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Tamilsstö Donnerstag 6. Februar 1930

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Unterhaltung und Wissen

Willy Ley  : Das Urwelt- Schloß

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Im Kindermärchen würde die Sache sich etwa folgendermaßen Befen, also ein richtiges Reptilienzeitalter, das da erhalten ge blieben war, wo nur die Bögel gegen die herrschenden Drachen ein wenig aufzufommen vermochten. Für die Forschung ist es inter­effant, daß dort das nördlichste Borkommen des Pinguins ift, er sigt hier auf dem Gürtel der Erde, sonst gibt es ihn nur füdlich davon und nicht auf der Nordhalbfugel.

Es war einmal eine Prinzessin, und man wußte nicht, ob sie schön und reich war. Man wußte nur, sie war sonderbar, und die ganze Natur liebte fie. Der Staub, den ihr Fuß berührte, wurde zu Stein, um die Spur für alle Zeiten festhalten zu tönnen und zu prahlen: Seht, hier ist die Prinzessin geschritten, und an tem Ort, wo sie für gewöhnlich saß und träumte, sproßten die Ichönsten Gewächse. Denn sie träumte und grübelte viel. Bon Blumen und Tieren, die es nicht gab- oder noch nicht gab, und von flugen Wesen, die einftmals die Erde beherrschen sollten. Von denen träumte fie am liebsten, denn es waren zumeist böse und häßliche Drachen um sie. Da tam eines Tages ein gewaltiger Riese in ihr Reich, sprechend, er molle ihr alles das beschaffen, wovon fie träume. Freudig erhob fie fich, um ihm entgegen zu gehen, aber ihr schauderte es, Eisluft strömte von dem Riesen, Gletscher bedeckten die Falten seines Gemandes, und Brinzessin Urwelt floh vor ihm Beit fort floh sie vor dem Frostriesen, bis unter die glühende Aequatorjonne. Aber dort mohnte der Bruder Feuerriese, und er batte den Vorfall mitangesehen. Ein Schloß mit vielen Türmen und Zinnen baute er, das verjenfte er ins Meer, so tief, baß nur bie Spizen hervorfahen. Genau unter dem Aequator, achthunbert Site. meter westlich der Westküste Sudameritas Und dann wurde die Brinzessin, die nicht den Mut gehabt hatte, thre Träume zu erfüllen, auf die Zinnen bes versuntenen Schloffes verbannt. Dort mußte sie leben unter den Tieren, die sie immer umgeben hatten, und erst spät tamen die flugen Besen ihrer Sehnsucht und brachten die anderen Tiere mit, von denen fie geträumt. Galápagos nannten die lugen Wesen ihr Schloß, auf dem Brinzessin Urwelt leben muß bis zum heutigen Tag.. Das Märchen ist, eine sehr sonderbare, sehr seltsame und sehr romantische Wahrheit Achthundert Kilometer westlich von Süd­amerifa liegen die sechzig Insein, bie man die Galápagos nennt. 2lbsolut steil tommen sie hervor aus dem Meere, zweitausend Meter tiefer liegt der Grund, von dem sich die Inseln fast senkrecht empor. reden Bultanisch sind sie, steinig, mit nur schmalem Strand, Süß­wasserquellen soll es auf ihnen nicht geben, zum mindesten find sie tlein und nicht von Bestand. Unter der Sonne des Aequators halten es nur wenige Pflanzen aus, Kafteen in der Hauptsache, auch einige dürre: Gräser. Aber tot find die Inseln darum nicht, es stimmt bei nahe, wie es das Märchen fagt, hier eriftiert noch leibhaftig die

Urmelt.

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Auf den schwarzen Lapaflippen des Strandes sonnen sich die riesigen, mehr als einen Meter langen schwarzen Meerechsen. Jeden Morgen schwimmen sie hinaus in die grenzenlose Beite des Großen Dzeans, um sich vollzuftepfen mit Lang So foll es der größte Teil ter alten Sourier gemacht haben, heute ist die Meerechte das einzige Reptil pas uns das noch vorführt. Oben, weiter im Inneren det Inseln, leben die Bettern der Meerechfe, die ebenso großen, ziegelrot und gelb grell gemalten und ihrer Farbe entsprechend bösartigen Drusentöpfe. Auch fie fressen Pflanzen, rupfen Gras und Blüten und fümmern sich im Bollbewußtsein ihrer Sicherheit nicht um die qnderen Tiere, die es da noch gibt. Die große Mehrzahl sind. Die tleinen flinken und menigstens in einem Geschlechte überraschend und drollig bunt gezeichneten Tropiduruseidechsen; die seltenen und ein tönig gestreiften Galápagosfchlangen und die mächtigen Schildkröten; Außer den großen Seeschildkröten, die in allen tropischen Meeren norkommen, gibt es auf den Galápagos noch die riesigen Land. schildkröten, die den Inseln ihren Namen gegeben haben( galopego" spanisch Schildkröte) und von denen man berichten muß, daß fie in zweihundert Jahren wohl bis auf den letzten Kopf ausgestorben fein werden. Denn fie vermehren sich äußerst langsam und sind durch die ersten Menschen, die nach den Galápagos famen, nahezu aus cerottet worden, weil es fie in so riesigen Maßen gab, daß man Hunderte von Metern über ihre Banzer spazieren fonnte, ohne ein mal mit dem Fuß auf den Boden treten zu müssen. Wie gesagt, jest find fie fast verschwunden, dafür laufen Tausende non verwil derten Haustieren herum. An einheimischen Säugern gab es auf der Insel aber ursprünglich nur wenige mausgroße und mausähnliche

