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.. Beilage zumVorwärts" Berliner VoWIatt. Ur. 63. Sonnabend» den 14. März 1896. 13. Jahrg. MeiNzskcuz. 59. Sitzung vom 13. März 1896. 1 Uhr. Am Tische des Bundesraths: v. Marschall , Direktor K a y s e r. Aus der Tagesordnung steht die zweite Berathung des Reichshäushalts-Elats für 1896/97, und zwar beim Etat des Auswärtigen Amts: Kolonialabtheilung und Etat der Schutzgebiete. Die Budgetkommission beantragt zu diesem Etat folgende Resolutionen: 1. Den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, alsbald und, wo möglich, noch im Laufe der gegenwärtigen Tagung, dem Reichstag eine Gesetzvorlage zu machen, welche die straf« rechtliche Verfolgung des Mißbrauchs der Amtsgewalt in den Schutzgebieten außer Zweifel stellt; 2. die verbündeten Regierungen zu ersuchen, einen Gesetz- eutwurs, betreffend die Regelung der Militärdieustpflicht in den Schutzgebieten, dem Reichstage noch in dieser Session vor- zulegen; 3. die verbündeten Regierungen zu ersuchen, bei Regelung der in den Schutzgebieten seitens der Reichsangehörigen ab- zuleistenden Wehrpflicht deutsche Missionare der in den Schutz- gebieten thätigen Missionsgesellichaften während der Dauer ihrer in einer deutschen Missionsanstalt erfolgenden Vorbereitung für den MissionSberuf, sofern sie demnächst in die deutschen Schutz- gebiete gehen, sowie für die Dauer ihrer Thätigkeit rn diesen Gebieten von der Ableistung der aktiven Dienstpflicht und der nach Maßgabe der Reichsgesetze vorgeschriebenen militärischen Hebungen zu befreien. Bei den Ausgaben für die K o l o n i a l a b t h e i l u n g, Direktor 20 000 M., bemerkt der Referent Prinz Arenberg, daß die Elatsaufslellung den Wünsche» des Hauses entsprechend erfolgt sei. Der Berichterstatter erinnert dann an die einzelnen Themata, welche in der Kommission besprochen sind: an den Dualismus in der Kolonialverwaltung, die Verhältnisse der Schutziruppe». den Fall Wehlan, der Anlaß gab zu der Frage. weshalb auf sein Vergehen nicht die Bestimmungen des Reichs- Strafgesetzbuches angewendet worden sind und er nur mit einer kleinen Disziplinarstrase weggekommen ist; die darauf bezüg- liche Resolution Nr. 1 wurde einstimmig angenommen. Inzwischen ist ja auch bereits eine Kabinetsordre über diese Angelegenheit ergangen. Ferner wurde behandelt die Vorbildung der Kolonial- beamten. Abg. Schall(k.): Ich muß noch einmal unsere sittliche Entrüstung ausfprecben nicht blas über den Fall Wehla» selbst, sondern darüber, daß, nachdem der Fall Leist dunkle Seite» des Kolonieallbens aufgedeckt hatte, noch einmal ein solcher Fall möglich war. Wie konnte ein deutscher Beamter sich so vergessen und nicht einmal sondern wiederholt zu solchen Grausamkeiten sich hinreißen lassen! Wir müssen daran erinnern, daß in Afrika , so gut wie in Deutsch lnnd, die Gesetze der christlichen Moral gelten; wir können es nicht dulden, daß die Neger anders behandelt werden als andere Menschen. In dem Buche von Passarge ist es direkt ausgesproch«i, daß die Missionäre die Religion in den Hinter« grnnd treten lassen müssen, wenn sie etwas erreichen wollen. Die Missionäre nnt ihren unverstandenen Lehren von Brüderlich- keit und Gleichheit können nichts erreichen bei den Negern; lächerlich sei es. wenn man sich in Deutschland aufhalte über die Nilpferdpeitschen. Durch solche Aeußerungcn muß das christliche Gefühl verletzt werden.