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Tanzen, sin Musikrundschau vor Wime in der Philharmonie. Di» Kritik, zu der Woche für Woche der Berliner   Konzertbetri-b heraussordert. hat sich immer wieder mit den Grundbegriffen aus- rinanberzufejjen. die diesen beherrschen; oder richtiger vielleicht, mit der Verschiebung von Grundbegrifsen. Verschürtung von Grund- krästen, die es wieder freizulegen, wirksam zu machen gilt: soll dieser Teil des allgemeinen Lebens, der den NamenMusikleben" führt, in der Tat«in Stück Leben sein oder werden. Doch da Handell sich'» nicht in erster Linie um den Künstler und sein« Leistung, sondern um die Einstellung des Konzertpublikums zu dieser und zu jen«m. Einmal um die Ueberbewertung des Interpreten und der Interpretation, das heißt, daß die Wiedergab« eines Werks zur Hauptsache, dieses selbst zur Nebensache gemacht wird. Und wiederum um die Ueberschätzung des Werkes an sich, und das bedeutet, daß der Vorgang von Lebensbetätigung und Lebensentsallung mißachtet und vernachlässigt wird, aus dem gerade die Verwirklichung des Werkes beruht: die Verwirklichung nicht irgendwo, nicht in dem van Zuhörern gefüllten Saal, sondern Verwirklichung im Hörer und durch ihn. Man meine nicht, jenes übermäßige Jnteresi« an der Leistung des Interpreten, das sei eben auch eine Form inneren Miterlebens, Mitgeftaltens, sozusagen«ine Art aktivierter Musizier- ireudigkeit; solches Dabeisitzen, wie sich's in unseren Konzertsäle� beobachten läßt, nörgelnd oder bewundernd, hingegeben etwa dem erhebenden Bewußtsein, daß der da oben auf dem Podium das Allerbest« gibt, was zur Zell   an Auffassung zu haben ist, tötet alle Musik, die gemacht, nämlich nur gemacht und vorgemacht, nicht erlebt, zum Erlebnis erarbellet wird. Der Sinn und Lebenssinn der Musik hat sich verloren, Ihr Ursprung ist verschöllet: das ist,«in bißchen ungenau ausgedrückt, ein Grundübsl dieses sogenannten Musiklebens. Darum kein Zurück zum Urzustand der Mustt. In dem Musizieren und Musikerleben eins waren: Musll aus tänzerischem Bewegungstrieb oder Kraft eines Ausdrucksbedürfnisses, das sich unmillelbar im Singen befriedigt. Aber gerne lassen wir uns «rinnern, daß solcherart der Ursprung aller Musik gewesen sein muß. Dieser Quelle der Musik der großen Musik aus 200 Jahren sind wir nahe gewesen, neulich im vierten Bruno-Walter-Konzert. Tänze des 18. und IS. Jahrhunderts, auf der unabsehbaren Fülle des Vorhandenen mll liebevollstem Verständnis gewähll und zu einer Folge verbunden, in der ein Stück Musikgeschichte und europäische Kulturgeschichte sich spiegelt. Und die innige Nachbarschaft von Volkstanz und Volkslied wird, vor allem in slawischen Sachen offenbar, etwa wie Glinkas.Mmarinfkoja", dazu einem unver. gänglichen Beispiel künstlerisch sublimierter Volksmusik. Und wir entdecken, nicht nur in Menuellen und Contretänzen von Beethoven  und Mozart  , den musikalischen Grundstoff, aus dem die großen Meister ihre größten Werke geformt haben. In der Entwicklung allenfalls noch bis zun» Johann-Strauß-Walzer, der nach Schubert immerhin einen fühlbaren Abstieg bedeutet, lassen solche Zusammen­hänge sich erkennen, läßt sich verfolgen, wie der in der Volksmusik wurzelnde Tanzrhythmus als befruchtendes Element in die Höhen der Kunstmusik eingeht. Der moderne Gesellschaftstanz, der halt nur ein importierter Industrieartikel ist, oermag den Musikern so wertvolle Dienste begreiflicherweise nicht zu leisten, und war mll lecht in das Programm dieser künstlerisch-historijchen Tanzschau nicht aufgenommen. Ihn in der Philharmonie als Objekt konzer}- mäßiger Darbietung einzuführen, hat Bruno Walter   dem gewiß berufeneren Spezialisten Dajos Beta überlassen, der hier ein paar Tage später vor sehr empfänglichen Hörern seine und seiner Jazz- kapelle unterhaltsamen Künste produzierte. Gemeinschastssingen. Singen, in aller Oeftentlichkell, nur um des Singens willen, nur um dieses Erlebnisses willen, an das wir gemeinhin kaum noch
