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Morgenausgabe

Nr. 608

A 306

46.Jahrgang

286gentlich 85f monatli 8,60 m. im voraus zahlbar, Boftbezug 432 m. einschließlich 60 Bfg Bostzeibungs- und 72 Bfg. Boftbestellgebühren. Auslands abonnement 6,- M. pro Monat. *

Der Barmaris" erscheint mochentag lich meimal, Sonntags und Montags einmal, die Abenbausgaben für Berlin nub im Handel mit bem Titel Der Abend, Slluftrierte Beilagen Bolf und Zeit und Kinderfreund". Ferner Unterhaltung und Bissen, Frauen timme", Technit", Blid in die Bücherwelt" und Jugend- Borwärts"

8- Inndapur

Vorwärts

Berliner Volksblatt

Sonntag

29. Dezember 1929

Groß- Berlin 15 Pi Auswaris 20 Pf.

Die ein paltige Ronpareillezetle 80 Pfennig. Retlamezeile 5.- Reichs mart. Kleine Anzeigen' das fetige brudte Mort 25 Pfennig( zuläffig zmei fettgedruckte Borte), jedes weitere Wort 12 Pfennig. Stellengesuche das erste Wort 15 Pfennig, jedes meitere Bott 10 Pfennig. Borte über 15 Buchstaben sählen für zwei Morte. Arbeitsmarkt Beile 60 Pfennig. Familienanzeigen Zeile 40 Pfennig. Anzeigenannahme imhaupt­geschäft Lindenstraße 3, wochentäglich non 8 bis 17 Uhr.

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Redaktion und Verlag: Berlin SW 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Donboff 292-297. Telegramm- Adr.: Sozialdemokrat Berlin .

Vorwärts- Verlag G.m.b.H.

Boftfchedkonto: Berlin 37536.- Bankkonto: Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten, Wallstr. 65. Dt. B. u. Disc.- Gef., Depofitentafle Lindenftr 3.

Keine Staatsaufsicht über Berlin .

Der Oberpräsident erläutert seinen Erlaß.

Das Städtische Nachrichtenamt teilt mit:

Der Berliner Magistrat besprach in einer außerordente lichen Sigung am Sonnabend nachmittag erneut die Finanzlage der Stadt und die lleberwindung der Ultimo schwierigkeiten mit Hilfe des Ueberbrüdungstredits. An den Be ratungen nahm der Oberpräsident persönlich teil und erläuterte auf Anfrage verschiedener Magistratsmitglieder

feinen Erlog vom 20. Dezember dahingehend, daß er sich

in vier Buntte zusammenfassen lasse:

1. Solange die furzfristige Berschuldung läuft, dürfen neue Ausgaben nicht übernommen werden.

2. Der festgestellte Etat des Dezember muß unter Berantwortung des Bürgermeisters unter allen Umständen ein­gehalten werden.

3. Der Tilgungsfonds muß regelmäßig mit 5 Millionen Mart monatlich gespeist werden..

4. Auch vermehrte Einnahmen aus der Tariferhöhung sollen in diesen Fonds abgeführt werden, falls fie nicht zur Ferlig­ffellung begonnener Bauten unbedingt notwendig find.

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Der Magistrat mar sich mit dem Oberpräsidenten darüber einig, daß die Finanzlage der Stadt auch über den 1. Januar 1930 hinaus meitere Sparmaßnahmen erforder lich machen wird, um so mehr, als zurzeit bei der Geldmarktlage langfristige Anleihen nicht zu erwarten find.

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Aus dieser vorsichtig formulierten Mitteilung geht her­vor, daß der Oberpräsident seinen Eríaß als nur für die Sicherstellung des lleberbrückungskredits gültig behandelt wissen will. Es ist offenbar nicht oder nicht mehr feine Absicht, die Selbstverwaltung dauernder Kontrolle zu unterstellen. Er ist vielmehr der Ansicht, daß Magistrat und städtische Körperschaften selbst das Notwendige tun werden. Die Ueberwachungsstelle des Bürgermeisters Scholz findet nach diesen Meldungen am 31. Dezember 1929 ihr

Ende.

Ohne Schacht!

Kein Berluft für die 2. Haager Konferenz.

