Die Entgleiten
von Leonhard Frank
107. Bilb:
( Schluß.)
Vor einem Ausgang des Moabiter Gefängnisses, Abend.
Marie wartet, strahlend vor Glid. Baffanten gehen achtlos porbei.
Da wird die Tür geöffnet, Höfer fommt in Hut und Mantel heraus.
Daß Marie ihn erwartet, ist offenbar eine große, freudige Ueberraschung für ihn. Wortfos begrüßen fie fich und umarmen sich impulsiv. Großes, sicheres Glüd.
108. Bild: Der Speisesaal
Die Blanzwirtleute an der Tafel beim Essen und Trinken. An der Stirnseite der Baron, rechts und links von ihm ein leerer Stuhl Der Klavierspieler vom Plazwirt am Flügel. Hinter den Stühlen, mit forretter Steifheit bedienend, die weißbehandschuhten Diener, tommandiert von dem alten Diener, der keinerlei Inkorrektheit duldet. Diener, vier an der Zahl, gießen Weißwein ein und stellen die Flaschen wieder auf die Unterfäße auf den Tisch. Ein Plagwirtgenosse nimmt die Flasche, gießt sich die vor ihm stehenden vier Gläser voll, die für Weißwein und Rotwein, für Geft und Mineralwasser bestimmt sind, und rücki sie handlich zusammen. Ein Blinder mit dunkler Brille dreht das auf seiner Brust hängende Schild, bevor er den neuen Gang zu effen beginnt, auf seinen Rüden, legt die Brille ab, holt sich mit unfehlbarer Sicherheit das größte Stück von der Platte( er sieht sehr gut), überläßt sein Stüd aber sofort dem neben ihm sitzenden wirklich blinden Kameraden, als diefer unbeholfen umhertaſtet.
Einer ist sehr geschickt mit dem Messer, der Diener fieht es, verzieht den Mund.
Der Baron steht es auch, sein Gesichtsausdrud verändert sich nicht. Einer unterbricht das Effent, betrachtet und wiegt das schwere Silberbested, das ihm nicht handlich genug ist. Er zieht sein Taschenmesser und ist mit seinem gewohnten Meffer weiter.
Der alte Diener ist besorgt um die Gäste, als ob es Fürsten wären.
109. Bild:
Im Stall.
Der neue Fußboden wird gehobelt.
Der Tapezier flebt Tapeten. Ein anderer hängt Borhänge auf. Der Glettrifer bastelt am Beleuchtungstörper.
110. Bilb:
Der Speisesaal.
Große Geflügelplatten werden eben aufgetragen. Rotwein wird eingegossen.
Noch immer ist der Platz rechts und links vom Baron leer. Da meldet der weißhaarige Diener seinem Herrn leise etwas. Der Baron erhebt sich, fordert alle auf, die Gläser in die Hand zu nehmen.
Alle folgen seinem Beispiel, erheben sich, wenden sich der Tür zu, auf die der Baron zugegangen ist.
Marie und Höfer werden vom Diener eingefaffen. Der Baron steht por ihnen, begrüßt sie, führt sie an den Tisch. Reicht jedem von ihnen ein Glas, nimmt das feine. Alle heben, seinem Beispiel folgend, ihre Gläser hoch, auch das Mundharmonitaquartett, das auf erhöhtem Bodium fizt. Alle trinken Höfer und Marie zu. Rach dem Trinfen beginnt das Quartett fofort zu spielen.
111. Bilb: Vor dem Stall
Im Licht der Scheinwerfer.
Schon steigen die Dachdecker herunter, das Dach ist fertig. Auch verpuzt ist das Haus schon. Ralffästen werden aufgeladen. Der Boden vor dem Haus ist zu Beeten geebnet und eingezäunt. Der Gärtner pflanzt Sträucher ein.
Der Schloffer, der das Schloß an die Tür angeschlagen hat, prüft das Schloß, öffnet und schließt einige Male die Tür, auch er ist fertig.
Das große Durcheinander hat sich zur Ordnung gewandelt. Ein offenes Laftauto, mit Möbeln beladen, fommt angesauft. Im setben Moment springen auch schon drei Männer vom Wagen und beginnen abzuladen.
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112. Bild:
Die herrschaftliche Küche.
Frühes Tageslicht bringt durch die Fenster. Das Küchenpersonal beim Aufwaschen und Zusammenräumen des Geschirrs.
Eine Magb dreht das elektrische Licht ab. so daß der Uebergang zum hellen Morgen vollzogen ist.