Für die Menschen, die Galápagos fennen lernte- Eingeborene gibt es auf diesen Urweltinseln natürlich nicht gibt es auf diesen Urweltinseln natürlich nicht, scheint das Wort zu gelten, daß gewöhnliche Sterbliche teinen Zutritt fanden, im Märchenton gesprochen: Nur Auserwählte und Ausgezeichnete durften das Schloß der Prinzessin Urmelt betreten, nachdem ihre Herrschaft draußen auf der Erde durch die Revolution des Eisriesen gestürzt worden war.

Schon der Entdecker war ein König. Allerdings fein Beißer, fondern nur ein Infafönig, aber es war immerhin ein König. Noch bevor Bizarro in das Reich der Infas einbrach, hatte der Stönig Tupac Dupanqui eine Entdeckerfahrt nach Westen gemacht, dabei die Galápagos entdeckt, wo gerade ein Bultanausbruch wütete, und war nach einigen Irrfahrten wieder in sein Band zurückgekehrt. 2s die Spanier famen, hörten sie in allen Lonarien davon erzählen, aber sie hatten im Lande Gold genug, anderes intereffierte sie nicht. Bon Beißen entbedt wurden die Inseln aber body bald danach, der dritte Bischof von Panama  , der auf Befehl Kaiser Karl V.   nach Beru fahren sollte, geriet in eine Windstille und wurde von den Meeresströmungen an den Strand gebracht, an dem es, wie er der sicherte, ausfab, als habe Gott der Herr Steine regnen lassen" Den ersten Namen befamen die Injein bald danach von den Seeleuten, die sie wohl fannien, aber felten dort landeten. Beil damals die nautischen Instrumente noch so mangelhaft waren, daß man sich nicht auf Kompaß und Seetarie, fondern, wie ein Kapitän an den Hof berichtete, auf Gott   und das Raten" verlaffen mußte, mußte auf hoher Eee niemand, wo er eigentlich war, der eine fuhr über weites Meer, wo nach der Karte die Insein liegen mußten, der andere fand sie auf, obwohl sie viele Meilen entfernt sein sollten.

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was

Einer der nächsten Besucher war der Gesandte von San Do­mingo, Fran Martin Barragan, der sich einige Jahre als Robinson dort aufhalten mußte und in dieser Zeit, wie er gar herzbeweglich erzählt, seine Sünden bereute und sich zur Kirche befehrte, flärlich auf absoluten Mangel naturforscherischen Empfindens bin deutet. Nach Barragan, dem Belehrten, aber wurde es romantisch, Seeräuber famen auf ihrem Schiff Junggesellenlust" und richteten die Inseln als Borratsdepots für Lebensmittel und auch als Schatz fammer her. In unseren Tagen sollen zweimal Seeräuberschäße dort gefunden worden sein, der eine Finder war ein Dankee, der sich fo schnell wie möglich tot joff, der andere ein Spanier oder Portu gieße, der das größte Hotel in Guayaquil   boute und den Suff andere betreiben läßt. Die Seeräuberzeit auf den Galápagos bauerte bis gegen 1790; bann tamen Balfifchfänger, die fich aber nicht lange dort aufhielten, sondern nur Station machten, Riesenschildkröten schlachteten und in einem feeren Faß legte Briefe für die Heimat zurüdließen, die der nächste heimwärts fegelnde Waler mitnahm.

Der erste wissenschaftliche Befuch erfolgte erst 1822, der nächste Kapitän, der dort anlegte, mar der Führer eines Leichenzuges, es handelte sich um das Königspaar der Sandwichinseln, das bel feinem Besuch in London   an den Masern gestorben war. Und dann, 1835, fam wieder eine milfenschaftliche Expedition, zu ihr gehörte Charles Darwin  , der bort am Banastrand die ersten 3peifel am Linneschen Dogma der Artbeständigkeit empfand.