zen, spielen. Klaus prtngsheim. denken, wenn-uns m der musikalischen Fachsprache das Wort Singen" begegnet: das Ungewöhnliche ist jüngst für die Besucher der Volksbühne Ereignis geworden..Aonzertereignis", so soll man es nicht nennen, obgleich die Veranstaltung, in deren Rahmen es sich vollzog, sich nun einmal unter dem Namen eines.Lonzertcs" präsentierte. Jeder Besucher also bekam ein Blall in die Hand, es gall. ein paar alte Lieder gemeinsam zu erarbeiten, Fritz Iöde hiott «in«offene Singstunde". Wiederum nicht: Unterricht der her- kömmlichen Art; denn der Sinn seiner Lehre ist ja eben, daß Musik nicht erlernt, sondern in gemeinsamer Arbeit zum Erlebnis und, auf diesem Weg weitergedacht, zum Mittel der Lebensgestaltung werden soll. Das gelingt bei Kindern, und bei Kindern einstweilen besser als bei Erwachsenen. Aber dieser Versuch in der Oeffcnllichkeik, von überraschendem Erfolg für manche, war lehrreich und anregend. wenn es auch eigentlich nicht ein Versuch unmittelbar und willen im Leben wurde, sondern eher Vorführung eines Versuches, und jeder Teilnehmer zugleich Darsteller und Zuhörer. Wir sind dem ursprünglichen, unmittelbar produktiven Willen zur Musik, den Quellen der Vlustziersreude nahe: bei unseren Ar- bellerchören; wir spüren dies« Freude und diesen Willen tn der Madrigalvereinigung desJungen Chores". In Walter Rohd« haben diese musikbegeisterten jungen Menschen einen Führer ge- funden, von dessen überlegener Stil- und Geschmdckssicherheit auch diesmal wieder ihr wahrhaft vorbildliches Konzertprogramm zeugt, und dessen starke Musikerguallläten sich in der tchönen Vollendung ihre» A-capella-Singens überzeugend offenbaren Vor allem in zeitgenössischen Komposllionen, darunter Heinz Tiessens schlicht- rührendeMädchenklaae" und endlich in Orlando di Lassos' Landsknechtsständchen", dessen Wiederholung zum Schluß gefordert wird, bewähren sie die seltenen Tugenden makelloser Tonreinheit und einer alle Stimmen durchdringenden Klarheit der Dynamik und Phrasterung.« Neues von Strawinfly. Musik als Spiel, gar Musik aus Spieltrieb selten, daß In- strunientalspiel, gar Orchesterspiel sich auf solche Formel bringen läßt. Aber in der Musik, die heute für Instrumente geschrieben wird, gewinnt das WortSp'el" wieder etwas von seiner ursprünglichen Bedeutung. Kombinations- und Bewegungsspiel, Spiel im höchsten Sinn und auf höchster Stufe ist die instrumentalz Musik Igor Stra- winskyz. Und sein neues Werk, die SuiteDer Kuß der Fes", bringt uns in Erinnerung, daß dies« Musik ihre stärksten An- regungen allemal vom Ballett der Russen, vom Tanz also, emp- sangen hat. Getrieben vom Moto'r seiner tänzerisch spielerischen Vitalität, konnte Strawinsty in früheren Iahren die tollsten Experiment« wagen, ohne sich darin und daran zu verlieren; nun er, beruhigt, in klassizistische Bahnen einlenkt, wird deullich, wie wenig seine Persönlichkeit, um sich zu behaupten, abenteuerlicher Vertlei- düng jemals bedurft hätte. Nur werden seine Anhänger sich ab- gewöhnen müssen, jede neu« Station in der Entwicklung dieser ewig beweglichen Musikernatur als Wendepunkt der Musik geschilpt« zu proklamieren. Eine Fülle rhythmischer und harmonischer Details, verschmitzter Kühnheiten bei aller Gemessenheit der Grundhaltung, fesselt und verblüfft in dieser neuen Ballettfuite, der nur für die konzertmäßige Aufführung die zwingende Logik des atsolut mustka. lifchen Aufbaues fehlt, und der Eindruck steigert sich in dem Ca- priccio, das der Komponist, selbst am Flügel sttzend, mit faszinieren- der Präzision und mll der hinreißenden Leidenschaft seines kalten Kunstverstandes spielt.' Im vierten Symphoniekonzert der Republik  - Oper, unter Klemperers Führung, wird diese zweifache Strawmsky- Premier« künstlerisches Ereignis. Zum Schluß Mozarts G-Moll- Symphonie wird«ine Gipfelleistung nun eben vollkommensten Jnstrumentalspiels: Musik als ausdnickerfülltes Spiel in höchster Vollkommenheit.
