.. Kapitel: Elve Heimkehr. Ueber die deutsche Grenze. .r Zug rollte der deutschen Grenze zu. Sie sahen in den .mzelnen Abteilen zusammengepfercht wie eine Herde Schase. Äriegcgefangene, Ziollintcrnierte, wie es gerade kam. Immer ein englischer und ein belgischer Begleitsoldat in jedem Abteil. Stumm sahen sie vor sich hin. Ihre Körper ruckten gleichmäßig im Zugrhythmus mit. Als sie von Ostende abfuhren, sangen sie Heimatlieder. Sehr gedämpft natürlich. Von Brüssel ab wurde es still. Die Heimat rückt« näher. Jeder beschäftigte sich in Gedanken mit seinen Angehörigen, mit seiner Zukunft. Was wird nun? Fast von sekem Gesicht konnte man dies« Frage ablesen. „Hergenrath— Hergenrath— Hergenrath—* brummte einer im Takt. Er betonte dabei immer die erste Silbe. Der Engländer sah kalt und scharf nach ihm hin. „Sied man, Assenjunge, nu hat sich's ausporiert— verstehste!", rief Boxerwilli in freundlichstem Ton und lächelt« den Soldaten liebenswürdig an. Alle lachten laut. Ein paar Minuten noch. Jahr«, vier lange, stumpf« Jahre fielen dann von ihnen ob wie ein böser Traum. Deutschland — Freiheit! Von dem Augenblick, da sie ihr« Hcimatgrenz« erreichten, erwarteten sie viel. Etwas Großartiges mußte dabei geschehen—.etwas: was, wußten sie nicht. Sic dachten nicht darüber nach» Aber irgendwas würde sein. Jubel— Menschen. Vielleicht würde man ihnen entgegenstürzen und sie in die Arme schließen Knapp.zehn Minuten noch— sie dehnten sich zu Ewigkeiten. Boxerwilli kramte seine Sachen zusammen. Unruhig sah er dabei all« Augenblicke zum Fenster hinaus.„Ich glaub«, die fahren uns noch Hj paar Stunden durch Belgien spazieren. Die können sich nich von uns trennen." Ein lonacr klaaender Lokomotivenpfiff übertönte sein letztes Wo: Mit einem Ruck riß Boxerwilli seinen Koffer an sich, drängte an den Wachsoldatcn vorbei und stieß die Tür auf. Er war der erst« in der Freiheit. Was denn? Wie? Er war verblüfft. Ein von Soldaten überfüllter Bahnsteig. Gedränge, Schubsen, Anschnauzen. War das alles, weiter nichts? Deutsche Gcndarme, in Zivil, mit einer Binde um den Arm, um sich kenntlich zu machen, versuchten die Ordnung aufrecht zu halten. Ohne Uniform kamen sie sich vor wie Pudel, die zum ersten- mal geschoren waren. Aller äußerlichen Machtzcichen entblößt, kommandierten sie doppelt stramm und herrisch herum. Die Kriegsgefangenen gehorchten, der Drill steckte ihnen im i Blur. Die Zivilinternlerten— es waren nicht viel«— waren über diese Behandlung wütend. S-e murrten. Es waren junge Burschen, meistens Seeleute, die man von den Schiffen heruntergeholt hatte. Ein Gendarm brüllte Namen für Namen auf, die er aus einer Liste ablas. Jeder Ruf war den strammen Jungen, die vier Jahre ohr* fremden Willen gewesen waren, wie ein Peitschenhieb. Aus- sässig, mit unterdrückter Wut gingen sie an die angewiesenen Plätze. Boxerwilli war an der Reihe. Er warf dem hinter ihm stehenden ehemaligen Leichtmatrosen Tom Matthee«inen wilden. auffordernden Viick.zu. Der reckte sich auf. „Merkste was, Tom will angeben!"—„Der is richtig!" flüsterte man aufgeregt. Das stärkte noch sein Selbstbewußtsein. Sein Gesicht wurde trotzig. Er versenkte die Fäuste In den Hofentaschen. , Thomas Matthes!" kommandierte der Bsamte. Tom schob gemächlich aus der Reihe. „Bischen schneller!" „Bün ja schon da." sagte Tom gemütlich. Der Gendarm sah das Grinsen der anderen. Sein Gesicht wurde rc. Toni ging mit wiegenden Scemannsschritten vorwärts, so langsam er konnte. Er sah keck aus. Seine arisfallend schönen braunen Haare kamen unter der schiefsitzenden Mütze hervor. Sie gaben keinem Gesicht einen hcraussorderndeu Ausdruck Er zog seine Mundwinkel verächllich nach unien. ,/n bißchen dalli, Mensch I", schrie der Beamte zornig. Tom sah ihn aus halbgeschlossenen Augen an und bemüht« sich, noch langsamer zu gehen. Alle freuten sich und bewunderten Toms Mut. Dem Gendarm riß die Geduld. M.t ein paar schnellen Schritten war er bei Tom und packt« ihn am Kragen Ein mächtiger Stoß warf den Matrosen vorwärts.