Morgenausgabe
Nr. 83
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47.Jahrgang
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Mittwoch
19. Februar 1930
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a to Belgrab, 18. Februar. Der deutsche Gesandte Dr. Köster, der an einer Blinddarmentzündung erkrankt war, ist heute um 19,20 Uhr verstorben. Der Zustand des Gesandten hatte sich in den Nachmittagsstunden sehr rasch verschlimmert, das Herz begann gegen 6 Uhr völlig zu versagen. Am Totenbett befanden sich die Gattin des Gesandten, Prof. Wenkebach und die anderen behandelnden Aerzte.
Dr. Köster hatte auch die zweite Operation gut überstanden. Am Dienstag ließ sein Herz jedoch immer mehr zu wünschen übrig. Den Tag über schlief der Patient. Abends gegen 6 Uhr wachte er auf und zeigte sich noch mals bei vollem Bewußtsein. Bald darauf ist Dr. Köster mals bei vollem Bewußtsein. Bald darauf ist Dr. Köster sanft entschlafen. Um 7,20 Uhr stellten die Aerzte den
Tod fest.
Bieder hat der Lob aus den Reihen der Sozialdemokra tischen Bartei einen der Besten und Verheißungsvollsten geholt. Der erst 47 Jahre alte Reichsminister a. D. Dr. Adolf Röster war für alle, die feine glänzenden Eigenschaften fannten, eigentlich immer noch ein tommender Mann. Seine diplomatische Laufbahn, die ihn über Riga nach Belgrad geführt hat, schien nur ein Zwischenspiel, Lernzeit des ewig Lernbegierigen, Vorbereitung für spätere große Aufgaben. Dem allen hat ein sinnlos zerstörendes Schicksal ein jähes Ende gesetzt.
Adolf Röster war einer aus der fleinen Schar der Alademiker, die schon lange vor dem Weltkrieg und der Revolution zum Sozialismus gefommen und in die Reihen des fämpfenden Proletariats eingetreten waren. Als Student der Philosophie in Marburg , Schüler Cohens und Natorps, hatte er sich, wie Kurt Eisner , fchon viele Jahre zuvor von der Ethit Kants den Weg zum Margismus gebahnt. Als Privatdozent der Philosophie an der Universität München von der bayerischen Regierung mehr versehentlich als wissentlich bestätigt, wurde er, seit dem Fall Arons, der erste deutsche Universitätslehrer, der sich offen zur Sozialdemokratischen Partei bekannte. Stärker jedoch als zum Amt des Lehrers zog ihn seine Neigung zu dem Beruf des Schriftstellers und Journalisten. In ihm entwickelte er eine überraschende Bielseitigkeit als Verfasser wertvoller Romane und als politischer Publizist. Alsbald vertauscht er den Münchener Lehrstuhl mit einem Redaktionsseffel bei der Schwäbischen Tagwacht" unferem Stuttgarter Parteiblatt. Dann lebte er als freier Schriftsteller und unternahm weite Reisen, die ihn bis nach Afrika führten. Als der Krieg ausbrach, machte ihn sein Trieb zu schauen und zu schildern zum Kriegsberichterstatter, wahr scheinlich dem besten, der an den deutschen Fronten gestanden hat. Röfter hat sich stets bemüht, auch bei denen, die man während des Krieges Feinde" nennt. das Gute anzuerkennen und die Fahne der Menschlichkeit hochzuhalten. Erst fürzlich erschien in einer Belgrader Zeitung wörtlich abgedruckt der Kriegsbericht, in dem Köster im Frühjahr 1916 die Einnahme von Belgrad durch die Truppen der Zentralmächte geschildert hatte. Das serbische Blatt betonte dabei, daß es diesen Artikel ausgegraben und übersetzt hätte als Beweis dafür, wie der jegige deutsche Gesandte in Jugoflamien auch mitten im Kriege objettiv über die erlebten Geschehnisse und über die feindlichen Truppen berichtet hätte.
vielseitigen Begabung. Es war nicht seine Schuld, sondern es lag an den stürmischen Zeitverhältnissen, daß Köster nur wenige Monate an der Spize des Außenministeriums bleiben tonnte. Dem Rabinett Wirth gehörte er aber dann während feiner ganzen Dauer als Innenminister an, und was er in diesem Amt für die Festigung der jungen Re publit leistete, stellt ihn neben Karl Severing . Köster ist ein wahrhaft republikanischer Innenminister gewesen und er hat das nicht nur durch glänzende Reden im Reichstag, sondern auch, was mehr wiegt, durch entschlossene Taten im
Amt befundet.
