute, nach Abschluß der Flucht- lingsbewegung, etwa eine Million Einwohner zählt. Ich kam zu Beginn des Jahres 192S wieder und sah mit Erstaunen, daß die Stadt ihr Gesicht vollständig oerändert hatte. Neue Stadtteile, Siedlungen und Straßenzüge waren wie Pilze aus dem Boden gewachsen. Der Verkehr auf den Straßen hatte sich o«r- doppelt und die Zahl der Bettler schien Legion geworden zu sein. In den Flüchllingsbezirken herrscht« furchtbare Wohnungsnot. Ein großer Teil der Vertriebenen hauste in elenden Bretterbuden und in Zelten auf der nackten Erde. Straßenweit gab es weder Wasser- leitungen noch Bedürfnisanstalten. Arbeitslosigkeit, Hunger und Seuchen waren das Los dieser von tollgewordencn Militaristen an den Bettelstab gebrachten Bevölkerung. Tagelang lies ich herum, ohne ein passendes Unterkommen zu fmd-n. In den Hotels forderte man für das einfachste Zimmer einen unverschämten Preis, den ich auf die Dauer nicht bezahlen konnte. Schließlich lernte ich durch Zufall eine älter« Frau kennen. Sie ver- mietet« mir nach längcrem Zureden ein kleines Zimmer für gutes Geld. Madame Popy, so hieß meine Wirtin, war etwa SS Jahre alt, von mittlerer Groß«, mager und grauhaarig. Sie ging nach der Mode der Vorkriegszeit gekleidet. Wenn sie auch wenig Wert auf ihre äußere Erscheinung legt«, so konnte man ihrem Wesen und ihren Manieren doch entnehmen, daß sie einstmals bessere Tage gesehen halle. Sie sprach außer griechisch geläufig französisch und war auch in der englischen und russischen Sprache bewandert. Madame Popy hatte keine Kinder und anscheinend auch keine Verwandten aber sie besaß fünf Hunde. Ich glaubte meinen Augen nicht zu trauen, doch es war Tatsache. Sie hatte«inen Jagdhund, einen Dackel und außerdem drei andere Kläffer, deren Rasse ich nicht definieren konnte. Madam« war empört, als ich es wogte, dies« struppigen Gesellen Bastarde zu nennen.» Den ganzen Tag war stc mit den Tieren beschäftigt: wenn sie aus dem Hause oder nur in den Hof ging, wenn sie auf das flach« Dach stieg: die Hundekompanie folgte ihr auf den Fersen. Eines Tages war der Dackel, ihr Liebling, verschwunden. Da betmn sie einen solchen Anfall, daß ich an ihrem gesunden Verstand« zweifeln mußte. Sie weinte, wütete gegen Gott und die Welt, rannte di« Straßen auf und ab und alarmiert« di« Polizei. Alles vergebens, der Dackel kam nicht zurück. Longe Zell fiel es ihr schwer, über den Verlust ihres kleinen Favoriten hinwegzukommen. Ost fand ich sie weinend bei ihren Hunden sitzen, die solchen Grad von Trauer um einen der Ihrigen offenbar nicht oerstanden.. Einige Wochen vergingen. Im Haus« der Frau Pstpy ereignet«. sich nichts Besonderes. Dann bemerkte ich eine» Tages, daß meine Kleiderbürste verschwunden war: zwei Tag« später vermißte ich einen Kamm, am nächsten Tage fehlt« ein Stück Seife. Mein Verdacht richtete sich aus Madame Popy, weil sonst niemand mein Zimmer betreten haben konnte und ein Einbrecher sich nicht mit solchen Kleinigkeiten begnügt hätte. Ich stellte sie zur Rede mit über­raschendem Erfolg. Sie-brachte sofort ganz unbefangen alles, was ich vermißt hatte, in mein Zimmer zurück und entschuldigte sich nicht ein- mal. Ich war weniger empört als erstaunt und fragte mich ernsthast: Sollte die gute Hundemutter ihren Verstand verloren haben? Bald erfuhr ich, daß ich nicht der einzige war, der sich diese Frage vorlegt«. Um die Abendstunden pflegt« ich«in kleines, in der Nähe gelegenes Kaffeehaus aufzusuchen, in dem man für billiges Geld Tee, Kaffee und Limonaden bekam. Es war eines jener typisch orienta- lisch«« Lokale, die dem Athener Straßenbild dos eigentümlich« Gepräge verleihen. Bald hatte ich das Vertrauen des kleinen stinken Kellners erworben. Er hieß Stephan und suchte die paar Brocken Deutsch , die er verstand, bei jeder Gelegenheit anzubringen. Ich erzählte ihm, daß ich bei Madame Popy wohnte.Madame Popy!" rief er aus,immer Hunde, nicht wahr? All« Tage