Beilage
Donnerstag. 7. November 1929
Der Abend
Shalausgabe des Vorwäre
Dem Gedächtnis Hugo Haajes
12
Unveröffentlichtes zu seinem zehnten Todestag
Zum 10. Todestag Hugo Haases übergeben wir einige Dofu | nationale Bureau für Mittwoch, den 29. Juli, eingeladen ist. Auf mente der Deffentlichkeit, die bisher unbekannt waren. Es handelt sich
1. um tagebuchartige Aufzeichnungen aus den fritischen Julitagen des Jahres 1914( Safe führte im allgemeinen fein Tagebuch), die wohl den 3wed hatten, als Unterlage für einen späteren Bericht über die von ihm in Abwesenheit der meisten Kollegen vom Parteivorstand z. T. auf eigene Faust unternommenen Schritte zu dienen;
2 um einen Brief von Jaurès , der in den Aufzeich nungen erwähnt wird und
3. um einen Brief an Kautsty, der ein Jahr später geschrieben wurde.
3m Schatten des Krieges:
I. Am 23. Juli 1914, abends 6 Uhr, Ueberreichung der österreichischen Rote an Serbien mit dem Verlangen, bis zum 25. Juli, abends 6 Uhr, Antwort zu erteilen.
II. Im Parteivorstand kein Zweifel über den Ernst der Situation. Aufruf, von Braun und mir entworfen, noch vor Ablauf des Ultimatums durch das Pressebureau und durch Extra- Ausgabe des„ Borwärts" in Berlin verbreitet.
Mit Genossen Ernst große Demonstrationsverfamm Iungen für Dienstag, den 28. Juli, festgesetzt.
III. Am Sonntag, dem 26. Juli, 7% Uhr morgens, bringt Bote die Einladung des Unterstaatssekretärs Drems zu einer Be sprechung im Ministerium des Innern. In der Einladung ist be merft, daß Ebert ein gleiches Schreiben erhalten habe. Da Ebert noch in Ferien ist, so telegraphiere ich dringend an Braun, ½ Stunde vor der für bie Unterredung festgesetzten Zeit Unter den Linden 72 zu erscheinen. Ein Zeuge bei der Unterredung erwünscht. Braun erhält das Telegramm erst nach 1% Stunden( seine Episode, als er bei verspäteter Antunft das Haus Unter den Linden 72 voll gepfropft von Schuhleuten sieht und deshalb glaubt, daß ihm durch bas mit meinem Namen unterzeichnete Telegramm eine Falle ge= stellt sei).
Inhalt der Unterrebung mit Dremst
Der leitende Staatsmann sehe die Lage als sehr ernst an. Er stehe auf dem Standpunkt: menn Rußland an die Seite Serbiens im Kriege mit Desterreich trete, so sei für uns auf Grund des Dreihundvertrages der casus foederis gegeben. Dann aber sei der Welt: frieg unabwendbar. Die deutsche Regierung werde alles tun, um diefe Katastrophe zu vermeiden, aber die Situation fei fehr gespannt, alles hänge von Rußland ab. Die panslawistische Strömung sei dort sehr stark und sie dränge zum Kriege. Wichtig sei es deshalb, jede Aeußerung zu unterlassen, die diese Strömung stärken tönne. Von diesem Gesichtspunkt betrachte der Reichskanzler unsere Demon strationsversammlungen, die ja insoweit, als sie der Aufrechterhaltung des Friedens dienen, in der Richtung seiner Absichten lägen, doch mit einem gewissen Bedenken: es fönnte leicht einer der vielen Redner eine Aeußerung fun, die in den Banslawisten den Glauben erweckten, fie fönnten bei ihren Plänen mit einem Teil der deutschen Bevölkerung rechnen. Unsere Versammlungen würden weithin beachtet. Das mir als dem Vorsitzenden der Partei zu sagen, habe er den Auftrag. Wenn wir auch die politischen Fragen verschieden beurteilten, so seien wir doch in dem gegenwärtigen Ziel der Friedenserhaltung einig; und er würde sich freuen, wenn unsere gemein famen Bemühungen Erfolg hätten. Ich erwiderte:
Der Dreibundvertrag fönne nicht als verbindlich angesehen werden. Aber selbst wenn man sich auf seinen Boden stelle, so fei weder nach dem Wortlaut, noch nach der Entstehungsgeschichte des Bertrages, wie unsere Partei im Reichstage ausgeführt habe, der casus foederis gegeben.