(Sehr richtig! rechts.) Der Einführung des Branntweins in die Schutzgebiete sollte die Regierung entgegentreten. In Kamerun allein ist für fünf Millionen Mark Branntwein eingeführt worden; Branntwein ist der Haupthandelsartikel. Wenn an diesem Gewinn auch die Landwirlhschaft betheiligt ist, aus einem solchen Handel, der die Sililichkeit schädigt, wollen wir leinen Gewinn. Redner fragt schließlich, ob es wahr sei, daß in den Kolonien der Muhame- danismus in der Schule berücksichtigt werden solle. Direktor der Kolonialabtheilung Kayfcr: Die kaiserliche Regierung theilt durchaus den Standpunkt des Vorredners. Der Fall Leist hat bereits seine Erledigung gefunden in der Ab- setzung; der Fall Wehlan schwebt vor den Gerichten und angesichts dieses Umstandes glauben wir uns verhindert, in eine materielle Erörterung einzutreten. Die Stellung des Auswärtigen Amts ist klar geworden durch die Stellung der Staats- anwaltschast in diesem Falle. Die Sache vor die ordentlichen Gerichte zu bringen, ist nicht möglich geivesen.weil die Staatsanwaltschaft und das Justizministerium die Anwendung des Strafgesetzbuches für ausgeschlossen halten und zwar nach erneuter eingehender Prüfung der Akte». Es ist eine Verfügung erlassen, wonach zur Erzielung von Geständniffen andere als die Mittel des Strafgesetzbuches nicht angewendet werden dürfen; insbesondere sind die Verdachtstrafen ausgeschlossen. Wir sind außerordentlich vorsichtig in der Auswahl der Beamten. Es wird keiner hinausgeschickt, der nickt längere Zeit in der Kolonialabtdeilung gearbeitet hat. Im großen sund ganzen haben die Offiziere und Beamten ihren schweren Dienst in aller Pflichttreue geleistet. (Beifall rechts.) Herr Passarge steht in gar keinem Verhältniß zur Kolonialabtheilung; er ,st bei einer Privatexpedition be- lheiligt gewesen. Ich habe Herrn Paffarge gar kein Hehl daraus gemacht, daß ich sein Urtheil über den Mohamedanismus und die christlichen Missionen für durchaus unzutreffend halte. Es wäre vom politischen Standpunkt nichts verkehrter, als wenn die deutsche Regierung, irgendwie den Plan unterstützen wollte; denn der Islam ist nicht blos der Feind der Christen, sondern auch der Deutschen ; die Regierung würde ihre eigene Herrschaft untergraben. Es ist allerdings der Wunsch aus- gesprochen worden, um die Schulen zu fördern, einen mohanie- danischen Religionslehrer von Staats wegen anzustellen. Der Kolonialrath hat sich dagegen ausgesprochen und damit war die Sache erledigt; ich habe geglaubt, daß der Vertreter der Missionsgesellschaften davon die Betheiligten in Kenntniß ge- setzt bat. Eine schwierige Frage ist die der Einfuhr von Branntwein in die Schutzgebiete. Bereits 168587, ehe»och eine internationale Verpflichtung für Deutsch- land bestand, haben wir in der Südsee die Branntwein- pest fern zu halten versucht. Das ist auch in Ost- afrika geschehen. Südwestafrika ist geradezu ein Heerd der Branntweinpesl gewesen. Es geschieht alles, um die Ausdehnung des Branntweinverbrauchs zu erschweren. Es bleibt nur Kamerun und Togo übrig, wo die Zölle für Branntwein wiederholt erhöht worden sind. Es wurde früher behauptet, daß mivderwerlhige Qualitäten Branntwein in die Kolonien eingeführt worden sind. Die Untersuchungen haben das Gegentheil ergebe». Ohne die deutsche Einfuhr von Branntwein würden die Eingeborenen ihre eigenen berauschenden Getränke. Palmwein u. f. w. genieße». De'' Branntwein wird nach den Mittheilungen der Reisenden '.gentlich»ur an der Küste genoffen. Weiter im Innern wird er nur in sehr starker Verdünnung getrunken und es nimmt mit der Entfernung von der Küste der Genuß des Palmweins zu. Auch die englischen Vertreter erklären, daß die Branntweinpcst nicht so groß sei, daß es schwer sei, einen Neger zu berauschen; man könne in einer europäischen Stadt an einem Tage mehr be- rauschte Menschen sehen, als in Afrika im ganzen Jahre. Unsere Gouverneure