Enge Freundschaft hatte ihn mit Friedrich Ebert ver: bunden nicht erst von dem Tage an, an dem er auf dem Ballon des Weimarer Nationaltheaters das Hoch auf den neugewählten ersten Präsidenten der Deutschen Republik ausgebracht hatte. Beide waren sehr verschiedene Naturen. Der Alademiker, dem alles stets wohlgelungen war und der schein bar mühelos feine Erfolge errang, war aus einem ganz anderen Holz geschnitten als der schwer um Entschluß und Form ringende, aber im Grunde stärkere Mann aus der Arbeiter flaffe, deffen Kraft aus den Tiefen einer angeborenen Be gabung emporstieg. Doch die Verschiedenheit der Art hinderte nicht, sondern förderte die Gesinnungs- und Wertgemeinschaft, die die beiden Männer miteinander, verband. Jeßt will es der fragische Zufall, daß Adolf Köster auf diefelbe Weise frühzeitig aus dem Leben schied, wie Friedrich Ebert fast genau fünf Jahre zuvor!
Nach der Beendigung seiner Minifterlaufbahn ging Röster in die Diplomatie. Als deutscher Gesandter in Riga entfaltete er glänzende Fähigkeiten. Nicht nur, daß er durch politische Klugheit und persönliche Liebenswürdigkeit hervor stach mit Staunen sahen seine Freunde, wie er, der Philosoph, der Dichter und Schöngeist sich mit leidenschaftlichem Eifer in alle verwidelten Probleme der Wirtschaft, namentlich der gegenseitigen Handelsbeziehungen hineinarbeitete.
Mit Staunen aber sah auch die deutsche Kolonie der lettischen Hauptstadt jetzt einen aktiven Republi. faner als Vertreter der Deutschen Republik. Es gab einen fleinen Aufstand, Intrigen, Denunziationen, Pressemanöver, aber Köster hielt sich, fetzte sich durch, brachte Farben und Ideen der Republik zur Geltung. Auch darin, in der Erfüllung der wichtigen Aufgabe. das Auslandsdeutschtum zum Verständnis für die deutsche Gegenwart zu erziehen, fann er allen deutschen Auslandsvertretern als Vorbild dienen. Röster galt als einer der besten Männer der deutschen Diplomatie, als er den Bosten in der Hauptstadt Jugoflawiens bezog. Leider hat das dort bald nach seiner Ankunft einfegende absolutistische Diktatursystem die Arbeit des fozialdemokratischen Gesandten arg erschwert. Rein Wunder, daß man sich nach Möglichkeiten umfah, diefe außer
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ordentliche Kraft besser zu verwenden und daß man vielfach in ihm den kommenden Vertreter der Deutschen Republik bei der Arbeiterregierung in London erblickte.
Röster hätte an jedem Posten, auf dem man ihn gestellt hätte, Ausgezeichnetes für das Reich geleistet und seiner Partei, an der er mit allen Fasern seines Herzens hing, Ehre gemacht. Er war vielleicht ein„ Ehrgeiziger", aber er war es in großem Sinne, sein Ehrgeiz war auf ein sachliches Ziel gerichtet, auf das Ziel für die Sache der Demokratie und des Sozialismus Höchstleistungen zu vollbringen.
So bedeutet sein Tod für die Partei einen unersetzlichen Berlust. Mit ihr trauert an der Bahre des viel zu früh Dahingegangenen eine Witwe mit fünf Kindern, deren ältester soeben die Universität bezogen hat.
