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Morgenausgabe is Histo olinomis

Nr. 565

A 284

46.Jahrgang

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Vorwärts

Berliner Bolksblatt

Dienstag

3. Dezember 1929

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

Die

taalttge Ronparetezett 80 Bfennig. Reflamezeile 5.- Reichs mart Kleine Anzeigen das tetige Drudte Bort 25 Pfennig( zuläffig met fettgedruckte Morte), tebes weitere Bor 12 Bfennig. Stellengeluh das erste Bort 15 Bfennig, jedes mettere Bort 10 Pfennig. Borte über 15 Budhitaben sablen für zwet Worte. Arbeitsmark Beile 60 Pfennig. Familienanzeigen Zeile 40 Pfennig. Anzeigen annahme.imhaupt­eichäft Lindenstraße 3, mochentägli oon 8 bis 17 Ubz.

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Champigny .

Deutsch - französische Friedensfundgebung auf dem Schlachtfeld.

Paris , 1. Dezember. In das Lexikon der internationalen Arbeiterbewegung muß das Champignŋ eingereiht werden.

Preußen und Hugenberg.

Sozialdemokratischer Antrag im Landtag.

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Die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei im Jetzt im November 1929 sind wiederum gegenüber Preußischen Landtag hat folgenden Urantrag eingebracht: dem drohenden Zusammenbruch der Ostban f ,, Aus den Mitteln der Preußischen Zentral- Genossen- Aufsichtsratsvorsitzender Geheimrat Geheimrat Hugen­schaftskasse sind im Jahre 1914 5 Millionen Mart an berg erhebliche Mittel des Preußischen Staates oder den Deutschen Verlags- Verein in Düssel. der Preußischen Zentral- Genossenschaftskasse aufgewen­borf Geschäftsführer Geheimrat Hugenberg det worden. Es ist fraglich, ob die in der Presse - ohne jeden Rechtsgrund gezahlt worden.de genannte Garantiesumme von genannte Garantiesumme von 1 Million Mark aus­Beim Zusammenbruch der Gemeinnütigen reichen wird. Siedlungs- Aktien Gesellschaft Landbank

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Champigny ist heute ein Borort von Paris . An einem Arm der Marne gelegen, rangt sich das Städtchen die Hügel hinan, die einen ausgezeichneten Blick über die Ebene und über die Hauptstadt Frankreichs gewähren. Im militärischen Stil bedeutet das: eine schöne strategische Lage. Also fam Champigny in den Befreiungsgürtel von Paris . 1870, als sich der Ring der Armeen Bismards immer dichter schloß, wurde von der französischen Heeresleitung Champigny zum Ausgangspunkt einer Durchbruchsschlacht gewählt. Bom 29. November bis 3. Dezember wüteten die Kämpfe. Nuglofe Opfer, die beiden Seiten einen Berluft von achtzehn - Aufsichtsratsvorsitzender Geheimrat Hugenberg tausend Menschen brachten. Teilweise liegen sie auf den hat Anfang 1926 die Zentral- Genossenschaftskaffe mit Höhen von Champigny beerdigt, in gemeinsamen erheblichen Geldbeträgen helfend eingegriffen. Die Gräbern, Deutsche und Franzosen friedlich beieinander. völlig wertlosen Attien der Landbank sind später von der Zentral- Genossenschaftskasse oder dem Preußischen Staat zu hohen Preisen dem Konsortium Sugenberg und der Oftbank abgekauft worden.

Rürzlich beschloß die jozialdemokratische mehr heit der Stadtverordnetenversammlung von Champigny , eine Marmortafel in den großen, breiten und einfachen Bei denkstein einzulassen, der am Eingang der Soldatengräber hoch hinaufragt. Auf dieser Tafel steht in großen Lettern: ,, Für den Frieden.

Durch die französisch- deutsche Verständigung 1. Dezember 1929. Der Stadtrat."