Seitdem ist nichts Beſentliches mehr passiert auf den Galápagos. Seitdem ist nichts Wesentliches mehr passiert auf den Galápagos infein, vereinzelte Bersuche, dort Sträflinge anzusiedeln, find durch weg gescheitert. Sie sind, nachdem die ruhmreiche Seeräuberei zu­grunde gegangen ist oder doch andere Formen angenommen hat, einjam geblieben, wie sie es vorher waren, vereinzeltes Biel   wahrer und falscher Wissenschaftler.

Jegt heißt es aber, daß sich der Erdölgürtel Eluadors bis zu den Inseln hinüberziehen foll. Ob es ftimmt, weiß man noch nicht, es wäre auch nicht sehr wahrscheinlich; ist es aber doch der Fall. so dürfte es dann wohl endgültig aus fein mit den Inseln als leztem Hort der Reptilienzeit, und mit ihrem Hauch von Ferne und leberührtheit.

Roland Dorgelès  : Die letzte Parade

Roland Dorgales, ber den Rriegsroman Die Solstrense I cefchrieben hat, erhielt vor furzem deu Goncourt- Breis su exforint Die raftehende, in usange wiedergegebene rheit, Sie im Sabre 1923, als die Anlage der großen Colbatenfriedhöfe Schriftstellers und Bazififten

beendet war, gefchrieben wurde, ift eine bez baratteristischsten des

Nein, der Krieg ist noch nicht zu Ende

Mirf den Schotter.

straßen an der Front defilieren die Golbaren noch, und man spürt noch immer das Zuden der Erde unter den Rädern der mit Truppen beladenen Laftwegen. Gespensterhafte Schatten von Soldaten aller Regimenter, Berlaufenen jeder Baffengattung, fie verlassen als legte die blutgetränkten Felder, auf denen wir fämpften, und marschieren den unermeßlichen Friedhöfen zur... Mann neben Mann. Grab neben Grab. In Reih' und Glied Die Hände an der Hosennaht. Mit Augen rechts", mie zu einer großen Musterung. Dieses Mal ist es die letzte, die letzte Parade, die Parade der Toten

Millionen sind es von der Vier bis zu den Bogesen, die der Tag des Waffenstillstands nicht mit übermächtiger Freude belebte, und jetzt erst, fünf Jahre danach. fönnen die Bataillone der Nady but die letzte Revue passieren.

Nun, Soldat, der du die Heimat wiedersehen wollteft, heute ift es fo meit. Auferstehung feierst du, im Leinentuch, der du im Ariege alles verloren hast, dein Leben oft sogar beinen Namen. Richts weiß man mehr non dir; menn du Glüd baft, vielleicht eine Regimentsnummer Niemand geht hinter deinem Sarge; feine Trane wird an deinem Grabe gemeint..

Als ich sie vorüberfahren, als ich die mit Särgen verstopften Massengräber sah, ergriff mich ein Schauder. Der Gedanke an den wilden Egoismus der Menschen schnürte mir die Kehle zu, und ich dachte mit Entlegen, daß auch ich auf diesem Laftwagen mit Leichen hätte liegen und die gleiche Auferstehung hätte feiern fönnex. Bergeffen schlimmer alt tot.

Labetall an der grant wühlt man die Gröber auf. lleherall epochen die Toten: im Dred non Artois. im Lehm von Berbin, m Breiteboden ber Champagne, im flandrishen Sand...

Die Bahnhöfe haben wieder ihr ruhiges, provinzielles Gesicht angenommen, und auf den gleichen Bahnsteigen, auf denen die Kameraben entamen, liegen sie jetzt frieblich nebeneinander. Die Maggons werden beladen. Man fieht ein Schild: 40 Mann"... Es geht heimwärts..

bei denen teine Ertenmungsmarte, fein Stüdchen Bapier fich fand. Diefe Toten find noch die Glüdlicheren. Die ärmften Teufel, fie bleiben zurüd. Die unbekannten Zoten.. Sie find es, an die ich besonders dente... Man darf sie nicht vergeffen. Sich ihrer erinnern heißt: ste verteidigen, fie retten. Regimentsfameraden. wenn ihr beieinander weift, fprecht von den Loten... sprecht offen davon, ohne falsche Trauer, als ob sie noch lebten... Sie haben kein Grab; sie sollen es in unseren Herzen finden..