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familie. Er wurde am 8. März 1883 in Berben a. d. Aller als Sohn Adolf Köfter entstammte einer alten nordmärkischen Fischereines Zollbeamten geboren. In Hamburg , wo sein Vater amtlich tätig war, wuchs er auf, besuchte dort die Bolksschule und das Gymnaftum und studierte später Philosophie. 1911 habilitierte er als Brivatbozent in München , gab diese Laufbahn jedoch bald wieder cuf und widmete sich ganz dem Schriftstellerberus, nachdem er varübergehend die Redaktion der„ Schwäbischen Tagwacht" in Stuttgart
geführt hatte.
Während des Krieges schrieb er als Kriegsberichterstatter viel
gelesene Stimmungsbilder, besonders von der Westfront. Nach der
Revolution arbeitete Köster zunächst in der Reichskanzlei. Im
April 1919 wurde er zum preußischen Gesandten in Hamburg ernannt und gleichzeitig als Reichsfommiffar mit der Beitung der Abstimmung in Schleswig betraut. Nach dem Kapp- Putsch wurde er Minister des Auswärtigen im damaligen Kabinett Her mann Müller
. Infolge des Ausfalls der Juniwahlen von 1920 trat er mit der Regierung zurüd, übernahm jedoch im zweiten Rabinett Birth im Oftober 1921 das Amt des Reichsministers des Innern. Im November 1922 wurde er zum Gesandten in Riga ernannt, wo er mit großem Erfolge tätig war, bis er im März 1928 auf den Gesandtenposten in Belgrad berufen wurde.
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Als Philosoph verfaßte Adolf Köster Schriften über die Ethik Pascals und über den jungen Kant. Als Romancier schuf er die bei A. Langen erschienene vielgelesene Rovellensammlung Die zehn Schornsteine" und den Roman Die bange Nacht". Eine Reihe weiterer Schriften schildert Borgänge aus dem Weltkrieg. Auch seine Erfahrungen im Abstimmungskampf von Nordschleswig hat er in einem Erinnerungsbuch niedergelegt. Dann folgten die glänzend geschriebenen polemischen Schriften: Ronnten wir weiterfämpfen?" und Gegen die Dolchftoßlegende". Zahlreich ist schließlich die Reihe der Zeitungsauffäße, die aus feiner Feder gefloffen find. Ein großer Teil von ihnen ist im Borwärts" erschienen, der in Köster einen seiner treuesten Freunde und besten Mitarbeiter verloren hat.
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Gesundung der Reichsfinanzen!
Gewerkschaftsentschließung zur Finanzlage.
Der Bundesausschuß des ADGB. faßte folgende Entschließung: Diese Entlastung fann jedoch vorerst nicht, wie es wünschenswert Der Bundesausschuß des ADGB. fieht in der Neuregelung der gewesen wäre, in einer allgemeinen Steuerermäßigung zum AusReparationsfrage durch das Haager Abkommen einen weiteren ent- brud gelangen. Sie muß zunächst Verwendung finden zur Gescheidenden Schritt auf dem Wege der Befreiung der befundung und Neuordnung der Reichsfinanzen. Nach der der Revolution hat er als Reichskom legten deutschen Gebiete, der Entspannung der inter - Die gegenwärtige Notlage der Reichsfinanzen erfordert darüber miffar den Abstimmungskampf in Schleswig geführt. nationalen politischen Atmosphäre, der dringend erforderlichen hinaus noch die Erschließung neuer, außergewöhn. der er Minister des Befferung Als Siebenunddreißigjähriger wird wirtschaftlichen Beziehungen licher Einnahmequellen. Ohne Gesundung der ReichsAuswärtigen, zwei Jahre später Reichsinnenminister. zwischen den Bölkern. finanzen, der Herstellung des Gleichgewichts von Einnahmen Daß der noch nicht Vierzigjährige zwei von einander Die Erleichterung der Reparationslaft, die der Neue Plan" und Ausgaben, tann Deutschland nicht die ihm gestellten wirtschaft so verschiedene Ministerien leiten konnte und in beiden für Deutschlnad bringt, bedeutet eine gegenüber dem Dawes- Plan lichen und sozialen Ausgaben erfüllen. Gesunde Reichsfinanzen find Ausgezeichnetes leistete, zeigt das Außerordentliche seiner nicht unwesentliche Entlastung des deutschen Voltes. die Grundlage einer gefunden Wirtschaft und ebenso die Borbedin.