Beilage
Sonnabend, 11. Januar 1930
Wie Inder reisen
Der Abend
Snadausgabe des Vorwärts,
Zur Förderung der materiellen Eniwicklung Indiens , ins. besondere des Außenhandels, wurde von der englisch - indischen Re gierung im Jahre 1849 mit dem Bau von Eisenbahnen begonnen. Er ging jedoch nur langsam vor sich, da eventuell Berlufte durch Bontottierung infolge des Kastenwesens und der Berschleierung der Frau zu befürchten waren. Im Verlauf von zehn Jahren wurden nur 99 englische Meilen Eisenbahnschienen fertiggestellt. Nach dem Aufstand im Jahre 1857 murden aus strategischen Gründen die Verkehrswege verbessert, doch fehlte es dem Staate an Geld. Im Jahre 1859 gründete man endlich acht englische Eisenbahngesellschaften. Bertragsgemäß wurde den Gesellschaften vom indischen Staat zugesichert, daß ihnen ein Gewinn von 5 Proz garantiert und die notwendigen Grundstüce tostenlos zur Verfügung gestellt würden. Die Gesellschaften verpflichteten sich ihrerseits, mit dem Staate einen eventuellen Mehrgewinn zu teilen. Im übrigen war es der Regierung überlassen, die Bahnen nach 25 Jahren an zukaufen. Heute sind die Bahnen bis auf 14 Broz. im Befizz des Staates. Der Berkehr entwidelte sich sehr schnell um 1900 war erstmalig ein Ueberschuß zu verzeichnen, mobei zu berücksichtigen ist, daß der indische Außenhandel mit Beginn des Eisenbahnbaues einen raschen Aufschwung nahm. Nach und nach stieg der Ueberschuß. Er belief fich beispielsweise im Jahre 1911
schließlich in der Hafenstadt Bombay im Verkehr. Hier sind auch die| Straßenbahnen als Verkehrsmittel zu erwähnen, die jedoch mur in den Großstädten anzutreffen sind und von Europäern selten benutzt werden. Die meisten Personenwagen sind zweiräderig. Der Europäer fährt nur in dem TANGA, obgleich er hier heftig gerüttelt wird. Der Tanga fährt schnell auf freier Straße und ist das beliebteste und vornehmste Verkehrsmittel der
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baradschas und Radschas gehalten. Nur gegen hohe Bezahlung oder reichliches Trinkgeld hat man in den Fürstenstädten Gelegenheit, auf einem Elefanten zu reiten( wobei das Auf- und Absteigen übrigens eine recht unbequeme Sache ist).
Die ersten Telegraphenlinien wurden in Indien 1851. angelegt. Heute sind fast sämtliche Städte durch Telegraphenlinien miteinander verbunden. Das Telegraphenneg ist ungefähr brei viertel so groß wie in Deutschland . Der Telegraph wird viel be.. nugt. Die bezahlten Depeschen beliefen sich bereits 1910/11 auf über 13 Millionen. Bei gewöhnlichen Depeschen beträgt die Gebühr für 10 Borte 12 Annas( 16 Annas= 1 Rupie, 1 Rupie 1,336 Mart). Daneben wird noch das Deferred Telegram befördert, bei dem 10 Worte 6 Annas tosten( es wird erst anschließend an die gewöhnlichen Depeschen erledigt). Es ist daher angebracht, mit dem Deferred Telegram gleichzeitig einen Brief an den Empfänger zu schiden, der mitunter eher als das Telegramm an den Bestimmungs. ort gelangt. Im großen und ganzen trifft aber auch das Deferred Telegram schnell beim Empfänger ein.
Das Telephon mird größtenteils von den Behörden und großen Geschäften verwendet. Kleinhändler und Privatpersonen leiften fich nur selten ein Telephon.
Personenkutsche in der Düfte
Inder. Er faßt vier Perfonen einschließlich der Kutscher . Dit ver fucht einer den anderen zu überholen, wodurch ein regelrechtes Wett rennen entsteht. Ein nur von Indern benuttes Fahrzeug ist die IKKA, ebenfalls ein zweiräderiger Wagen, der jedoch keine Sitzplähe hat und auf dem Fahrgestell einen oben glatten Rasten trägt. Die Inder sigen auf der glatten Fläche mit übergeschlagenen Beinen.
Tarife haben, einige große Städte ausgenommen, nur die von Europäern benutzten Fahrzeuge. Es ist daher ratsam, den Fahrpreis vorher zu vereinbaren, da sonst unangenehme Aus einandersetzungen nicht ausbleiben. Die Fahrpreise sind niedriger als in Deutschland , abgesehen von den Miets- und geliehenen Privatautos, die fast ausschließlich von Europäern benutzt werden und auch nur dort gehalten werden, wo Europäer wohnen. Sänften werden von Europäerinnen nur in den Höhenfurorten gebraucht, hingegen befindet sich für die indische weibliche
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Pofttransport in der Wüfte
nach Berzinsung des Rapitals und nach Abzug der Gelder zum Antauf älterer Linien auf ungefähr 54 Millionen Mart.
