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VienSiag 25. Februar 1930

Unterhaltung und AAssen

Vellage des Vorwärts

wurtsiudois'neuberiiSeUSämef steigen

... Heute kann ich zu Ihnen davon sprechen, lieber Freund. Nicht daß ich mit den, Erlebnis fertig wäre und in dieser Distanz einen literarischen Versuch machen wollt«, nein, ich sehe noch gar nicht, gar nicht klar, aber indem ich zu Ihnen spreche, gewinne ich ein Gefüh' der Beruhigung wie ein Patient beim Nahen des Arztes. Apropos, was halten Sie von diesem Winter? Ist das ein Winter? Viel« danken Gott für diesen Winter, viele finden ihn herrliche ich finde ihn unerträglich. Nur wenn dicke Herren in dicken Pelzen an mir vorüberlausen und schwitzen, dann freu« ich mich, daß dieser Winter so warm ist. Auch für die Arbeitslosen, die in ihren trostlosen Buden sitzen, freue ich mich, daß sie nicht unter der Kälte zu leiden brauchen» und allenfalls noch für die Hausfrauen, im übrigen wünsche ich mir einen strengen, harten, schneereichen Winter, wo man Gefahr läuft, sich die Nus« zu erfrieren, wenn man sie zu weit aus dem hochgeschlagenen Mantelkragen in die Luft steckt wissen Sie, tv '" man an solchen Winterabenden am Ofen hockt und alte Alben aufschlägt und die selbstaufgenemmenen Bilder von der letzten Sommerreise durchblättert...? Und wissen Sie wie man diese Bilder dann wieder still fortlegt wie ausgelesen« Bücher, und wie man drauhen in der stillen, frostklaren Lust des Wintertages. wenn der Schnee unter den Füßen knirscht, die Gedanken und die Erlebnisse klar bekommt wie«inen Spiegel... Geht es Ihnen nun auch so in diesem merkwürdigen Winter, daß Ihnen die Tage durchweht sind von verklungenen Melodien des Sommers? Morgens, beim Erwachen, wenn die Sonne ins Zimmer scheint, denke ich, ich könnt« nun ausstehen und an den See gehen mit dem bunten Badeanzug, schwimmen... Und abends manchmal, wenn die Sonne hinter den Häusern untergeht und die Lampen über den Straßen ausslammen, denke ich, sie müßten kom- men, die Freundinnen meines Sommers, sie müßten gleich kommen, Anja oder Gerda oder Marfa. Mein Freund, wissen Sie nun, wie ich auf den Schnee warte? Sie haben mich damals beneidet, als ich Ihnen vom Wörthersee ein paar Karten schickte. Sie sahen eine wundervolle Landschaft. im Vordergrund den buchtenreichen See und über waldig« Hügel aussteigend die Gipfel der Karawankcn mit dem Mittagskogel. Ja, Sie haben mick/ beneidet... Jetzt kann ich Ihnen sagen, daß es danzals kein« Dergnügungs- reise war, sondern einfach eine Flucht. Ich bin geflohen vor mir selbst, vor meiner Unfähigkeit, etwas zu vergessen, o nicht nur etwas, sondern alles, alles anders zu gestalten, was bisher mein Leben be- stimmte. Jetzt höre ich Sie leise fragen: Eine Frau? Und mir fällt em, daß Sie in einem Ihrer Briefe diskret nach Anja fragen. Wer Anja ist? Ja, ich entsinn« mich, Anja unter- schrieb meine letzte Karte an Sie, aber diese Karte zeigte Ihnen eine etwas bescheidenere Landschaft, Sie sahen keine Berg«, nur einen Teich und etwas Wald und ein märkisches Dorsgasthaus. wo ich mit Anja das Wpchenende verbrachte. Die Karte sollte Ihnen nur sagen, daß Sie keinen Grund mehr Wten,' mich zu beneÄen.... Wer Anja ist? Hören Sie, fragen Sie mich lieber nicht. Ich kann Ihnen leider nie etwas über Anja allein sagen, sie ist nur ein Ton aus einem Dreiklang, der in meinem Herzen