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Nr. 567 46. Jahrgang

1. Beilage des Vorwärts

Es gibt noch Ratswagen.

Raismage das flingt so nach Kleinstadt und Wyll. Wer weiß, daß es in Berlin zirka 25 bis 30 Ratswagen gibt, auf die einzelnen Bezirke verteilt? 3mar it ihre Inanspruchnahme nicht mehr so groß, fie führen fast alle ein beschauliches Dasein. Die Kleinbetriebe verschwinden eben immer mehr, und jedes größere Unternehmen hat natür­lich eigene große Bagen, die ganze Gespanne und Lastwagen aufnehmen fönnen. Immerhin bedeutet die Zahl 40 das Mini­mum der Tagesbenutzung der Ratsmage in der Dirdsen­straße, die unser Bild zeigt und die wir näher anjehen wol. len. In der Hauptsache wird die große Wage benutzt, die ganze Kraftmagen mit Ladungen bis

zu 15 000 Kilogramm aufnehmen fann. Auch schwerere Bagen werden gewogen. Unter genauer Innehaltung des Radab­standes erst der vordere, dann der hintere Teil. Das Gesamtge micht wird daraus errechnet. Was wird gewogen, Kots-, Eisent, Papierladungen, leere Wagen nicht nur von Betrieben aus der Rähe. Die Straßenbaupolizei läßt Bagen zur Feststellung ihres Eigengewichts auffahren. Namentlich in leg: er Zeit werden oft solche Prüfungen vorgenommen, da vicle Brücken und Straßen Beschädigungen aufweisen, die von zu schmer beladenen Fahrzeugen herrühren. Das ist kostenfrei, sonst werden für je 100 Kilogramm 4 Pf. Gebühr erhoben. Die nahegelegenen Markthallen werden entlastet. Waren, für die Berlin nur Umladestation ist. werden

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RATSWAGE

Stadt Ralswage

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hier gewogen und gleich weitergeschickt lieber jedes Gewicht wid eine Bescheinigung ausgestellt. Außer der großen Zentesimalwage dient noch eine Dezimalmage zum Wiegen geringerer Mengen. Auch Personen tönnen gegen eine Gebühr von 5 Pf. ihr Ge­wicht feststellen laffen. Da ist die Konkurrenz der vielen automati­fchen Wagen jedoch so groß, daß wohl kaum ein Berliner weiß, daß ihm die Ratsmage" eine Bescheinigung über sein Gewicht aus. ſtellt.

Dann ist noch eine Wage für Edelmetalle und ähnliches vorhanden, die Gewichte bis zu ein Tausendstel Gramm feststellen Bon einem Tausendstel Gramm bis zu 15 000 Kilogramm und darüber kann also auf den Ratswagen gewogen werden.

fann.

verklagt

Dortmunder Bluttat aufgeklärt. tlagt, und trotz des Meincides eines gedungenen Freundes

Der Mörder stellt sich selbst der Polizei.

Dortmund , 3. Dezember.

Ter Mörder der Frau Kiefer, der frühere Anstreicher Sugo Kuelles aus Duisburg , stellte sich am Dienstag vormittag selbst der Polizei. Er hat bereits ein um= fassendes Geständnis abgelegt. Ueber die Tat machte er folgende Angaben: Er habe nicht beabsichtigt, Frau Kiefer zu töten. Er habe die Frau wirtlich geliebt und sei sehr eifersüchtig gewesen, als er er fahren habe, daß sie auch anderen Männern nicht unzugänglich war. Das Messer habe er sich aus einer Rederhandlung gekauft, um sich vor Angriffen der An­hängerschaft der Frau Kiefer zu schüßen, die ihn schon wiederholt angegriffen habe. Am Abend vor der Tat hatte der Mörder und Frau Kiefer in mehreren Gajt­wirtschaften der Stadt deur Affohol reichlich zugesprochen.

zur verurteilt. Darauf entschloß er sich, seine Geliebte zu töten, mas er auch am 27. April in der näheren Umgebung Rosenheims ausführte, indem er der Geltermaier einen bereit gehaltenen Strid über den Kopf marf und sie erwürgte. Der erste Straffenat hot jetzt die von Bachmann gegen das Traunsteiner 11rteil eingelegte Revision in nollem Umfange verworfen. Todesurteil ist damit rechtsträftig geworden.

Unter den Rädern des Zuges.

Gelbstmord auf dem Bahnhof Börse.