sind beauftragt worden, sich genauüberdieVermehrung des Verbrauchs von Spiritus zu unterrichten. Die Ausfuhr ist nicht gestiegen in den letzten Jahren. Wir werden alles thun, was das Missionswerk fördert. Abg. Bcckh(frs. Vp.): Wohin die Kolonialschwärmereien führen, das zeigen zu unserem Bedauern die Niederlagen der Italiener in Afrika . Ich hoffe, daß diese Ereignisse nicht dazu führen werden, das Bundesverhältniß auch nur im geringsten zu lockern. Sie sind aber ein warnendes Beispiel gegen allzu große Expansionsgelüste. Wir dürfen den Spuren des Herrn Peiers nicht folgen. Gegenüber allen Versuchen des Reichstages, in der Kolonialpolitik eine Besserung herbeizuführen, haben wir bisher immer nur schöne Versprechungen er- halten. In der Verwaltung der Kolonien hat ein steter Wechsel stattgefunden, ohne daß man ein Prinzip dabei erkennen konnte. Welches Malheur haben wir gehabt mit den Herren von der Schneidigkeit des Herrn Leist. Auch über Herrn Wehlan können wir uns ein Urlheil bilden, unbeschadet der Thatsache, daß die Berufung noch schwebt. Der Gouverneur Zimmerer war auch nicht der rechte Mann; Rittmeister von Stetten ging weg, weil er sich mit ihm nicht stellen konnte. Die Eingeborenen zündeten einen Speicher von Jantzen und Thormählen an und plünderte» was sie konnten. Der Gouverneur lehnte es ab, Hilfe zuzusagen, wegen eines Kaufmanns könne er nicht gegen die Bevölke- rung vorgehen. Es entstand eine Prügelei und die gestohlenen Gegenstände wurden den Räubern abgenommen. Da beschwerte sich die Bevölkerung und der Kauf- mann, dessen Faktorei verbrannt wurde, mußte dieselbe noch entschädigen! Das war auch kein richtiges Verhallen; denn die Bevölkerung wurde trotzdem rebellisch. Herr von Stetten hat den Feldzug geführt. Er ist aber durchaus nicht in vor- sichtiger Weise durch einen anderen Beamten ersetzt worden. Redner bemängelt schließlich die Lazaretheinrichtungen i» Kamerun . Direktor Kayser: Der Ersatzmann für Herrn von Stetten ist nicht unerfahren in den Dingen; er hat sich längere Zeit in Westafrika aufgehalten zur Zeit des Dahomehkrieges. Die Frage eines Sanatoriums iu Kamerun wird seit Jahren erwogen. Abg. Bebel: Den Wunsch, daß wir von den Kolonien, die wir nun einmal haben und die uns soviel Geld gekostet haben, einen Vorlheil habe», theilen sehr viele, ich habe aber die Auf- fafsuug, daß je länger wir mit den Kolonien zu thun haben unsere Geschäfte dort immer schlechter werden.(Züstininiung links.) Wir können weder in moralischer noch in materieller Beziehung auf unsere Kolonien stolz sei».(Zustimmung links.) Es ist endlich auch denjenigen zu arg geworden, die sich immer mit der Hoffnung trösteten, es würde einmal besser werden. Millionen und abermals Millionen haben wir in ein Faß geworfen, das keinen Boden hat, während zu Hause wichtige Kultnraufgaben unerfüllt bleiben. DieGeschichte derKolonialpolitik ist mit Blut und Thränen geschrieben, auch die u n s r i g e. Wir haben keine Ehre von unserer Kolonialpolitik. Der Kolonialdirektor hat gesagt, daß abgesehen von Leist und Wehlan die deutschen Beamten dort ihre volle Pflicht und Schul- digkeit thun. Nun, wenn sie nur annähernd solche Subjekte wären wie Leist und Wehlan, dann hätte» wir alle Ursache unsere Kolonien im Stiche zu lassen und nach Hause zu ziehe». Zu schämen haben wir uns jetzt schon. Nachahmer giebt es genug, wenn auch in kleinerem Maßstabe. Die Nilpferdpeitfche ist dort das Haupllulturmittel. Ich muß hier einen Fall zur Sprache bringen, der in seinen Einzelheiten dem Hause noch nicht bekannt und von der Neichsregrerung nicht aufgeklärt ist. Bekanntlich ist zwischen der deutschen und der