Er:
telegraphische Anfrage bestätigt das Huysmans.( Die Einladung war von Molkenbuhrs Privatwohnung abgegangen, während er verreist war.)
Jaurès mird telegraphisch verständigt, daß eine besondere 3u fammenfunft deshalb nicht erforderlich ist. Am Abend referiere ich über die politische Situation. Die von mir vorgelegte Resolution wird mit geringfügigen Aenderungen angenommen.
VI. Am Dienstag, dem 28. Juli, Fahrt nach Brüssel mit Kautsky als zweiten deutschen Bertreter,
VII. Am Mittwoch, dem 29. Juli, Internationales Bureau
Adler bemerft: Ich kann nicht an den Weltkrieg glauben, ich will nicht daran glauben, ich glaube nicht daran."
Das an mich aus Berlin gesandte Telegramm über die groß artigen Demonstrationsversammlungen und über die Kundgebung zugunsten des Friedens Unter den Linden ruft namentlich bei den französischen Freunden große Freude hervor.
Die Hoffnung bl ibt bestehen, daß Rußland vorläufig zusehen merde, wie weit Desterreich in Serbien vorzugehen beabsichtige. Zeit gewonnen, jei viel gewonnen. Die Internationale dürfe dann aber nicht untätig bleiben, vielmehr mit Nachdruck in Aktion treten. Ich schlage vor, daß, falls die Boraussetzung der zuwartendet Haltung Rußlands sich erfüllt, der internationale Kongreß am 9. August in Paris stattfinden soll. Dieser Vorschlag ruft bei den Franzosen eine freudige Stimmung hervor. Er wird angenommen. Jaurès dankt zum Schluß mir und der deutschen Partei.
Das Telegramm eines Berliner Freundes an mich läßt ver muten, daß in Berliner parteigenössischen Kreisen eine große Kopflofigkeit herrscht. Ich beschließe, die Nacht heimzukehren, nachdem ich noch auf dem Meeting im Zirkus vor einem vollgepfropften Hause gesprochen habe. Tausende finden feinen Einlaß. Die regung ist start. Auf den Straßen eilen die Soldaten zu dem Bahnhof, von wo sie zum Schutz der Grenze befördert werden.
Seliebteste: Set 3 Tagen nich thing Auffassung der Regierung und der anderen Parteien. Dieser reale Natalikt von Sir, und ich wer
Unsere Gründe ließen sich hören, aber es sei dies nicht die
Faftor sei doch für uns beachtenswert.
Ich:
Wir wüßten freilich, daß wir noch nicht die Mehrheit hinter uns hätten. Wir feien nicht verantwortlich für jede Aeußerung eines jeden Redners. Aber bei der schwierigen Situation und bei der Bedeutung der Versammlungen würden die Redner sich über die Richtlinien für ihre Reden verständigen.
Ich mache darauf aufmerksam, daß, wenn die nationalistisch erhitzten Studenten und Handlungsgehilfen es magen sollten, unsere Parteigenossen bei dem Verlassen der Versammlungen herauszu fordern, diese sich das nicht gefallen lassen würden.
Er( unter einem, wie es scheint, abfichtlichen Mißverstehen):
Für unsere Bersammlungen gelte ja das Bereinsrecht und es könnte die Polizei nur eingreifen, wenn ein Redner zu einer strafbaren Handlung auffordere. Bei unserer Partei sei Hochverrat und Auffoderung zum Militärstreif ausgeschlossen, so daß die Polizei zum Einschreiten keinen Anlaß habe. Ich:
Das verstehe sich ja von selbst. Ich hätte nicht von den Vorcängen in den Bersammlungen, sondern von der Straße gesprochen. Er:
Nach uns fame der Polizeipräsident v. Ja go w. Er werde ihn mit Anweisungen versehen.
IV. Nach der Rüdsprache mit Drews besucht mich Braun. der das Telegrammi nich redzeitig erhalten hat. Ich unterrichte thn von dem Inhalt der Unterredung und schlage ihm vor.