schwingt, sie ist der mittelste Ton davon. Der dunklere Ist Marfa und der hellere Gsrda. So. nun wissen Sie schon mehr. Nun werden Sie meine Flucht verstehen können... Sie hatten mich damals beneidet, doch um etwas durften Sie mich beneiden. Nicht nur um die Landschaft dort, auch um ein paar wertvolle Menschen, die man dort kennenlernt« und die sich inmitten der Budapester, Wiener. Prager Gäste selber wie Alpen - girsel abhoben. Einer ist vielleicht ein Arbeiter gewesen, mit dem man«in Stück Weges ging und ins Gespräch kam über Land und Volk Und ein anderer mochte ein Lehrer gewesen sein oder ein Dichter, oder ein Siedler, man fragte nicht danach, aber man em- sann sich, seinen Namen auf der Kirchenglocke seines Dorfes ge- funden zu hoben, unter einem Vers für die Gefallenen der Ge- metnde,.zu deren Gedenken die Glocke läutete. Unsereiner, ver, stehen Sie, hätte niemals«inen solchen kunstlosen Vers geschrieben, bewahre,«inen Vers für die Kirchenglocke eines einsamen Berg­dorfes, absurder Gedanke, man lernte also diesen Mann kennen, gewisierinaßen als Kollegen, man stürzte sich auf ihn am Zaun seines kleinen Hauses und glaubte ihn zu erdrücken mit all der Wichtigkeit, die an einem ist, der geradenwegs aus dem großen Literaturladen kommt. Man batte alle Taschen voll Aktualität, voll Zeitgeist und Forderungen. Die schüttelte man lustig aus und durcheinander vor dem Dorfdichter. Meinen Sie? Sie hätten sehen sollen, wie ich langsam alles wieder in die Taschen zurückstecken mußte, all« Aktua- lität, alle Probleme, olle Forderungen, vor diesem Mann, der am grünangestrichenen Zaun seines Grundstücks lehnte und über mo- dcrnes Schauspiel zu reden begann, über Reinhardtsche Opern- inszenierungen. über Leute wie Shaw... Das ist schließlich nichts Besonderes, man kann mit vielen eine solche Unterhaltung führen, gewiß, das aber ist das Besondere und das Merkwürdig«: dieser Mann lehnte an einem grünangestrichcnen Zaun eines kleinen Ge- Höftes, und innerhalb dieses Zaunes konnte man alles das finden, was man in jedem Bauerngchöft findet: einen Äuhstall, Pflüge und Wagen, ein Pferd. Stellen Sie sich vor: Sie können dort einen pflügenden oder mistbreitenden Bauern treffen, mit dem Sie erst über den Weg reden oder' über dos Wetter und unversehens auch über die Salzimrger Festspiele und von hier aus weiter über alles. worüber man sich in den Literatencafäs die Kehlen trocken redet. Ich gab mich natürlich nicht gleich geschlagen in meiner Wichtig- keit, ich Hab ihn seziert und geschüttelt und gedreht nach allen Seiten. auch im Menschlichen. Da gerade. Darauf kam es mir an. Aber es blieb alles klar bei diesem Mann, er war kein gestrandetes Talent, er l)atte einfach zu sich selbst gefunden. Er war ein Mensch wie die Berge mit Gewitter und Nebel, mit Licht und Gipfeln, und ich konnte mir denken, daß diese Gipfel manchmal umwölkt waren und ganz untertauchten im wallenden Nebel, aber er koniste sich nie selbst verlieren, denn er stand mit beiden Füßen aus festem Boden, er wurzelte im Acker, den er pflügte. So lernte ich begreifen, daß man einen kunstlosen Vers machen konnte für die Kirchenglocke seines Dorfes. Auch eine Frau war In jener Zeit verzeihen Sie mir. ich komme ja gleich auf Anja zu sprechen.«ine von denen, die es uns mit einen, einzigen Blick erkennen lassen-Wozu Flucht? E« gibt kein« Flucht. Man flieht immer wieder in eine neue Gesangen. schast." Aber dies« Gefangenschaft dort war etwas Beglückendes. weit ihr« Ketten aus dem Duft gewebt waren, der über der ganzen