Als Ergebnis einer zweitägigen Beratung zwischen dem Reichsfabinett und dem Reichsbankpräsidenten ist am Sonn­abend endgültig beschlossen worden, Dr. Schacht als Dele­gierten nach dem Haag nicht zu entsenden. Wir begrüßen dieses Ergebnis um so mehr, als uns schon die bloße Absicht Grade zuwider war. Mit der besonders von einem Teil der seiner Entsendung und ihre offizielle Erörterung im höchsten demokratischen Presse propagierten Ernennung Schachts zum deutschen Delegierten verfolgte man naheliegende taktische Absichten. Man wollte ihn zur Verantwortung heranziehen, gerade ihn, der dank dem Dawes- Gesetz keine staatsrechtliche Verantwortung trägt und der sich in letzter Zeit um so un verantwortlicher verhalten hat. Man wollte ihn auf die offizielle Politik der Reichsregierung und der deutschen Delegation im Haag festlegen, damit man nicht ein zweites Mal das unerhörte Schauspieler­lebe, das er kürzlich durch sein Memorandum geboten hat. Eine solche Taktik, so verlockend sie auch schien, war weder sehr würdig, noch sehr weitblickend. Es entspricht nicht der Würde der Regierung, daß sie, die im parlamenta­

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Es bleibt bedauerlich, daß die Formulierung des Er- rischen Staate nur dem Reichstag verantwortlich ist, sich um laffes des Oberpräsidenten nicht von vornherein jede weiter die Mitarbeit eines Mannes bemüht, der ihr erst vor kurzem - ganz abgesehen von seinen Quertreibereien bei den Anleihe­gehende Mißdeutung ausschloß. verhandlungen gerade hinsichtlich der Haager Konferenz in den Rüden gefallen war. Auf den Fehde handschuh, den er dem Kabinett damals hingeworfen hatte, durfte man nicht mit Glacéhandschuhen reagie­ren. Aber außerdem war diese Taktik turzsichtig: denn bei einem Manne von dem hemmungslosen Machtwillen des Reichsbankpräsidenten, der durch seinen jüngsten Erfolg über die Regierung bis zum Uebermut gesteigert worden ist, lief man Gefahr, daß er als Delegierter im Haag, trotz aller norangegangener Vereinbarungen, während der Konferenz selbst bei irgendeinem neuen Konflikt den starten Mann' markiert und entweder den Erfolg der Verhandlungen mut­willig aufs Spiel gesetzt oder sich von der eigenen Delegation losgejagt hätte.

Frankreichs Festungsbauten.

Konflikt in der ſozialistischen Fraktion.

Paris , 28. Dezember.( Eigenbericht.)

fehe eine Anzahl verlegbarer Befestigungsmerte vor, und zwar in der Weise, daß gewisse

Befestigungsanlagen auf Eisenbahnschienen

Maginot behandelt im weiteren Berlauf seiner Rede die Die Kammer hat ohne Diskussion das Flottenbaupro Kreditforderung für die Grenzbefestigungen und erklärt, der Plan gramm für 1950 genehmigt: Bau von einem 10 000- Tonnen Kreuzer, 6. Torpedobootszerstörern und 7 Unterseehooten. Darauf begann, bie, Diskussion über das Festungsbauprogramm, dos in den nächsten 5 Jahren 4,3 Milliarden erfordert. Der sozia­tistische Abg. La ville erklärte, daß diese Festimgsbauten die glatte Ableugnung der von England geführten Friedenspolitik dar­stellten. Jegt verlange man Betonwerte, später werde man Ge­mehre und Kanonen und schließlich auch noch Kanonenfutter fordern. Man treibe den schlimmsten Rüstungswettlauf die tollste Kriegspolitik.