Ein einziger ist aus der Reihe der Namenlosen herausgetreten. Ich habe seinen Sarg gesehen, damals im November, als man thn aus der Zitadelle von Verdun   herausholte. Der unbekannte Soldat.. Der Abgesandte der Toten... Als die Männer ihn davontrugen, war es mir, als ob fie, mie Sanft Christoph in der Legende, unter der Last zusammenzubrechen drohten. Eine solche Schmere an Schmerz enthielten die fechs Bretter.

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Und doch: ein held ist leicht: ein paar Knochen, einige Uniform feßen.

Auf der Höhe von Baris, am Ende der prächtigen Champs Elysées- Straße  , ruht er mun, der stumme Zeuge des großen Mordes Wie viele Mütter mögen an deinem Grabe. gemeint haben, Kind ohne Ramen..?!

Ueber der Ruhestätte dieses bescheidenen Menschen, der gewiß von einem forgenlosen Leben und Sterben träune, mölbt sich ein Mausoleum, ein Riefentorhogen( Etoile), dem Andenten mörderischer Shlachten( 1806) gewidmet. Der Krieg, dem der Unbefannte zum Opfer fiet, macht auch über seinem Tode Gin aufrüttelndes Stirn bib ist es: unter dem Triumphbogen liegt ein Grab... ( Benedigte Tebering sex Bebe Begel.)

Beilage des Borwärts

Das Unbehagen in der Kultur  ,

Ein neues Buch von Freud

gebracht haben. Der Mensch hat die Luft erobert und die Meeres. Alltäglich lesen wir in den Zeitungen, wie herrlich weit wir es tiefe, er hat die Entfernungen überwunden, kann die Stimme seiner Lieben über Tausende von Kilometern hören; er hat in der Be­fämpfung der Strantheit ungeheure Fortschritte gemacht und auf allen Gebieten der Wissenschaft und der Technik die früheren Ge­Ichlechter meit in den Schatten gestellt. Aber sind wir deshalb glid. licher? Herrscht nicht vielmehr eine allgemeine Unzufriedenheit in der Welt? Es scheint festzustehen, daß wir uns in unserer so hoch gepriesenen Kultur nicht wohl fühlen. Dieses tiefste Problem der modernen Menschheit hat der große Seelenforscher Siegmund Freud   zum Gegenstand eines soeben im Internationalen Psycho­analytischen Berlag zu Bien erschienenen Buches gemacht, das er Das Unbehagen in der Kultur  " nennt Freud   verknüpft in diefem tiefschürfenden Vermächtnis seiner Altersweisheit seine psychoanalytische Methode mit allgemeinen Betrachtungen, die bis zu dem Urgrund des menschlichen Trieblebens vorbringen. Er sieht in dem Streben des Menschen nach Glück ben Urzmed unseres Do­feins und behandelt die mannigfachen Versuche, die im Laufe der Geschichte unternommen worden find, das Unglüd abzuwehren und Die Quellen des Leidens zu verstopfen. Die einfachste Form der Beraufdpung, der eine furchtbare Seit des Kazenjammers folgt, ist auf die Dauer nicht durchführbar, und überhaupt ist alle Befriedi gung des Triebes   zugleich Ursache schweren Leidens, so daß der Mensch schon früh darauf gekommen ist, fich durch die Beherrschung ber Triebe von einem Teil des Leidens zu befreien. So ent ftanden alle jene Bersuche, die natürlichen Bedürfnisse einzuschrän fen, die Beidenschaften zu hemmen, und auf diefer Triebbeherrschung beruht die Entfaltung unserer Kultur in Religion und Philosophie, in Runft und Staatsform, in jeder geordneten Gemeinschaft und ge. regelten Arbeit, in Remlichkeit, Hygiene und so vielen anderen Dingen.

Der Mensch hat sich auf diese Weise zum Herrn der Natur aufgeworfen; er hat vielfach die Ideale erreicht, die die Primitiven ibren Göttern zuschrieben, aber er ist doch nur eine Art Pro­thesengott gemorden, recht großartig, wenn er alle seine Hilfsorgane anlegt, aber sie sind nicht mit ihm verwachsen und machen ihm gelegentlich noch viel zu schaffen". Je weiter er zu einer immer größeren Kulturhöhe emporsteigt, desto mehr ist er zur Bändigung feines Triebes   gezwungen, und diese Einschränkung der persönlichen Freiheit äußert sich nun nach der Ansicht von Freud   immer stärker in nervöfen Störungen, in Unbefriedigung und Unbehagen, wie fie in der Gegenwart so deutlich zum Ausdrud tommen. In tief­finnigen Betrachtungen stellt der Wiener Forscher diesen Vorgang beim einzelnen in Barallele mit der Entwicklung der Menschheit, und will als die Grundtriebe, die die Kultur befämpft und zurüd drängt, den Liebes und den Bernichtingstrieb erkennen Beder tas ungehinderte Balten des Eros noch das wüten der Sucht zu Angriff und Gewalttat, die dem Menschen aus Urzeiten übertom­