englischen Regierung eine Vereinbarung getroffen worden, wonach durch ei» Schiedsgericht i» Sansibar die Beschwerden der Gebrüder Denhardt in bezug auf die Vorgänge in W i t u geprüft werden sollen. Durch die Gebr. Denhardt veranlaßt, sahen sich ein gewisser Herr Künzel und andere Deutsche ver- anlabt 1890»ach Wit» zu gehen, um große Partien Holz zu fällen. Die deutschen Eingewanderten wurden durch den Sultan von Witu nach Witu selbst gelockt, alsdann überfallen und gc- lödlet. Ans dein uns zugegangenen Aktenstück ergiebt sich, daß nach der Aussage eines gewissen Menasch. des einzigen-Ueber- lebenden, die ausschließliche Schuld a» dem Ueberfall den Sultan von Witu trifft, der in heimtückischer Weise die Deutschen in seine Residenz gelockt haben soll. Im Wider- spruch damit trifft nach der Aussage des bekannten Kurt T ö p p e», damals Kaufmann in W i l n. die ganze Schuld den Künzel, der durch sein provokatorisches Aliftrcten de» S n l t a» von Witu gereizt hat. Der Sultan hat später bestritten, daß er zu dem Ueberfall seine Zustimmung gegeben habe. Seine Leute seien durch Schimpfereien so ge- reizt worden, daß sie sich nicht niehr zurück- halten ließen. Charakteristisch ist auch, daß in dem Akten- stück der Regierung steht: in bezug auf die Aussagen des T ö p p e n sind verschiedene Unklarheiten vorhanden, welche sich nicht beseitigen ließen. Worin diese Unklarheiten be- stehen, weiß man nicht. Die Gewaltthätigkeit wurde später von den Engländern durch die Niederbrennung W i t u s gerächt. Um dieselbe Zeit hat der deutsche Lieutenant Ernst v. Carnap-Querenheim eine Anklageschrift versaßt und dem Grafen C a p r i v i zugeschickt, in welcher erdarauf hin- weist, daß der eine der Hauplbetbeiligten. der zum Morde gegen die Deutschen aufgereizt habe, einer dort angesessenen Familie angehöre und im Dienste des genannten Toppen stehe. Als Herr v. C a r n a pach einer Reihe von Monaten vom Reichskanzleramt keine Antwort erhalten, reichte er wurde ihm dieses zurückgeschickt sei eingetroffen, über die Sache steht»och heute in Amt und Würden und gegen seine persönliche Ehrenhaftigkeit liegt nichts vor. Ich bin begierig, ob die Reichsregierung die Sache unter- sucht und was sie an den Behauptungen des Herrn v. C a r n a p als wahr befunden hat. Aber ich muß noch eine andere Persönlichkeit erwähne», die in den kolonialen Angelegenheiten eine viel größere und einflußreichere Rolle gespielt hat und noch spielt, den bekannte» Herrn Dr. Peters, der ein Ruhegehalt von 6000 Mark bezieht und seine Muße benutzt, um für die Flottenvermehrung nach Kräften tbätig zu sein. Es ist doch eigenthümlich, daß ei» Mann, der bestimmt war, ein höheres Amt in Ostafrika an- zutrete», sein Amt nicht antritt, weil er ärgerlich darüber ist, daß W i ß m a n n ihm vorgezogen sei. (Zuruf des Grafen Limburg: Woher wissen Sie denn das?) Herr Graf Limburg! Sie werden ivissen, daß manches on«iu eine größere Bedeutung hat als die sicherste Wahrheil. Ich habe über Herrn Peters Vorleben nachgeforscht und wundere mich, daß ihn die Regierung überhaupt im Amte behält; denn die Sachen sind gedruckt und veröffentlicht. Hätte er sein Amt angetreten, so hätte er wahrscheinlich übel gewirthschaftet. Was Herr Peters beschreibt in seinem BucheDie deutsche Emin-Pascha-Expedilion" sollte geeignet sein, einen solchen Mann überhaupt nicht in Reichsdienst kommen zu lassen. Er selbst erkennt an, daß er rigoros die Körper st rafe angewendet habe; was das bei Peters bedeutet, wird man wissen. Alle Augenblicke spricht er dabei von der Vor- s e h u n g. Die Träger, welche Peters angeworben hatte, haben ein zweites Exemplar ein. Es mit