Die Einweihung dieser Gedenktafel hat am Sonntag statt gefunden. Die Leitung der französischen sozialistischen Partei ließ die Feier zu einer großen deutsch - französischen Friedenstundgebung erweitern. Es erging die Ein­ladung an die Pariser Arbeiter, Sozialdemokraten und pazi­fistischen Bereinigungen. Es erging die Einladung an den Barteivorstand der deutschen Sozialdemokratie, die Otto Wels zum Redner delegierte. So weit, so gut! Wie überall, wo es in der Arbeiterbewegung und in der Arbeiterschaft etwas zu zerschlagen gibt, um dann im trüben fischen zu können, so waren auch die Drahtzieher der französi schen Kommunist en flugs bei der Hand. Zwar ist Tag für Tag in der kommunistischen ,, Sumanité" zu lesen: ,, Nieder mit dem imperialistischen Krieg" und immer wieder wird den Lefern die neue drohende Kriegsgefahr an die Wand gemalt. 3war sind diese Kommunisten in Frankreich eine lächerliche Minderheit, die niemals einen Krieg verhindern fann und nie verhindern wird. Wenn aber die große französische Sozialdemokratie zu einer deutsch - französischen Friedensfund gebung aufruft. dann gibt es für die kommunistische Zentrale nur den einen Ruf: ,, Mieder mit den Sozialfaschisten, mit den Sozialverrätern, mit den Kriegshelfern! Auf nach Champigny ! Zeigt es ihnen, was wir fönnen!"

Also wurden die Pariser Kommunisten aufgefordert, am 1. Dezember gleichfalls nach Champigny zu marschieren, um für den so heiß geliebten Frieden und die Verständigung zu demonstrieren? Ach nein! Wer das glaubt, kennt die Kommu­nisten schlecht! Den Sozialdemokraten sollte eins ausgewischt und die Friedens fundgebung unmöglich ge macht werden. Nach Champigny , gegen die Sozial faschisten!" schrie am Sonntagmorgen noch einmal das fommunistische Blatt in Balkenschrift. Ift's auch Wahnsinn, so ist es doch Methode. Um so größer war der Wahnsinn, als Baris am gleichen Tage das reaktionäre Frankreich mit der Regierung Tardieu an der Spize, zu Ehren Clemenceaus einen Aufmarsch am Triumphbogen veranstaltete, um den ,, Bater des Sieges" zu feiern, der 1917 die Ministerpräsi­dentenschaft mit den berühmten Worten übernahm: Ich mache den Krieg!"

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Der Landtag wolle beschließen, den Unter­suchungsausschus zur Nachprüfung der Vorgänge bei der Kreditgewährung an die Raiffeisen- und Land­bundgenossenschaften zu beauftragen, auch diese Finanz­geschäfte der Preußenkasse oder des Preußischen Staates mit den konkursbedrohten Unternehmungen des Geheim­rats Hugenberg nachzuprüfen."

Der Sumpf um die Sflarets.

Die Liste der bestochenen Beamten.

Es läßt sich eigentlich nicht vorstellen, daß irgendein damit befaßter Beamter der, Stadtbant wirklich geglaubt haben tann, die Bezirks ämter schickten Boten mit insgesamt 7 Millionen Mart zum Bost­fchidamt, um dort für die Sklarets Geld einzuzahlen. Der Schaden der Stadt beträgt 10% millionen.

Der Stlaret- Untersuchungsausschuß des Preußischen Landtages fcheckamit abgedeckt, die angeblich von den Bezirksämtern herrührten. trat am Montag nachmittag wieder zusammen und nahm zunächst einen Bericht des Berichterstatters aus den Akten der Berliner Anschaffungsgesellschaft entgegen. Hierauf berichtete Regierungsrat Dr. Busch vom preußischen Wohlfahrtsministerium über die Unregel­mäßigkeiten, die seinerzeit unter dem Direktor Novarra bei der Kleiderbeschaffungs- Gesellschaft entdeckt wurden und zur Einsetzung eines Staatstommiffars führten.