rasch von einem Punkt der Grenze nach einem anderen übergeführt werden und dort in Wirksamkeit treten können. Dieses moderne Befestigungsprogramm würde die Möglichkeit bieten, die ziffern mäßige Unterlegenheit Frankreichs (?) zu Beginn eines Konflikts durch die vervollkommneten Verteidigungsmittel auszugleichen. Die Durchführung des Programms bis 1935 dürfe Die Rede Lavilles hat in der sozialistischen Kammerfrattion nicht unterbrochen werden, denn sonst wären Milliarden ein shmere 3ermürfnisse hervorgerufen. Die Abgg. Paul Bon- fach verschleudert. Frankreich liege jede Angriffsabficht cour und Renaudel hatten schon vorher in einer Fraktions­fizung erklärt, daß sie für den Bau der Festungswerte stimmen würden, da sie rein defensiven Charakter hätten. Sie waren aber von der Mehrheit der Fraktion überstimmt worden. Trotzdem äußerte Renaudel in den Wandelgängen der Kammer während der Rede Bavilles, daß ihn die parteiamtliche Stellungnahme nicht binden könne. Als ihm der Parteiführer Leon Blum ent­gegentrat, fam es zu einer heftigen Auseinandersehung. Blum be­tonte u. a., er merde namentliche Abstimmung über das Festungsbauprogramm perlangen, damit niemand die Parteidisziplin Derlegen fönne.

Zu Beginn der Nachmittagsfizung der Kammer bezeichnete der Sozialist Burtin bei der Debatte über die Kredite zur Ausfüh­rung der Befestigungswerte an der französischen Ostgrenze den vor­liegenden Plan als nicht ausschließlich defensiv, sondern als offensiv, und zwar wegen der Stärke der Artillerie und der Vervollkommnung der Organisationsarbeiten an der Grenze. Es sei zu befürchten, daß man diesen Arbeiten im Auslande die Bedeu­tung einer Vorbereitung zum Kriege beilege.

Nach ihm ergriff Kriegsminister Maginot das Wort und erklärte, Frankreich müsse im Falle eines plöglichen Angriffs, den man nicht als abfurd(?) betrachten dürfe, in der Lage sein, den Feind daran zu hindern, einen Einfall auf französisches Gebier zu unternehmen und sich der Industriezentren oder Eisenbahnknoten punkte zu bemächtigen. Nur bei einer starten Grenzorgani fation fönnten die vorgeschobenen Deckungstruppen ihrer Aufgabe gerecht werden. Die vorgesehene Räumung des Rheinlands nötige Frankreich , seine Nordostgrenze in Verteidigungszustand zu setzen. Die Deffentlichkeit würde nicht begreifen, daß die Räumung des Rheinlandes nicht unverzüglich durch den Ausbau der Verteidi­gungswerte an der Nordostgrenze ausgeglichen werde. Die öffentliche Meinung im Auslande werde den ausschließlichen Berteidigungschar after dieser Befestigungswerke erkennen. Das in Ausführung begriffene Brogramm benutze die natürlichen Schuhmöglichkeiten, also Flüsse, Wälder, Berge. Es forge für die Berteidigung befonders heifler Punkte und mache auch das System der tünstlichen Ueberschwemmung nutzbar. Wo tein natürlicher Schutz gegeben sei, feien Berteidigungsanlagen norgefehen. An den Straßen und Strecken, die besonders offen lägen, mie bei Diedenhofen und im Lauterbachtal, jeien Berteidigungs anlagen mit ftarfer Artillerie und Schnellfeuergejdhügen vorgesehen.

gegen irgendjemand fern. Es sei von dem festen Willen eines freien Volkes befeelt, alles in seinen Kräften stehende zu tun, um feine Sicherheit und seine Unabhängigkeit zu gewährleisten.

Der Abg. Dormann( Rad. Linke) erklärt, die Befestigungs arbeiten fönnten im Auslande tein Mißtrauen hervorrufen.

Die Kredite für die Grenzbefestigung wurden sodann, ohne daß der Kriegsminister die Vertrauensfrage stellte, gegen die Stimmen der Sozialisten und der Kommunisten mit großer Mehrheit an­

genommen.

Auch der Senat hat mit 274 gegen 26 Stimmen die von der Kammer bereits verabschiedeten Kredite für die Grenzbefestigungen

angenommen.

Amerifas Reparationsforderungen. Deutsch - amerikanisches Sonderabkommen.

der Reparationsbank.

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Ausschaltung

Nach einem neuen am 28. Dezember vereinbarten deutsch - ameri­tanischen Abkommen zahlt Deutschland die nach dem Sachverständigen plan vom 7. Juni 1929 den Vereinigten Staaten von Amerika zu­stehenden Annuitäten nicht an die Bank für internationalen Zahlungs ausgleich, sondern unmittelbar an die amerikanische Regierung. Aus den deutschen Zahlungen werden zwei Arten amerikanischer Ansprüche befriedigt: diejenigen Ansprüche, die durch die deutsch- amerikanische gemischte Kommission festgesetzt werden, und die amerikanische Forderung für rückständige Besatzungskosten.