Hund« Madame etwas verrückt." Ich versucht« von ihm etwas nähere» über meine Wirtin zu erfahren, doch er blieb mir eine befriedigende Er- klärung schuldig. Nachdenklich machte ich mich an diesem Abend aus den Heimweg. Der Mond stand groß und prächtig über dem Hymettos. In der Fern«, hinter den Säulen der Akropolis , schimmerte silbern ein schmaler Streifen der Bucht von Phaleron. Ich beachtete die seltene Schönheit dieser nächtlichen Landschaft kaum. Mein« Gedanken beschäftigten sich mit Madame Popy. Wie sollte ich mir diese ungewöhnliche Vorliebe für Hunde erklären? War sie ein« Folge ihrer Geistesverwirrung? Welches Erlebnis mochte ihren Verstand getrübt haben? Als ich an einer Kirche vorbeikam, wurde ich von meinen Betrachtungen abgelenkt. Auf der Marmortrcppe, die zu den Säulen des Portals hinaufführt«, sah ich eine Betllerin sitzen. Sie hielt einen Säugling im Arm. hatte den Kopf an di« Mauer gelehnt und schlief. Uebcrall in Athen konnte man zur Nacht- zeit auf den Treppen und in den Nischen öffentlickier Gebäude ähnliche Gestatten hocken sehen. Es waren Flüchtlinge aus dem Piräus , die den mühevollen Weg zum Hafen hinunter scheuten und e» vorzogen, di« Nacht im Zentrum der Stadt unter freiem Himmel zuzubringen. Frau Papy hatte di« Nachiorschnngon nach ihrem verloren- gegangenen Dackel eingestellt. Ich war froh, daß sich die lästige Hundegesellschaft wenigstens um eines ihrer Mitglieder vermindert hatte. Um so größer war mein Erstaunen, als ich eines Morgens im Hausflur einen großen Köter erblickt«, der noch nicht dos Vergnügen gehobt hall«, meine Bekanntschast.zu machen und darum drohend« Hattung annahm. Madame rief ihn zu iich und streichelte ihn liebe- voll. Ausgebracht über diesen mehr al? unerwünschten Familien- zuwachs rief ich:Sie wollen diese? Monstrum von einem Hunde doch nicht im Hause behalten?"Sehen Sie nur. welche klugen Augen er hat," tagte sie.ein Hund ist treuer und zuverlässiger als -in Mensch. Dorum sollte ich ihn nich: behatten?"Werden Sie glücklich mit ihm!" tief ich wütend. ,Dlch hast« es auf jeden Fall in dieser Umgebung nicht länger aus. Man ist ja seines Lebens nicht mehr sicher." Ich kündigt« auf der Stelle zum nächsten Termin. Madame nahm es gelasieu hin. aber sie blieb von nun an wortkarg und ging mir bei jeder Gelegenheit aus dem Wege. Offenbar fühlte sie sih sehr beleidigt. Ich bemühre mich jegl in der Nachbarschaft«in« andere Wohnung gvjzutrerben and echchr b« dieser Gelegenheit, daß meine Wrtm

nicht Popy. sondern Pawlidis hieß. Popy war ihr abgekürzter Vor- nam«, mit dem sie von ollen näheren Bekannten angesprochen wurde. Zugleich mit dieser Neuigkeit hörte ich auch Einzelheiten aus ihrer Lebensgeschichte. Frau Pawlidis, genannt Popy, stammte, wie ich richtig vermutet hatte, aus wohlhabender Familie. Auf Wunsch ihres Daters, eines thessolischen Großgrundbesitzers, heiratete sie in verhällnismäßig jungen Iahren«inen Athener Fabrikanten. Dieser lebte bald über seine Verhältnisse und griff zum Revolver, als er sein ganzes Ver- mögen verspekuliert hotte. Nach dem Tode ihres Gatten verließ Madame Popy die griechische Hauptstadt und zog aufs Land, zu ihrer Freundin noch Kephisia. Dort traf sie ein Unglück, das ihr späteres Leben in verhängnisvoller Weis« beeinflußte. Auf«mein Spazier- gong am Abhang des Pentelikon wurde sie von Straßcnräubern überfallen, bis auf die Haut ausgeplündert und in eine trockene Zisterne geworfen. Zwei Tage und Nächte lang lag sie dort und rief vergeblich um Hilf«. Vor Hunger und Durst erschöpft gab sie sich bereits verloren, als sie endlich, am Morgen des dritten Tages, von einem im Felde herumstreifenden Hunde ausgespürt wurde. Das Tier wich nicht vom Rande der Zisterne. Es heulte und winselte so lange, bis ein paar Bauern aufmerksam wurden, herbeieilten und di« Frau aus ihrer schrecklichen Lag« befreiten. Seit diesem Tage war sie geistesgestört. Nachdem ich diese Geschichte