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BERLIN   196

Donnerstag 23. Januar

1930

Der Abend

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B 19 47. Jahrgang

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Die Wahrheit über Schacht.

Doppelzüngigkeit gegenüber der Reichsregierung.

lleber das mehr als eigenartige Berhalten des Herrn Reichs. bantpräsidenten Dr. Schacht auf der zweiten Haager Konferenz erfahren wir nachträglich noch von genau unterrichteter Stelle das Folgende:

Die Reichsregierung hatte den berühmten Brief des Herrn Schacht am 2. Januar erhalten. Einige Reichsminister waren jedoch schon etwas früher bei gewiffen Berhandlungen zur Kenntnis dieses Briefes gelangt.

Als nun bei den Vorbesprechungen für die Konferenz Herr Schacht von der Reichsregierung gefragt wurde, ob er trotz dieses Briefes in der BIZ. mitwirken wolle, antwortete er ohne weiteres bejahend. Er hatte auch trotz seines befannten Memorandums und deffen schwerwiegenden politischen und sonstigen Folgen sehr eingehend mit der Reichsregierung beraten und der Reichstanzler hatte ihn ersucht,

Die Bazille- Demokraten.

Deutschnationales Lob.

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sich als Elite deutscher Geistigkeit gebärdet, aber mit einer Regierung pattiert, die das achte Schuljahr abschafft, wenn man große Töne über Demokratie als Gesinnung redet, aber mit den Hakenkreuzlern gemeinsame Sache macht!

Der Eintritt der württembergischen Demokraten in die| Borten für die Reichsreform eintritt, aber anderseits sich dem Regierung Bazille ist keine Ausnahmeerscheinung. Herr reaktionären Partitularisten Bazille unterwirft, wenn man Paulsen in Thüringen   hat seinerzeit ein erstes Zeichen der reaktionären Länderpolitik der Demokraten gegeben, die fächsischen Demokraten, die mit den bürgerlichen Barteien, einschließlich der Nationalsozialisten, in den Gemeinden propofatorische Bürgerblodpolitif gegen die Arbeiterschaft treiben, stehen ebenfalls nicht allein.

Die württembergischen Demokraten erhalten für ihren neten Dr. Hölscher. Er schreibt:

Demokraten in der Hugenbergfront.

Hannover  , 23. Januar.  ( Eigenbericht.)

troß dieses Memorandums als Hauptdelegierter nach dem Haag zu Rotau vor Bazille das Lob des deutschnationalen Abgeord Brovinzialausschuß auf die Seite der Rechten

gehen. Dies lehnte Dr. Schacht ab, erklärte fich aber gleichzeitig bereit, als Sachverständiger in dem Komitee für die Organisation der Reparationsbant mitzuarbeiten.

Am Morgen des Tages, der die Berlesung des Briefes von Schacht durch den Amerikaner Reynolds und damit die Bombe zum Blazen brachte, hatte Dr. Schacht dem Reichsaußenminister Dr. Curtius gesagt,

er beabsichtige fich in feiner Weise in die politische Konferenz einzumischen,

sondern wolle sich ausschließlich auf die Rolle des Sachverständigen

im Bantfomitee beschränken.

In der anderthalbstündigen Pause, die die Sensation dieses Briefes auch für das Finanzkomitee der Konferenz zur Folge hatte, entschloß sich die deutsche Delegation, da Schacht im Bankkomitee die Mitwirkung der Reichsbank verweigert hatte, eine Erfagbant. gruppe heranzuziehen.

Danach wurde Schacht von den vier Reichsministern gefragt, ob er nicht doch die Mitwirkung der Reichs. bank zugestehen wolle, was er jedoch verneinte. Er erflärte sich aber auf ausdrückliches Befragen mit der Heran­ziehung einer Erfagbanfengruppe einverstanden. Die deutsche Delegation tam dann zu dem weiteren Entschluß, die Mitwir. fung der Reichsbant burch gefegliche Verpflich tung ficherzustellen, da man erkannte, daß die Ersagbanten gruppe diefe Mitwirkung der Reichsbant nicht ganz überflüssig madjen tonnte.