Landschaft lag. Ein Dust von Wald und Waster, von hellstem Morgen und blauer Dämmerung. Man brauchte ja kaum etwas aus sich selbst zu geben, man schenkte ein Lachen aus den Wellen, stahl eine Zärtlichkeit aus dem Spiel des Schilfes, und hielt man die Hände auf, so waren sie gleich voll Wonne und Sehnsucht, und man konnte sie reich auf blondes Haar Herobschütten. Ach, Sie kennen ja den Wörthersee nicht, Sie kennen diesen indianischen Sommer, diese venetianischen Nächte nicht, sonst würden Sie mich verstehen. Noch immer höre ich den flammenden See rauschen, und vor mir verdämmern die Konturen der Karawanken , und über allem steht der Mond... Dann rief mich Anja zurück, und Ich kam, mit einem ganzen Berg noch von guten Plänen und Gedanken. Anja steht auf diesem Berge und streckt die Arm« nach mir aus, wenn ich mich über den Abhang meiner Gedanken neige. Sie denkt, ich könnte stürzen. Und ich sehe es sehr tief unter mir, aber es ist eigentlich nicht grauenvoll, sondern eher lustig und lockend. Ich sehe eine Mühle dort unten und eine Wiese, und Gerda... Anja ist ein« Dichterin und kennt alle Regungen des menschlichen Herzens. Sie war schon ganz jung verheiratet und hat sich wieder scheiden lassen. Sie kann es verstehen, wenn ich dem Mädchen dort unten zuwinke, nur fallen soll ich nicht. Aber wenn ich hinunter« stürzt«, würde Anja die erste sein, die mich wieder hinaufführt, so

ist Anja. Sie verzeiht alles, well sie alles verstehen kann. Ich weiß nicht, woher Ihr-alles-Berstehen und Verzeihen kommt, sie selbst tut wohl lue etwas, das Verzeihen braucht. Wenn ich Ihiien mehr von Anja erzählen soll, muß ich zunächst mit Marfa bezzinnen. Marfa ist eine Russin. Sie ist in ihrer Heimatstadt vielleicht als Kind in dick.m roten Röcken und, wie sie noch kleiner war, im Sommer gewiß ohne Höschen herumgelaufei!, hat in dumpfen Stuben und derben Betten geschlafen und abends hat ihre Mutter ihr das Haar abgesucht mit einem Kamm, es ist alles möglich, uyd noch dazu in Rußland . Ich weiß nicht, woher mir diese Borstellungen kommen, außerdem sind sie gar nicht berechtigt, un! Marfa würde darüber böse sein odes lachen, aber für mich?aden diese Borstellungen einen großen Reiz. Marfa ist heute eine Darr�. und es ist vielleicht eine Rassinesse meiner Liebe zu Marfa, daß icy jene Darstellungen nähre, ich kenne aber Marfa nur alsDame' und daneben als einen lieben Kerl, den man nicht vergessen kann. Wenn man z. D. krank gewesen ist, und Marfa kommt mit Obst und Leckerbissen und bleibt und sieht einen an mit ihren Anna-May- Wong -Augen. Marfa? Klingt der Raine nicht wie eine Balalaika? Marfa! Sie schwebt über mir wie ein sanfter dunkler Schmetter- ling. Sie ist längst weitergeflogen, irgendwohin, ich kann sie mit ihrem Lächeln nicht vergessen. Und ich erinner« mich ihres Lächelns, es weht auf mich zu, wenn ich Anja etwas sagen will, das mehr und tiefer und voller schwingt als sonst vielleicht. Ich weiß nicht, wo sie jetzt steckt, ihre Spur ist verloren, vielleicht ist sie in ein buntes Netz geflattert, aber wenn sie jetzt plötzlich wieder vor mir flatterte, die kleine Marsa mit ihrem sanften Lächeln, Anja, da müßtest du wieder manches verstehen und verzeihen können.(Schluß folgt.)

