Goebbels gegen Hindenburg . Und Hitler gegen Goebbels . Der„Angriff" des Herrn Goebbels hat eine be- leidigende Karikatur gegen den Reichspräsidenten veröffent» licht und beleidigende Aeutzerungen dazu. Der Reichspräst- dent hat gegen Goebbels Strafantrag gestellt. Herr Goebbels hat darauf eine Antwort angekündigt, und nun gibt er sie— spaltenlang. Er ist von Hindenburg enttäuscht: denn es Ist alles anders gekommen,„als wiz� wir es uns gedacht haben". Ja, wie sie es sich gedacht hatten! Hindenburg an der Spitze der Rechtsradikalen— von 1025 an bis zum Hugenberg-De- gehren, weiches Wachs in den Händen der rechtsradikalen Drahtzieher. Sie haben sich in der Persönlichkeit verrechnet, und nun schimpfen sie. Nicht nur auf den Reichspräsidenten , sondern auch auf seinen Sohn Oskar von Hindenburg , der „besonders gute Beziehungen zu führenden Sozialdemokraten" habe. Indessen: Herr Goebbels hatte vor dem Strafantrag mehr Mut als nach dem Strafantrag. Er ist aus seiner bekannten Tonart plötzlich ins Larmoyante verfallen.„Warum beschimpft man uns"— so fragt er—,„die wir wenigstens soviel Zivilcourage aufbringen zu sagen, was alle denken?" Cs� ist bereits das Plädoyer eines Angeklagten. Cr habe die Verantwortung übernommen, obwohl Zeichnung und Artikel nicht von ihm stammten, weil er mit ihnen ein» verstanden sei. Dann wird er weinerlich pathetisch: „Aber was nützt das alles, wenn keiner den Mut hat, es z u sa g e n I Jedermann weiß es, aber alle b-iben sie Angst vor dem Pöbel der Mehrheit, der seine Helden haben will und haben muß. Sie beten noch eine Autorität an, die ihnen gar nicht mehr gehört, die längst von der Gegenseite okkupiert wurde und in allen Schicksalsfragen gegen sie ausgespielt wird." Nun wieder erbittert und verbittert: „Natürlich gibt es Immer Menschen, die da versuchen, aus solch einer prinzipiellen Frage eine Frage der Taktik und der Pietät zu machen. Aber sie tun das meist nicht aus Taktgefühl oder Pietätsoerpfiichtung, sondern um sich dahinter zu verbergen, damit sie nicht gezwungen werden können, zu der p r l n z i p i e l l e n Frage Stellung zu nehmen. Es sind jene Halb st arten, die, um es an einem Beispiel zu illustrieren, monatelang vom Marsch nach Berlin faseln und dann, wenn einer tatsächlich anfängt zu marschieren, dummdreist erklären, so wäre das nicht gemeint gewesen, oder der Zeitpunkt sei taktisch ungeschickt gewählt."... Herr Goebbels verteidigt sich offensichtlich, er diskutiert und polemisiert, er schlägt an die Brust, er klagt und weint, und zuletzt sagt er frei nach Hergt: „Nun steinigt uns! Hier stehen wir, wir können nicht andersl" Ist das alles schon für den Strafrichter bestimmt? Wer ist's, zu..dem� Herr Goebbels.so melancholisch spaltenlang redet? Das Geheimnis ist leicht zu lösen: er unterhält sich mit, Herrn Hitler . Herr Goebbels ist auf vier Wochen trank, wie sein Blatt mitteilt. Die Krankheit ist politisch. H i t l e r. der schon lange in tbm einen Konkurrenten sah. hat ihn geschachtet. Der Angriff' auf Hindenburg Hat den Vorwand dazu gegeben. Die Tonart des HertM Goebbels unterscheidet sich war nicht von der des„Völkischen Beobachters", ober der Anlast war willkommen. Wie der„A l a r m" erfahren haben will, ist Goehbels als Gauleiter von Groß-Verlin auf vier Wochen- suspendiert, und auf Hitlers Befehl nimmt für diese' Zeit Herr Straß er aus München , der Todfeind Goebbels ', die Oberleitung. Herrn Goebbels aber ist be- fohlen worden, als Gauleiter zu Herrn M u t f ck m a y n nach Plauen zu oehen, der bereits mit Herrn v o n M ü ck e fertiggeworden ist. Deshalb hat Herr Goebbels heute weniger Mut als zu- vor. Als armer Sünder plädiert er vor seinem Parteipapst und bekennt: hier stehe ich vor dir... Das Geheimnis von Moabit . »Enthüllungen" der„Iloten Fahne". Die„Rote Fahne' hatte am Sonnabend uwer der Ueberschrift „Die Reichswehr hinter den TscherwonzenfSlschern" angebliche Eni. hüllungen gebracht. Das Blatt behauptet, m der Geheimsitzung des Prozesses am 9 Januar habe der Verteidiger Karumidzes ein die.Staatssicherheit gefährdende," Dokument zur Verlesung bringen wollen. Dieses Dokument sei ein offizieller Ausweis sür Karumidze, der vom Reichswehrgruppenkommando VII, unter- schrieben von dem kommandierenden