gehört hatte, wurde mir das seltsame Wesen der Frau Popy klar. Jetzt verstand ich ihre krankhaste Vor- liebe für Hunde und nahm keinen Anstoß mehr daran, daß sie sich tagaus taget« ausschließlich mit der Sorge um dos Wohlergehen ihrer Vierfüßler befaßte. Jeden Mittag pflegte Madame Popy mit einem Korb bewaffnet fortzugehen. Dann lagen die Hund« auf dem Ballon, einer neben dem andern, blickten mit größter Aufmerksomkest die Straße hinauf und hinab und durchschnupperten die Luft. Ihr Gekläff wurde immer unerträglicher, ihre Unruhe wuchs von Minute zu Miimte und erreichte den Höhepunkt, wenn Madcune wieder auf der Bilds läche erschien. Sie brachte ihren Korb mit Knochen und Speiseresten gefüllt zurück, schüttet« den Inhall im Hausflur aus und verteilte die Beut« sorgsam unter die Hundegesellschaft, die sich sogleich mit hungrigem Gebell darüber hermachte. Diese Abfälle erhielt Madam« regelmäßig in einer benachbarten Speisewirtschaft geschenkt. Nie werde ich den Auftritt vergessen, der sich ereignete, als Äadame Popy eine» Tage» von dem üblichen Ausgang mit leerem Korbe zurück­

kehrte. Wie gewöhnlich war sie in das Restaurant gegangen, um das Futter für ihre Hund« abzuholen. Sie wurde diesmal abgewiesen, weit der Koch die Speisereste.bereits einigen heißhungrigen Flücht­lingskindern gegeben hotte. Madame versuchte nun ihr Glück an airderer Stelle: aber überall wurden ihr die Abfälle mit dem Hinweis auf die Flüchtlinge verweigert. Darum mußte sie schließlich unver- richteter Dinge nach Hause zurückkehren. Heulend und kreischend kam sie angerannt. Die Hunde sprangen hungrig an ihr empor und voll- führten ein wahres Höllenkonzert.Diese verdammten Flüchtling«'" schrie sie.Wären sie doch von den Türken massakriert worden wären sie doch alle im Meer ersoffen oder vor Hunger krepiert!" So wütend wie diesmal hatte ich sie noch nie gesehen. Sie gebrauchte die schlimmsten Flüche und gemeinsten Schimpfworte, um ihren Haß gegen die Flüchtlinge zum Ausdruck zu bringen. Sie tobte so lange im lj.iujo herum, bis sie vor Erschöpfung zusammenbrach. Von diesem Tag« an war Madame Popy nicht mehr zu genießen. Bald blieb ihr nichts andere» übrig, als das Futter für die Hunde ztt kaufen, denn sie hatte bei den Spciscwirtschaften kein Glück mehr und kehrte fast immer mit leerem Korbe nach Hause zurück. Da ihr weniges Geld bald verbraucht war, versuchte sie mich anzupumpen. Ich gab ihr nichts als den Rat, wenigstens die beiden schlimmsten Fresser, den Jagdhund und den monströsen Nachfolger des Dackels fortzujagen.Unter keinen Umständen," jagte sie,sie bleiben alle bei mir, alle fünf. Ich werde schon sehen, wie ich mit ihnen durch, komme." Ich tonnte nickst mehr lange beobachten, wie es ihr gelang, sich Hilfe zu verschaffen. Ich fürchtete aus jeden Fall ein« Katastrophe, denn ihre Wutanfölle wurden immer häufiger und schrecklicher. Be« greiflicherweisc war ich froh, als der Tag meines Umzuges herankam. Meine neue Wohnung lag im Bezirk des Theseuetempsls am ent- gegengesetzten Ende der Stadt. Erst viele Monate später, zu Beginn der Regenzeit, kam ich einmal in die Näh« meiner früheren Be- Häufung. Ich besuchte da» Kaffeehaus, in dem ich mich manchmal mit dem Kellner Stephan unterhalten hatte. Der kleine Kerl war immer noch da und erinnerte sich meiner sofort. Ich setzte mich an einen der winzigen runden Tische. Stephan brüllte seinena vari gliko" zum Schanktisch hinüber. Dann brachte er mireinen sehr süßen" Kaffee. Er war überglücklich, daß er seine deutschen Sprachkenntnisse wieder einmal an den Mann bringen konnte, und wir plauderten eine ganze Weit« miteinander. Plötzlich fragte er mich: Sie schon wissen Madain« Popy?" Ich zuckte die Achseln.Oh! Madame Popy!" rief er aus,schon lange tot ganz verrückt sich selber aushängen."Und di« Hunde?" fragte ich ihn.Alles verschwunden," antwortete er,viel­leicht aufgefressen. Flüchtlinge viel Hunger haben sehr viel Hunger."

