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BERLIN  Mittwoch 22. Zanuar 1930
10 Pf. Nr. 36 Bis 42. Jahrgang
er sch eist löslich ao<«rG»»nt»s<. Zugleich Abendauegabe de«.Vvrwörtt'. Bejugiprei» beide Au«gaben SS Pf. pro Woche.  »MM. pro Monat. «edaktioo und expedition; Berlin   SWSS, Lindcostr.»
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4t Snietseaprelt: Die einspaltige NoupareillejeUt »o Pf.. Keklameitile d M. Ermäßigungen nach Tarn. ..Poßfcheckkonto: Vorwättt-Derlag G. m.b.H.. Berlin   Nr.»7S3K. Fernsprechern Dönhoff SS2 di« 2vn
Die Arbeitslosigkeit steigt!
Lieber 2 Millionen Hauptunterflühungsempfänger.
Die Nrbeltslosigkeli stieg nach dem Bericht der Reichsanstoll in der Woche vom 13. bis 18. Januar 1930 i» allen Landcsarbeits- amtsbezirken weiter an. doch war der Anteil der einzelnen Ve- zirte ungewöhnlich verschieden. So nahm in Brandenburg   die Arbeitslosigkeit noch unaufhaltsam zu(um mehr als 20 000 Arbeit- suchend«), während in Riedersachsen und Nordmark dl« Verschlechte- rung fast zum Stillstand kam(Zunahme um 810 bis 897 Arbeit- suchende). Noch größere Spannungen bestanden zwischen den Arbeitsamts- bezirken: ,n einzelnen überwogen schon die Abgänge an Ar- b e i t S l o s e u: andere erwarten, daß der Höhepunkt der Arbeitslosigkeit bald überwunden wird, wenn nicht ein Witterungswechsel einen neuen Rückschlag bringt: hingegen leiden ander« unter dem Druck einer dauernd wachsenden Verschlechterung des Marktes. Während also in einigen Gebieten der Einfluß der milden Witterung sich durchsetzen konnte, blieb er in anderen nahezu wirkungslos: entweder lähmte rigorose Sparpolilik die Wiederentfoltung der Bautätigkeit, oder der örtlich« Markt wurde einseitig beherrscht von dem Leschöfttgungsrückgang in der Alelallwirtschasl, oder ländliche Bezirke, besonders in Schlesien  , ver- loren immer mehr ihr früheres Gleichgewicht, weil der Uebergang von Dauerarbeitsverhältnissen zur Saisonbeschäftigung die berufs- üblich« Arbeitslosigkeit von Jahr zu Jahr vermehrt. Die Zahl der hauplunterstühungsempfänger in der versiche- rungsmäßigen Arbeitslosenunterstützung, bekanntlich nicht die Ge- samtlast der Arbeitslosigkeit, dürste nach den Lormeldungen der Landesarbeitsämter am IS. Januar dicht an 2,050 Million«» liegen. Damit entspricht die Zahl dem Stand des Vorjahres. Di« oben angedeuteten großen Unterschied« zwischen den einzelnen Be- zirken ergeben sich auch bei einem Vergleich mit dem Lorjahr. Als G r e n z f ä l l e des günstigsten und des ungünstigsten Ver- hältnisies zum Vorjahr standen sich Westfalen und Sachsen  gegenüber: Westfalen hatte Mitte Januar 40 000 hauptunter- stützungsempsänger in der Arbeitslosenversicherung iveniger, Sachsen SV 000 mehr als im Vorjahr«. Außer Sachsen   haben noch Schlesien  , Brandenburg   und Hessen   die Zahl der Haupwnterstützungsempsänger des Vorjahres trotz der milden Witterung beträchtlich überschritten.