dem Bemerken, das erste selbst kein Wort. Der Herr ihn vielfach in Stich gelassen. Er hat die Völkerschaft der G a l l a, in deren Gebiet er sich befand, beauftragt, die ent- wichen en Träger einfach niederzumachen! Ist das vereinbar mit chri st licher Gesinnung? Die Dörfer anderer Völkerschaften, welche ihm nicht willfährig waren, brannte er einfach nieder. Eine weitere Völkerschaft griff er ohne weiteres mit Rcpetir- gewehren an. Redner zitirt weitere Stellen aus dem Buche von Peters. Der Zug gegen die M a s s a i wäre ohne Gefahr für die kleine Expedition gewesen, wenn nicht Peters, wie immer, in der brutalsten Weise aufgetreten wäre. Es ist unerhört, daß ei» Vertreter des Christenthnms solche Dinge schreiben kann, wie sie in diesem Buche stehen, und wenn man darüber lachen kann, so beweist das, daß es auch in Deutsch - land ähnliche Leute giebt.(Zuruf links: Frechheit!) Vicepräsident Schmidt-Etberseld: Ich habe hier den Zuruf Frechheit auf der Linken gehört; ein solcher Zwischenruf schickt sich nicht und verletzt die Würde des Hauses. Abg. Bebel fortfahrend: 1891 befand sich Peters auf einer Expedition nach dem Kilimandscharo . Das er st e, was er that neben der Errichtung seiner Hütte, war die Errichtnng eines Galgens. Er hatte sich ein hübsckes Mädchen als Beischläferin erworben. Dieses Mädchen hatte ein Verhältniß mit einenr Diener Peters an- geknüpft: Peters befahl sofort das Mädchen und de» Diener an den Galgen z u hängen. Der Lazarethgehilse wurde kommandirt und die beiden jungen Leute wurden ausgehängt. Peters beschuldigte die Aufgehängten der Spionendiensle. Wäre dafür ein Beweis vorhanden gewesen, so hätte der Lieutenant sich wohl nicht geweigert, das Urtheil zu vollziehen. Als Peters in M o s ch i der englischen Mission einen Besuch machen wollte, lehnte Bischof Tucker den Besuch eines Mörders ab.(Bravo links.) Herr Peters entschuldigte sich mit den afrikanischen Gebräuchen gegenüber den Ehebrechern, er, der Vertreter europäischer Kultur! Ein Ehebruch in Afrika aber würde für die Frau nur eine Tracht Prügel zur Folge haben, weil der Mann bei der Tödlung der Frau ein iverthvolles Arbeitsinstrument verlieren würde. Solche Dinge müssen genau untersucht werden; Redner benennt als Zeugen die Augehörigen der englischen Missionen und der katholischen Missionen, die Osfiziere der Expedition und andere Theiluehmer derselben. Die Ermordung des Mädchens hatte allerlei Unruhen gegen die Deutschen zur Folge, in denen zwei deutsche Offiziere und zwei Aerzle fielen. Herr Schall hat vorhin auf Peters verwiesen, aber er hat nicht gesagt, um was es sich handelt. Der Fall Leist mag für die Regierung abgethan sein, aber für mich und für die Welt nicht. Die öffeut- liche Entrüstung ist laut geworden darüber, daß die Richter nach allen den Brutalitäten, die sich Herr Wehlan hatte zu schulden kommen lasse», zu einem so milden Urtheil komme» konnten! (Sehr richtig! links.) Redner gehl auf den Fall L e i st näher ein. Wenn die Strafgesetze des Reiches nicht angewendet werden konnten auf Leist, warum hat denn die Regierung auch nur einen Tag gezögert das zu thun, was sie erst jetzt gethan hat, im Wege der Verordnung vorzugehen! So schlimm wie die Fälle Leist und Wehlan seien nicht viele gewesen; aber ähnliches ist oft passirt. Sogar Geist- liche haben sich gemüßigt gesehen, zu protestiren gegen das Verhalten der deutschen Beamten in den Kolonien, für welche die Fälle Leist und Wehlan typisch gewesen seien. Die Be- stimmungen des Straf- Gesetzbuches über Mißbrauch der Amts- gemalt und Mißhandlungen gelten doch nicht blos bei Vergehen der Deutschen gegen Deutsche , sondern auch der