Gedenkblatt zum 9. November.
Oer Heldenkaifer und fein Llntertan.
20 Millionen Za-Gtimmen? Oer verfassungsändernde Ebarakter des Hugenberggesehes.
Die Frage, ob ein Volksentscheid über das»Frei» heitsgesetz" der Rechtsputschi st en verfassungsändernden Charakter hat oder nicht, wird von deutschnatio- naler Seite aus begreiflichen Gründen dahin beantwortet, dost ein verfassungsändernder Charakter nicht gegeben ist. Das Reichs- kabinett hat sich ijiit dieser Frage vorerst noch nicht befaßt. Wie der„Soz. Pressedienst" jedoch erfährt, sind die maßgebenden Juristen der Reichsregierung anderer Meinung als sie im Lager der deutschnationalen Juristen vertreten wird. Hierzu wird dem„Soz. Pressedienst" von einem hervorragenden Juristen geschrieben: Auf Grund des Artikels 75 der Reichsoerfassung kann ein Be- schluß des Reichstags durch Volksentscheid nur dann außer Kraft gesetzt werden, wenn sich die Mehrheit der Stimmberechtigten an der Abstimmung beteiligt.„Außer Kraft gesetzt" können jedoch nach Meinung von deutjchnationaler Seite nur..positiv« Brschlüss«" des Reichstag « werden, insbesondere solche, durch welchc ein bestimn? tes Geletz erlassen werden soll", nicht aber der Beschluß des Reichs- tags, der das Volksbegehren verwirft. Diese Deduktion schwebt m der Luft. S!« übersieht den K a r d i n a l s a tz. der in Artikel 68 Absatz 2 der Reichsverfassung niedergelegt ist. Dort heißt es:.D i e Reichsgesetze werden vom Reichstag beschlossen." Dieser Grundsatz hat dazu geführt, auch in dem Verfahren!�r Aollsgesetzgebung den Reichstag an entscheidender Stell« einzuschalten. Wenn«in Zehntel der Stimmbarechtigten ein Gesetz begehrt, dann muß der Reichstag darüber beschließen, od er als dos grundsätzlich allein zuständige Organ der Reiche- gesetzgebung diesem Cntwurf zustimmen will: erst Venn der Reick»- tag ablehnt, wird dos Volk im Wsg« des Volksentscheids gefragt. Ebenso wie dos Volksbegehren nach Anlage und Wirkung auf den Reichstag hin gerichtet ist, ebenso nimmt der Volksentscheid von einem Akt de» Reichstags, nämlich feinem ablehnen- den Beschluß, seinen Ausgang. Die Volkegesetzgebung im Deutschen Reiche ist also kein Verfahren, da» neben der ordentlichen Gesetz- gebung durch den Reichstag isoliert«inherläujt. Sie ist viel- mehr mit dem ordentlichen Gesetzgebungsoerfahren eng verflochten. Der Volksentscheid, wenn e» zum Ziele sühn, soll dazu dienen, den ordentlichen Gesetzgebungssaktor des Reichs nämlich den Reichstag , in seiner Entschließung zu d-o r r i g i e r e n. Daß hierzu nicht eine kleine An. zahl Unentwegter, di« beim Volksentscheid mit Ja stimmt, ausreichend sein kann, sondern die Mehrheit der Stimmberechtigten aufgeboten werden muß, ist so selbstverständlich, daß die Auffassung Bühlers, der das Gegenteil behauptet, in'der staatsrechtlichen Literatur bisher vollkommen vereinzelt geblieben ist. Im gesamten Gesellschastsrecht ist der Grundsatz zur Durchführung gelangt, daß Beschlüsse, die die Gesamtheit binden, nur dann gültig gefaßt werden tonnen, wenn das beschließend« Gr«-
mium die Beschlußfähigkeit besitzt. Wenn dieses Prinzip für jeden kleinen Verein schon verbindliche Kraft hat, um wieviel mehr dann für die Gesamtheit des Deutschen Voltes! Im demnach die von deutschnationaler Seite vertreten« Rechts- miffassung schon in allgemeiner Hinsicht als.irrig zurückzuweisen. so ganz besonders mit Bezug aus den Volksentscheid über das so- genannt«„Freiheitsgesetz". Artikel 76 der Reichsvcrsasiung bestimmt. daß beim Volksentscheid, der eine Verfassungsänderung durchführen will, die Zustimmung der Mehrheit der Stimmberechtigten erforderlich ist. Es kann keinem Zw« fel unterliegen, daß der Gesetzentwurf..Freiheitsgesetz". wenn er Gel- tung erlangen sollte, verfassungsändernden Charakter hätte. Van Einzelheiten soll hier abgesehen werden, es genüg« der Hinweis auf die beiden wichtigsten Gesichtspunkte. Der