Das Abkommen schließt sich eng an die Form der zwischen den Vereinigten Staaten und anderen Mächten bestehenden Schulden­abkommen. Die Priorität für die Dawes- Anleihe von 1924 bleibt gewahrt. Da Deutschland nach dem Young- Blan nicht Schuldnerland der einzelnen Mächte, sondern der Gesamtheit der Gläubigermächte ist, muß bei den bevorstehenden Verhand­lungen im Haag berücksichtigt werden, daß die amerikanische Annuität ausscheidet, Die deutsche Regierung wird deshalb das Abkommen zur Kenntnis der übrigen Gläubigermächte bringen.

Die formelle Unterzeichnung erfolgt erst, nachdem der Reichs tag und der amerikanische Kongreß ihre Zustimmung erteilt haben. Das Abkommen wird gleichzeitig mit den Abmachungen mit den anderen Gläubigermächten über den Young- Plan in Kraft treten.

Eine solche Befürchtung lag um so näher, als derselbe Dr. Schacht im Frühjahr dieses Jahres als ,, unabhängiger Unterhändler" bei den Pariser Sachverständigenberatungen wiederholt Beweise seines Mangels an politischem Verant­wortungsgefühl geliefert hat. Es sei nur an jene Parijer Denkschrift erinnert, in der er plöglich mit unmöglichen und sinnlosen politischen Forderungen, wie die Rückgabe deutscher Kolonien als Voraussetzung für eine Steigerung der deutschen Leistungsfähigkeit, hervortrat. Genaue Kenner der damaligen Verhandlungen versichern, daß ein geschickterer Unterhändler als Schacht weit mehr für Deutschland heraus­geholt hätte, als dieser schließlich erreichte. Jedenfalls besteht nach diesen Proben seiner Fähigkeiten als Unterhändler fein Anlaß, zu bedauern, daß er diesmal nicht als offizieller Delegierter nach dem Haag fahren wird.

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Man muß nun freilich damit rechnen, daß die Schacht­Fronde gegen die deutsche Reparationspolitik während und nach der Haager Schlußkonferenz mit verstärkter Rührigkeit einsetzen wird. Das war es auch, was die Reichsregierung wohl vermeiden wollte und weshalb sie mit ihm über seine Entsendung nach dem Haag verhandelte. Da gibt es eben für die Regierung und die Regierungsparteien nur eine Haltung, die zugleich ihrer Würde und den deusschen Gesamt­interessen entspricht: es muß endlich der Kampf mit der Schacht Fronde aufgenommen werden und zwar ganz anders, als es nach seinem Memorandum geschehen t. In diesem Schriftstück hat er gegen die deutsche Delegation im Haag und damit gegen die deutsche Reichs regierung überhaupt eine Reihe von Vorwürfen erhoben, die ebenso demagogisch wie unhaltbar sind. Einen Teil dieser Vorwürfe hat der Reichskanzler Hermann Müller be­reits von der Tribüne des Reichstags widerlegt.. allerdings mit einer Zurückhaltung, die nur durch den unerhörten Druck zu erklären war, unter den gerade in jenen Tagen der Reichs­bankpräsident die mit Kassenschwierigkeiten fämpfende Re­gierung hielt.

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Herr Schacht hat sich nicht gescheut, von zusätzlichen Belastungen zum ursprünglichen Young- Plan zu sprechen, die er in Wirklichkeit selber verschuldet hat. Er hat dabei sogar das deutsch belgische Mark­ab tom men erwähnt, über das er selbst in einem Schreiben an Owen Young eine Art Vorvertrag( pactum de contrahendo ) unterschrieben hatte! Er hat der deutichen Delegation vorgeworfen, daß sie den Ueberschuß von 300 millionen Marf aus den letzten Monatsraten des Dames- Blanes preisgegeben hätte, obwohl er selber daran schuld ist, daß die Deutschen im Haag feine juristische Hand­habe für die Ausfechtung dieses Streitpunktes. hatten: denn Schacht hatte sich in Paris mit einer pagen und lieber lichen Formulierung im Sachverständigenbericht x