Das Llnglücksstellwerk. Llm die Schuld am Oinkelfcherbener Gsenbahnvnglück. München  . 22. Januar.(Eigenbericht.) In dem Prozeß wegen des D in tels cher b« n« r Eisen­bahnunglücks wurden am Dienstag die drei Mitangeklagten Hüblers, drei Beamte des Sicherungsdienstes, vernommen. Im Verlauf ihrer Vernehmung wurde festgestellt, daß das Unglücks- stellwerk. bevor es in Dinkelscherben   ausgestellt wurde, bereits dreißig Jahr« lang Dienst an einem anderen Bahnhof ge« leistet holt«. Auf die Bedenken des Vorsitzenden äußerten die Be- amten, daß teilweise noch ältere Stellwerk« in Betrieb seien. Bei ihrem Einbau in Dinkelscherben   sei die Apparatur voll- kommen betriebssicher gewesen und es hätte nie«tl»«s passieren können. Räch dem Unglückstag haben die drei Angeklagten übereinstimmend beobachtet, daß an dem Apparat herumgefeilt worden fei. Das Störungsbuch, in das der eine der Angeklagte» die beobachtete Störung eingetragen hotte, ist verschwunden. Bemerkenswert ist auch die Tatsach«, daß das Stellwerk»»och dem Unglückstag noch zwei Monat« lang in Betrieb gehalten wurde. Der Gerichtshof hat inzwischen eine Ortsbesichtigung in der gleichen Stunde vorgenommen, in der dos Unglück geschah. Dann wurde in die Vernehmung der Sachverständigen eingetreten. Professor Halter, München  , äußerte sich über das Wageimroteriol des verunglückten Personenzuges. Au» seinem Gutachten kam ebensowenig wie aus dem Gutachten von Reichsbohnrat Sauer, Lindau  , delastendes Moterwl zutage.
freigelassen. Der im Zusammenhang mit den Erwerbslosen- »mnchen in Worms   verh astete Abgeordnete de« Preußischen Landtages  . M üll e r- hesien, ist gegen ein« Kaution von lövv Mark inzwischen auf freien Fuß gesetzt worden.
Was gibt's in der Reichsmarine? Bedenkliche Entlassungen wegenstaatsseindlicher Umtriebe".
Siel. 22. Januar.(Eigenbericht.) Anfang Juli 1929 sind fünf Angehörige der Reichsmar'ne fristtos gekündigt worden. Es handelt sich dabei um zwei Ober- Matrosen, zlvei Obermaate und einen Feldwebel. Di« Entlassung wurde durch den Konpagniesührer respektive den Kommandanlel» ousgesprochen. Verfügt waren die Entlassungen durch den Chef der Marineleitung, Admiral R a e d e r. Als Eni- lasiungsgrund wurde zunächst nurUn Würdigkeit- angegeben. Auf den sofortigen Einspruch der Enttasienen entschied das Reichswehrministerium, daß die Entlassung zu Recht erfolgt sei. Als Entlassungsgrund wurde nun ergänzend mitgeteilt, daß das unwürdig« Verhalten in dem Verkehr erblickt wurde, den die Entlassenen mit stoatsseindlichen Elementen gepflogen haben sollen. D� Enttassung der fünf Matrosen und Unterossizier« erfolgte dann auch prompt am 26. September 1929 ohne Angabe weiterer Gründe und ohne daß einer der An- '. geschuldigten persönlich vernommen<'. oder daß sie denjenigen gegenübergestellt worden wären, mit denen sie imstaatsfeindlichen Verkehr" gestanden haben sollten. Di« Entlassung der Marineangehärigen, die zum Teil kurz vor der Vollendung ihr« zwölfjährigen Dienstzeit standen, und die all« tadellos« Zeugnisse über ihre langjährig« Dienstzeit vor» weisen können, erfolgte ohne jede Absindung. Die Eni- lasjenen sind gezwungen. Arbeitslosenunter st ützung zu beziehen. All« haben gegen den Reichswehrfiskus dje Klag««in­gereicht. Ein« Ausnahme macht nur der Obermatrose Sorotowifti, der Kiel   inzwischen verlosten Hot und irgendwo in Mitteldeutfchalnd arbeitet. Für die Durchführung der Klage ist allen Entlastenen sofort das Armenrecht zugebilligt worden. Die Klogen werden in nächster Zeit vor dem Kieler Landgericht verhandelt.
3)r. Utax Quarck, der bekannte Sozialpolitiker und langjährig« sozialdemokratische Abgeordnet«, ist in Frankfurt  (Main  ) verstorben. Zahlreiche Schriften zeugen von seinem tiefen Misten und seiner umfassen de» Kenntnis der Arbeiterbewegung. So das vor wenigen Jahren erschienene Quellenwerk über Stephan Born  , so wich che soeben herausgekommen« Geschichte des Handels. Transports und Verkehrs in Deutschland  , die als Einführungsband zur Geschichte de» Deutschen Berkehrsbundes gedacht ist.