„Dir werd ich's beibringen!" Im nächsten Augenblick hatte Tom seine Hände aus der Tasche. Er riß sich herum und gab dem Beamten zwei schallende Ohrfeigen. „Wat willst du von mi? Ick bün Ken Soldat, mir hest du nix to vertellen," brüllte er ihn an. Alles schrie vor Vergnügen aus— beugte sich vor Der Gendarm war kreideweiß geworden und griff unwillkürlich an di« Seite— seine Hand sank nieder. So, ja... er hatte ja keine Waffe mehr. „Tin Hurry kür Tom," schrie Boxerwilli und schwang seine Mütze. „Hurra!" orüllie das jhiiüjchen Zivilgesangener aus. Die Sol. baten grinsten. Mehr trauten sie sich nicht. „Ich werde Sie anzeigen." wütete der Gendarm außer sich. .Zeig mir onl" Tom lachte und fletschte dabei seine herrlichen Zähm Tom war Sieger aus der ganzen Linie. Seine Kameraden um- ringten ihn, schüttelten ihm die Hände und drängten einander weg, um nur dicht bei ihm zu sein Ueber Hcrgenrath war in den letzten Wochen ein« Woge hungriger ausgemergelter Soldaten hinweggeflutet. Seine Bewohner gaben und gaben. Nun kamen hie Letzten. Die Gefangenen. Kaffee-Eifatz. Brötckcn mit Koh'rübcnmarme'ad« machten auch diese satt. In dem Zug nach Köln , der Abmusterungsstation, war Betrieb. Sie fangen, gelobten einander Wiedersehen, schwatzten durcheinander. Boxerwilli hielt den Kops gesenkt. Er schob seine verkrüppelte linke Ohrmuschel vor, der er seinen Spitznamen verdankt«, und bordstc auf die Zukunstspiäne der anderen. Nun sah«r zu Tom. „Wo fährst du hin?" Zu Mudding." '?ab' ich nicht."
„Wohin nimmst du denn die Karte?" „Weiß nich." Boxerwilli starrte mürrisch vor sich hin. Seit Monaten waren die beiden unzertrennlich. Im Lager auf der Insel Man , zwischen England und Irland, hatte Willi eine gewisse Rolle gespielt. Er vermittelie Geschäfte zwischen den Ge- sangenen, hiest ein« Bank, in der man beim Spiel verlieren könnt«, und war auch bei den Boxtampfen immer dabei. Hauptsächlich als Unternehmer. Zuerst hatte er auch selbst geboxt. Nachdem man ihm aber sein Ohr zerschlagen hatte, gab er das Kämpfen auf irnb wurde Deranstalter. Die„Insel", wie man das Internierungslager kurz nannte. wurde mst der Zeit ein einziges Boxlager. Jedermann, der von der Langeweil« geplagt wurde, trieb Sport. Boxerwilli und Tom biScien«ine Intereflengemeinschost. Boxerwilli war von der genialen Findigkeit gestrandeter Existenzen. Er hatte bei Tom einen guten Lederkofser entdeckt. Ein bißchen schustern konnte er auch. Es war schließlich sein« Privatsache, daß er es in„Z«t Brandenburg" erlernt hatte. Nun mußte der echte Rindledertoffcr Toms daran glauben, um Betriebskapital zu schaffen. Er wurde zu Stiefelsohlcn zerschnitten, und die Schuhe der Zahlung s- kräftigeren Gefangenen wurden gegen gutes Entgeh damit besohlt. Kapital war also da. Sportoeranstoltungen wurden finanziert. Natürlich immer in dem bescheidene» Rahmen des Lagers. Bor allen Dingen wurde eine Spielbant«röfsnet. Die brachte was ein. Boxerwilli lieferte die Erfahrung und stellte sein« Gerisienheit in den Dienst der Sache. Tom, außer dem Leder, seine harte, un- besiegbare Faust, mit der er allen Zweifeln an Doxerwillis reeller Geichästsführung ein schnelles Ziel setzte. Ihre gemeinsam betrcebene „Spielhölle" blühte und gedieh auf der Insel wie keines der anderen helmlichen Unternehmungen, die ebenfalls alle mehr oder weniger zweifelhast waren. Der stark« Tom wax eine rasche, heißblütig« Natur. Denken war nicht seine Sache. Das überließ er neidlos seinem Freund Boxcrwilli. So verstanden und ergänzten sie sich aufs beste. Komisch würde es sein, wenn min Boxcrwilli fort war.