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46.Jahrgang

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Vorwärts

Berliner Boltsblatt

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Mittwoch

6 November 1929

Die

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tais Itg Ronpareillezetla 80 Pfennig. Reflamezeile 5.- Reits ma Kleine Anzeigen das tetige Brunfte Wort 25 Pfennig( zuläng met fetgedruckte Borte), jedes meitere Bort 12 Bfennig. Stellengesuche das erste ort 15 Bfennig, jedes weitere Bors Pfennig. Borte über 15 Buchstaben cblen für amel Borte Arbeitsmartt Seile 60 Pfennig. Familienanzeigen Zeile 40 Pfennig. Anzeigenannahme imHaupt schäft Lindenstraße 3, wochentäglich von 8 bis 17 Ubr

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

Redaktion und Verlag: Berlin   SW 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-297. Telegramm- Adr.: Sozialdemokrat Berlin  .

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Der Oberbürgermeister erklärt.

Er war weder von den Gflaret- Krediten noch von dem Monopolvertrag unterrichtet

Oberbürgermeister Bob hat die folgende Erklärung abgegeben: ,, Die ungeheuerlichen ehrverlegenden Angriffe, die in meiner Abwesenheit, ohne daß ich davon Kenntnis erhielt und mich dagegen mehren fonnte, gegen mich erhoben worden sind, haben mich aufs tieffte erschüttert. Um so schwerer habe ich es empfunden, daß ich mich auch nach meiner Rückkehr nicht sofort öffentlich dazu äußern durfte, da ich verpflichtet war, vorher die Vernehmung in dem von mir beantragten Disziplinarverfahren abzuwarten. Nachdem diese heute nachmittag erfolgt ist, gebe ich folgende Erklärung ab:

1. Die meiner Frau von den Gebrüdern Stlaret gelieferte Pelzjade ist ihr als ein besonders günstiger Ein­tauf von Belafellen aufgedrängt worden. Nach Liefe rung der Jade habe ich die Uebersendung der Rechnung verlangt. Da mir der Rechnungsbetrag zu niedrig erschien, ich mich anderer feits mit den Gebrüdern Stlaret nicht in Berhandlungen über den Breis einzulaffen wünschte, habe ich mich der peinlichen Erörterung dadurch entziehen wollen, daß ich einen Betrag zur Linderung von Not verwandte und die Gebrüder Sflaret hiervon benachrichtigte. Ich erkenne natürlich heute, zumal nach den jezigen Aufklärungen über die Persönlichkeit der Verkäufer und den Wert der Belzjade, daß es unvorsichtig von mir gewesen ist, den Belzfauf zu dulden und entgegen meinem ursprünglichen Gefühl die Belzjade nicht zurüdzugeben. Einer rechtlichen und fitlichen Schuld bin ich mir nicht bewußt. Die Belgjade ist wenige Stunden nach meiner Rüd fehr dem Konfursverwalter der Firma Sflaret zur Verfügung ge ftellt worden. Andere Belzjaden habe ich und meine Familie von den Gebrüdern Sttaret nicht bezogen.

2. Es ist unrichtig, daß eines meiner Kinder bei der Firma Sflaral ein besonderes Ronip 35 iunior gehabt hat, Ich und meine Familie haben vor mehreren Jahren vereinzelt Betlei bungsstüde von der Firma Stlaret bezogen und nach Lieferung ordnungsmäßig bezahlt. Daß ich überhaupt Waren von der Firma Stlaret genommen habe, erflärt sich aus der Uebernahme der Städtischen KBG. durch die Gebrüder Sflaret.

und meine Familie find niemals bei ihnen zu Gaste gewesen, eben fomenig wie die Gebrüder Sflaret bei uns.

4. Eine Begünstigung der Gebrüder Sflaret durch mich ift niemals erfolgt und auch niemals in Frage ge­tommen. Ich habe niemals auf ihre Lieferungsgeschäfte oder Kreditgefchäfte Einfluß genommen oder auch nur Einfluß zu nehmen versucht. Nach der Dezernatsverteilung und der bestehenden Organis fation habe ich mit den Lieferungsgeschäften und den Kreditgeschäften zwischen den Gebrüdern Stlaref und der Stadt nichts zu tun gehabt.