Entwurf will die Ministeroerantwortlichkeit verschieben: die Reichsminister sollen in wichtigsten posstischen Wandlungen nickt dem Parlament, sondern dem Strasrichter gegen- über verantwortlich sein. Der Hinweis von deutschnationaler Seite, daß auch heut« schon ein Minister, der„sich bestechen läßt oder ttzirch amtliche Handlungen Hochverrat oder Landesverrat begeht", vom Stoatsonwoli und Strafrichter belangt werde, ist völlig verfehst. Es handelt sich be! dem strafrechtlichen. Delikt, dos das sogenannt« „Freiheitsgesetz" ausstellen will, noch allgemeiner Rechts-' Überzeugung— darauf kommt es an!— um Handlungen, die bisher nur unter dem Gesichtspunkt der großen Politik entschieden werden konnten und auch für alle Zukuntt nur unter diesem Gesichtswinkel beurteilt Verden können! D!« Fragen der großen Politik zu entscheiden, ist Aufgabe des Reichstags, nickt des Strafrichters. Wer di« Auffassung des Reichstag» in diesen Dingen ausschalten und durch das Urteil des Strofrichters«rletzen will, verschiebt die Grundlagen de? M'mst-r- Verantwortlichkeit. Der zweite Gesichtspunkt, der den Charakter der Verfassung änderung bestätigt, ist die durch dos sogenannte„Freiheitsgesetz" beabsichtigt« Beschränkung der verfassungsmäßigen Stellung des Reichs Präsidenten.„Der Reichspräsident vertritt das Reich völkerrechtlich. Er schließt im Namen d?s Reichs Bündnisse und andere Verträge mit auswärtigen Mächten," so h ißt «s in Artikel 45 der Reichsverfasjung. Wenn jetzt dem Reichspräsi- denten vorgeschrieben wenden soll, welche Vertröge er in Zukunft nicht mehr schließen darf, so dedeutet das« ne wesentlithe Beschränkung seiner verfassungsmäßigen Stellung. Es ist eine Groteske, daß diese Herabminderung der Präsitiolstcllung ausgerechnet von denen propagiert wird, die sonst die�Forderung nach Erweiterung und Stärkung der Stellung des Reichspräsidenten bei jeder Gelegenheit im Munde führen!"'
möchte ich Sie zur Charakterisierung der von Ihnen so zutreffend geschilderten Geschäfte mxh aus folgende Tatsache hinweisen: Als der verstorbene Vorsitzende des Vereins Berliner Ge- kreide- und Prodltkteichändter, B a d t, die von Ihnen monierten Geschäfte für di« Deutsch « Getreide-Handelsgesellschaft machte, stellte sich der Inhaber der Wehlsirma Kabel u. Co., Herr G u st a v Reißner, in sehr großer Ausregung eine« Tages mitten in der Getreidebörse vor den Herrn Badt. mochte ihm Vorwürfe darüber. daß er diese Geschäft« für di« DG. ausführt« und rws ihm, währ«w er ihm di« geballte Faust vors Gesicht hielt, zu:„Ein König verrät sein Volk!" Herr Badt ist tot. Ihn: konnte ntan vielleicht, da er Geiretdehändler war, obwohl er seine Position als Vorstands- Mitglied der Berliner Börse ausgenützt hat, keinen Vorwurf machen. Jetzt aber macht Herr Reihner in sehr großem Umfange dies« Geschäft«, obwohl«r nur Mehlhändler ist und Getreidegeschäfte so gut wie gor nicht macht«. Er ist aber Vor- st o n d s m i t g l i e d der Berliner Getreide- und Produkteithändler und im Berwostungsausschuß der DG. Ueber sein« Haiwllmgs- weife zur Red« gestellt, wischt« er di« Angelegenheit mit folgender Bemerkung hinweg: „Ich war.zur Beerdigung von Herrn Badt und habe gesehen, ein wie großes Gefolge er trotz seiner Handlungsweise gehabt bat: wenn zu meiner Beerdigung mal bloß di« Hälft« dieser Leute kommt, dann bin ich auch zrfrieden" Ferner haben Si« einen der größten Kommissionäre in Ihrer Aufstellung übersahen und zwar: Herrn Hermann Roth- holz in Firma Berlin «? Hennanmnülste, auf den das, was Sie in Ihrem Artikel über übermäßige Kommissionen schreiben, ganz ''«solidere zutrifft, und zwar aus dem Grund«, weil er nicht nur a!» Kannmssiouär, sondern auch als Lagerhalter für die DG. austritt, wobei er doppelt und dreifach verdient. Die Ihnen oben gemachten Mitteilungen sind an der gesamten Getreidebörse bekannt und können ohne weiteres nachgeprüft Vierden ."