Theaier in der Königgräher Straße. Artur Schnihler:Dr. Vernhardi." Deutlich waren Zufriedenhell und Freude zu merken. Schnitz  - lers Komödie hat in zwanzig Iahren der Bühnenexistenz nichts von ihrer Hellerkell und von ihrem Ernst verloren. Es ist ein jüdischer Krankenhausdirektor in Wen. der Internist Professor Dr. Bernhardt, der nicht gestattet, daß der Priester die letzten Minuten eines sterbenden Mädchens stört. Denn dieses Mädchen, ichmerzgeplagt und oerängstet, solange es atmete, wird erst in der Stunde ihre» Endes ruhig und sogar glücklich. In dieser Stunde erst gönnen Schicksal und Natux ihm die Hoffnung, daß es wieder aufblühen wird. Träte der'Priester mll Sakramenten und peinigen- den Beichtoaterfragen an das Bett des Mädchen», es würde be- greifen, daß es zum Vermodern verurteilt sei. Wozu diese Men- schenquälerei. die die Kirche verlangt? Das fragt der Arzt. Er versperrt dem Priester den Weg, damit«in sterbendes Wesen wenigstens noch in seinen letzten Sekunden den inneren Frieden« nicht verliert. Es beginnt di« Hetze gegen den Arzt. Klerikale und kaiserlich-österreichische Völkische bringen ihn wegen tätücher Be- leidigung des Geistlichen aus zwei Monate ins Gefängnis. Lern- hardis Freunde und di« ausgeklärte Oesfentlichkeit sind erst stärker, sie können erst die bornierten Köpf« beseitigen, nachdem bewiesen ist,.daß Bernhardt ein guter Arzt, ein guter Mann, ein unentbehr- licher und nützlicher Staatsbürger gewesen ist. Die Dunkelmänner unterliegen jedoch nur für eine Weile, die Klugen, die auch das Herz auf dem rechten Fleck haben, dürfen sich vorläufig nur mit der Gewißheit begnügen, daß die Dummheit höchstens für einige Zeit begraben ist. Ja, dieser Skeptizismus ist der beste Teil der Komödie. Er gibt dem witzigen Stück den Douerwert. Es war zeitgemäß, es i st heute noch so. es wird noch lange so sein. Schmtzler nimmt mit Andacht und Welterfahrung Partei. Der Arzt und der Priester führen ein überirdisches Gespräch. Gegeneinander richten sich empor die Kirche als Gottes Erdemnacht und Gottes freiefter Sach- watter. der duldsame Menschenfreund. Plötzlich ahnen beide, daß sie sich versöhnen könnten, wäre die schönste Idee der Nächstenliebe nicht in die Gewalt von Schachern und Krämern geraten. Tendenz, die so vorsichtig und staatserhallend ausgewogen wurde, ist gute Tendenz. Darum ist Schnitzlers KomSdi««in sehr gutes Tendenz- stück. Es ist auch gute» Theater, weil der Dichter alles Grundsätz- lich« aus dem Inneren der spielenden Personen herausholt. Wir werdrn an dem geistigen Prozeß eng beteiligt. Gezwungen werden mir, uns mll den Kämpfern M verbrüdern. Alles wird, nichts ist schon da. so daß wir wirklich zittern und fiebern, weil wir mll- ->«scheiden«ollen über di« moralische Belohnung des gerechten Mannes. Bernhardis Kampf spielt in Oesterreich  . Er hat. wie Barbusse in seinem Roman' von der Hölle erzählt, auch in Frank- reich gespielt. Und wie ist es heu« noch oft in deutschen Spitälern?
