Der Abend
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Nr. 524
B 261
46. Jahrgang
66 Anzeigenpreis: Die einspaltige Nonpareillezeile
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Sflarefs Gläubiger.
Konkursversammlung im Gericht/ Nur geringe Quoten zu erwarten.
Unfer besonderen Vorsichtsmaßregeln fand heute vor
miffag im 3. Stod des Amtsgerichts Berlin- Mitte in der Neuen Friedrichstraße die erste Gläubigerversamm. Iung in den sechs Konkursen gegen die Gebrüder Stlaret statt. Um zwischenfälle zu vermeiden, waren vor dem Sigungszimmer Polizei und Justizbeamte in großer Zahl postiert, und eine bes fendere Kontrolle sorgte dafür, daß fein Unberufener in die Gläubigerversammlung hineintam. Die Gläubiger mußten an einem besonderen Tisch, der als provisorische Schränke vor den Eingang gestellt war, ihre Ladungen vorzeigen, deren Richtigkeit an Hand einer namentlichen Lifte nachgeprüft wurde. Um 411 Uhr eröffnete dann Amtsgerichtsrat Goeten die Gläubigerversammlung, zu der den Pressevertretern Zutritt gewährt wurde. Der Konkursverwalter Schuster gab sodann einen umfassenden Bericht über die Konkursbilanzen der sechs Schuldner, und zwar der KVG., der Textil- Großhandelsgesellschaft, der offenen Handelsgesellschaft Willy Sklaret und der Privatvermögen der drei Erüder Willy, Mar und Les Sflaret. Bon besonderem Interesse war die Feststellung des Konkursverwalters, daß die Bücher der KVG. und der anderen Firmen nicht ordnungsmäßig geführt seien und daß auch die Bilanzen unrichtig und gefälscht waren. Die Buch
Der„ Bullen Willi".
Zu den Korruptionsstandalen in der Kommunistischen Partei.
Die folgenden Ausführungen stammen von Hans Püß, einem früheren Kommunisten und ehemaligen führenden Funktionär der KPD. , der vor kurzem in Leipzig zur Sozialdemokratie übergetreten ist.
Ein widerlicher Brodem verpestet die Arbeiterbewegung. Raum vergeht ein Tag, an dem nicht ein neuer Korruptionsfall in der RBD. aufgebedt wird. Mar Schuh, ehemals einer der wütendsten Bertreter der Linie unter der Aera Ruth Fischer , ist der Enthüller des neuesten Standals.
Mar Süß und Billi Leow und hälmann, und alle anderen Größen im Zentralfomitee der KPD. , sie sind einander
beledier, sturer Gefelle, fonnte er mit der ehrlichen Kampfbegeistes rung von zehntausenden Roter Frontkämpfer Schindluder treiben. Jaft fünf Jahre dauerte das Spiel, zu dem die russischen Arbeiter allmonatlich etwa 15 000 mt. zuschießen mußten. ( Wohlgemerkt, nur für den RFB. waren diese Gelder, die KPD. der RFMB. und die Jugend hatten besondere Konten.) Mehrfach wurde eine Kontrolle der Kasse im RFB. vorgenommen. Jahrelang gab es feinen Kassierer im RFB., daß machte Bullen- Willi alles allein. Stets wenn der Kontrolleur an das Geheim tonto ruffischer Gelder fam, wurde er auf Agitations reifen geidhidt oder durch einen anderen, befferen" Kontrolleur erlegt. Als ich gemeinsam mit dem Genossen Albert Schreiner den Kampf gegen Leom in der Bundesleitung des RFB.
führung für die drei affenen. Handelsgesellschaften ſei nicht gefondert Das sind die rechten Reiniger! aufnahm, erfolgte meine Strafperfetzung nach Leipzig .
erfolgt, und selbst das Finanzamt habe sich mit der Zusammen. legung der drei Betriebe abfinden müssen.
Was die Fälschung der Bilanzen angehe, so habe sich herausgestellt, daß nur unter Berücksichtigung der Schulden bei der Stadtbank sich im Jahre 1926 eine Ueberschuldung von 816 000 Mart, im Jahre 1927 von 1,47 Millionen Mark und im Jahre 1928 Don 4,5 Millionen Mark an Stelle der Gewinne herausgestellt habe. Aus diesem Grunde wird der Konkursverwalter auch eine Zurückzahlung der bisher geleisteten Steuern beantragen, die der Konkursmasse zurfließen sollen, Was die Bilanzposten für 1928 beträfen, fo ergebe sich ein weiteres ungünstiges Bild. Die größte Fälschung ist hier bel dem Zinsbetrag vorgenommen worden, der mit 63 000 Mark beziffert wird, während die Sklarets jeht dem Untersuchungsrichter erklärten, daß sie 4 Millionen Mark Zinsen an die Stadtbank zu zahlen gehabt hätten.