Oie Ehescheidungsreform. Keine Weiterberaivng vor Erledigung des �oung-planes. lieber die Besprechung der Führer der Regierungsparteien am Freitag Im Reichstag wurde folgende amtliche Verlautbarung aus- gegeben: „Unter dem Vorsitz des Reichskanzlers fand am Freitag nach- mittag unter Beteiligung de» Rcichsministers der Justiz und des Innern von Guärard und Severins eine Belprechung mit den Fraktionsführern der Regierungsparteien und den beiden Vor- sitzenden des Reichs- und des Strafrechtsausschusses. des Reichsiogss. den Abgeordneten Kahl und Landsberg über den weiteren Arbeitsplan dieser beiden Ausschüsse des Reichstages statt. Es herrschte Ucbercinstimmung darüber, daß neben der weiterhm mit aller Kraft zu fördernden Strasrechtsresorm die Porlage über die rechtliche Stellung der unehelichen Kinder und über das Standes Herrengeletz dringlich behandelt werden müsse. Hierzu kommt noch demnächst das Republikschutzgesetz. Da. acgcn werden die Regierungspartelen sich hinsichtlich der E h e s ch e i- dungSreform dafür einsetzen, daß sie vor der parlamen- rarischen Erledigung des Y au n g- P l a n« s,- de? Finanzreform des Haushaltsplanes im Rechtsausschuß nicht zur Beratung gestellt worden soll. Di« Beratung der Eheschei- dungsreform In dem kürzlich eingesetzten Unterausschuß, der seinem Charakter nach zu offizieller Beschlußfassung nicht berufen ist. soll dagegen Fortganggegeben werden können." Zu vyrstehender amtlicher Varlautbarung wird noch ergänzend mitgeteilt� daß dem Siechtsausfchuß außer den genannten Vorlagen -in« solch« Fülle von dringendem Material zur Beratung überwiesen ist. daß tatsächlich mit der Beratung über di« Ehescheidnngsreform in naher Zeit nicht zu rechnen ist.
Drakonische Miliiärjustiz. Monate Gefängnis Iro Verofungsprozeß Rettins. Königsberg . S. November. Die Strafkammer verhandest« heute gegen den früheren Oberschützen Hans Georg Renus von der vierten Mo- jchinengewehrkompagnic und fünf seiner früheren Kameraden im Berufungsoorsahren. Romus hatte an den Chef der Heeresleitung, General Hey«, einen ausführlichen Brief geschrieben, in dem ein �unzufriedener Geist in der Kompagnie geschildert und Mißstände aufgezählt wurden. Remus hatte diesen Brief vor der Absendung in feiner Privatwohnung fünf Kameraden vor- q e l e s e n. In der ersten Instanz war Remus aus Grund der �5 10J und 102 des Militörgesetzbuches(Abhaltung einer Dersamm- lung von Militärpersonen und Erregung von Mißvergnügen im Dienst) zu fünf Monaten Gefängnis verurteilt worden. Die fünf Kameraden waren mit zwei bis vier Wochen g°- 'chärften Arrest bestrast worden! außerdem war Remus f r i st l o s an» dem Heer entlassen worden. In der heutigen Verhandlung blieb Remus dabei, er sei zu dem Brief an General Hey« durch dessen mehrfach ge> äußerte Worte veranlaßt worden, wenn jemand e was aus dem Herzen habe, solle er sich an ihn persönlich werdsrn Die Zusammenkunst mit feinen Kameraden sei kein« Versammlung --wcsen, in der über militärische Ding« beraten wurde. Auch die -drlasn Angeklagten sagten au?, sie hätten geglaubt, der Brief ei im Sinne der Aufforderung des Generals Hen« gewesen. Das Urteil lautet« gegen Remus auf zwei Manot« � c i s n g n i s und. gegen die fünf Reichswthronzehörigen o u f je eine Woche geschärften Arrest. Bei Remus kommt volle Untersuchunashast in Anrechnung. Er würde also imr noch fi-ige Tag« ,u verbüßen haben. Hierfür wurde Bewährungsfrist in Aussicht gestellt. *, Zwei Menat« Gefängnis, weil er sich auf die Wort« de» Generals Heye verlassen hatte! Will der Chef der Heeresleitung zu diesem Urteil schweigen?. Noch einmal G4. Eine outhen«is»e Interpretation. Wir lesen im„Völkischen Beobachter": Während der Kämpf« für da«-Valk, begehren ist von lau- nationaler Seit« die Beschwichtigung ausgefprochen worden der 8 4 bezwecke nur. Minister abzuhalten, durch Para. phie/ung der von ihnen obs«schloss«nen Verträge. Reichs. raq und Reichspräsident vor vollendet« Tatsachen zu stellen. Geschähe ein Vertragsabschluß im Austrage des Reichstag », so könnten diese Minister nicht zur Berant- wortung auf Grund de» 8 4 herangezogen werdcn. Das ist natürlich falsch. Der ß 4 ist ein ganz allgemein«, Gesetz wie der 8 z des Volksbegehren», er
