»Vor allem weisen wir die sofortige Einberufung der Landes- konserenz um deswillen zurück, weil es unmöglich ist, daß die dazu nöthigen Vorbereitungen und die dabei«nt» stehenden Diskussionen nicht der großen Kampsbewegung gegen die Wahlrechtsfeinde Abbruch thun würden. Vorläufig ist dieser Kampf gegen die Räuber des Wahl- rechts noch nicht zu Ende. Mitten in diesem Kampfe die Fragen der zukünftigen Taktik erledigen zu wollen, erscheint un- vorsichtig. Es gilt vielmehr weiter alle Kräfte anzuspannen, der Er- Witterung im Volke überall zum Ausdruck zu verhelfen. Die Protestbewegung darf aus keinen Fall durch das Anschneiden der Frage der Taktik auch nur die geringste Absplitterung erfahren. Der geeignete Zeitpunkt für eine Landeskonferenz erscheint Uns erst dann für gekommen, wenn die Wahlrechtsfrage in einem oder anderem Sinne als entschieden zu betrachten ist. Es dürfte, wie uns scheint, am ehesten die Zeit alsbald nach Schluß der Kammersession in betracht gezogen werden. Wenn alsdann unter anderem die Mandatsniederlegung beschlossen wird, so geschieht dies noch völlig rechtzeitig. Jedenfalls werden wir dann, gleicher. weise beseelt von Kampfesbegeisterung wie befähigt zu reiflicher Ueberlegung. berathen können, was der Partei zum Heile ge- reichen wird." Die vorstehend angeführten Gründe verdienen volle Be- achtung und werden sie dieselbe wohl auch bei allen sächsischen Genossen finden.— DaS preußische Abgeordnetenhaus setzte am Dienstag die zweite Berathung des Etats der Eisenbahn- Verwaltung fort. Die Debatte schien sich ursprünglich in dem gewöhnlichen langweiligen Fahrwasser bewegen zu sollen. Wie alljährlich, so gaben auch diesmal die zahlreichen Petitionen von Beamten aller Kategorien Rednern der ver- schiedensten Parteien des Hauses Veranlassung, den Wunsch nach einer Aufbesserung der Gehälter der Eisenbahnbeamten und Eisen- bahnarbeiter zu bemrworten. Aber wie alljährlich, so ertönte auch heute vom Regierungstisch die stereotype Antwort, daß es nicht angängig sei, einzelne Klassen von Beamten heraus zu greifen, man müsse warte», bis eine allgemeine Gehalts- aufbesserung möglich sei. Der Etalsüberschuß, der nach der von keiner Seite angezweifelten Berechnung des Abg. Richter dreißig Millionen Mark beträgt, ist offenbar bereits von Herrn Miquel mit Beschlag belegt, so daß die Angestellten der Eisenbahnver- waltung, deren Eifer nach dem Zeugniß des Eisenbahnministers in erster Linie das gute finanzielle Ergebniß der Staatsbahnen zu danken ist, vermuthlich leer ausgehen werden. Während alle Redner den Petitionen sympathisch gegenüberstanden, war es dem konservativen Grafen Limburg -Stirnm vor- behalten, von einem Unfug und einem Sport zu reden, den gewisse Beamte mit Petitionen treiben; auf etwa 10 berechtigte Petitionen kämen S0 unberechtigte. Wegen dieser für seine Arbeiterfrcundlichkeit recht charakteristischen Aeußerung mußte sich Graf Limburg seitens des Abg. Richter eine Abfertigung gefallen lassen, die er sobald nicht vergessen wird. Man mag über die politischen An- sichten des Abg. Richter denken, wie man will; jedenfalls muß man zugeben, daß er bei der heutigen Zusammensetzung des Hauses der einzige ernstlich in betracht kommende Gegner der Junker ist. Und Richter hatte heute seinen glück» lichen Tag. Wie seine Hiebe gesessen haben, das beiveist am besten das Wuthgeheul, mit dem die Agrarier einige Stellen seiner Rede begleiteten. Das wohl einstudirte Ge- lächter des Chors der Landrälhe verstummte erst allmälig, als