Schr interessant war auch das Kapitel der persönlichen Entnahmen der drei Brüder, die 1926 166 000 m., 1927 437 000., 1928 407 000 m. und 1929 bis zum Zusammenbruch 223 000 m. ver braucht haben. Hinzu kommen noch die Ausgaben für das Gestüt, das von 1926 an bis zum Zusammenbruch 703 000 m. verschlungen hat. Was die Verträge mit der Stadt angehe, über die der KonkursDerwalter ausführlich referierte, so verdient die aufsehenerregende Mitteilung Erwähmung, daß nicht nur der Generalbevollmächtigte der Stlarets, sondern auch der Konkursverwalter selbst gegen den von der Stadt ausgesprochenen Rüdtritt vom Monopolvertrag Einspruch erhoben hat, und zwar mit der Be gründung, daß in diesem Vertrag ein großes Wertobjekt zu erblicken fei, auf das man nicht verzichten fönne. Ferner wird die Abtretung der städtischen Forderungen an die Stadtbant als rechtlich zulässig bezweifelt. Eine gewisse Ueberraschung bedeutete auch die Mits teilung, daß inzwischen eine besondere Kommission die Warenlager bei der KVG. geprüft und als einwandfrei bezüglich Qualität und Preisgestaltung befunden hat.
Der Konkursverwalter betonte ausdrücklich auf eine Zwischen frage des Vorsitzenden, daß die städtischen Dienststellen also nicht übervorteilt seien. Das Barelager bei der KG. ift auf 571 000 Mark geschäßt worden und man rechnet mit einem Reingewinn bei dreißigprozentiger Abschreibung von 400 0000 Mart. Die Forderungen an städtische Dienststellen betragen 209 000 Mart. Der Konkursverwalter erflärte weiter, daß man stapelweise Gefälligkeits. wechsel gefunden habe, denen nicht der geringste Wert beizumeffen fel. Eingelöst feien vor der Fälligkeit zwei Wechsel auf den Namen Günther Degner in Höhe non insgesamt 1200 M. Der Gesamtatilo posten bei der SVG. beträgt 760 700 m2, und es ergibt sich ein Feh betrag gegenüber den Passiven von 12,3 Millionen. Angemeltete Gläubigerforderungen liegen in Höhe von 13 Millionen vor, so daß
bei der KVG.
mit einer Konfursquote von 5% Pro3. zu rechnen ist. Günftiger liegen die Dinge bei der Tertilgroßhandels. gefellsd, aft, wo die ftipa 786 000 Mart und die Passiva 11,4 Millionen betragen, so daß ein Fehlbetrag von 10,6 Millionen besteht. Gläubigerforderungen sind für 11,4 Millionen vorhanden, so daß sich eine Kontursquote von 6,6 Proz. ergibt, und zwar als höchste der sechs Konturse. Die Konkursquote bei der Firma Willi Gflaret beträgt nur 2,2 Proz., da auch hier die Passiven die Attiven ganz erheblich übersteigen. Der Privatkonturs Mag Stlaret wird mit einer Quote von 2,6 Proz. abschließen.
Diese Karifatur bringt der deutschnationale Lofalanzeiger", der in der gleichen Num mer gefteht, daß seine Partei mit Wissen Hugenbergs von den Gflarets Geldgefchenfe erhielt!
würdig und wert. Im Jahre 1925 murde gegen Mar Schüß, der damals einer der Götter im Zentralfomitee war, von den Gelsentirchener Genoffen der Ausschluß aus der Partei beantragt. Das Schiedsgericht, das nach langem Drängen zusammentrat, beschloß Mar Schüß sämtlicher Funttionen einschließlich eines Reichstagsmandats zu entheben und bei der Exekutive in Moskau den Ausschluß aus der KPD. zu beantragen. Grund: Lumpenproletarische Gesinnung und dito Berhalten. Wenige Stunden später war das Urteil dieses Schiedsgerichts taffiert. Ruth Fischer hatte gemeinsam mit ihrem Udjutanten Teddy Thälmann ein Machtwort gesprochen.