gilt deshalb ausnahmslos für alle Minister und verantwort. lichen, ganz gleich, wo» der korrupte Reichstag dazu sagt oder nicht. Darüber hinaus ist mit dem§4 die Diffamierung aller jener Reichstagsabgeordneten ausgesprochen und ihre Zuchthausrsife festgestellt, die es jetzt noch wagen werden, für die Poung-Verfklavung einzutreten. Und das ist wichtig! Deyn wir lehnen es. ab. ig den Poung- Porlamentariern und ihren Freunden„politisch Andersdenkende" zu erblicken, wir sehen in ihnen nur Leute, die durch da» Elend der Nation aus ihre Posten gekommen sind und sich setzt mit Be- rufung aus das Ausland oder mit HUf« unserer Ausbeuter auf diesen Posten als Fronvogt« über die Nation wettererhalten möchten. Da, ist nicht eine„andere Politik", sondern kriminelle, verbrechen, auf weiches eiserne Gardinen die einzig nwgttche Antwort be- deutet." Da die Nationalsozialisten die Väter des Paragraphen 4 sind, hätten wir hier ein« authentische Interpre- t a t i o n.
Krisenstimmung in Belgien . Ungelöster Konflikt in der(Aprachensroge Brüssel. 8. November.(Eigenbericht) Am Dienstag tritt das belgische Parlament wieder zu- sammen. ohne daß es der Regierung bisher gelungen wäre, mit den Parteien in der Sprachenfrckg« zu einer D«rständ:gung zu gelangen. Die Minister unter sich und di« beiden Regierungs» Parteien sind in der strittigen Frage hoffnungslos gefpol- r e n. Der Lorschlag Jospars über die Flamlsierung der Genter Universttät befriedigt niemand. Den Liberalen goht«r viel zu weit, dem flämischen Flügel der katholischen Partei lange nicht weit genug.
Der am Freitag stattgefunden« Ministerrat konnte nichts anderes feststellen, als daß eine Einigung nach nicht zu erzielen war. Der liberale Iustizminister Iansion erklärt« nach der Sitzung, daß, falls vor End« nächster Woche keine Eimgung erzielt sei, die Regierung Jaspar zurückzutreten hätte. Was nach dem etwaigxn Rücktritt der Regierung werden soll, rveiß niemand. Man spricht von einer Erneuerung der gegenwärtigen Koa- lition unter der Leitung des Lüttick>«r christlich-demokratifchen Führers Tschoffen. Es ist jedoch nicht ansgeschlossen, daß die Koalltton in die Brüche geht.
Die Monarchisten rühren sich. Ln Oeuifchösterreich Mien. 8. November.(Eigenbericht.) Die Republik hat seinerzeit mir jenen Mitgliedern der«he- maligen Kaiseriamilie ihren Privatbesitz belassen, die Im Lande blieben und Verzicht auf all« Thronansprüch« fawi« Anerkennung der republikanischen Gesetze'«rklärten. Heute hat im Berfassungs- Unterausschuß der Christlichsoziale Schmitz , Unterrichts- minister a. D., betont, daß diese Bestimmungen nicht nur die Uebrr- nahm« des Krongutes, sondern auch ein« der Rechtsordnung der Republik wi d e r sp rix ch«n de Konfiskation von Privat- vermögen ohne jede Entschädigung und mit Ausschluß von Rechts- Nutteln bedeuten. Die Christttchsozial« Partei behalte sich daher vor, auf dies« Frage zurückzukommen und betrachte ihr« Lereinig'f al» eine Ehrenpflicht der.Republik.
Wechsel im Kasseler Gruppenkommondo. General der Artillerie Kretz von Kressenstein, Kommandeur de» Gruppenkommando» II, Ikit aus gesundheitlichen Rücksichten sein Abschiedsgesuch eingereicht. Der General steht im 59. Lebensjahr,