In der Klag« des Feldwebels hat das Gericht Beweis- beschluß erlassen. Der Feldwebel soll, wie nach Klageein- reichung endlich bekannt geworden ist, in einem Ausgesprochenen Kmnmunistenlokal- ständiger Gast gewesen sein. Talsächlich ist«r nie in diesem Lokal gewesen und außerdem verkehren in diesem, von einem sozialdemokratischen wir« geleileten Lokal keine Kommunisten. Als zweites wird dem Feldwebel vorgeworfen, daß der Obermatrose Sontonwsk! ständig bei ihm in der Wohnung, verkehrt haben soll. Tatsächlich aber war Sontowski niemals da und es hat überhaupt kein Verkehr zwischen ihnen bestanden. Sontowski wird Verbindung mit der Roten Marine vorgeroorsen. Sehr bezeichnend ist übrigens, daß die Entlasseneu sich untereinander vor der Entlastung überhaupt nicht gekannt haben. In einem Porprozeß bezeichnet« Justizrot Rees«, der den F«ldn»ebel vertritt, das Vorgehen der Morineleitung als.hanebüchen-. Als der Rechtsbeistand der Marine vom Borsitzenden die Rüge dieses Ausdrucks berlangte, kam der Vor­sitzende dem nicht noch, trotzdem der Justizrat sein« Meinung voll aufrecht hielt. Der Vorsitzende fragte aber den Manneanwolt, wo die Beweis« der Marin« wären. Der Rechtsanwalt mußte zugeben. daß es der Marine nicht möglich sei, andere Beweise herbeizuschajsen. Er erklärte auch, daß die Marine ihre Vertrauensmänner nicht be- kaonlgeben könne. Ebenso wie der Fall des Feldn>ebels liegen auch die anderen Fälle. Di« Marine oerweist in allen Klagen auf einall- gemeines Stimmungsbild über die in Kiel   ermittelten Vorgang« bezüglich der kommunistischen   Bewegung in der Reichs- manne". Dieses vorliegendeStimmungsbild- ist«in sehr deutliches Angst Produkt der Marineleitung. Irgendwelche positiven Angaben über Beziehungen der Angeschuldigten oder anderer Marineangehöriger findet man nicht darin. Nach dem bisherigen Stand der Untersuchung dürften die Pro- zeste mit einer schweren Niederlag« für die Marine enden. In eingevseihten Marinekreisen wird über die Methode der Marineleitung nur der Kopf geschüttelt.
Mordparteien an der Arbeit. Wieder nächtliche Kämpfe zwischen Nazis und Kommunisten. Die gestrige« Vorfälle in den Festsälen am Märchen- bruaaea sollten der Polizei erneut Veranlassung geben, kund- gebnagen der Itationalsoztalisten und Kommunisten noch schärfer al» bisher zu überwachen. Die wafseasuche ha« sich«lederum al» durchaus berechtigt erwiesen. E» tonnte eine große Anzahl gefährlicher Mordinstrumente beschlagnahmt werden. Zur Ergänzung unserer Meldung im Morgenblatt teilen wir noch folgendes mit: Den Höhepunkt erreichte der Tumult, als in der Rationalistenversammlung ein t o m m u n i st i s ch e r Diskussions- r ebner zum Schluß ein Hoch auf die Kommunistisch« Internationale ausbrachte. Das nmr das Signal zu einer allgemeinen Schläge- r e i. Dabei wurden Tische und Stüchle zerbrochen, Fensterscheiben eingeschlagen, form« mehrere Türen zertrümmert. Der angerichtete Schaden ist erheblich, zumal die Säle erst kürzlich renoviert worden find. Die Schlägerei konnte durch das Dazwischentreten eines starten Polizeiaufgebotes, bevor es zu einem ernsten Blutvergießen ge­kommen war, beendet«»erden. Di« unmittelbar daraus folgende Waffendurchsuchung verlies dann bis auf kleinere belanglose Zysischensälle auch reibungslos. Bei fünfzehn Personen wurden Waffen vorgesunden, ein Teil der Anwesenden hatte sich chrer recht zeitig entledigt. Es wurden beschlagnahmt: S Pistolen mit Muni- tion, 1 Magazin mit 7 Schuß, 4 Schreckschußpistolen, 10 Totschläger, 1 Axtstiel, 7 feststehende Messer, 1 Dolch und 19 Schlagringe. Von den insgesamt 25 festgenommenen Personen wurden 10 noch gestern nacht wieder«nttasten. Die übrigen 15 wurden im Polizeipräsidium behalten; sie werden sich wegen unbefugten Waffenbesitzes zu nc�  antworten hoben.
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