Das

Große Aufregung rief geffern der Selbstmord eines jungen Mannes auf dem Stadtbahnhof Börje hervor. Der Lebensmüde stürzte sich vor einen einfahrenden elek­frischen Zug und wurde auf der Stelle getötet. Durch das farfe Anziehen der Bremsen, die vom Zugführer sofort in Tätigkeit gcfezt wurden, entfland Kurzschluß und ein abelbrand. Der Berkehr ruhfe längere Zeit.

Um 10.47 Uhr lief auf Bahnhof Börse der in Richtung Fried­

Mittwoch, 4. Dezember 1929

gingen über den Körper des Unglücklichen, dem beide Beine abgefahren wurden, hinweg. Bei dem hef= tigen Ruck, der durch das plögliche Anhalten des Zuges hervor gerufen wurde, wurden die Fahrgäste zum Teil von ihren Sizzen geschleudert; glücklicherweise ist dabei niemand zu Schaden gekommen. Infolge des starten Bremsens war ein Kabel in Brand geraten. Die Gefahr fonnte durch Sandaufwerfen bald beseitigt werden. Biel schwieriger gestaltete sich die Bergung des Selbst= mörders. Die Strecke mußte stromlos gemacht und der Wagen von der alarmierten Feuerwehr hochgewunden werden. Der ver stümmelte Leichnam wurde ins Schauhaus gebracht. Bon der Polizei wurde der Tote als ein 21jähriger Bruno Fromann aus der Borhagener Straße 118 ermittelt. Die Gründe zur Tat sind noch unbekannt.

Der Stadtbahnverkehr erfitt durch den Vorfall empfindliche Störungen. So gut es ging, wurde der Betrieb durch Bendel- bzw. Umsteigenerkehr aufrechterhalten. Um 11.17 Uhr, also nach halb­stündiger Dauer, konnte der Verkehr dann wieder plonmäßig durch­geführt werden.

*

Gegen 12 Uhr mittags geriet auf dem Hochbahnhof Gleisdreted eine Frau beim Aufspringen zwischen Perron und Wagen Die Verunglückte wurde von der Feuer­mehr aus ihrer qualvollen Lage befreit und mit schweren Bein­rerlegungen ins Elisabethkrankenhaus gebracht.

Europas größtes Kraftwerk.

Ausbau des Groß- Kraftwertes Golpa Zschornewiß beendet Golpa- 3schornewit

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Bitterfeld, 3. Dezember.

Diefer Tage wurde mit der Inbetriebnahme der beiden neuen 100000 Kilowatt Turbogeneratoren der Ausban des Großfraftwerfes Golpa 31chornewitz beendet. Damit ist dieses Kraftwerk, das den Reisenden on der Strecke nach Haile und Leipzig durch seine 15 riesigen Schlote auffällt, zum größten fohlenfraitmert der Welt geworden. Zur Kühlung der Kraftwerk Europas und sogar zum größten Braun­beiden neuen Turbogeneratoren, die die größten bisher in Europa zur Aufstellung gelangten find, wurden drei gewaltige Beton- Kühl­tiirme errichtet.

Der Vorstand der Stadtverordnetenfraktion. Die sozialdemokratische Fraktion der neugewählten Stadtverordnetenversammlung trat geffern zu ihrer ersten Fraktions­figung zusammen, um sich ihren Vorstand zu wählen. Gewählt wurden die folgenden Genoffen: zum 1. Vorsitzenden Flatau , zum 2. Vorsitzenden Riese, zum 1. Schriftführer Robinson, zum 2. Schriftführer Krille, zu Beisitzern Rich. Barth, Bublik, Clajus, Frau Frankenthal , rich. Genosse Heimann hat auf Wiederwahl zum Beisitzer verzichtet, meil seine Arbeit im Hauptausschuß des Reichstages ihn start in Anspruch nimmt.

Todessturz von einer Leiter.

Gestern nachmittag ereignete sich vor dem Hause Haus nogteiplag 1 ein tödlicher Unfall. Der 35jährige Fensterputzer

mag Heiden aus der Elisabethstr. 4 stürzte aus 10 Meter Höhe

non einer Leiter und erlitt einen doppelten Schädelbruch. Heiden wurde in bewußtiosem Zustande nach der Universitätsklinik in der Ziegelstraße gebracht, wo er furze Zeit nach seiner Ein­

Anelles will zur Zeit der Tat jo betrunken gewesen richshagen fahrende fahrplanmäßige zug ein. Etwa in der Mitte lieferung an den Folgen der schweren Kopfverletzung starb.

sein, daß er nicht gewußt habe, was er tat und im Streit einfach zugestoßen haben.