Wird der Gewissens frieden des Kranken und Sterbenden dort nicht immer noch häufig genug beleidigt oder gar mißhandelt? Arthur Schnitzler  , Arzt und Dichter, hat seinen Kollegen und Lehrern aus der Klinik hellsichtig in die Seele geblickt. Bar- n 0 w s k y hat die Komödie inszeniert und nicht mit Derbheit und volkstümlichen Mitteln gespart. Es ist oft eine etwas laute Vor- ftellung, mehr schreiendes Wort als still siegender Gedanke. Auch das schadete nichts. Die Menge will eben die Dinge etwas groß- sprecherisch und auch im Bildlichen etwas filmisch ausgetakell haben. K o r t n e r, der im Theaterbüro ss ungebärdig, auf der Bühne aber so diszipliniert ist, spielt den Bernhard!, den Arzt, dessen Rock ein schlechter Schneider, dessen Geistesgradhell aber«tn prächtiger Schöpfer zuschnitt. Ein« schmutziggraue und gesttäubte Perücke, ein übernächtigt bleiches Gesicht, schon etwas Hängebacken, kein' Mädchenheld, doch ein gelehrter und moralischer Kulturkämpfer, Humor und Gelassenheit im Blut, wenn auch etwas schleppend in der Bewegung. Die Typen des Klinikerkonzils: Maibelok, wotansbärtig, rotblond und borniert, B r e s s a r t. empfindsam und romantisch, doch entzückend professoral und begeistert, S a l s n e r. -iber Liberalismus und ehrlich bis in die Knochen, Kaiser, nervöser, galliger, nicht umzubringender Opponent der Reaktion, H ö r b i g e r, etwas verschlampter, geheim anarchistischer t. u. k. Hofrat usw. usw. Endlich Stahl-Nachbaur, hochwürdender Pfarrer: Weil er taktvoll und sogar demütig di« Sache der kriege- rischen Kirche geltend macht und memals wie ein Wilder ins Feuer geht, zeigt er desto gründlicher die gefährliche Allmacht seiner Kaste. ötax ikocbäon.
Dänische Gastvorlesungen an der Ltniversität. Im Rahmen der Gaswvrlesungen, die das Germanische Seminar Prof. Gustav Neckels für ein« größere Oesfentlichtett seit einiger Zell   veranstaltet, las Frau Dr. Li» Jacob sin aus Kopenhagen  überNeuere dänische Runenforschung" sowie über .Lyrische Kunst in der dänischen Dichtung". Durch ein akademisches Lehramt weder ausgezeichnet noch ge- Kunden hat die dänische Forscherin der Runologie em neues Gesicht gegeben und gegen die Ueberlieserung und'den Widerstand der bis- herigen Wissenschaft ihres Fachs Anerkennung und Verständnis be- sonders bei der aufstrebenden Generation daheim und auch bei uns gefunden. Die Entzifferung und Deutung dieser ältesten Zeichen­schrift des mmdischen Kulturkreises bis nach Deutschland   hinein, aus stemernen Denkmälern allein erhalten, wurde, nachdem st« Jahr- hundert« in Vergessenhell geraten, bereits zu Ansang des sechzehnten Jahrhunderts wieder versucht. Eine eigentlich wissenschaftlich« Unter­suchung fand das Gebiet jedoch erst in der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts durch die Arbeiten des Norwegers SophusBugge und des Dänen Ludwig Wimmer. Auf ihren Ergebnissen beruhte bislang die ganze Runologie, die gleichzellig Sprachwissen- schofi. Geschichte und Archäologie ist. Ihren Ergebnissen gegenüber