General Kreß von Kressenstein ausgestellt sei.. Daran knüpft die.Mote Fahne' u.. a. die Behauptung, daß vom Auswärtigen Amt zwei Beamte aus Veranlassung des jetzt an- geklagten Schmidt in München mit dem ukrainischen Emigranten- kreis verhandelt hätten, und daß Dr. Held, Sohn des bayerischen Ministerpräsidenten, im August 19Z7 in Sofia ein« Zusainmmkunst mit dem jetzt angeklagten Bell gehabt habe. Held, obwohl er nicht im diplomatischen Dienst steh«, sei mit einem Diplomatenpaß aus- gerüstet gewesen. Dom Auswärtigen Amt« werden diese Ac° hauptungen sämtlich als aus der Luft gegrissen bezeichnet. Dit„Rote Fahne" behauptet- weiter. General Kreß von Kressen- stein- habe seinen Generalstabsosfizier Adam mit der Ausarbeitung eines Planes gegen SowjetrußlonS beaustragt, zu dem Karumidze die-geographischen und sonstigen Unterlagen. geliefert hohe. Das Reichewehrministerium erklärt hazu. daß GenerÄ Kreß von Kressen- stein sich niemqls mit derartigen Plänen befaßt uitd demzufolge auch keine derartigen Aufträge gegeben habe. Der angebliche Ausweis für Karumidze fei nicht Gegenstand der.nichtöffentlichen Verhandlung und überhaupt kein amtliches Schriftstück gewesen. Es Handsl« sich vielmehr um eine private Empfehlung des Generals von Kreß für Karumidze aus dem Jahre 1925, deren Echtheit aber noch nicht nachgeprüft werden konnte'. Der Terteidiger hatte im übrigen aus die Verlesung des Schriftstückes von sich aus verzichtet.
Die schottischen Rebetten. London . 10. Januar.(Eigenbericht.) In Glasgow tagt eine Konferenz der schottischen Organisationen der unabhängige» Arbeiterpartei(ILP.). an der MO Delegierte teilnahmen Es dürfte zu einer großen Auseinandersetzung zwischen Maj t o n und den Vertretern der gemäßigteren Richtung, Johnston, Dolland und Sh in well kommen. Die Aus- spräche wird einen Fingerzeig sür die Entwicklung der Krise in der unabhängigen Arbetterportei geben. Sämtliche Abgeordnete, die in die sogenannt» schottische Rebellion im Parlament verwickelt waren, werden erwartet.
Fabrikant Pinke besucht einen Maskenball.
Der Kampf geht weiter. Die polnischen(Sozialisten fordern ehrliche Demokratie.
Warschau . 11. Januar. Der Zentralvorstand der polnischen sozialistischen Partei betont in einer Entschließung, bei der Beilegung der letzten Regierungs- lrise seien Methoden angewandt worden, die den Schein der Der- sassungsmäßigkett wahren sollten. In Wirklichkeit zeige die Zu- sammensetzung des neuen Kabinett», daß eine Aenderung des Systems, das sich auf ein« verschleiert« Diktatur stütze, noch nicht eingetreten sei. Der Zentralvorstand ruft die Arbeiterklasse aus? den Kämpf um die Liquidation derDiktatur d«S Marschalls Pcssudskl fortzusetzen. Verhaftungen im Te'ephonftandal. Warschau , 11. Januar. Es sollen mehrer« Berhaftungen vorgenommen worden sein, über die strengstes Stillschweigen bewahrt werden Der Direktor der Ostagenwr hat zugegeben, daß der von dem verhafteten Reporter Seinfeld verbreitete politisch« Geheimdienst in der Ostagentur ge- schrieben worden ist, jedoch ohne sein Wissen und keinesfalls in seinem Auftrage.
Das Vorhandensein einer Abhärstation wird amtlicherselt» ge» leugnet. Jedoch behauptet die sozialistische„Robotnik", daß«ine derartig« Station während der Amtszeit de» jetzigen Postministers. Oberst Bverner, wieder eingerichtet worden sei. Er gibt sogar die Lage des Raumes an. Di« früher« Abhörstell« soll zur Zell des Postministers Msedzinski aufgelöst und das Ver» bindungskabel in seiner Gegenwart durchschnitten worden sein. Oer Raub der Pressefreiheit. .Warschau , 11. Januar. Im Sejm führte. gelj�nlllchder.WslMrche über das Presse» de Ire t und die Frage der. Veröffentlichung seiner Aufhebung im Gesetzblatt auch der Führer der Nätionäldcmokra'en. der frühere Sejm, und Senatsmarschall Trompezynski, aus, daß in her Aera des Justizministers Cor und des Innenministers General Skladkowski Polen durch einen Federstrich der Pressefreiheit beraubt worden sei. Jeder ehrliche Mensch fühle sich oerletzt, wenn er jeden Augenblick weiße Felder in den Zeitungen erblicke. Di« Minister Ear und Skladkowjki hätten es so weit ge- bracht, daß jetzt im früheren preußischen Teilgebiet die Zeiten der Fremdherrschaft als Zeiten der Freiheit angesehen werden.