An einem Extratisch überzählt der Silberdiener mit einem anderen das Bested. Eine Liste liegt vor ihnen.
Sie sehen sich zum Schluß verwundert an. Der eine fagt sehr erstaunt:
..Ung'aublich! Es fehlt nichts!"
Der andere bestätigt es. Für ihn ist das genau fo unerwartet wie Für den Kollegen.
113 Bild:
Die Halle der Billa bes Barons.
Der Baron im Lagesanzug will in der Garderobe feinen Mantel anziehen. An Stelle seines Mantels hängt ein unfäglicher Fezen. Der Baron unterdrückt die Ueberraschung und sagt zu dem Diener: ..Ach ja! Ich habe ihm meinen Mantel ja geschenkt!" Der Diener zwinfert für fich: er weiß Bescheid. Er holt dem Baron einen anderen Mantel.
114. Bilb:
Begbiegung am Ufer.
In der Frühe
Marie und Höfer tommen um eine Begbiegung, bleiben erstaunt
stehen, denn sie sehen in einiger Entfernung den über Nacht um gebauten Stall. 115. Bild: Entferntere Aufnahme.
Der in ein Wohnhäuschen umgewandelte Stall, mit den Sträuchern bavor.
116 Bilb:
Die Begbiegung am Ufer.
Der Alte bewundert die Einrachtung des Raumes zusammen mit Marie.
119. Bild: Auf der Fähre.
Höfer rudert das von Arbeitern und Marktweibern vollbesetzte Boot über den Gee,
120. Bild:
Die Rammer im Stall, mit Durchblick in den Wohnraum.
Der Schrank ist geöffnet, Wäsche liegt darin, und zwei einfache Kleidchen und ein Mantel hängen an den Hafen.
Marie in neuen Schuhen und Strümpfen, hat ein neues einfaches Kleid eben übergezogen und betrachtet fich im Spiegel.
121 Bild:
Der alte Fährmann hat sich auf die Bant neben der Eingangstür gefeßt, stedt feine Pfeife in Brand, schmaucht, genießt den Tabat, Die Morgenluft und die Ruhe.
122 Bild: In der Wohnstube.
Höfer und Marie sehen sich betroffen an. Dann gehen fie auf den durch mit gewohnter Geschicklichteit die 3igarette an. Marie dedt den Tisch, stellt Kaffeetassen auf, zündet sich zwischen. Stall zu.
117. Bild:
123. Bilb: Bor dem Stall
Stallfassade mit verschlossener Eingangstür. Marie und Höfer fommen ins Bilb, lesen mit großen Augen die Höfer eilt auf den Stall zu, nidt bem Aten zu, eilt zur Tür. Tafel neben der Gingangstür, über der an einem Nagel der Tür. schlüffel hängt.
Shre Gesichter strahlen. Tafel mit Inschrift: HOEFER, Fährwart.
124. Bild: In der Bohnstube.
Marie nimmt rasch den Schlüssel, sperrt auf. Sie schauen beide in Eben stellt Marie die Kaffeekanne auf den Tisch.
das Innere, treten ein.
118. Bild:
Die einfach und hübsch eingerichtete Wohnstube im früheren StallDie einfach und hübsch eingerichtete Wohnstube im früheren Stallraum, mit Fenster, an dem eine Gardine hängt. Ein zweiter Raum liegt hinter einer frisch gezogenen Rabigwand. Auf dem Tisch liegt ein Brief. Marie entdeckt ihn. Er ist an Höfer adressiert. Er öffnet ihn. Beide lesen: Brief mit Kopfaufdruck des Justizrats:
Sehr geehrter Herr Höfer!
Das Grundstück und die Fähre sind von Herrn Baron Holl erworben worden. Er hat Sie zum Fährwart bestellt und Ihnen das Haus als Wohnung angewiesen.
Im Auftrage des Barons von Holl der Notar: Unterschrift. alte Fährmann guckt herein und ruft von der Schwelle her: Glücklich sehen sie einander an. Da wird die Tür geöffnet, der
,, Die Fähre ist voll! Die Leute werden ungeduldig!" Er drängt Höfer zu seiner neuen Tätigkeit, schüttelt mit glüdlichem Gesicht Marie die Hand, in sichtlicher Freude.
Da tritt Höfer ein.