An Wagentlassen führen die indischen Eisenbahnen drei, mitunter auch vier( zwischen der 2. und 3. Klasse eine Intermediat Klaffe). Im Gegensatz zu den Eisenbahnen in Europa sind die Size in Längsrichtung der sehr breiten Wagen angebracht und eignen sich vortrefflich zur Nachtruhe( eigentliche Schlafwagen existieren nicht). Während die 3. Wagentlaffe meistens recht primitiv ist, reift es fich in der 1. und 2. Klasse äußerst bequem. Sogar Bentilation fehlt bei den ersten beiden Klassen nicht. Jedes Abteil besitzt bequeme Toiletten, oftmals mit Badeeinrichtung. Rauchen ist in jedem Wagen gestattet. Die Fenster der 1. und 2. Klasse sind mit 3 bzw. 4 Berschlüssen versehen, um je nach Tageszeit und Witterung helle gegen mattierte Glasscheiben austauschen zu können. Speisewagen führen nur einige Schnellzüge der großen Streden mit, die anderen versorgen aber die Fahrgäste mit Sodawasser und Speise eis. Auf den Hauptstrecken wird der Fahrplan mit ziemlicher Pünkt lichkeit innegehalten. Auf den fleineren Strecken muß sich der Fahr. gaft in Geduld faffen. Die Fahrpreise stellen sich niedriger als in Deutschland . 3. Klasse fostet ein Siebentel der deutschen, d. h. 1½ Pf. pro Kilometer, Intermediat- Klasse ein Fünftel und 2. Klasse die Hälfte des Fahrpreises für die erste Wagentiaffe.
Früher wurden die Wagen der ersten und zweiten Klaffe durch Borhänge für die Frauen abgeteilt. In der Intermediat und in der 3. Wagentlasse mußten die weiblichen Personen, um nicht Blicken
Elefantenwagen nur für den Maharadjcha
Laben mit vier bis fünf Leihsänften. Die bestellte Sänfte wird Bevölkerung( hauptsächlich Mosleminnen) faft in jeder Straße ein vor das Haus gebracht. Die beiden Dienstleute lehnen fich einer an die Border, der andere an die Rückwand der Sänfte, so daß die Dame, ohne von ihnen gesehen zu werden, in die Sänfte steigen tann.
Während in Birma die Elefanten als Lastträger Vermendung finden, werden in Britisch- Indien Elefanten nur von Ma
Die
Eine Dorffchöne auf dem Spazierritt
oft verbindung ist zuverlässig. Auch wenn die Poft durch Kuriere über gefährliche Bässe und durch unsichere Gegenden ( Wüste, einsame Landstreden zwischen entlegeneren Dörfern, durch die nicht einmal die Bahn ihren Weg nimmt) befördert wird, gehen felten Briefe verloren. Der Postbeamte hat übrigens in Indien mit allerlei Schwierigkeiten zu kämpfen. Die Häuser sind z. B. nicht mit Nummern versehen( einige große Hafenstädte ausgenommen), so daß der Briefträger die einzelnen Bewohner im Gedächtnis haben muß. Ueber 200 Sprachen und über 30 Schriftarten find zu berücksichtigen. Außerdem neigen die Inder dazu, allerhand unnötige Sachen auf das Kuvert zu schreiben. Doch darf nicht unerwähnt bleiben, daß zirka 1 Proz. der Briefträger nicht lefen fann. Wollen diese Analphabeten in ihrem Revier die Poſt aus tragen, so müssen sie sich erst jemand greifen, der des Lesens fundig ift und ihnen die einzelnen Empfänger nennt. Der Portosatz für und für Postkarten die Hälfte. Obgleich zirka 96 Proz. der Orts- und Fernverkehr ist der gleiche, nämlich 1 Anna für Briefe. indischen Bevölkerung Analphabeten sind, die ihre Korrespondenz durch einen Munschi( Briefschreiber) erledigen lassen müssen, sind die Postfachen sehr reichlich. 1910/11 belief sich z. B. die Zahl der beförderten Briefe und Postkarten auf 945 Millionen. 1923. befaß Indien 19 610 Bostämter mit einem 107 067 Köpfe zählenden Bersonal.
ist daß sein Testament zu
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verzichteten Frauen der höheren Kasten wegen dieser Unbequem lichkeit auch zum größten Teil auf Eisenbahnfahrten. Heute sind für die Frauen Ertraabteile vorhanden. Entgegen den anfangs gehegten Befürchtungen wird die Eisenbahn von den Indern start in Anspruch genommen. Schon allein deshalb, weil es jetzt auch der ärmeren Bevöl erung möglich ist, ohne größere Geld ausgaben und in furzer Zeit an die Wallfahrtsorte zu gefangen, mas in diesem Lande, in dem die Religion eine überous große Rolle spielt, von besonderer Bedeutung ist. Außerdem ermög Hibt es der Eisenbahnverkehr, Gegenden, in denen durch Mißernte Fungersnot ausbridt, fnell und reichlich mit Getreide zu ver sorgen während früher Hilfeleistung nur schwer möglich war.