-
-
1. Daß ich an Jaurès schreiben würde um mit ihm eventuell in Köln eine Zusammenkunft zu vereinbaren ( 3wrd: ihm die aus dem Eingreifen Rußlands drohende Gefahr nor Augen zu führen und mit ihm ein Einwirten auf die beider feitigen Regierungen zu vereinbaren, damit sie mäßigend auf Desterreich und Rußland einwirken).
2. Daß zu Montag, den 27. Juli, abende, die Redner zu fammenberufen werden, um eine Aussprache über die politische Situation und über eine gemeinsame Resolution herbeizuführen. Braun billigt beide Borschläge,
V. Am Montag, dem 27 Juli. erfahre ich durch Zufall, nämlich burch eine Bemertung Rosa Luxemburgs, daß das Inter
morgens
•
VIII. Am Donnerstag, dem 30. Juli.
In Köln treffe ich den Abgeordneten Naumann, mit dem ich von da ab zusammen reise. Die Nachrichten in der Presse lassen die Lage trüber erscheinen, als sie am Tage vorher nach den Tele grammen in den belgischen Zeitungen fich zeigte. In Hannover tritt der ganze Ernst hervor, als Soldaten einsteigen, die vom Urlaub telegraphisch in ihre Garnisonen zurückberufen werden. N. fragt mich, wie wir uns zu den Militärmandaten stellen würden. Ich: Die Sozialdemokratie würde, wenn sie den Krieg nicht ver. hindern könne, selbstverständlich ihre Pflicht und Schuldigkeit tun. Ich wüßte nicht, wie sich die Fraktion zu den Krediten stellen würde. Er müßte doch verstehen, daß mir nach unseren taftischen Grundsätzen, nach unserer Bekämpfung der Politik, die zum Krieg geführt habe, zur Ablehnung fämen.( N. erzählt, daß W.) nach seiner psychischen Konstitution vor den Kriegsgreueln zurückschrecke, daß folgenschwere Entschlüsse in ihm Gemütsdepressionen erzeugten, daß er allerdings einmal bei der Marokko - Krise von Swinemünde aus habe mobilisieren wollen, daß dies aber durch das Eingreifen Riderlens unterblieben sei, der gefragt habe, mas man Desterreich für die Unterstützung bieten solle, die nach. dem Dreibundsvertrag für diesen Fall nicht ohne weiteres gegeben sei.).
Am Nachmittag um 5 Uhr Vorstandssizung. Dort erfahre ich, daß Br. mit dem inzwischen aus den Ferien heimgekehrten Kollegen Em. nach 3. gereist ist.
Ich bringe die Frage der Militärtrebite zur Sprache und schlage gemeinsame Sigung mit Fraktionsvorstand vor.
26. Juli 1914.
die politische Situation erwedt in uns den lebhaften Wunsch, mit einem unserer französischen Genossen eine gemeinsame Beratung abzuhalten. Unser Parteivorstand hat gestern fofort einen Aufruf gegen den Krieg erlassen und durch Ertrablait des Borwärts" fomie in der gesamten Parteipreffe veröffentlicht, Massenversammlungen im ganzen Deutschen Reiche abzuhalten. In Berlin finden sie Dienstag statt.
Sehr gern würde ich oder ein anderes Mitglied des Parteio vorstandes nach Baris zu einer Konferenz kommen. Aber einige von uns find augenblicklich nicht in Berlin und die übrigen werden durch die sich überstürzenden Ereignisse hier festgehalten. Könnte einer von Ihnen, und zwar recht bald, nach Berlin kommen? Jit dies nicht möglich, so würde ich vorschlagen, daß eine Deputation von uns und von Euch in Köln zusammentrifft. Ausgeschlossen ist nur Dienstag, da wir als Redner in Funktion treten.
Wir sind in der Lage, Ihnen wichtige Aufschlüsse über die Situation au geben und hoffen, in einer gemeinsamen Erörterung eine Verständigung über unsere Haltung herbeizuführen. Wir erwarten ein Telegramm über Ihre Entschließung.
Ihr gez. 5. Ha aje.
An Kautsky
Bad Salzbrunn, 27. Juli 1915. Lieber Genosse Kautsky !