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2m 11. Oktober dieses Jahres hat das Schwurgericht in Iraunstein den ehemaligen Arbeiter Bachmann aus Rosenheim wegen Mordes zum Tode verurteilt. Bachmann wurde von feiner Geliebten, Therese Geltermaier, auf Zahlung von Alimenten

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Damals

Roman von

" Twantheilbut

Er hat mir von unserer Zukunft geschrieben, es wäre alles leicht, wir würden bei einem seiner Freunde leben, einem Regimentstameraden, auf dem Lande, in Heffen, bis der Widerstand seiner Eltern gebrochen ist er meint, weil ich nicht reich und nicht adlig bin. Sieh, er schreibt in seinem legten Brief, daß der Widerstand seiner Eltern durchaus nicht so schwer zu besiegen sei. Denn, schreibt mir hans, er hat eine Schwester, und sie hat einen de Castro zum Mann; da fönnten seine Eltern nicht anders, schreibt hans, sie müßten ihm vergeben, daß er ein bürgerlich Mädchen heiraten will. Er weiß noch nicht alles, aber ich glaube daran, es würde alles noch gut, hätte ich nur Zeit, deinen Namen zu behalten! Bergiß nicht, Hans und ich fennen uns jetzt nur seit Tagen, wenn auch mehr als ein Jahr vergangen ist. Wir haben Briefe gewechselt genug, aber Briefe Briefe sind nicht wie Beisammensein. Und nun frage ich mich: Wenn das nun feine Liebe zerreißt? Ich habe ja teine Zeit", rief sie schmerz voll und mand fich, das Kind an der Brust ,,, feine Zeit, ihm zu zeigen, mas ich ihm sein will und fann. Sage mir doch, mie soll es in Heffen werden, wenn ich mich bei meinem Namen nennen muß! Es wäre uns beiden, Hans und mir, weit beffer gewesen, ich hätte ihn niemals so finnlos geliebt, um bas alles zu tun! Dann wäre das Kind, das nun unglücklich werden soll, nicht geboren; es lebt ja noch heimlich und hat feinen Namen. Geblieben wäre uns nur die Erinnerung. Was hast du?" unterbrach sie schluchzend. Denn Christine Gast lachte ihr barsches Gelächter, das sie immer lachte, wenn sie michtiger Dinge wegen lachte.

Sie riß ihre Handtasche offen, mit der sie gekommen war, wühlte darin herum, und dann präsentierte sie Esther Rubin ein Bündel zufammengeschnürter Papiere.

Christine Gast", rief Chriftine Gaft mit gedämpfter Stimme, gib mir meine Papiere und hier hast du die

des Bahnsteigs, auf dem sich zahlreiche Reisende befanden, stand ein junger Mann, der plötzlich, als der Zug einfuhr, mit beiden Händen das Geficht hebedt haltend, sich auf die Schienen marf. Der Zugführer und sein Begleiter, die den Vorfall sogleich bemerkt hatten, versuchten mit allen zur Verfügung siehenden Mitteln zu bremsen. Es gelang den Bahnbeamten jedoch nicht mehr, den Zug zum Halten zu bringen, und die Räder

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deinen!" Und da Esther nur stumm dasigen fonnte und mit ihren Augen die Freundin betrachten, nahm Christine die in diesem Augenblid eine Empfindung hatte, als wäre fie zwei Personen auf einmal und eben darum überhaupt nie mand mehr den Säugling behutsam von der Mutter fort. Ich habe feinen Angehörigen in dieser Welt, meine Tante ist tot und die Welt, in der meine Eltern leben, gehört nicht zu unserer Welt, man nennt sie die neue. Wir vertauschen uns, ho! Wir verwechseln uns! Um mich fümmert sich feiner. Und der Krieg ist aus, das bedeutet für mich: Amerifa. Ich komme als Esther Rubin nach drüben hinüber, und du fommst als Christine Gast noch zum Glüd. Meine Eltern werden mir Reisegeld schicken, und wenn ich erst auf dem Ozean schwimme, werfe ich den falschen Namen in die Tiefe. Ich werde sagen, ich hab ihn verloren, er ist mir gestohlen worden, ho ho, und drüben legitimieren mich meine Eltern. Und du du verschwindest mit deinem Hans und dem Kinde zu euren Freunden in Hessen , läßt aber nie­manden in unserer Heimat erfahren, wo du eigentlich bist." Aber Magda muß es doch wissen."