tttnrfha Qulhardt: Im behaglich«ingerichteten Wohnzimmer sitzt Frau Ender am Nähtisch. Es ist gegen g Uhr vormittags. Man hört das Hantieren der Aufwartefrau, die ab und zu ermahnende Worte an ihr vier- jähriges Mädelchen richtet, das spielend in der Küche sitzt und manch- mal, von Neugier geplagt, der Mutter in die Zimmer nachschleicht. Da, ein leises, schüchternes Klopfen an der Wohnzimmertür, und durch den Spalt schiebt sich aus Zehenspitzen das kleine groß- äugige Armeleutekind, drückt mit der Kehrseite die Tür wieder ins Schloß und setzt sich, durch das Lächeln und Winken der Hauefrau ermuntert, auf die Fußbank am Nähtisch nieder.Frau Endcr, war der Milchwagen schon da?" Nein, Erna, er war noch nicht da." Ein unruhiges Hin- und Herrn tichen. Nach einer Weile ist Klein-Erna verschwunden. Frau Ender erhebt sich und geht dem kleinen Geschöpfchen leise nach, rvelches mit den Oertlichkeiten des Hauses ganz vertraut ist, und sieht, wie es die Tür zur Speisekammer öffnet. Gleich darauf setzt sich das Nein« Dingel mit seinen großen hungrigen Augen wieder am Nähtisch nieder alles leise und wie unbemerkt und slüstert: Nee, er woar noch nich doal' Seufzen! lieber Frau Enders Gesicht zieht«in Leuchten: es ist jsden Morgen für sie eine köstliche halbe Stund«: sie weih, jetzt komnu wieder etwas so Drolliges� trotz der Häufigkeit nie Abgenutztes, daß es wohl löhnt, es immer wieder zu erleben. Ein unruhiges Hin- und Herrutschen.Frau Ender. trinkst du och gern« Milch?'Ja, Erna.".Ach och, oach, ich trink sooo gerne Milch! Ißt du och gern« Butterstulle?" Jetzt ist sie in Fahrt und wartet die Antwort nicht ab.»Ach css' och so gerne Butterstulle." Milch und Butterstulle sind für sie so herrliche Genüsie, die si« sich auf dies« und ähnliche Weise jeden Vormittag bei Frau Ender holt. Stille!Frau Ender, ich hol' mer jchun die Milchkanne! wenn der Milchwogen klingelt, renn ich gleich raus dermitte." Aber Erna, du bist doch noch zu klein: du fällst vielleicht damit."Oach nee, doas koann ich schun: ich halt die Könne huch!" Raus ist sie, und bald steht die Kanne neben der Fußbank. Wieder leuchtet das Gesicht von Frau Ender aus: sie kennt oll« Etappen der diesbezüglichen Unterhaltung, dofy die jetzt kommende bietet immer etwas Neues. Klein-Erna ist direkt eine kleine Komödiantin: sie gibt ihrer Nummer jeden Tag einen neuen Reiz: es ist jo, als müßte ste Frau Ender für die Milch und die Stull« einen Gegen- dienst erweisen, und da das in kindlicher Unschuld geschieht, ist es besonders rührend. Nun geht's los:Frau Ender, kennst du Krämern?"(Das ist der Polizist.)Nein."Weest du. wie Krämer läuft? Paß amol uff! So läuft Krämer." Und schon marschiert sie mit Riesenschritten und mit oargestrecktem Bauch durchs Zimmer. Setzt sich.Kennst du Schulzen?"Nein."So läuft Schulzen!" Sie zieht die Schultern hoch, zieht den Bauch ein und markiert den langen, dünnen zweiten PolizistenDu, wenn Krämer kommt, renn ich fort."So, warum denn?".Krämer sperrt oalle Kinder, die Aeppel geklaut Haan , in«n großes