Ihre Nachricht, daß Sie ausgespannt haben und mit Ihrer fieben Frau fomie zwei Söhnen in Frankfurt zusammen sind, hat mich sehr erfreut. Sie haben soviel geleistet, daß Ihnen eine Er. Erholung schon sehr not tat. Ich hoffe, daß Sie sie bald finden und daß Ihre Frau gesund mit Ihnen wird heimkehren fünnen.
hause
sehr enttäuscht, als wääte de echoichte erwartete Brief milly
einstellte.
em
De viret wikant sein, dass Du Convert der Hanlurger Eecle" als Umschlag dieses Briefs siehet. Ja, die Deutschen sind in keyang good Kiel ist seit Tagen in der Sewalk des- Arleitos and Soldaterrat. Dik
ves
Libel zu seiner Mederdinding Gesandten Trouppen sind in ihm Heute ist ein Teix übergsgangen. déster Flasse in Lübeck , der gelen der Stadt Benit
und
hat von der
ergriffen; soweit ich fartiküllen konnte, ist dieses Allt ohne Klas reprene abgegangen.
Aus einem Brief Hugo Haafes an feine Frau
Ich bewundere Sie, daß Sie neben Ihrer Arbeit trotz der Müdigkeit die Denkschrift über die Annegionen verfaßt haben, die fehr gelungen ist. Nach wiederholter Ueberlegung bin ich zu dent Ergebnis gekommen, dem Fraktionsvorstand vorzuschlagen, daß er fie den Mitgliedern der Fraktion und des Parteiausschusses mit den Leitsätzen der beiden Referenten Bernstein und David zugänglich machen foll. Im Parteiinteresse läge es, fic in Massen zu verbreiten; ob sich jemand im Gegensatz zu der Zensur dazu wird bereit finden, ist sehr zweifelhaft. Aber auch später hat sie ihren Wert. Meine Ferien nähern sich ihrem Ende. Am 1. August werde ich auf einer Konferenz des 15. sächsischen Wahlkreises in Chemniß neben Stücklen referieren. Dann geht es nach Berlin - zu neuen Kämpfen.
-
Als ich soweit geschrieben hatte, sezte mich Ebert durch einen telephonischen Anruf davon in Kenntnis, daß in einer Züricher Zeitung eine Notiz enthalten sei, daß in Genf eine Konferenz zwischen drei namhaft gemachten französischen Parteigenossen und brei deutschen, nämlich Bernstein , Rautsin und Haase, stattfinde. Das Preffebureau habe beim Barteivorstand angefragt, was ait dieser Nachricht richtig sei. Der Vorstand habe geantwortet, daß ihm von einer solchen Konferenz nichts bekannt sei. Ich habe am Telephon Ebert erklärt, daß ich eine Einladung zu einer Konferenz nicht erhalten habe und daß ich mit Sicherheit auch die Erklärung abgeben tönnte, Sie hätten nicht die Teilnahme an einer Genfer Konferenz zugesagt, da Sie mir sonst davon Mitteilung gemacht häften. Von Bernstein , der in Berlin anwesend jei, tönne er sich direkt Bescheid einholen.
Bon Bernstein bin ich darüber unterrichtet, daß einige fran zösische Freunde eine streng vertrauliche, rein private Unterredung mit ihm und mir wünschten, wenn wir nach der Schweiz fämen. Ich habe selbst dagegen Bedenken gehabt, weil ich mir von Unterhaltungen, denen ein autoritatives Gewicht abgeht, nichts ver spreche, und weil ich fürchte, daß aus privaten Aeußerungen falsche Schlußfolgerungen gezogen werder könnten, die einer Berständi. gung eher hinderlich als förderlich sind
Nachdem aber die pertrauliche Zusammenkunft in die Welt hinauspofaunt worden ist und dadurch von vornherein zu einer offiziellen gestempelt worden ist, ist sie unmöglich geworden, nicht für mich, sondern auch für Bernstein . Nach dem Bericht des Pariser S. zu urteilen, scheinen, die Franzosen im Nationalrat die Oppo fition durch die Zusicherung einer Konferenz mit deutschen Genoffen beschwichtigt zu haben. Dann aber mußte auch eine Berbindung von Partei zu Partei gesucht werden. Es ist schade, daß die Fäden, die gerade angesponnen wurden, wieder zerriffen werden. Grüßen Sie herzlich Ihre liebe Frau und Ihre Kinder und empfangen Sie selbst freundschaftlichen Gruß von