An diese Berichte schloß sich ein hochinteressantes Referat des Staatsanwaltschaftsrats Dr. Weißenberg über

das bisherige Ergebnis der strafrechtlichen Untersuchung: Die Stlarets stammen aus kleinen Verhältnissen. Im Jahre 1916 wurden sie verhaftet unter dem Verdacht, für den Rittmeister von leist Schlepperdienste geleistet zu haben, um Leute vom Militärdienst zu befreien. Kleist starb in Untersuchungshaft, und die Sklarefs wurden außer Verfolgung gesetzt. Vorbestraft sind sie nicht. Nach der Gründung ihrer Geschäfte am Hausvogteiplatz tamen sie zunächst mit der Neuköllner Kleider Versor gungsgesellschaft in Beziehung, an deren Spize Direttor Kieburg stand. Von dort aus breiteten sich ihre Beziehungen our Stadt allmählich aus. Sie galten für sehr reich. Promi­nente Persönlichkeiten drängten sich in ihren Berkehr, und sie hatten 1929 große Pläne: die Stadtbant sollte in Zukunft nicht einzelne Rechnungen, sondern den Monopol vertrag jelber beleihen, und mit dem Geld wollten sie ein großes Kaufhaus in der Nähe des Spittelmarktes errichten. Sie waren auf der Höhe ihres Wirkens, als sie am 26. September verhaftet wurden. Der Strafrichter darf nicht vergessen, daß alle Leute sie bis dahin für Sonnen hielten; aber es waren wirklich nur Planeten mit geborgtem Licht.( Heiterkeit.)

Um diesen Kreditschwindel durchzuführen, haben die Sklarets mit ihren Verwandten Warschauer, Weill , eczemiti und Löwenstein umfangreiche Wechselreitereien im Gesamtbetrage von über 15 Millionen getrieben. Nach einer im August 1929 von der Stadtbant eingeholten Auskunft war War­fchauer für 5000 Mart, Kleczewiti für 6000 Mart gut. Ein um= fangreicher Schedverkehr wurde so vorgetäuscht, daß Boten Geld von der Stadtbant abholten, es dann auf zwei Konten bei der Bank für Handel und Grundbesiz und der Dresdner Bank einzahlten. Wenn dann die Stadtbank fragte, ob die bei ihr einge­lieferten Schecks gedeckt seien, erhielt sie von diesen Banken bejahende

Antwort.

Das Bankhaus Gebr. Arnhold hat bereits im Dezember 1927 der Stadtbant mitgeteilt, daß ihr diese Art des Geldverkehrs ver­dächtig erscheine: sie lehne die Weiterführung der Konten ab, aber die Stadtbankdirektoren Schröder und Hoge, gegengezeichnet von den übrigen Stadtbankdirektoren, haben zu den Akten erklärt, sie hätten sich aus den Büchern der Sklarefs überzeugt, daß alles feine Richtigkeit habe.

In der Tat waren diese Bücher, ebenso wie die dickleibigen Bände fittiver Korrespondenzen, scheinbar vollkommen in Ord­nung. Mit den Wechseln passierte einmal das Malheur, daß Löwen­stein das Geld, das ihm Sklareks für die Bezahlung der Wechsel gegeben hatten, zur Deckung eigener Schulden verwendete. Seitdem wurden auch die Wechsel, bei denen Löwenstein oder Kleczewski Aus­

Der Betrug bei der Stadtbank geht von einem inzwischen ver­storbenen Stadtbantbeamten namens Hirsch aus, der zuerst den Stlarets erlaubt hat, statt der Originalrechnungen Kopien ein= zureichen. Seine Hinterbliebenen haben bis zur Berſteller war, direkt bei den Sklareks einfaffiert. haftung von den Sflarets eine größere Pension bezogen. Bei der Verhaftung waren im Befiz der Stadtbant

für faft 19 millionen fingierte Rechnungen.