Schacht erklärte sich nun zum allgemeinen Erstaunen bereit, die gesetzliche Verpflichtung die doch ein Mittel war, seinen Widerstand zu brechen- Lohal durchzuführen.

Ja noch mehr: da der Doung- Plan nicht nur die Mitwirkung der Reichsbant, sondern auch des Reichsbantpräsidenten persönlich in ver fchiedenen Punkten fordert, wurde Herr Schacht auch danach ge­fragt, und wiederum erflärte er sich zur loŋalen Erfüllung auch Dieser Verpflichtung bereit.

Man kann sich die Berblüffung der deutschen   Delegierten über dieses Berhalten des neuesten deutschen   Nationalhelden unschper vorstellen. Sollte er etma die Anregung dazu aus der Literatur über Mussolini   geschöpft haben, deren sämtliche Erzeugnisse er fich feit einiger Zeit sofort nach Erscheinen von seinem Buchhändler zu­schiden läßt?

Reichstagsbeginn.

Im Reichstag   tagte am Donnerstag vormittag von den Aus schüssen nur der Strafrechtsausschuß. Sämtliche Fraktionen mit Ausnahme der Sozialdemokraten haben für die Mittagsstunden Fraktionssizungen anberaumt, in denen sie sich mit dem Zündholz monopol- Gele beschäftigen.

In der Bollfigung, die um 15 Uhr beginnt, wird dann bie erste Beratung dieses Gefeßes norgenommen. Die Aussprache mird wahrscheinlich furz sein. Die meisten Frattionen werden fich ihre Stellungnahme zu dem Gesez für die Ausschußberatung, Die am Freitag und Sonnabend stattfindet, und dann für die zweite Lefung im Plenum, bie am Montag folgt, porbehalten.

In der Demokratischen Bartei waren schon seit längerer Zeit deutliche Bestrebungen zu erkennen, die Partei von ber fosialdemokratischen hörigkeit wieder zu befreien und sie nach rechts hinüber zu führen. Bor allem wurde eine Schmen langt, die in einem zu engen Zusammengehen mit der Sozial fung von den Mittelstands- und Gewerbetreifen ber demokratie eine Breisgabe ihrer Lebensbelange erblidten. Daß auch sonst in der Demokratischen Partei die Erkenntnis sich Bahn bricht, daß auf die Dauer ein Zusammengehen mit der Partei führen muß, beweist ein Auffaz des Reichstagsabgeord­der Sozialdemokratie unmöglich ist und zum Untergang neten Dr. Fischer, der um die Jahresmende im Biener Neuen Journal" einen Rampfauffas gegen den Margismus veröffentlicht hat, in dem er eine völlige Abkehr von der Sozialdemokratie verlangt."

Die Demokraten haben sich auch bei den Wahlen zum geschlagen. Mit ihrer Hilfe wurde ein Abgeordneter der nationalen Front Borsitzender des Ausschusses. Darüber hinaus sind sie zur Berteilung der Kommissionsfige mit allen realtionären Barteien Liftenverbindungen eingegangen, und zwar mit den Deutsch nationalen, ben Deutsch- hannove­ftands blod und der Christlich   Rationalen   Bauern. ranern, der Deutschen Boltspartei, dem, Mittel­und Landvolkpartei. Den 50 Mandaten dieser reaktionären Mischmaschliste steht eine Listenverbindung der Sozialdemokraten mit dem Zen rum mit 49 Stimmen gegenüber. Dadurch wurde fünf Sozialdemokraten, ein Zentrumsvertreter, ein Deutschnationaler, folgende Zusammensetzung des Provinzialausschusses erreicht: ein effe, ein Deutsche   Volksparteiler, zwei Bertreter des Mittel­standsblocks und ein Demokrat.