die Herren merkten, daß Richter sie vor dem ganzen Lande mit ihrer Beamten- und Arbeitersreundlichkeit sestuagelte. Nachdem noch der Konservative von Riepenhausen den schwachen Versuch gemacht hatte, seinem bedrängte» Fraktionskollegen zu Hilfe zu kommen, erreichte dieser Zwischenfall sein Ende, um der alten Einförmigkeit Platz zu machen. Das Haus überwies noch einen Antrag Richter auf Vorlegung einer S t a t i st i k hetr. die Berhältnisse der Eisenbahn arbeiter der Bndgetkommission und vertagte sodann die Verhandlungen auf Mittwoch.— Pindter der Zweite hat in der„Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" wieder eine Entdeckung gemacht: die Sozialdemokratie ist p oli t i s ch e n Ursprungs und kann nur„durch Belebung der preußischen Staatsidee" überwunden werden. Die„preußische Staatsidee" des Pindter seonnäns heißt: Gendarm. Oder voll- ständiger ausgedrückt: mehr Polizisten und Soldaten! Nun, wenn dem norddeutschen Slaatsphilosophen der„politische „Hanne,— wir sind frei—« brachte endlich Friedrich gebrochen hervor. „Weil wir unschuldig sind;" schluchzte Hanne und umarmte in stürmischer Freude nochmals Friedrich. Den Umstehenden gingen die Augen über in stummer Rührung. „Haben Sie denn auch Gott gedankt, Friedrich?" „Ich wollte es nicht glauben, Hanne, aber Gott sei Dank, es giebt noch eine Gerechtigkeit im Himmel. Ich habe aus die Ungerechtigkeit der Welt geflucht."' „Friedrich, das müssen Sie mir versprechen, daß Sie Nicht niehr fluchen." „Soll ich etwa Loblieder anstimmen, wenn Sie vom Sterben reden? Ist denn das meine Hanne noch?" „Ach Gott ja— ich bin schwächer geworden, das schwarze Kleid, was so gut saß, ist mir viel zu weit." „Und die hohlen, bleichen Backen, he? Was soll über- Haupt das schwarze Kleid dazu? Um zu trauern, weil es gar so traurig ist, daß Sie so herunter und schwach sind? Auch ich habe den schwarzen Rock dazu anziehen müssen." „Es ist doch," begann jetzt der Assessor Händrich,„am Tage vor Ihrer Hochzeit und da werden Sie doch erst zur Zivil- Trauung bei dem Standesbeamten gehen wollen." „Nein," sagte Hanne,„getraut wird man nur in der Kirche." „Gewiß," sagte die Jnspektorin,„und wir alle werden in die Kirche gehen, um Zeugen bei Ihrer Trauung zu sein, aber es müssen nun einmal die gesetzlichen For- malitäten der Eheschließung beim Standesbeamten voraus- gehen." „Kommen Sie nur!" drängte Assessor Händrich. „Führen Sie Ihre Braut, Herr Friedrich," sagte Händrich.„Sie sind mit gutem Gehalt lebenslänglich als Kastellan im Magdalenenstift angestellt. Das ist eine Ver- sorgungs-, Heil- und Pflege- Anstalt für adelige Damen. Der Kastellan muß verheirathet sein. Sie bewohnen da ein eigenes kleines Haus und werden � sich jdort bald wohl suhlen." „Hanne!" sagte Friedrich zärtlich,„ich bin als Kastellan angestellt im Magdalenenstift, ich muß aber verheirathet sein, willst Du?" „Friedrich!" rief Hanne,„welches Glück für Dich— ja ich will"— sie küßte ihn und sagte:„aber ich will auch kirchlich getraut sein, dann erst die Hochzeit." „Meinetwegen! Also los! Thun wir, als wäre nichts vorgefallen." Friedrich nahm Hannen's Arm unter den seinen und wollte gehen. Ursprung" der Sozialdemokratie nicht gefällt, so kann ihm ja leicht geholfen werden. Wie und Wo? Das kann ihm ganz unpolitisch der Konsumvereinler und„Anarchist" Wiese sagen.