Loch. Doa renn ich mit Otti und Hilde fort; die hoon Aeppel geklaut; ich nich! In«n großes Loch sperrt er se, wo Ratten und Mäuse sind." Ratten und Mäuse? Da Hütt ich aber Angst." Nun reißt Klein- Erna die Augen so groß, so unnatürlich groß aus:»Koast du och Aeppel geklaut?" Das Lachen Frau Enders und die Glocke des Milchwagens klingen zusammen, und Klein-Erna schießt mit ihrer Kanne durch die Tür. Nach wenigen Minuten:So, der Milchmoan woar doa!" Sie setzt sich, stellt die Kann« neben sich. Pause. Unruhiges Hin- und Herrutschen.Frau Ender, artige Kinder betteln nich, nich woahr?" Paus«.Ich bettel och nich, nich woahr?"Nein, ortige Kinder betteln nicht." Pause.Trinkst du och gerne Milch?" Die auf- gerissenen Gucken sind nun so hungrig, daß es einen Stein erweichen könnte, und endlich hört die klein« Erna:Möchtest du ein Töpfchen Milch trinken?" .Koch ", laut stöhnend-kommt die Befreiung von Queck aus ihrem Möulchen,soo gerne, soa, soo gern«!'.

SBerlold SSuxbaum: JlUC UIICl 116116(ilhl*6tt Man kann die Zeit auf zwei Arten mesien: indem man ste einem vorhandenen natürlichen Rhythmus anschließt,»der indem man einen künstlichen Rhythmus durch ein Uhrwerk schafft, dessen Gang von Zeit zu Zeit einem Naturrhythmus gngcpaßt werden muß. Di« Achsendrchung der Erde bestimmt die Tageszeit, der Mondumlauf den Monat, die Planetenbahnzeit der Erde um die Sonne das Jahr und die Jahreszeit, wobei eine gewisse Korrektur im Interesse ganzzahliger Abrechnung erforderlich ist. Das ist alles nicht schwierig. Mehr Müh« mochte die genaue Unterteilung des Tages in Stunden, Minuten und Sekunden. Diese Kleinmessung ist

dem primitiven Menschen noch schwerer gewesen als die Klein- Messung der Längen oder der Räume. Dys einfachste wäre, der Mensch würde seinen eigenen Ppls als Sekundenuhr benutzen, aber dem widerstrebt der bei den verschiedenen Menschen verschiedene Rhythmus(zwischen 60 und k>0, das Schwanken des Pulses je nach Stimmung. Körpcrzustand) und das Fehlen der Minuten- und Stundenangaben. Jener assyrische Krieger, der, zum Stabe seines Feldherrn gehörend, nichts anderes zu tun hatte» als den Finger auf seinen Puls zu halten undUhr" zu sein, muß ein sehr phleg� matisches Temperament, ein« große Zuverlässigkeit und ein« geringe Intelligenz besessen hyben. Es gibt auch heute Menschen mit phänomenalen Zeilsinn, und ein gewisses Gefühl für die Zeit des Aufftehens wacht im Unterbewußtsein der meisten schlafenden Menschen. Zuverlässiger ist aber schon das mechanische Werk. Sonnenuhren und Wasseruhren waren schon im Altertum be- kannt, und die ersteren erhiellen sich in gewissem Umfang bis in die jüngste Zeit. Sanduhren tauchten im Mittelaller aus. Alles dies sind Behelfe. Unter einer eigentlichen Uhr verstehen wir heute«in Räderwerk, untk wenn auch das Zahnrad schon dem Aristoteles oder mindestens dem Archimedes bekannt war, so dauerte es doch bis zum 14. Jahrhundert, daß man Rädsruhren mit Hemmung und Unruh« herstellte'. 