Der Delegation( zu der ich nebst zwei Arbeitern aus Gelfentirchen gehörte) wurde Schweigepflicht auferlegt. Auf dem turz barauf stattfindenden Bezirksparteitag in Effen gelang es Ruth Fischer die Angelegenheit Schüß zu vertuschen. Sie waren auf Ge deih und Verderben miteinander verbunden und übten Ganovenbisziplin.
Teddy Thalmann, der ,, olle, ehrliche Seemann, der nichts so liebt wie feinen Kümmel, sonst aber ein nichtsabnender politi scher Säugling ist, durfte nach dem Sturz des Ruth- Fischer- Klüngels die Führung der Partei übernehmen, d. h. er durfte Reden ablesen, die andere für ihn verfaßt und Artikel zeichnen, die andere geschrie. ben hatten. Die Namen waren andere, das System blieb dasselbe.
Jetzt begann der Aufstieg des Bullen- Willi". Ein von jeder Kenntnis der Arbeiterbewegung, ihres Wesens und ihrer Ziele un
Thälmann und Lominaffe als Egefufivvertreter in Deutschland kannten die Dinge, da ich ihnen meine Beobachtungen mitteilte. Thälmann erflärte mir in einem Gespräch im Reichstagsgebäude : ch weiß, daß du im Recht bist, aber ich fann doch jetzt den Leon nicht abfägen, was würde das für einen Skandal geben." Und so blieb Leow weiter Rotfrontgeneral und konnte den notleidenden russischen Proletariern zur Feier des zehnten Jahrestages der Sowjetunion ein widerliches Theater als Klaffenfämpfer" vorführen.
Jezt steht Willi Leow, der Mann mit den großen Bizeps und dem Spazenhirn wieder einmal nacht vor der Arbeiteröffentlichkeit und mit ihm das Zentralkomitee der KPD . und das Erekutivkomitee der Kommunistischen Internationale. Die Bolschewisierung der Internationale entpuppt sich immer mehr als Korrumpierung der Arbeiterbewegung. Aber keine Angst, dem Leow wird nichts passieren. Würde man ihn maßregeln oder gar ausschließen, bann dürfte die deutsche Arbeiteröffentlichkeit noch manches liebliche Enthüllungsschauspiel erleben. Die leuchtenden Vorbilder der Vorhut des Proletariats" und wie die schönen Titel sonst noch heißen, mit denen man die Mitglieder des Zentralkomitees der KPD. bedacht hat, fie figen alle zu sehr in der Patsche, sie sind alle so eng in ber Korruption verfilzt, daß man das ganz Karl- Liebknecht- Haus in Berlin aus der Partei ausschließen müßte.
Im Hotel beraubt.
Juwelendiebstahl am Anhalter Bahnhof . no Gestern murbe in einem Hotel am Anhalter Bahnhof ein frecher Juwelendiebstahl verübt. Es handelt sich um Brillanten und farbige Edelsteine, die einen Wert von etwa 15 000 Mark repräsentieren.
Der Kaufmann Karl Westermann war am Montag in dem Hotel abgestiegen und bewohnte ein Zimmer in der vierten Etage. B. trug sich mit der Absicht, nach Zoppot bei Danzig weiterzufahren, um dort ein Juwelengeschäft zu eröffnen. Durch ein Inserat
in einer Berliner Tageszeitung hatte der Kaufmann bekanntgegeben, daß er für sein Geschäft eine Verkäuferin suche. Gestern stellte sich auch eine ganze Reihe junger Mädchen im Hotel vor. Seine Wahl fiel auf eine Bewerberin, über die W. noch Erkundigungen ein ziehen wollte. Er verließ deshalb das Hotel um 15 Uhr. Als er furz nach 20 Uhr zurückkehrte, entdeckte Westermann zu seinem Schrecken, daß die Handtoffer, in denen sich die Juwelen befanden, aufgebrochen waren. Die Scharniere hatte der Dieß durchfeilt und den ganzen Inhalt durchwühlt. Gold- und Silbersachen ließ der Täter liegen, und nur die Edelsteine brachte er an sich.
Bon der Kriminalpolizei sind sofort eingehende Ermitte Iungen an Ort und Stelle vorgenommen worden. Bisher haben sich aber noch feinerlei Anhaltspuntte über die Person des Täters ergeben.