— Für einen Tacitus . Politisches Sittenbild aus dem europäischen Weltreich der Mitte. Bor einigen Wochen ging die Nachricht durch die Zeitungen, ein fortschrittlicher Stadt- verordneter in Sagan habe einen Kronenorden vierter Klasse, mit dem er für irgend welches Verdienst belohnt werden sollte, zurückgewiesen. Jetzt erläßt nun der betreffende, Stadt- verordneten-Vorsteher König, in Schlesischen Blättern folgende Erklärung: „Gegenüber den in verschiedenen öffentlichen Blättern ent- haltenen Berichten über die von mir verweigerte Annahme des von Sr. Maj. dem Kaiser und Könige bei Gelegenheit des Ordens- festes mir allergnädigst verliehenen Kronenordens 4. Klasse erkläre ich hiermit, daß meine Beanstandung der Annahme der Ordens- anszeichnuug lediglich ans formellen Gründen erfolgte. Wie ich zu meinem aufrichtigen Bedauern erst nach- träglich erfahren habe, beruhte diese Beanstandung auf einer unzutreffenden Voraussetzung. Nachdem ich demzufolge die Wiederaushändigung der mir von allerhöchster Stelle zu theil gewordenen Auszeichnung erbeten habe, und diese erfolgt ist, fühle ich mich in erneuter Bekundung der von mir stets hochgehaltenen königstreuen und konservativen Ge- sinnung gedrungen, den Vorgang richtig zu stellen und zu dem BeHufe diese Erklärung zu veröffentlichen." So dieses de- und wehmüthige xator pvccavi. Der reaktionäre„Reichsbote" höhnt:„Bürgerstolz vor Königsthronen." Und nun die Krönung des politischen Sittenbildes: Zwischen der Ablehnung des Ordens und der Wieder- erbetlelung desselben liegt die schwarze Wolke eines Ma jestäts- beleidig ungs-Prozesses. Der arme König erfuhr, daß wenn er eine Auszeichnung des Königs zurückweise, dies eine Ehrfurchtsverletzung sei, welche ihm ein halbes Jahr Gesängniß einbringen werde. Und da besann er sich eines besseren. Einen Orden tragen ist nicht jedermanns Sache, allein einen Orden tragen ist nicht so bitter, als sechs Monate brummen— dachte der unglückliche Stadtverordneten-Vorsteher von Sagan. Und käme der alle Tacitus auf die Erde, er würde kopfschüttelnd sagen: wie Hab» ich mich doch in diesen Germanen geirrt, die ich meinen Römern als Muster der Einfachheit und Mann- haftigkeit hinstellte!— *» * Deutsches Reich . — Deutsche R e i ch s e i n n a h in e n. In der Zeit vom l. April 1335 bis zum Schluß des Monats Januar 1896 sind im Deutschen Reich folgende Einnahmen(einschließlich der kreditirten Beträge) an Zöllen und gemeinschaftlichen Verbrauchssteuern sowie andere Einnahmen zur Anschreibung gelangt: Zölle 357 221 264 M.(gegen denselben Zeitraum des Vor- jahres+ 18 403 802 M.). Tabaksteuer 9 737 423 M.(+ 225 895 M.), Zuckersteuer 69820 156 M.(—445730 M.), Salzsteuer 39085026 M. (+ 847 290 M.) Maischbottich- nnd Branntwein- Materialsteuer 11 713 433 M.(-1- 225 480 M.). Verbrauchsabgabe von Branntwein und Zuschlag zu derselben 98 309 532 M. (— 3 289 905 M.), Brennsteuer 450 569 M.(+ 490 569 M.)( Bransteuer 23 366 010 M.(4- 1 382 028 M.), Uebergangsabgabe von Bier 3 032 852 M.(4- 70 627 M.), Summe 612 826 325 M. (+ 17 910 056 M). Stempelsteuer für: a) Werthpapiere 13 142 570 M.(4- S 813 798 SN.), b) Kauf- und sonstige An- schaffnngsgeschäfte 17 249 678 M.(4- 4 323 739 M.). c) Loose zu: Privallolterien 2 716 080 M.(4- 661041 M.), Staats- lolterien 11 096 428 M.(4- 3 671 765 M.), Spielkartenstempel 1 149 758 M.(ch- 13 631 M.). Wechselstempelsteuer 7 237 472 M. (ch- 381 496 M), Post- und Telegraphen.Verwaltung 240751538 M. (ch- 14 168 028 M.). Reichs-Eisenbahn-Verwallung 56 753 000 M. (4- 3 776000 M). Die zur Reichskasse gelangte Ist-Einnahme abzüglich der Ausfuhrvergütungen und Verwaltungskosten beträgt bei den nachbezeichneten Einnahmen bis Ende Januar 1896: Zölle 321 807 295 M.