5. Es ist mir niemals gemeldet morden, daß die Ge­brüder Sflaref hohe Millionentredite von der Stadtbanf erhalten haben. Ich habe von den hohen Millionenfrediten der Gebrüder Staref erst während der zweiten Hälfte meiner Ameritareife erfahren. Ich bin son jeher grundsäglich gegen hohe Kredite der Stadtbant an private Unternehmen gewesen. Ich habe bereits im Jahre 1925 mit dem damaligen Stadttämmerer Dr. Karding und dem Ge­schäftsführer Schmitt der Berliner   Stadtbant ausdrücklich ver einbart, daß hohe Krebite der Stadtbank an Private nicht gegeben werden sollen.

6. Ich verurteile aufs schärffte, daß zwischen den Gebrüdern Gffaref und der Stadt Berlin   ein Monopolvertrag ohne die städti fchen Körperschaften abgeschloffen worden ist. Ich habe von diesem Bertragsabschluß erst in Amerita gehört

e Behauptungen, die mit den vorstehenden Erklärungen nicht übereinstimmen, fomie alle fonftigen über mich aufgestellten Be hauptungen, die darauf hinauslaufen, daß ich unerlaubte Borteile irgendwelcher Art in Anspruch genommen habe, sind unwahr und werden von mir gerichtlich verfolgt werden.

Berlin  , den 5. November 1929.

BB: Oberbürgermeister.

Der Untersuchungsfommissar des Oberpräsidenten hat dem Ober­3. Zwischen den Gebrüdern Sflaret und mir oder meiner bürgermeister mitgeteilt, daß das sogenannte Geheimtonto Familie haben niemals persönliche oder gefellschaft- Gustav nach dem Ergebnis der Ermittlungen nichts mit liche Beziehungen irgendwelcher Art bestanden. Ich seiner Person zu tun hat.

Wir wachsen!

1166 neue Mitglieder im Erzgebirge  . Reun neue Drisgruppen.

Chemnih, 5. November.( Eigenbericht.) Im Bezirk Chemniz- Erzgebirge wurden durch die Werbeaktion der Sozialdemokratischen Partei 1506 Abonnen­fen für die Chemnitzer Bolfsstimme" und 1166 Mitglieder für die Sozialdemokratische Partei   gewonnen. Ortschaften in den enflegenen Tälern des Erzgebirges, in denen die Sozialdemokratie bisher noch keinen Fuß gefaßt hatte, wurden durch die hingebende Arbeit der Funktionäre aus ihrem politischen Dornröschenschlaf geweckt. Jeun   neue Ortsgruppen sind gegründet worden.

Die Räumung schreitet fort. Regierungsgebäude Koblenz   zurückgegeben. Roblenz, 5. November.( Eigenbericht.) Heute wurde auf dem am Rhein   gelegenen Re­gierungsgebäude die französische   Trikolore ein. gezogen. bes Vorher übergab das Kommando 30. französischen   Armeekorps dem Reichsversorgungs amt sämtliche Geschäftsräume.

Die preußische Verwaltung kann jetzt ihre Verwal tungsgebäude nach Erledigung der notwendigen Zustand fehungsarbeiten wieder beziehen. Heber 10 Jahre hat das Gebäude den verschiedensten Zwecken der Be jagung dieneu müssen. In den ersten Jahren nach dem Waffenstillstand hatten die Amerikaner dort ihr Haupt. quartier, 1922 wurde es von den Franzosen übernommen. Eschweiler   geräumt.

Eschweiler  , 5. November. Die letzten belgischen Truppen haben heute die Stadt geräumt. Nur zwei Offiziere und zwanzig Soldaten sind noch zur Uebergabe der Rajerne in zwei Tagen zurüdgeblieben.

Der Abmarsch der Briten  . Kriegsminister Shaw gab im Unterhaus bekannt, baß bis zum 30. Oktober aus dem Rheinland   3350 Mann abiransportiert morden sind. Die Gesamträumung merbe schägungsweise mitte Dezember durchgeführt sein.