Die Waren der Stlarefs waren nicht über= teuert. Infolge der hohen Spesen wurde nichts verdient. Die Sflarets waren überschuldet Ende 1926 mit 2 Mil­lionen, Ende 1927 mit 3% Millionen, En de 1928 mit 5 Mil­

wand zu verbieten und die reaktionäre Presse wird hohn­lachend flöten: ,, Wir sind es, die eure Friedenskundgebungen beschüßen müssen, damit es nicht eine neue Schlacht in Champigny gegeben hat!" Die Humanité" wird aber in der üblichen Weise schreien: Unter polizeilichem Schuh mußten die Sozialfaschisten marschieren!"

Am Triumphbogen das Frankreich der Reaktion und des Nationalismus! In Champignn das Frankreich des Friedens und der Völkerverföhnung! Was hätten sie schon stören fönnen, die Kämpfer gegen den Faschismus und gegen die Reaktion, der Herren Kommunisten. Welch eine schöne Ge­legenheit, dort am Triumphbogen zu demonstrieren, wo die Diese Rechnungen wurden jeweils durch Ueberweisungen vom Bost- lionen. Dabei bestahlen alle drei Brüder das Geschäft für ihre Militaristen und Reaktionäre, die Feinde Sowjetruß­lands und des Sozialismus in treuer Gemeinschaft vereint waren. Aber nein! Dorthin haben sich die Blind­gänger Stalins nicht gewagt. Nach Champigny sind sie ge­fommen. 3war ein klägliches Aufgebot. angesichts der sozial­demokratischen Maffen, und doppelt fläglich im Vergleich zu dem großen Maul der Humanité". Ihre Töne aber hatten genügt, daß der Polizeipräfekt jede Kundgebung außerhalb der Friedhofsanlagen verbot, und diesen Befehl durch ein ge­waltiges Polizeiaufgebot dutchführen ließ. Reine rote Fahne durfte in den Straßen Champignys mit der sozial demokratischen Mehrheit gezeigt, fein Lied gesungen, fein Aufmarsch vollzogen werden. Zehntausende von Sozial demokraten und Bazifisten waren aus Paris gelommen. Auch vielleicht vier, fünftausend Kommunisten. Sie hatten genügt, In Paris fonnte die Reaktion ungestört demonstrieren. die Rundgebung außerhalb des eingezäunten Plages zunichte In Champigny aber wurde es durch die Kommunisten ge­zu machen. schafft, eine deutsch - französische Friedenstundgebung in ihrer Dennoch war es eine erhebende Friedensdemonstration. I vollen Auswirkung zu stören. Die Polizei hatte einen Bor­

Die Lautsprecher trugen die Reden in die Straßen und Plätze von Champigny . Mit Jubel und begeisterten Zurufen wurde Otto Wels , der Vertreter der deutschen Sozialdemokratie, empfangen, und seine ausgezeichneten Worte, die auch die ver­diente 3üchtigung des fommunistischen Buben ft reiches enthielten, fanden den stürmischen Beifall der Maffen. Die Buben aber standen am Rande des Weges und jenseits des Denkmals, übten stundenlang im Sprechchor ge meine Beschimpfungen, und als ihr Geschrei im Beifall für Wels, Blum, Thomas, Grumbach und den anderen unterging, zogen sie die ,, Humanité" aus der Tasche und hielten sie in die Luft! Zum Lachen, wenn es nicht so traurig wäre.

So wird es eingehen, die Champigny , in das Lexikon der internationalen Arbeiterbewegung, als ein Beispiel für die fommunistischen Methoden: wie die Kraft der Arbeiterbewegung planvoll und bewußt forrum­piert und zerstört wird und wie die Reaktion und die Feinde des Sozialismus billige Triumphe einheimfen. Zu gleicher Zeit aber ist dieses Champigny Beweis, daß diese Methoden im eigenen Sumpf erstiden müssen, und daß sich der gesunde Sinn der überwältigenden Mehrheit der Arbeiterschaft mit Etel von ihnen abwendet. Jacob Altmayer.