Sie gehen langsam aufeinander zu, Blick in Blid, stehen eng beieinander, heben erst jetzt gleichzeitig die Hände zur Umarmung und füffen einander, sehen einander wieder an, ernst, als dächten sie über ihr vergangenes Leben nach, das sich zum Glück gewandelt hat.
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Ende.
Nachwort der Redaktion: Technischer Mitarbeiter der Filmnovelle„ Die Entgleisten" ist Adolf Lanz , von dem überhaupt die Anregung ausgeht, das Filmmanuskript in die Literatur einzuführen. 3mar hat der Berlag Kiepenheuer vor Jahren schon einmal Drehbücher des ausgezeichneten Filmbichters Maier verlegt, aber sie fanden wohl deshalb nicht die Beachtung, die sie verdienten, meil sie für die Lektüre zu sehr mit filmtechnischen Regiebemerkungen überladen waren. Es ist zu begrüßen, daß der Versuch, eine Filmliberatur zu schaffen, jezt erneuert wird. Im Berlag von Reimar Hobbing ist inzwischen als zweite Filmnovelle Pirandellos Drama ,, Sechs Personen suchen einen Autor" erschienen. Sie
Höfer hat noch rasch von Marie Abschied genommen, ist bereits ist in Gemeinschaftsarbeit von Pirandello und Adolf Lanz braußen.
entstanden.
WAS DER TAG BRINGT.
der französische Ministerpräsident und jetzt Delegationsführer im Haag, war früher Journalist. Vor dem Weltkrieg hat er ein politi sches Buch geschrieben und es dem konservativen Reichstagsabgeord neten und Chefredakteur der ,, Deutschen Tageszeitung", Dr. Georg Dertel, gewidmet. In einer großen außenpolitischen Debatte bes Reichstags tam Dertel darauf zu sprechen. In seiner ganzen Größe und mächtigen Dide, den überfetten Bauch durch die weiße Weste unter dem schwarzen Gehrock noch hervorgehoben, stand Dertel mit dem fleinen, fast fahlen Kopf da und sprach:.... .. dieses fran zösische Buch ist freundlicherweise mir gewidmet von seinem Verfasser, Herrn Angtree Dartiöh". Da bemerkte Dertel einige schmunzelnde Gesichter, denn er setzte hinzu: Wenn ich den Namen vielleicht nicht richtig ausspreche, entschulchen Sie ich bin Sachse!"
PP
ribe.
hudai
daß er von ihr geschieden sei. Die Frau hat daraufhin ihren Mann angezeigt. Er wurde verhaftet. Goldfischmode in England.
Goldfisch", der in den Springbrunnen der vornehmen Paläste des Englischen Züchtern ist es gelungen, den sogenannten Blauen auf den Markt zu bringen. Die englischen Landbefizer reißen fich alten Rom ein niemals fehlender Gast war, in größeren Mengen banach, diesen Goldfisch auch auf ihren Besitzungen einzubürgern. Der blaue" Goldfisch ist fast schuppenlos und wirkt wie blaugeädert. Parfüm aus Mais.
Eine Frau, die ohne ihr Wissen geschieden wird. In Bordeaux hat es ein gewiffer Roger Reignartigue fertig befchrift Die Umschau ausführt. Da der Maisbau in Amerita für fommen, ein Scheidungsurteil gegen seine Frau zu erlangen, ohne daß diese davon eine Ahnung hatte. Es war nur noch nötig, das Urteil der Frau zur Unterschrift zustellen zu laffen. Dazu bediente sich der ,, Geschiedene" einer Freundin, die bei einem Gerichtsvollzieher das Bersäumnisurteil durch ihre Unterschrift anerkannte. Reignar tigue verfehrte mit seiner Frau weiter und erzählte ihr gelegentlich,
FUNK UND
AM ABEND
Freitag, 10. Januar.