Wilhelms neueste Taftlosigkeit. Er empfiehlt Bürgermeisterfandidaten für Doorn. Amsterdam  , 5. November.  ( Eigenbericht.) Eine deutliche Warnung an die Adresse des Er. faisers bedeutet eine offiziöse Meldung aus dem Haag, wonadh der Erkaifer auf die Ernennung eines neuen Bürger meisters in Doorn zwar feinen Einfluß ausgeübt habe, das Verhältnis zwischen der niederländischen Regierung und dem Er­faifer aber auch feineswegs derartig sei, daß die Regierung feiner Meinung bei der Ernennung des Bürgermeifiers Rechnung zu fragen habe. Die Regierung werde sich vielmehr von der Erwägung leiten laffen, eine energische Person zu ernennen, die auch vor einer entschiedenen Haltung gegenüber dem Ertaiser nicht zurüdschrede. Hmotn

Die offiziöse Berlaufbarung ist auf Meldungen zurückzuführen, nach denen Wilhelm von Doorn im Haag für die Ernennung einer bestimmten Persönlichkeit zum Bürgermeister von Doorn Stimmung gemacht haben soll.

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Die Parlamentspause in Polen  .

Nicht mit Auflösung gleichbedeutend. Bei der llebergabe des Bertagungsdefrets an den Gejmmarschall Daszynski   betonte Ministerpräsident Switalsti im Namen des Staatspräsidenten, daß diese Bertagung feineswegs einer Auflösung des Parlaments gleichzusehen sei. Die Bertagung hatte der Senats marschall S3y mansti angeraten, da die Etatsberatung eine Atmosphäre der Ruhe und Sachlichkeit erfordere.

Wählerversammlungen

Heute in Charlottenburg  , Friedrichshagen  , Falkenberg- Alt- Glienicke, Mahlsdorf  , Wilmersdorf  . Morgen am Prenzlauer Berg  , in Neu­kölln, Lichtenberg  , Köpenick  , Tempelhof  , Zehlen­ dorf  , Lichterfelde  , Lichtenrade   und am Kreuzberg  . Näheres im Innern des Blattes!

Gegen die kapitalistischen   Feinde der Gemein­wirtschaft und ihre kommunistischen Helfer! Für ein sozialistisches Berlin  !

sid

Nach den Wahlen.

Schwierige Regierungsbildung in Drag.

Von Rudolf Illovy.

Prag  , Anfang November. Brag steht noch unter dem Eindruck des sozialdemo fratischen Wahlsieges vom 27. Oftober. Man hatte zmar erwartet, daß die Sozialdemokratie aus diesen Wahlen gestärft hervorgehen werde, aber ein so durchgreifender Erfolg war doch eine große Ueberraschung. Die bürgerliche Re gierungsfoalition bemühte fich vier Jahre lang den Schein zu ermeden, als ob sie die Mehrheit der Bevölkerung repräsen tiere, und siehe da, plötzlich ist sie zur Minderheit zusammen­geschrumpft. Alle Sympathien gehören jetzt der Sozialdemo fratie.

Der 27. Oftober war für jeden Sozialdemokraten in der Tschechoslowakei   ein Freudentag. Die tschechische Sozialdemo fratie gewann 338 000 Stimmen( insgesamt erhielt sie fast eine Million), die deutsche Sozialdemokratie 95 000( insgesamt über eine halbe Million) Stimmen. Die Mehrzahl der Ab­geordnetenmandate stieg bei den tschechischen Sozialdemokraten von 29 auf 39, bei den deutschen   von 17 auf 21. Hinzu kommt noch ein polnischer Sozialdemokrat, der gleichfalls gewählt wurde. Die Sozialdemokratie wird daher im neuen Barla ment 61 Abgeordnete besigen. Die tschechischen National fozialisten, die Partei des Außenministers Benesch, ge= mannen 4 Mandate und haben 32 Abgeordnete. Die Kommus niften erlitten, wie sie selbst eingestehen, eine schmere Nieder­lage; fie verloren 190 000 Stimmen und 11 mandate, so daß sie jetzt nur 29 Abgeordnete haben. Die Oppositionsparteien des früheren Parlaments haben jent insgesamt 153 Abgeord nete, die frühere Regierungstoalition verfügt nunmehr blog über höchstens 147. Die tschechische Sozialdemokratie ist jetzt nach den Agrariern die stärkste Bartei.