„Weißt du was? Komm mit mir nach Neuslrelitz", sagte Tom plötzlich. „Eigentlich möchte ich nich. Weißte, ich will's in Irgend einer großen Stadt probieren. Mach doch mit, wir werden schon ver- dienen." .„hast schon recht, Boxerwilli, ich mach mir. Aber erst mal nach Hause. Mensch, mußt doch bedenken, daß sie mich seit beinah sechs Jahren nicht gesehen haben. Ich war doch damals lange auf großer Fahit. Ausgerechnet, als wir mit dem ollen Kahn heimwollen, bricht der Krieg aus, und sie kriegen uns. Nö, erst will ich to Hus. Nix to malen." Die letzten Worte sprach Tom wieder platt Boxerwilli sah ein, daß er in dieser Angelegenheit Tom« Willen nicht lenken konnte.„Dann komme ich eben mit" sagte er ergeben. In Köln mußten sie im Wartesaal übernachten. An richtigen Schlaf war natürlich nicht zu denken. Ununterbrochen wurden sie durch neuankommcnde Soldaten und Zivilisten gestört. Am nöchstcn Tage versuchten sie, im Zug etwas zu schlafen. Zu Ansang ging es. Je mehr st« sich jedoch Mecklenburg näherten, um so unruhiger wurde Tom. Es war fast genau so wie vor Hergenrath.- Wenn es bloß nicht wieder so ein« Enttäuschung wird, dachte er. Er war jetzt ganz munter und blickte ausgeregt aus dem Fenster.
Er dacht« daran, wie er vor sechs Jahren mit groß«! Ideen losgezogen war, und was er seitdem alles erlebt hatte. Bei Boxer- willi blieben seine Gedanken hasten. Er sah über die Schulter auf seinen Gefährten, der vor sich hindoste. Was wird das jetzt wohl für ein Leben mit ihm? Tom hatte von Willi so mancherlei gelernt. Es gibt so kleine Tricks und Kniffe, mit denen man dem Glück nachhelfen kann. Boxerwilli beherrschte sie einwandfrei. So war«r nach und nach in Toms Achtung immer höher gestiegen. Eigentlich hatte sich der ehemalige Leichtmatrose eines riesigen Seglers dem früheren Heizer, dem..Feuermaim" weit überlegen gefühlt. So schlau war Tom allerdings auch, daß er bemerkt hatte, wie Boxerwilli ihn betrog, wo es anging. Schön war das einem Freund gegenüber nicht gerade. Es war aber nichts daran zu ändern. Allein konnte Tom di« Spielbank nicht leiten. Schließlich war er ja auch zu seinem Teil gekommen, und Boxerwilli war in jeder Hinsicht ein fixer Kerl, durch den man seine Vorteil« hatte. Boxerwilli war aufgestanden. Der Zug rollte langsam in den Dahnhof«in.„Mensch, euch ham se woll'n Stück vom Bahnhof geklaut?!" ulkte er Tom on, als er die bescheidene Halle der kleinen ehemaligen Residenz erblickte. In der Heimat, in der Heimat...! Tom hörte nicht hin. Mst einem Sprung war er aus dem Zug. Ehe BoxerwiM die Koffer aus dem Abteil heben konnte, war fein Freund bereits durch die Sperre gerannt. „Tom— Mensch— Tom!" schrie Willi ungeniert hinterdrein. Tom hörte es nicht mehr. Seine langen Deine durchmaßen die Straßen des Städtchens im Eilzugtempo. Als Willi aus dem Bahnhof trat, war keine Spur mehr von seinem Kanreraden zu sehen. Er stand einen Augenblick verdutzt. Sein häßliches, listiges Gesicht zeigte den Ausdrück unangenehmer Uebsrraichung. So stark war di« Anhänglichkeit on die Heimat? Di« schiefen Augev, von deren Farbe im Pah„unbestimmt" stand, maßen verächllich di« kleinen stillen Häuser. Behäbigkeit, Wohlanständigkeit atmete dos alles. Kein Ort, in dem für ihn der Weizen blühen würde. Boxcrwilli fragt« sich kurz nach