aber hat Lis Iacobfen völlig umwälzend gewirkt. Sie hat die Schrift- zeichen zunächst einmal, wie sie auch dem Laien einleuchtend darzutu.n oermag, richtig und unvoreingenommen entziffert. Die sogenannten Ackerbousteine, auf denen man ein lobendes Gedenken auf friedliche Bodenbestellung um das Jahr 1000 herauslesen woll:«. waren in der Tat nichts als Kampfdenkmäler. Damit ergab sich die Uebereinstim- mung zwischen den Runensteinen und den gleichzeitigen Helden- liedern der Wikingerzell, während die Forschung des neunzehnten Jahrhunderts ihre eigenen zivilisatorischen Ideale der friedlichen Bodeneroberung sentimental einem barbarischen Schwertzeitalter auf- zwingen wollte. Nicht di« Segnungen des Friedens, stellt Lis Iacobfen fest, preisen die Runenstein«, sondern gewaltsamen Tod. Aber auch durch erhebliche technische Neuerungen vermochte sie die Runensten« allgemeinerer Bettachtung und Erkenntnis näher- zubringen. Ludwig Wimmer ließ die Schriftzeichen und Zeich- nungen ornamentaler und figürlicher Art mll Kreide nachziehen, zeichnen und erst nach der Zeichnung photographieren. Lis Jacobsen  gießt die Steine gewissermaßen in einer Pappmasse ab und läßt sie dann durch eine besonders sorgfällige Photographie m einer Deutlich- keit hervortreten, die schon dem Auge die Fehler der früheren Forschung dartut. Aus einem von ihr vorbereiteten Atlas gab sie bereits überzeugende Proben. So aufklärend und befreiend ihre runologischen Ergebnisse wirkten, so sehr näherten sich ihr« Betrachtungen einzelner lyrischer Persönlichkeiten Dänemarks   dem hergebrachten Akademischen, ja Schulmäßigen. Sie beschränkt« sich auf die klassisch« und romantisch« Periode, ging wohl auf den geistlichen Liederdichter des siebzehnten Iahrhundetts Thoman Kingo zurück, verlor sich aber bis in die romantischen Epigonen der ersten Hälfte des neunzehnten Jahr- Hunderts, während sie zweifellos mll der mindestens ebenso reichen und sicherlich ursprünglicheren dänischen Lyrik des ausgehenden neun- zehnten Jahrhunderts, vor der sie haltmachte, unserem Gefühl und unserer Neigung nähergekommen wäre(I. P. Iacobfen, Hermann Bang  , Viggo Stuckenberg   u. a. m.). Allerdings bekundete sie bei der Auswahl der von ihr wirkungsvoll vorgettagenen Stücke mehr inneres Verständnis, als sie durch ihre verbindende Jnterpretion beim Hörer zu erwecken vermochte.»lc.
Oer O'ebesroman. Der zweite Dichterabend des Verbandes deutscher Cr- zähler fand im Plenarsaal des Herrenhauses statt. Er brachte eine Enttäuschung. Leonhard Frank  , der aus ieinem RomanBruder und Schwester" lesen sollte, ttat von der Vorlesung zurück. Angeb­lich, well der Rundfunk, der den Vorttag gleichzellig senden wollte, Zensur geübt hat, die sich der Dichter nicht bieten ließ. Nach Frank Thieß  ' Begrüßung las Oskar Baum   das KapitelHelrit" aus Die Tür ins Unmögliche". Dem Sinn« nach verworren, ober die Sprache des Werkes ist gut geprägt. Dann brachte Dr. Heinrich Michaelis aus dem Roman Lily HohensteinsDas Kind und die Wundmale" ein Kapllel. Di« Sprache zeichnet sich durch große Einfachhell aus. Aber Lily Hohensteins Epik ist durchsetzt von lyrischen Elementen und hier bei einem psychologisch aufgebauten Roman stört das Lyrische. Für den abwesenden Leonhard sprang Frank Thieß   ein und las einen EinakterDer Kammersänger". Das Stück zeigt mit- unter gute lebendig« Kleinmalerei. Sonst ist es ungleichwertig und unwichtig. 5. M.