Die Berwertung von Nebenprodukten, die sonst achtlos meggetan wurden, wird jezt in den Bereinigten Staaten immer eifriger be trieben. So hat man z. B. erkannt, daß der Baumwolljamen, der früher sogar in die Flüffe geworfen wurde und sie perunreinigte, febr nützliche Produkte ergeben kann, und etwas Aehnliches vollzieht fich jetzt beim Mais, wie Dr. Feige in der Frankfurter Wochendie Ernährung große Bedeutung hat, so bleiben ungeheure Mengen von Kolben nach Entfernung der Körner übrig. Man hat nun den bisher verachteten Maistolben näher untersucht und in ihm sehr nühliche Stoffe festgestellt. So fönnen z. B. aus den Kolben ver fchiebene Duftstoffe gewonnen werden, die für die Parfümindustrie wichtig sind. Manche dieser Duftstoffe haben einen fruchtartigen Geruch und fönnten dem Holz einen besseren Duft verleihen oder auch dem Kaffee zugesetzt werden; andere ähneln dem als starfes Parfüm verwendeten Del des indischen Guajat Holzes und dem Duft der Rosen. Sodann enthält der Maiskolben einen Süß ft off. der den Zucker um das Dreihundertfache übertrifft und vielleicht als Sacharinerfaz weite Berwendung finden wird. Schließlich hat man aus Maistolben eine organische Verbindung gewonnen, die als örtliche Betäubungsmittel fast so wirtsam ist wie das Novofain. Der Maistolben eignet sich also zu vielen Dingen, und durch seine Verwertung dürfen, sich die Erträge des Maisbaues beträchtlich ere höhen.
16.30 Gesänge.( Charlotte Jaeckel, Mezzosopran. Am Flügel: Kart Rockstroh.) Der Amtsschimmel lebt noch!
17.00 Teemusik.
17.30 Jugendstunde( Violinstunde).( Lehrer: Prof. Willy Heẞ .) 18.00 Dr. Fritz Schröter: Hertzsche und infrarote Strahlen. 18.30 Martin Raschke liest eigene Abeiten.
19.00 Untehaltungsmusik.
19.50 Das neue Buch.
20.15 Von Breslau Summa summarum" von Hermann Kesser . Spielltg.: 21.30 Rundfunkauftrag: Heitere Musik für kleines Orchester, op. 33( Radio
F. W. Bischof. Einleitende Worte: Der Autor.
musik II), von Max Butting Der Berliner Funk Stunde gewidmet. 1 Ouverture 2. Bläser- Serenade. 3. Virtuosenstückchen.
4. Tanz 3. Finale.( Berliner Funkorchester. Dir.: Der Komponist.) 21.45 Unterhaltungsmusik. Anschließend: Sportnachrichten. Nach den Abendmeldungen: Trocken- Ski- Uebungen( Dr. Christian Pfeil. Anschließend: Unterhaltungsmusik.
Königswusterhausen.
Ein Tanzfaalbefizer einer mitteldeutschen Stadt schidie Sonn abends feinen Sohn zur hohen Stadtbehörde, um bei der Polizei den Tanzerlaubnisschein für das übliche Sonntagsvergnügen zu holen und bei der Steuerbehörde die Eintrittstarten stempeln au laffen. Da die Kaffen schon geschlossen waren, erfolgte die Bezahlung erst am Montag. Die Folge war ein Strafmandat über fünf Mart. Am nächsten Sonnabend machte sich der gewißigte Saalbefizer sbst auf den Weg. Die Kaffenbeamten waren gerabe beim Abschluß, trotzdem noch tein Bureauschluß war, und meinten, der Saalbesikar folle am Montag wiederkommen und bezahlen. Der Mann bachte an sein Strafmanbat und wollte absolut bezahlen. Die Kaffenbeamten nahmen das Geld jedoch nicht. Der Saalbefizer ging zur Polizei und wollte 36 Mart devonieren, um auf keinen Fall einen
16.00 Schulrat Georg Wolff: Die pädagogische Arbeitsgemeinschaft des Lehrer. Strafbefehl zu bekommen. Die Polizei lehnte es ab, Gelb in Depot
kollegiums.
16.30 Nachmittagskonzert von Leipzig .
17.30 Sandra Droucker : Idealzweck der modernen Klaviertechnik18.00 Kurt Steberfreund: Zehn Jahre Handel und Industria in Danzig . 18.30 Englisch für Fortgeschrittene.
18.55 Gürtler: Weberei.
19.25 Uebertragung Staatsoper Unter den Linden: Boris Godunow ". Musikalisches Volksdrama von M. P. Mussorgsky. Bearbeitet and instrnmentiert von N. Rimsky- Korssakow.
zu nehmen. Also ging der Mann fopfschüttelnb nach Hause. Bieber fam ein Strafmandat über fünf Mart. Die gerichtliche Entscheidung lautete: Nach dem Buchstaben der gesehlichen Bestimmungen müffen Tanzscheine usw. vor dem Abholten der Veranstaltungen besohlt werden. Das sei nicht erfolgt, also bestehe die Bestrafung zu Recht. Im Namen des Boltes!... Sei lewet wirklich noch, der gute, alte, deutsche Amisschimmel!