men ist, fönnen von einer verfeinerten Gesellschaft geduldet wer den. Der Mensch ist nach Freud von Natur egoistisch: er will seine Luft; die Kultur aber fordert von ihm Altruismus", Abfehr nom Ich, Hinwendung zu den andern und Berbindung mit ihnen, Liebe deinen Nächsten wie dich selbst aufgestellt ist. Die Echid eine Forderung. wie sie am großartigsten in dem chriftlichen Gebot falsfrage der Menschenart scheint mir zu sein", schließt Freud, ob und in welchem Maße es ihrer Kulturentwicklung gelingen wird, der Störung des Zusammenlebens durch den menschlichen Angriffs und Selbstvernichtungstrieb Herr zu werden. In diesem Bezug verdient vielleicht gerade die gegenwärtige Zeit ein besonderes Intereffe.

Kolalappen und Krimlataren

Im Berliner   Museum für Bölferfunde wurde im Lichthofe die fesselnde Sonderausstellung der Erwerbungen eröffnet, die Dr. Hans Findeisen und seine Gattin von ihren vor jährigen Reifen zu den Krimtataren und Rolalappen in Finnisch­Lappland und Südrußland heimgebracht haben. Diese ergebnis reichen Studien galten zwei Bölkern, die auf recht verschiedener Kulturftuje stehen, aber heute wenigstens das gemeinsam haben, daß ihre Eigenart schwer bedroht, ja beinahe verpischt wird. Das eine ist ein Polaroolf an der Eismeerfüste, mit Renntier- und Schafzucht, das aber hauptsächlich vom Fischfang auf dem Cisniger lebt, eine im großen und gangen recht ärmliche Kultur von Halb nomaden mit ziemlich roh gearbeiteten Gegenständen des täglichen Bedarfes und nur idwadh entwidelter Kunstfertigteit. So findet man in den Schränken, die ihre Neße, die Art ihrer Biehzucht ihre Kleidung, ihren Hausrat zeigen, mur gelegentlich ein Stüc Kunst­form. 350 Jahre standen diefe Lappen unter russischem Einfluß. ihre Kultur bewahrt die gemeinsamen Kennzeichen aller Bölfer des fie gehören der orthodoren, Kirche an, heute sind sie finnisch, aber höchften Nordens, auch in dem Waldschlitten von finnischer Form, der in der Ausstellung steht.

Ganz anders die Krimtataren: ein ursprünglich zentralasiati sches Steppenvolt, das mun am schwarzen Meer fizt, Erben alten dem ganzen vorderen Orient. Auch sie sind jetzt in schnellem, Nieder­Steppengutes, bereichert durch Beziehungen mit Griechenland   und gange, aber ihr dörflicher Lebenstreis, wie ihn das deutsche Forscher­paar hauptsächlich bei Battschisarai( an der Bahn zwischen Sewasto pol und Simferopol   in der Südtrim) studierte, ist durch Künste und durch Schmuck verschönt. Interessant ist auch, daß in der Gegend mindestens Erinnerungsspuren an die gotischen Insassen der Krim  sich erhalten haben, die dort bis ins 18. Jahrhundert hinein jeft­stellbar find. Ueberhaupt ist ja die Halbinsel im Laufe ihrer wechsel­reichen Geschichte von vielen Bölfern besetzt werden, und erst im 18. Jahrhundert sind die Ruffen eingedrungen. So ist es bezeichnend, daß die schönsten Dinge, die nun hier ausgestellt werden, mehr orientalisch als russisch   aussehen: z. B. der Silberschmud, dessen technische Herstellung hier an einem Schautisch studiert werden kann, die pruntvollen Schmuckstücke, die früher die frimtatarische Brant zur. Hochzeit für ihren Bräutigam berstellte, die Prachtstrumpf­bänder, die Korantaschen, der gelbe Talar eines Mullah  . Hoch ente wickelt bet diefem fleinen Böfferreste ist die Musit, deren 3nftru­mente für das Museum ermarben wurden, und auch die dekorative Malerei findet sich in fesselnden Broben. Daß das Böttchen über. haupt noch bestehen farm, dafür liefert der Garten- und Beinban im fruchtbaren Süden die hauptsächliche Grimblage, außerdem wird viel Schafzucht getrieben,