Die Zeßner-Krise beigelegt. Zehner erhält einen Regie-Verirag. Amtlich tvird gemeldet: Der lausende Vertrag mit L)errn Ge- neral-Jntendanten Prof. Jeßner ist im Wege gütlicher Vereinbarung in einen Regievertrag umgewandett worden, der sofort in Krqft tritt. Mit der Leitung der Berliner Schauspielhäuser hat der Mi- nister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung den Direktor der Oper am Platz der Republik , Legal, unter Beibehaltung seiner bisherigen Geschäfte kommissarisch beauftragt.
Theaierkrise auch in Wien . Oer Durgtheaterdirektor tritt zurück. Die Wiener Morgenblätter vom Sonnabend berichteten, daß am Burgtheater«ine Krise ausgebrochen sei, und daß Direktor Herterich zurücktreten wolle. Für diesen Entschluß führt man folgende Gründe an: die Mißersoige der letzten Zeit, private Gründe und ein Steigen de» Fehlbetrages. Das Burgtheater hqtte mit seinen letzten Premieren kein Glück. Gerhart Haupt tnonp»„Spuk", Fodor«„Wiegenlied" und„Der Wunschtraum" von Well, werden der Direktion zur Last gelegt. Alle diese Premieren hätten ziemlich hohe Kosten verursacht, die durch den Erfolg der Ausführungen nicht gerechtfertigt erschienen. In mancher Beziehung scheinen auch die Berliner Vorgänge mitgespielt zu haben, die zum Rücktritt Jeßner» führten. Die Sachlage sei dort ähnlich wie hier: auch dort Miß, erfolge und schlechter Geschäftsgang. » Direktor Herterich hat inzwischen bereits sein Rücktrittsgesuch eingereicht.
Oer Dresdener Kommunisienprozeß. 36 AngeNagte zu Gefängnis verurteilt. Dresden . 11. Januar. Im Dresdener Kommunistenprozeß verurteilte das gemeinsame Schöffengericht die Angeklagten Herrmann und Jahne! weg«n schweren Aufruhrs und Zugehörigkeit zu elper verbotenen Vereinigung zu je sieben Monaten Gefängnis. Eis- feldt wegen Widerstandes und versuchter Gefangenenbesreiung zu drei Monaten Gefängnis, Schönherr wegen einfachen Aufruhrs und Zugehörigkeit zu einer verbotenen Bereinigung zu sechs Monaten Gefängnis, Löwe wegen Beamtennötigung und Zugehörigkeit zu einer verbotenen Vereinigung zu vier
Wochen Gefängnis; 30 weitere Angeklagten wurden wegen Zugehörigkeit zu- einer verbotenen Vereinigung zu je drei Wochen Gefängnis verurteilt. Ferner erkannte das Gericht auf Einziehung der beschlagnahmten Wimpel und Abzeichen. Drei An- geklagte wurden kostenlos freigesprscben. Es handelt sich um die Vorgänge vom 27. Ottober auf dem Dippoldiswaldsr Platz in Dres- den, wo ein von der Kommunistischen Partei zum Protest gegen die Auflösung des Rsifrontkämpferbundes veranstalteter Demo» strationszüg von der Polizei gewaltsam ausgelöst worden war.
Londoner Konferenz und Völkerbund. Einladung zur Beobachtung. Gens. 11. Januar.(Eigenbericht.) Der Generalsekretär des Völkerbundes erhielt ein« Note de» englischen Außenministers, in welcher Henderson vorschlägt, den Direktor der Abrüswngsabteilung E o l b a n als Beobachter der Londoner Konferenz zu schicken. Das Bölkerbundssekretariat sieht in dieser Einladung Hender- sons ein Zeugnis des Willens Englands, Beziehungen zwischen der Marineabrüstungskonferenz In-London und der allgemeinen Ab- rüsttmgsorbeit des Völkerbundes herzustellen.
Oeierding weiß von m'chis! Er schüttelt alle ab. London . 11. Januar. „Evening Standard" veröffentlicht ein langes Interview aus St. Moritz mit dem Londoner Petroleummagnalen Sir Henri Det�rding, worin dieser nachdrücklich in Abrede iteNt, daß er irgendwelche Kenntnis von einem sowjetfeindlichen Komplott gehabt habe. Er sagt« u. a., die Berichte über den Berliner Prozeß hätten ihn in Erstaunen gesetzt, er könne sick nicht erinnern. jemals mit einem der als Angeklagten genannten Personen zu tun gehabt zu haben. Ich hin niemals an ein Komplott im Zusammen- hang mit Georgien beteiligt gewesen und habe keinerlei Kenntnis von einer beabsichtigten Fälschung von Banknoten gehabt. Richtig ist, daß ich General Hoff mann gekannt und al» Menschen bewundert habe. Er kann sich nicht mehr selbst verteidigen, aber ich weiß, daß er niemals Leute und Pläne von der Art u n t e r st ü tz t haben würde, um die es sich bei d�rn Prozeß handelt.