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Es muß ein erhebendes Gefühl für einen waschecht Die Bürgermeisterwahl von Solingen.  

demokratischen Mann sein, von einem leibhaftigen Deutsch­nationalen so herablassend auf die Schulter geflopft zu werden! Die Herren wollen nach rechts, sie haben Sehnsucht nach einem Bürgerblod? Aber bitte sehr! Es nimmt sich sehr gut aus, wenn man mit großen

Im Lande Fricks

Die schwarzrots oldene Fahne auf dem Thüringer Landtag   wurde auf Berlangen ber Nationalsozialisten eingezogen.

Melde gehorsamst, Herr Minister: fehl ausgeführt, Reichsflagge eingezogen. Goll Gatenkreuzfahne dafür sofort gesetzt werden?"

Chem----- warten wir ab!

Eine heilsame Lehre für die Bürgerblöcker. Solingen  , 23. Januar.  ( Eigenbericht.) Mittwoch mit 19 Stimmen der Kommunisten und 8 Stimmen der Die Stadtverordnetenversammlung von Groß- Solingen hat am Sozialdemokraten den Kommunisten Weber zum Ober­bürgermeister von Groß Solingen gewählt.

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Die Sozialdemokratische Partei   hatte bereits vor zwei Jahren ben Genossen Meŋer Solingen als Oberbürgermeister­fandidaten präsentiert. Die Wahl zerschlug sich damals infolge der Durchführung der Umgemeindung. Die neue Kommunal­wahl hatte folgendes Resultat: 18 Kommunisten, 1 oppofitioneller Kommunist, 8 Sozialdemokraten. Demgegenüber hatten die Bürger­lichen insgesamt 25 Stadtverordnete. Zentrum, Demofraten, Deutsche Boltspartei und Deutschnationale haben sich zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossen.

Kurz nach der Bahl hat die sozialdemokratische Stadtverordneten fraktion mit der Wahlgemeinschaft wegen der Wahl des Ober­bürgermeisters Fühlung genommen. Sie wies darauf hin, duß neben der Wahl eines sozialdemokratischen Oberbürgermeisters auch noch die Möglichkeit der Wahl des Kommunisten mit Hilfe der Stimmen der Sozialdemokratie bestehe. In der ersten Stadtver­ordnetenfißung. am 2. Januar erklärte die Wahlgemeinschaft, es sei nach Lage der Dinge fein anderer Ausweg möglich, als den sozialdemokratischen Kandidaten zu wählen. Indessen gaben sich die Bürgerlichen der Illusion hin, daß die sozialdemokratischen Stadtverordneten im Ernstfall dem Kommunisten ihre Stimme nicht geben würden. Sie verlangten nunmehr den Oberbürgermeister für sich selbst und rechneten damit, daß die Sozialdemokraten zwar nicht für den Bürgerlichen, aber auch nicht für den Kommunisten ftiminen wurden.

Die sozialdemokratij dhe Frattion fich der Wahl­gemeinschaft feinen 3meifel darüber, daß in der ausgesprochenen Arbeiterstadt Groß- Solingen die Arbeiterschaft ein Anrecht auf den Oberbürgermeisterposten und auf bestimmenden Einfluß in der Stadt­Dermaltung habe, daß sie im Notfall, um das Anrecht der Arbeiter. fchaft zu bolumentieren, für den Kommunisten stimmen würde. Sie halte zmar den Kommunisten Weber für einen völlig ungeeigneten Randidaten, merde aber die persönlichen Bedenken hinter den grund­fäglichen Ermägungen zurüdstellen. Die Bürgerlichen glaubten imbellen bis zum letzten Augenblid daß die Sozialdemokratie nicht ernst machen würde. Sie waren außerordentnlich betroffen, als der Kommunist zum Oberbürgermeister gewählt wurde. Nach diesem Ergebnis murde die Wahl der Beigeordneten sofort vertagt.