Wallher Rathenau als vramenheld. Der Derlag Brüste in Rotterdam   bringt soeben ein Theaterstück des bekannten nieder- ländischen Dichters Geroersman heraus, das den Titel trägt Walther Rathenau  , Tragödie unserer Tage". Der Slutor hält sich darin streng an die historstckzen Totsachen. Der Verein Derllaer Niinfller veranstaltet in seinen Räumen im KünttlerhauS eine Kovelivausslellung seines Mitgliedes Dr. R ob« r t Richter, der soeben sein 70. Lebensjahr vollendet hat. Die Ausstellung um saßt Gemälde, Aquarelle und Krapbilen. Die Suusshondlung Zeih GurliN, Potsdamer Strohe 113, eröffnet am 28. ib>e neue Ausstellung, in der eine Kollellion von Bildern. Aquarellen und Zeichnungen der in Kapstadt  (Südasrila) lebenden Malerin Irma Stern   gezeigt werden. 3n dem Vortrag»zytlu».Das Drama in der Gegenwart-, den die Volks- bühne E. V. zur Zeit veranstaltet, spricht am 28., 20 Uhr, im Biirgersaal de« Rathauses. Eingang Königsttahe, Julius Bob über diedeutsche Situation" Einlaßkarten 0,60 Mark am Saaleingang. Die gemeinnützige Lope. Das Oberpräiidinm der Provinz Brandenburg  bat aus Veranlassung dcS MwisterS sür Kunit, Wissenichast und Volksbildung sür die Vorträge der.Lupe, e. V, Gesellschaft zur Förderung kultureller Interessen- die GemcinnützigkeftSerllärung ausgesprochen.
Zst das Entschädigung? Was find sechs Jahre Zucktdaus wert? Zu den Fällen, die während des letzten Jahres in ganz be­sonderem Maße den Glauben an di« Unfehlbarkeit von Strarurteilen erschüttert haben, gehört der an den rheinischen Arbajern p pele r und bg« s begangene Justizirrtum. Diese beiden wurden im Jahre 1021 unter der Anklage, einen Kassenboten über- fallen und beraubt zu haben, zu S bzw. 7*A Iahren Zuchthaus ve.r- urteitt. Beide leugneten die Tat, beide wurde» auf Grund eines Indizienbeweises verurteilt. Die damals ZOjährigen Angeklagten mußten di« gesamte Strose verbüßen, nur dem schwerer verurteilten Iöbges wurde das letzte Jahr seiner 7 �jährigen Zuchcha-ussttase erlassen. Erst vor etwa Jahresfrist wurden die wirklichen Täter, zwei Männer namens Weck und Rossel, ermittelt, die im Februar 1929 vor dem Kölner   Schöffengericht die Tat glatt«inge- st a n d e n. Da das Gericht üver di« Frage der Gewaltanwendung Zwsifel bekommen hatte, verurteilt« es die beiden mir wegen schweren Diebstahls zu 3 bzw. 2A Iahren Gefängnis. Hüppeler und Iöbges wurden im Wiederaufnahmeverfahren glänzend freigesprochen. Mit der ausdrücklichen Begründung, daß i h r« Unschuld erwiesen sei, wurde ihnen für die unschuldig verbüßte Zuchthaussttase Entschädigung zugesprochen. Damals einigten sich Verteidiger und Staatsanwalt auf einen Entschüdigungs- betrag von je 24 000 Mark. Wie jetzt gemeldet wird, will das Justizministerium aber nur an jeden der unschuldig Verurteilten 11000 Mark auszahlen. Wir müssen über dieses Verhaften unser Befremden aussprechen. An sich ist ein Geldbettog, mag er auch noch so hoch sein, überhaupt nicht imstande, die Martern eines unschuldig fünf Jahre lang Ein- gelperrten abzugelten. Hier sind obendrein zwei jungen Menschen di« besten Jahre ihres Lebens geraubt worden. De' 11 000 Mk. wird das verbüßt« Jahr Zuchthaus noch nicht einmal mit 2000 Mk. an­gerechnet. Würde etwa das Justizministerium umgekebrt bereit sein. eine Ktsjährige Zuchthaussttafe gegen Erlegung einer Geldbuße von 11000 Mk. zu erlassen?! Vermögenden Leuten, die unischuldig einige Wochen oder «inigeMonate in Untersuchungshaft gesessen haben, ist der er­littene Dermo gensschaden in mehrfacher Höh« des obigen vettages voll ersetzt worden. Wir betonen auedrücklich: durchaus zu Recht! Slb« hat nicht noch einen viel höheren Anspruch auf Berücksichtigung der seelische, körperliche, mvvalisch« und wirtschoft- liche Schaden, den ein unschuldig verurteilter Arbeiter in Ssöhriae- Zuchthaushast erlitten hat?!