Deutschen gegen die Eingeborenen. Jedenfalls müßte in bezug auf die Pfandweiber gegen Leist der Z 174 Nr. 3 des Strafgesetzbuches angewendet werden. Hier würde eine Bestrafung sogar nach de» afrikanischen Sitten und Ge- bräuchen nothwendig sein. Redner zählt serner die einzelnen Vergehen von Wehlan auf und bezeichnet das Urtheil der Disziplinarkammer als ein sehr mildes. Einige Geistliche haben allerdings Wehlan in Schutz genommen und seine erzieherische Wirksamkeit gelobt. Wenn Wehlan ein tüchtiger Beamter ist, dann möchte ich erst einmal die untüchtigen Beamten sehen! Nach einer eingehenden Kritik des Urtheils gegen Wehlan fragt Redner, warum das Strafgesetzbuch nicht angewendet sei. Da'falle ihm der Spruch des Justizministers ein: W e n n z w e i d a s s e l b e thun, ist es nicht dasselbe!(Sehr richtig! links.) Ein einfacher Arbeiter, wenn er das gethan hätte, was der höchste Reichsbeamte that, ich fetze meinen Kopf zum Pfände, er wäre sicherlich in der Kolonie angeklagt worden. Ich entsinne niich noch, daß auf einer ostafrikani- scheu Kolonie wegen Maßregelung eines Eingeborenen der Aufseher, ein Deutscher, zu 6 Monaten Gefängniß verurtheilt worden ist. Wenn ein Aufseher bei einem Bahnbau oder auf der Kolonie wegen schwerer Mißhandlung der Schwarzen be- stimmte Paragraphen des Strafgesetzbuchs verletzt hat. dann ist er saßbar. Der von mir vor 23 Jahren hier erwähnte Fall ist durch die Zeitungen gegangen und hat sich als wahr er- wiesen. Aber wenn deutsche Beamte. Ver- treter des deutschen Kaisers und deutschen Reiches, 20 100 fach schwerere Grausam- leiten und Barbareien begehen, dann giebt es in der ganzen weiten Welt keinen Richter, keinen Gerichtshof, der sie ent- sprechend zur Vera ntiv ort ung zieht. Wenn solche Folgen Ihre Kolonialpolitik gebiert. dann haben Sie alle Ursache, so rasch als mög- l i ch mit derselben aufzuräumen, d e in ganzen Afrika den Rücken zu kehren und Ihre Zivili- sations- und Kulturarbeit hier in Deutsch- land zu machen.(Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.) Direktor Kayser: Ter Vorredner hat sich als Vertreter des Rechtes hingestellt und das Urtheil des Potsdamer Disziplinar- gerichtes verurtheilt. Was kann das für einen Eindruck machen, wenn er gegen einen Gerichtshof hier auftritt, ohne daß ihm die Akten zu Gebole stehen. Er geht von der Voraussetzung aus, daß das, was in den V a l e n t i n' s ch e n Tagebüchern steht. alles wahr ist. weil es ihm Gelegenheit giebt. gegen die Re- gierung vorzugehen. Aber es hat sich ergeben, daß nur ein kleiner Theil des Tagebuches wahr ist, freilich immer noch genug, während der Vorredner alles als wahr annimmt und danach das Urtheil lrilisirt. Wir haben gegen das Urtheil Berufung eingelegt. Der Reichstag ist doch keine Apellinstauz. Auf den Fall Wehlan will ich nicht näher eingehen. Das Tagebuch enthält zum größten Theil Renommage undKüstcnklatsch. Wenn gegen L e i st nicht auf gruud des tz 174 eingeschritten ist, so geschah das deshalb, weil die Voraussetzungen dafür fehlten. Es bat sich herausgestellt, daߧ 174 ein gesetzliches Verhältniß zwischen dem Aufseber und den ihm Anvertrauten voraussetzt, und wir können doch die Pfandweiber als ein legales Institut hinstellen.(Lachen bei den Sozialdemokraten.) Als Mensch können wir ihn nicht bestrafen, als Richter hat er sich keine Miß- Handlung zu schulden kommen lassen.(Lachen bei den Sozialdemo- kraten). Das Urlheilder Geistlichen über die Vorgänge in den Kolonien ist uns nicht entgangen. Aber während in der Generalsynode davon gesprochen wurde, daß die Sitten der Europäer in den Übcrseeijchen Ländern zu wünschen übrig lassen, macht Herr