Die bürgerlichen Parteien waren durch den Wahlausfall zuerst fonsterniert, sie erholten sich aber bald von ihrem Schrecken. Sie wollen ihre frühere Macht nicht aus den Händen geben. Durch verschiedene naive Rechenfünfte suchen fie darzulegen, daß nicht die Sozialisten, sondern die Bürger­lichen gefiegt hätten und daß kein Anlaß vorhanden sei, vor den Sozialisten das Feld zu räumen. Sie behaupten dreist, daß sie den Kern und die Grundlage einer jeden fünftigen Regierungsmajorität bilden müssen, und daß es von ihrem guten Willen abhänge, ob die sozialistischen   Parteien in die Regierung aufgenommen werden oder nicht. Ja, sie gehen so weit, zu drohen, sie würden mit allen nichtsozialistischen Barteien gemeinsam eine neue bürgerliche Regierung bilden. Wenn sie aber doch die Sozialisten gnädigst hinzunehmen", dann müßten unbedingt außer den tschechischen und deutschen  Agrariern auch tschechische und deutsche Klerifale, jomie treten sein, um die Gozialisten in den Hintergrund zu drängen. Nationaldemokraten in der neuen Koalition vera Gine interessante Tatsache ist es jedenfalls, daß sich jetzt sämt Gine intereffante Tatsache ist es jedenfalls, daß sich jetzt jämt­liche bürgerliche Parteien, ob Tschechen oder Deutsche  , nach Minifterportefeuilles sehnen.

Eine solche Regierung wäre ein Unding und könnte sich nicht halten. Eine rein bürgerliche Mehrheit, die aus den­selben Parteien wie die frühere Koalition bestände, verstärkt durch drei Faschisten und zwei Zionisten, und auf die wohl­wollende Enthaltung der Kommunisten bei Abstimmungen im Abgeordnetenhause angewiesen, hätte feine Daseins möglichkeit. Ohne sozialistische Parteien i st auf die Dauer teine Regierung in der Tschechoslowatei möglich, und man fann nicht mehr, wie es bisher bei dem Abbau sozialer Reformen der Nachkriegszeit durch die bürgerliche Regierungs toalition der Fall war, gegen die Arbeiterschaft res gieren. Es werden vier verschiedene Kombinationen von etwa möglichen Regierungsfoalitionen genannt, in denen allen die Sozialisten vertreten sind.

Der frühere agrarische Ministerpräsident Ubrzal, der vermehrten) Bartei auch zum fünftigen Regierungschef de­als Führer der größten( nur um ein Mandat bei den Wahlen figniert ist, wird feine leichte Aufgabe haben, eine neue Re­gierung zu bilden. Man rechnet damit, daß seine Berhand­lungen mit den Parteien zwei Wochen in Anspruch nehmen merden. Es ist aber nicht ausgeschlossen, daß er sehr bald feinen ganzen Plan für gescheitert erflären wird. Dann wird wohl eine andere Person, vielleicht aus dem Lager der frühe­ren Oppositionsparteien, mit der Bildung des neuen Kabinetts betraut werden. Ubrzal fonferierte vorige Woche unverbind lich bereits mit einigen sozialistischen   Parteiführern. Inwie­weit feine Berhandlungen, die er offiziell in dieser Woche in Angriff nehmen will, von irgendeinem Erfolg begleitet sein werden, hängt von der Haltung seiner sehr großtuerisch auftretenden Parteiangehörigen ab. Die Nationaldemokraten mollen mit aller Gewalt in die Regierung. Kramarsch fucht alle zu überzeugen, daß man auch ohne Sozialisten re­gieren fönne. Seine Partei hat bei den Wahlen in Prag  , Bilfen und anderen Städten eine schwere Schlappe erlitten. Sie hat aber um zwei Mandate mehr als früher, da sie un­geachtet ihres extremen Chauvinismus mit halbmadjarischen Barteien in der Slowakei   und in Karpathorußland ein Wahl­