dem Haus von Toms Eltern durch. Mein Gott, war das«in kleines Gebäude! Er schob die Unterlippe vor. Die Tür war mit einer Girtand« geschmückt. Boxerwilli trat «in. Tom stand in der Gaststube, inmitten einer Meng« atemlos gespannter Menschen und erzählte. Er tat sich schauderhast. Boxer- willi bemerkte er nicht sofort. Er war zu sehr beschäftigt: denn olle seine Abenteuer sollten auf einmal herauskommen. Die Stube dröhnte von seiner lauten, lebendigen Stimme. Nebe» ihm stand eine kleine verarbeitete Frau und ließ kein Auge von ihrem Jungen. Der Bater lachte wie der Dollmond selber. Er horchte aus die Berichte seines Sohnes, vergaß aber dabei keineswegs seine Pflichten als Gastwirt. „Also— mein Kamerad und ich nu runter und— hallo, da is er ja! Ach Willi, dich hatte Ich ganz vergessen. Na. hast ja'n guten Riecher gehabt. Mach's dir man bequem!" Der Dater Toms schüttelte Willi die Hand. Tom mußte den Freund mächtig herausgestrichen haben; denn auch die Mutter gab ihm die Rechte mit einem wahrhaft andächtigen Dankgesicht. Die Bürger staunten. In ihr« Kleinstadtseieriagsstille brauste das Abenteuer. Blies frisch wie der Seewind, ein Hauch des großen Lebens. Was waren schon die heimgekehrten Soldaten? Jeder war draußen gewesen! Aber ein Seemann,«in Gefangener, seit Iahren von einem Abenteuer in dos andere geglitten! Das waren Tage? Herrgott nochmal! Jeder kannte Tom. Jeder duzt« sich mit ihm. Die meisten konnten sich noch aus den kleinen Jungen entsinnen. „Büst'n nixnutziger Bengel gewesen. Süh mal süh, wat doch aus'm Minschen werden kann", sagte der kleine Schneidermeister Boß. Er reichte Tom nicht einmal bis ans Kinn und mußte zu dem gnädiglich Belobten aufsehen. „Denkst noch dran? Ms wi damals—* Gott, an was sollte er noch alles denken? Diesem waren Apfeldiebstähle, jenem Baum- klellerei die Abenteuer.(Forlietzung folgt.)
Rätsel' Ecke des„Abend".
Kreuzworträtsel.
KönigSzug.
6.
Waagerecht: 1. Gebäude: 3. Eselsschrei: 4. englisch zu: �Spielkarte; 1. Kultureinrichtung, 8. Zuchtigungsinstrun�nl:
0. Mäcchennam«: 11. Haustier; 12. Einfall: 15 Hirschart: 17- Körper. bestandtcil: IS. Derbanilcstoff.— Senkrecht: 1 Deutscher Dichter: 2. Sattelzubehör; 3. Hilf zeitwori: 5. O"gan: 8. jüoischer Geistlicher: 10. Mädchenname: 13. französisch„von": 14. persönliches Fürwort: 16. französischer Artikel»
Magisches Quadrat. Die Buchstaben sind so zu ordnen, daß waage» recht und senkrecht vier Worte von folgen er Bedeutung entstehen: l. Wüst«: 2 Edelstein: 3. Musikinstrument: 4 Mädchenname.*
Slrechho'.zaufgabe. I VI ITT Ii i I Können S:« aus diesem Wort eine Zahl machen?
Kreuzrätsel. l— 2 Teil des Hauses: 1— t Teil der Blumen: 2-� 4 Bogel-, 3—4 Hirschart(Mehrzahl).* (Auilölung der Rätiel nächsten Mittwoch.)
Auflösung der Rätsel aus voriger Nummer. Kreuzworträtsfl. Waagerecht: 1. Gate: 4. Star: 7. Bell; g. Gan«: 11. Irland: 13. Utopl«: 15. Eibau ; 17. Eos; 19. Eva: 21. Etagere: 24. Elefant: 28. Ma; A. Aal; 31. Husum ; 32. Sabin«: 35. Herder: 30. Tran: 40. Aase; 41. Lome : 42. Elle.— Senkrecht: 1. Gobi ; 2. Oder: 3 Ella: 4. Sago : 5. Anni: 6. Rose. 8. Ilse; 10. Apio: 12. Nest; I4. Tür; 16. Bug: 18. Ossel-, 20. Desto: 22. Ais ; 23. Eva: 25. Lahn ; 26. Fis: 27. Name: 28. Alba: 30. Leda; 32. Styl: 33. Arno; 34. Inge; 3«. Rab «: 37. Esel: 38. Red«. S ch a r 0 d e: Schlüsielblumc. Silbenrätsel: 1. Gummiband: 2. Reisepaß: 3. Orient: 4. Scrajewo: 5. Lomuel; 6. Exzellenz: 7. Mosaik: 8- Epistel: 0. Rar- tose: 10. Stradivarl; H. Ehampigno«: 12. Hyazinthe; 13. Erdbeere; 14. Räscherei: 15. Schweinefett: 16. 3noaIi2)e; 17. Rachtiaall._ Große Menschen sind stolz, klein« estel.