(4- 15 634 447 M.). Tabaksteuer 9 654 051 M.(— 351518 M). Zuckersteuer 66126 088 M. (- 1 678 697 M.), Salzsteuer 36146 253 M.(ch- 800 128 M.), Maischbottich- und Branntweinmaterial-Steuer 12 224 569 M. (— 581 874 M.), Verbrauchsabgabe von Branntwein und Zu- schlag zu derselben 30 166 201 M.(— 3 067 365 M.), Brenn- steuer 338 354 M.(4- 338 354 M.), Brausteuer und Uebergangs- abgäbe von Bier 22 474 729 M.)(4- 1 233 636 M.), Summe 548 337 540 M.(4- 12 377111 M.).~ Spiellarlen-Stempel 1 069 908 M.(4- 29 474 SN.).- — D ie.Verei n i g ung der Steuer- und Wirth- schaftsreformer, eine der ältesten agrarischen Organisationen, hielt ihre Generalversammlung ab, in der dieselbe Tonart herrschte, dieselben Wünsche ausgesprochen wurden wie in den Versammlungen des Bundes der Landivirthe. Wie weit die zur Schau getragene Verbitterung dieser Herren gegen die Regierung geht, zeigt die Bemerkung des Grasen Schwerin , daß der „Staatsanwalt" v. Marschall nun schon auf einem Standpunkte stehe, der selbst unter der Amtsführung des Gottseibeiuns Caprivi unmöglich gewesen wäre.— — Ein evangelisch-soziales Tageblatt soll unter der Aegide des Pastor Naumann in Frankfurt a. M. ge- gründet werden.— — Christlich -Soziales. Der vielgenannte Pfarrer Stein, der Freund des Herrn Naumann und Mitarbeiter seiner „Hilfe", hält heute seinen Einzug in die Redaktion des„Volk". Damit ist ein iveiterer Schritt aus der schiefen Ebene des freilich blos einem Stumm gefährlich erscheinenden„Radikalismus" seitens der Christlich-Sozialen gethan.— — H e r r S t ö ck e r hat in der letzten Sitzung des Elfer- Ausschusses der konservativen Partei, wie aus dem nun publi- zirten Protokolle hervorgeht, eine seiner würdige Rolle gespielt. Er erklärte sich zu einer Erklärung im Elfer-Ausschusse bereit, daß er seine Beziehungen zum„Volke" abbreche, weigerte sich aber diese Erklärung öffentlich abzugeben. Ganz Stöcker!— — Selb st der„ Ratio nal-Zeit ung" passen die Zustände in der nationalliberalen Partei nicht mehr. Sie fürchtet von ihren Abgeordneten das. Hinabgleiten in die Knechtschaft wirthschastspolitischer Phrasen, sie fürchtet, daß der Grundsatz in ihrer Partei um sich greife, um des Mandates willen die Politik preiszugeben, die es weiten Wähler- kreisen der Mühe werth erscheinen läßt, einer Partei Mandate zu übertragen. Wenn diese zum Selbstmord treibende Furcht vor dem— parlamentarischen— Tode selbst einzelne Mitglieder der nationalliberalen Fraktion beherrschen sollte, so hofft sie doch zuversichtlich, daß es eben einzelne bleiben werden. Ein werthvolles Eingeständniß!— — Herr Johannes Rollfuß, Sekretär der Handels« und Gewerbekammer Zittau, Mitglied der II. Kammer der Ständeversammlung für das Königreich Sachsen, ersucht uns unter nnnöthiger Berufung auf das Preßgesetz um Aufnahme einer Berichtigung, die wir, soweit sie diesen Charakter besitzt, nachstehend zum Abdruck bringen: „In der zweiten Beilage zum„Vorwärts" Berliner Volks- blatt, 13. Jahrgang, Nr. 40 vom 16. d. Mts. wird in der „Sonnlagsplauderei" behauptet, daß ich bei der Veratbung über die Wahlgesetzänderung die Worte gebraucht hätte:„Wem es im schönen Sachsen nicht gefällt, der spute sich und wandere aus." Diese Behauptung beruht auf Unwahrheit, wie die steno« graphischen Berichte der Kammerverhandlungen ausweisen." Unser Sonntagsplauderer scheint Herrn Johannes Rollfnß mit einem seiner Parieigenossen verwechselt zu habe».— Kiel , 24. Februar.