Erich WuUner: StßCtllS(flßictl UtlMS? Sin neuer fltoman von 3ofeph9toih,

Joseph Roth , der mit klar-harten Augen das klägliche Gewimmel der Menschen durchschaut, ohne die Wehmut verlmttener Lieb« zu verbergen, hat seinen Zeitromanen einen neuen angefügt. Fast könnte man nach der llcberschrist glauben: einen politischen. Rechts und links", das gemahnt an Stendhal »Rot und Schwarz ". und ist nicht das einzige, was bei Roch an Stendhal erinnert. Wer aber eine Auseinandersetzung zwischen politischen und geistigen Strömungen gegensätzlicher Art erwartet, sieht sich hiitters Licht geführt. Der Ton liegt nicht aufrechts", nicht auflinks", sondern ausund"! Es gibt kein rechts und links, sagt Joseph Roch, es gibt nur Menschen von gleichbleibenden Trieben und be­stimmter Wesensart, die sich di« Bezeichnungen von Parteien, Strö- münzen, Richtungen usw. gleich Etiketten anheften, wie ihre kleinen egoistischen Zwecke das gerade nützlich erscheinen lassen- Keine der Figuren, die in Rochs Roman austreten, repräsen­tiert etwarechts" bzw.links", sie alle tragen rechts und links gleichermaßen in sich. Damit dies möglich sei, führt uns Roth vor Ereignisse und Wandlungen, die nicht immer ganz glaubhaft erscheinen.' Da ist die Hauptfigur des Romans(wenigstens äußerlich ge­sehen), der ältere der beiden Brüder Bernheim: flotter Jung« aus reichem Haufe, begeisterter Nachahmer von ollem, was er für aristo- kratisch hält, oberflächlich und nach guter Existenz strebend. Aber mitten im Weltkrieg hat dieser Bernheim aus verletztem Ehrgeiz er durfte nicht zur Kavallerie eine Periode als radikaler Pazifist zu durchlaufen, in der er Zuchthaus und Landesverrats- prozeh riskiert. Später hat er das total vergessen und prunkt mit Kriegserlebnissen als Kaoallerieleutnant. Sein jüngerer Bruder, bereits Nachtriegsgeneratton, gerät trotz halbjüdischer Mstammung in die Fuhstapfen der OC.-Leute, der Techow und Tillessen . Wegen Teilnahin« an einer Attentategeschickste flüchtig, später amnestiert, findet er neue Existenz als Redakteur bei einer demokratischen Zeitung. Seiner jüdischen Mutter wirst der halbjüdische Holentreuzler antisemitische Klobigkeiten an den Kopf. Dies« jüdisch« Mutter aber ist in der Verbannungsperiod« ihres Sohnes selber von Groll gegen die Juden erfüllt, die sie für das Unglück des Jungen verantwortlich macht. Dann ist da-in Russe oder vielmehr, da bei Joseph Roth alle Menschen etwas anderes find, als sie scheinen ein Mischling aus Wolgadeuffchen und Juden von mongolischem Typus, ein Bolschewist, dessen lebenstrvtzende Riefensigur namentlich in der zweiten Romanhälfte die Brüder Bernheim fast beiseite schiebt. Dieser Brandeis kann für«ine Kreuzung zwischen Lenin und Par- vus gelten.. Seiner bolschewistischen Periode in Rußland folgt eine merkantile Epoche in Westeuropa : Brandeis wirft sich zum Herrn eines Riesenkonzcrns auf, den er nach mißlungenem Eheversuch mit einer russischen Kabaretiistin wie einen Haufen Dreck liegen läßt, um ein driites Leben zu begiimen. 21 ehrlich sind die Nebeitfiguren gemixed: Di« Gi-ftgasdirektoren von der I. G. Farben finanzieren pazifistisch« Z-itschristen. und der pazifistische Professor aus Frankreich soupiert mit den Muni. tionslieferanten. Die Frage ist, ob man das alles glaubt. Ja urd nein. Es gibt Menschen, wie Joseph Roth sie zeichnet,.es gibt sogar in der durch den Weltkrieg wurzellos gewordenen Generation viele davon. Aber man glaubt sie nicht recht, weil die aikdcren fehl««. Dl« avderen. für die es ent rechts and Lvcks gibt, die