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, Ja, leider. Wir müssen sie zu unserer Bertrauten machen. Und einmal, in einer berückenden Stunde, verstehst du, ho ho, erklärst du Hans deine ganze Liebe, und zeigt ihm, wieviel gefährliche Sachen du um deine Liebe geduldet, ertragen. getan hast. Berstehst du... Christine? Zum Teufel, Christine! Tu deiner Freundin Esther Rubin nun endlich den Gefallen, um den si: dich bittet, und gib mir ihre Papiere heraus!"

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Albert tam aus dem Kriege zurüd und bewohnte mit feiner Frau das Haus in Berlin , wo er sie fennengelernt hatte. Der Graf und die Gräfin lebten auf Hohenau . Sie maren eben zum drittenmal zur Station gefahren, um ihren Sohn Hans zu empfangen; Hans fam aber auch diesmal nicht. Die Gräfin wurde fiebernd und völlig ermattet von der Sorge um ihren Sohn. Sie glaubte ihn einen der Un­glüdsfälle zum Opfer gefallen, von welchen Soldaten, schon auf der Heimkehr begriffen, mannigfach überrascht worden waren. mie in der Zeitung zu lesen stand.

Als fie aber nach dem Schloß zurüdtehrten, lag dort eine Nachricht von ihrem Sohn. Er hatte seine frühere Abficht geändert. Er war zuerst nach Berlin gefahren, und das rückte also die Ankunft in Hohenau um einige Tage hinaus. Run, da konnte die Gräfin ja ruhig sein obgleich sie

Eine Schülerin als Lebensretterin. Die 16jährige Schülerin Erita Dörfel aus der Prinzenallee 80 hat am 31. Juli_d. J. eine 19jährige weibliche Person aus dem Mellenjec vom Tode Staatsministeriums bringt der Polizeipräsident diese von Mut und des Ertrintens gerettet. Im Namen des Preußischen Entschlossenheit zeugende Rettungstat mit dem Ausdruck seiner be sonderen Anerkennung zur öffentlichen Kenntnis.

den Sohn nicht begriff, der anstatt sogleich zu den Eltern zu reisen, zuerst seine Schwester besuchen mußte

,, Wenn er Irene besuchen wollte... die Route ist natür­lich günstiger", jagte der Graf ,,, ja gewiß

"

Aber plöglich hatte die Gräfin eine Eingebung. Nach Berlin ! nach Berlin ! Morgen schon mußte sie Hans um armen, an derselben Stelle, wo er von ihr Abschied genommen hatte! Ein Telegramm wurde aufgegeben, einige Flaschen Wein wurden eingepackt.

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Als der Graf und seine Frau am folgenden Abend in Berlin eintrafen, fanden sie Irene und Albert sehr überrascht. Hans war überhaupt noch nicht dagewesen, sie hatten feine Ahnung von seiner Anwesenheit in Berlin . Und nun begann mieder die Aufregung: Wo blieb Hans? Seine Nachricht nach Hohenau , das bewies flar der Stempel, war aus Berlin gekommen. Warum ließ er sich nun bei der Schmester nicht fehen? Bem anders als ihr galt denn sein Besuch in Berlin ? Aber denkt nur nicht. daß sie damals, in jenen um­wälzenden Zeiten, aufgeregt waren nach der Art von heute. Sie hatten ja Jahre der Aufregung hinter sich, das Unge­wöhnliche war zur Gewohnheit geworden, und wenn etwas geschah, das nach einem Unglüd ausiah, jo härmte man sich, aber es war feine Sache, um die man zur Polizei lief mit Jammern. Hans war nicht da, was fonnte man tun? Man fonnte still sein und warten.

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Eine Frau geht zum Bahnhof, der Abend graut, sie trägt in den Armen irgend etwas verhüllt unter der grauwollenen Dede. Sie zittert, vielleicht vom Novemberregen, vielleicht fpürt sie den Regen nicht einmal, denn sie geht still geradeaus und ihre Augen sind meit. Auf dem Bahnhof stellt sie sich in eine Nische hinein, ein Meer von Menschen tabt an ihr norüber, Schreie und Schluchzen und tortelnde Schritte, und bepacte Männer, gebräunt und schwitzend, und Frauen, die an ihren Armen hängen und reden. sinnlose Borte, aber reden und reden reden ,, Ja..." sagen sie. ,, ja. ja..." und..ja... du sagen fie,..... du bist zurück ..? .. Ja.. ja und du.. ja... Die Frou in der Mische gibt acht, daß niemand sie und das Verdeckte stößt, das sie trägt denn mitunter brandet und stößt es auch in ihre Nische hinein. Sie starrt ins Gemimmel mit ihren weiten Augen.

"

"

( Fortjegung folgt.)