(Eig. Ber.) Der englische Chauvinismus hatte das Kieler Ausstellungskomitee in arge Verlegenheit gesetzt, indem Anfang d. I. sämmtlich e engl tischen Aussteller auf die Beschickung der in diesem Jahre in Kie stattfindenden internationalen Fischerei-Ausstellung verzichteten. Inzwischen scheint der Chauvinismus bedeutend abgekühlt zu sein, denn ein Konsortium englischer Kapitäne hat sich entschl offen, ein altes englisches 3500 Tonnen großes Linienschiff, Foudroyanl auf welchem Nelson mit Vorliebe verweilte, nach Kiel zur Aus- stellung zu schicken. Hoffentlich werden nunmehr auch andere geschäftliche Beziehungen in der gewohnten Weise zwischen beiden Kulturvölkern sich friedlich weiter entwickeln.— — Ein eigenartiges Jubiläum, daS in seiner Art ohne Zweifel einzig dasteht, hat der Landtag für das Fürsten - thum Ratzeburg gefeiert. Seit 1871 ist er 25 Mal einberufen worden, und alle 25 Mal war er beschlußunfähig. Das Fürstenthum, ein Theil von Mecklenburg-Strelitz , besitzt seit dem 6. November 1869 zwar eine Verfassung, aber blos auf dem Papier. Die Bevölkerung ist in dieser„Volksvertretung" ungenügend vertreten, weshalb sie stets blos solche Vertreter erwählie, welche sich verpflichteten, durch Fernbleiben von den VerHand- lungen das Ratzeburger Parlament nicht beschlußfähig werden zu lassen. Trotz des so deutlich ausgesprochenen Willens der Be- völkerung bleibt die Ratzeburger Berfaffung nngeändert.— Weimar, 25. Februar. Der Landtag begann heute die Be- rathung des Landtags-Wahlgesetzes und nahm den Antrag des Ausschuffes auf Herabsetzung des Zeusus für direkte Wahlen des Grund- und Kapitalbesitzes auf 3000 M. an. Ter sozialdemokratische Antrag auf Beginn der Wahlberechtigung mit dem 21. Lebensjahre wurde abgelehnt.— Oesterreich — Protestkundgebungen der Arbeiterschaft gegen die Badeni 'sche Wahlreform werden aus allen Theilen des Reiches gemeldet.— Ungarn . Budapest , 24. Februar. Den Wünschen der Land- wirth e entsprechend wird der Ackerbauminister in diesem Jahce einen internationalen landwirthschaftlichen Kongreß einberufen. Der Kongreß wird am 17. September zusammentreten; für die Berathungen, die sich nur auf einen Gegen- stand, nämlich die Ursachen des Sinkens der G-treidepreise und Mittel zur Abhilfe dieses Preisfalles, erstrecken sollen, sind drei Tage in Aussicht genommen. Einladungen zu dem Kongreß sollen ergehen an die ausländischen Staaten— auch an einige überseeische— an die bedeutendsten landwirthschaftlichen Vereine und an hervorragende Fachmänner des Auslandes und an die betreffenden inländischen Vereine. Wir sind auf die eigenartige Harmonie begierig, die auf diesem Kongresse zum Ausdruck kommen dürfte. Wenn die deutschen Agrarier die ungarischen Rindviehzüchter, gegen deren Vieh sie die Grenzen stets gesperrt halten wollen, ans Herz drücken werden, so wird dies ein Bild für Götter sein.— Frankreich . — Ein Reformbankett fand Sonntag im Familien- saale von Saint-Mandö bei Paris statt— es ist dies derselbe Saal, in welchem 1339 der Internationale Arbeiterkongreß seine Abschiedsfeier abhielt. Gablet sprach sehr energisch für die Revision. Man müsse sich durch die Nachgiebigkeil des Senats nicht täuschen lassen. Ais Kuriosum sei erwähnt, daß die Staatsweisen der„Nord- deutschen Allgemeinen" die neue Reformbeivegung in Frankreich für eine Bewegung zu gunsten des allgemeinen Stimmrechts halten. Die klugen Herren, welche so gerne über die Unreife des Volkes klagen, wissen also nicht, daß Frankreich seit dem napoleonischen Staatsstreich das allgemeine Stimmrecht hat, und zwar das vom 21. Jahr an.