nicht nur au» Zweckmäßigkeit, sondern aus innerer Notwen» d i g k e i t für eine Idee kämpfen ihr Leben lang. Joseph Roth mag sich auf Stendhal » berühmten Vergleich berufen vom Spiegel. der über eine schmutzige Landstrotze gefahren wird und daher nur Pfützen spiegeln kann: ist das Schuld des Spiegels? Gewiß nicht. Aber wir Heutigen kennen auch die Tricks verzerrender Spiegel... In Roths Roman findet sich eine Szene, in der Roth die An- hängermossen jeder Partei persifliert: Den Kurfürstendamm entlang zieht eine militärisch geordnete Demonstration mit Wind- jacken, KommiWefeln und Knotenstöcken. Roth sagt uns nicht, ob da Stahlhelmer, ob Reichsbanner, ob Rotfrontler marschieren. In- dem er das Militaristische des Aufzuges, die Schnauzbärte, die auf der Entwicklung zum Säbel begriffenen Stöcke lächerlich wirken läßt, will er uns den Rothfchen Standpunkt suggerieren, daß di« A r t eines solchen Auszuges das Wichtige, fein Ziel das Unwesent- liche sei.» Ein andermal gibt Roth in ähnlicher Absicht einen Querschnitt durch den Brandeisschen Konzern. Er schildert, was die S00 An­gestellten, die 800 Beamten, die 7000 Arbeiter nach Feicrabond tun und treiben. Nichts als das. Aber darin liegt die blasierte Er- kenntnis: es ändert sich nichts. Die Leute trinken Bier, gehen ins Kino, tyrannisieren ihr« Familie, treiben dies oder das, ganz un- abhängig von allen großen Worten der Politik, ganz unbeeinflußt von den Parolen der Rechten und der Linken. Wirklich? Aendert sich nichts? Aendert es sich nicht langsam? Vielleicht gar nicht einmal so langsam? Roths Skepsis hat eine gute Eigenschaft: sie ist eine stete Reibfläche� an der sich der Widerspruch entzündet. Daß man ihr nicht zustimmt, mindert nicht ihren Wert. Bitte lein Mißverständiüs. Ich hatte nichts, Hab« nie etwas gehalten von dem berüchtigtenflammenden Protest", in den immer die Leute ausbrechen, die sich mit Recht getroffen fühlen. Phrasen, in sittliche Entrüstung getunkt, können Roths überlegenen Skeptizismus nur bekräftigen, nicht widerlegen. Der Protest gegen die Anschauung, daß es ein Rechts und Links nicht gibt, kann nur ein innerlicher fein: ein Protest durch Wirken, durch Leben, durch Tat. Darf ich bemerken, daß Bücher, die ernste Menschen zu solchem Protest anspornen, mir sehr werwoll und notwendig erscheinen?

Astronomisch« Zahlen. In einem soeben in England erschienenen Buche des Exfordcr Universitätsprofessors Sir James Jeans Das Wellall um uns" gibt der Autor die neuesten wissenschaftlichen Zahlen über dos Weltall an. Er beziffert das Alter des Univer- sums aus 200 Trillionen Jahre, das Alter der Sterne auf 10 Tril- lionen, das Alter der Erde auf 2 Trillionen, des Lebens auf der Erde auf 300 Millionen, das Alter der Menschheit auf 300 000 Jahre. Die möglick'e Zukunft der Menschheit schätzt Jeans auf immerhin 1 Trillion Jahre. Ehiuesische Denkmäler. Denkmäler, wie wir sie unseren großen Männern errichteten, sind bei den Chinesen unbekannt. Wollen sie einem Verstorbenen eine besondere Ehrimg erweisen, so errichten sie einen kleinen Gedenktempel, in dessen Mitte«in Stein steht, in den die Verdienste und Tugenden des Verstorbenen eingemeißelt werden. Die llalerpunktion, die Kleinen und Großen so manche? Kopfzer, brechen verursichi, ist erst im Ib. Jahrhundert von Buchdruckern Venedigs eingeführt worden. Mancher Schuljunge wird diesen Buch- drucke» keftl freundliches Gedenke« widme».