Kilometer Landstraßen verschiedener Art, von denen viele Aißer den Haupt chausseen gibt es in Indien 240 000 bequem mit. Lastkraftwagen befahren werten fönnen; auf den übrigen verfehren tie einheimischen Bagen. In manchen Gegenden fann man das Reiseziel mur zu Pferd erreichen. Deshalb wird von den Staatsbeamten, die ihre Tätigkeit in die Dörfer und in Gebirge führt, verlangt, daß sie gute Reiter sind. An Beförderungsmitteln für Personen unterscheidet man mehrere Sorten Bagen, deren Vorspann je nach der Gegend aus Pferden, Eseln, Ochsen, Kamelen oder Elefanten besteht. Das Pferd kommt in Indien nur für die Personenbeförderung in Frage. Die auch vielfach anzutreffenden Büffelgespanne finden für Wagen mit Lasten Verwendung, auch dienen die Büffel als Laftträger An Personenwagen gibt es u. a. die der europäischen Droschte gleichende FITANN, fast aus
Nach dem deutschen BGB. fann bekanntlich jeder und jede, gleich ob Meister, Gefelle oder Lehrling, oder Meisterin oder Angestellte, oder Lehrmädchen usw. sein eigenes Testament machen, sofern man dur das 16. Lebensjahr vollendet hat und nicht gerade wegen Geisterschwäche, Verschwendung oder Truntjucht entmündigt ist. Eine andere Frage ist es aber, wo man am besten seinen letzten
Willen verwahrt.
Es handelt sich hier um einen höchst persönlichen Rechtsaft, deffen Inhalt naturgemäß nicht vorher öffentlich ausgerufen wird, sondern genade geheim bleiben soll. Für ein gültiges Testament genügt bekanntlich jeder Zettel, sofern mon ihn nur selber unter unterschreibt und folde Bettel fen, baß man fein privatAngabe des Ortes und Tages eigenhändig schreibt und solche gehen nur allzu leicht ver loren. Hier ist es nun widtig zu wissen, schriftliches Testament jederzeit in amtliche Ber mahrung geben tann. Man fann es selbstverständlich auch jebem guten Freunde oder jeder guten Freundin, etwa im ge. schlossenen Kuvert, übergeben; jeder Besitzer eines Testaments, das nicht schon in amtliche Verwahrung gebracht worden ist, hat es nämlich sowiejo, sobald er nur vom Tode des Erblassers oder der Erblossierin hört, dem Nachlaßgericht abzuliefern, d. h..dem Amtsgericht, in dessen Bezirk der Erblasser zuletzt wohnte. Aber wie Bücher, so haben auch Privattestamente ihre Schicksale; der gute Freund stirbt vorher oder das Testament verbrennt oder es wird von anderen guten Freunden" geftohlen usw. Kurz, zu empfehlen
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abgibt.
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Man fann ganz allein hingehen; man fann es auch durch die Poft mit furzem Anschreiben übersenden: Anbei mein Testament zur sofortigen Verwahrung; mein Vermögen, abzüglich meiner Schulden beträgt foundso viel Marf. Bom Amtsgericht bekomint man dann ganz von selbst einen Hinterlegungsschein, den man jedoch niemanden zu zeigen braucht Das Gericht verwahrt nämlich das Testament in einem hochhelligen, feuer- und diebesfidyeren Testamentschrank und ,, mit tötlicher" Gewißheit bleibt es dort bis entweder der Erblasser es aus irgendeinem Grunde zurückfordert oder bis seine Sterbeurkunde zu den Atten gelangt. Erst dann wird es vom Richter und Urkundsbeamten wieder entnommen und im besonderen Termine eröffnet und verfündigt. Man fanm wieder sein eigenes Teftament zurück, was er jederzeit, natürlich also ruhig herein.hreiben, was man will: auch der größte Feind fann einem nichts mehr tun. Fordert der Erblasser zu Lebzeiten ohne Gründe anzugeben, tun tann, so entsteht nach feinem Tode. die Frage: Soll das Testament nun gelten oder nicht?" Im 3 weifel gilt die Rücknahme aus der amilichen Verwahrung nicht als widerruf. Vielmehr ist die Rücknahme solchen privaten Testaments auf die Wirksamkeit ohne Einfluß.
Anders steht es mit den Testamenten, die vor einem Richter oder Notar errichtet waren. Diese tommen sowieso von Amts wegen in den Testamentsschran?, und ihre Rückgabe an den Erblaffer gilt als Widerruf. Vor Abfassung und hinterlegen eines Testaments empfiehlt sich sehr Rücksprache mit Nachlaßrichtern oder einem Rechtsanwalt. Amtsgerichtsrat Berthold Herz.