— Paris , 23. Februar. Die gemäßigt republikanische Presse rügt den'Handelsminister Mesureur wegen dessen sozialisten- freundlicher Erklärungen, die in seiner vorgestrigen Rede ent- halten sind.— Belgien . Brüssel , 25. Februar. Wie der„Soir" meldet, würde die Gesundheit des Ministerpräsidenten de Burlet ein längeres Fern. bleiben von den Geschäften erfordern. Aus Bitten seiner Ver- wandten gab de Burlet s e i n e E n t l a s s u n g als Minister- Präsident und als Minister des Auswärtigen. Der„Soir" fügt hinzll, der Austritt de Burlet's würde eine vollständige Umgestaltung des Kabinets herbeiführen.-» Italien . Rom , 24. Februar. Die Abendblätter melden, der frühere Kriegsminister General Luigi Nelloux werde den Oberbefehl über die Truppen in Afrika übernehmen. Die Generäle Baratieri und Heusch würden unter General Pelloux die beiden Divisionen des afrikanischen Armeekorps befehligen. Diese Meldung kommt einem Eingeständnisse der schlechten militärischen Lage der Italiener in Afrika gleich.— Rom , 25. Februar. Die Bataillone des letzten auf 12 000 Mann berechneten Nachschubs haben einen Slamin von je 300 Mann. Jedem Bataillon sollen 80 Maulthiere beigegeben werden. Die Mannschaften sind mit dem kleinkalibrigen Gewehr- system Manlicher bewaffnet.— England. London , 24. Februar. Oberhaus. Lord Salisbnry verwahrt sich gegen den Vorwurf, daß seine Rede. welche er gegen Ende vorigen Jahres bei dem Empfange einer Depulation der„Landwirthschaftlichen Verewigung" gehalten habe, als eine Bedeutung des Schuy- z o l l e s gedeutet werden könne. Ein Schutzzoll sür Lebensbedürfnisse sei eine Maßregel, welche in England sobald nicht angenommen werden würde. Die Konsumenten würde» glauben, daß unter einem solchen System ihre Interessen denen der Grundbesitzer geopfert würden; im übrigen wiederhole er seine frühere Erklärung. daß das Beispiel Frankreichs zeige, daß der Schutzzoll den Grundbesitzern und Pächtern keinen wirk- lichen Vortheil gewähre, und daß nichts, was er gesagt habe, billigerweise als Begünstigung des Schutzzoll- Systems ge» deutet werden könne.— Ruhland. — Die Reaktion. Obwohl die Regierung bei der Vor« bereitung ihrer Maßregeln auf dem wirthschaftlichen Gebiete die Vertreter des Adels und des Bürgerthums immer mehr zu Rathe zieht, versäumt sie keine Gelegenheil, der russischen Gesell- schaft zu zeigen, daß sie nicht gewillt ist, die politischen Rechte derselben zu erweitern. Selbst in der Einreichung von Pe- litionen um Abschaffung der Prügelstrafe erblickt sie eine lleberschreitung der Rechte der Semstwos , da diese nicht berechtigt seien, sich mit Angelegenheiten von Bedeniung für den ganzen Staat zu befassen, nnd mehrere Adels- Marschälle gestatten jetzt nicht mehr, diese Frage in den Ber- sammlungen der Semstwos, welche sie leiten, zu behandeln. Eine arge Enttäuschung hat unter anderem die Regierung Nikolaus IL den russischen Juden bereitet, welche von ihm eine Erweiterung ihrer Rechte erwarteten. Von einer solchen Erweiterung ist aber nichts zu erwarlen, im Gegentheil scheint Nikolaus in der Entrechtung der Juden noch seinen Vater übertrumpfen zu wollen. So wurde das Verbot. Jüdinnen in die Frauenkurse für Medizin aufzunehmen, welche in Petersberg eröffnet werden solle», vor kurzer Zeit wieder be- stäligt. Ihre judeufeindlicke Gesinnung giebt die Regierimg auch in dem Erlaß über die Krönungsseier kund: es wurden zu der»
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