1S09 erfand Henlein in Nürnberg die Taschen- Uhr, und 1656 schuf Huygens die Pendeluhr. Wir kennen die Nachteile unserer Uhren: Sie müssen, oön Zeit zu Zell reguliert werden, und wenn auch moderne Präzisions- chronometer in 24 Stunden höchstens fünf Hundertstel Sekunden falsch gehen dürfen, so ist doch das Nachregeln ein menschlicher Ein­griff mit allen Unzuverlässigkeiten eines solchen. Dgs wirkt sich be­sonders bei lang dauernden Reisen oder Expeditione» aus, wo die Möglichkeit einer Zeitorientierung nach der Sonne(Durchgang durch den Meridian) nicht immer gegeben ist. Unterstützt wird die Hasen- schijfahrt durch Zeitbälle, Kanonenschüsse, Sirenentön« um die Mittagszeit, die Seeschiffahrt schon seit längerer Zeit durch das mittels Rundfunks bekanntgegebene tägliche Zeitzeichen. Um das Regulieren einer größeren Anzahl von Uhrcn zu mechanisieren, oerwenden größere Unternehmungen der Industrie (ebenso wie die Normalzeit G. m. b. H. in Berlin ) Hauptuhren mit elektrisch angeschlossenen Nebenuhren, deren Gong sich genau mit dem der Nebenuhren anpaßt, so daß nunmehr nur noch die Haupt- uhr reguliert zu werden braucht. In ein solches Netz können auch Signalsirenen und Registrieruhren eingeschlossen werden. Das Neueste aber ist die Rückkehr zum Anschluß an einen be- stehenden Pulsschlag, zwar nicht mehr einen natürlichen, nicht. mehr den menschlichen Herzschalg, sondern dos elektrische Wechselstromnetz mit seinen regelmäßigen Perioden. Solche Uhren werden weder ausgezogen noch reguliert. Sie werden dort, wo man sie braucht,- ans Leitungsnetz angeschlossen und brauchen weder Laltexie noch Schlüssel. Ihr genauer Gang ist gewährleistet durch eine astronomisch genau gehende Mutteruhr im Elektrizitätswerk, nach der der Maschinenwärter des Werkes die Periodenzahl der Stromerzeuger reguliert. In der einzelnen Uhr selbst ist ein kleiner Mojor (Synchron-Motor) eingebaut, der genau so schnell läuft wie die Maschinen des Elektrizitätswerkes, und der durch eine Räderübcr- setzung die Zeiger antreibt. Die spätere Zukunft wird uns vielleicht ähnliche Uhren schenken, deren Antrieb von einer Zentralstelle ans drahtlos erfolgt, und dann dürfte die höchste überhaupt ausdenkbare Entwicklungsstufe erreicht sein. Sttühende ffiäunie im Januar 1930 Von allen einheimischen Sträuchern(Bäumen) ist bekanntlich sonst die Hasel dasjenige Holzgewächs, das am ersten, teils im Februar, blüht.Mit Eis bedeckt ist noch der See; noch herrscht im Wallie Winters Schweigen. Sieh, da fällt Goldftaub auf den Schnee' von der blühenden Hasel Zweigen!" Dann stäuben die Erlen und, erst im April die Birken, die ja im hohen Norden sich auch recht wohl fühlen. Der diesjährige abnorm milde Winter hat nun unter anderem folgendes Kuriofum gezeitigt: Bereits am 26. Januar stäubte die Grauerle OAInus incanaj, während die Hafelkätzchen noch ganz geschlossen waren. Herr Emil Liebold macht« diese Beobachtung an einem Lach, der in der Nähe der Stadt Burg bei Magdeburg fließt. Di« Grauerlen sind mindestens 15 Jahre all(zu diesem Zeit­punkt beginnt ihr« Mannbarkeit) und stehen frei, belichtet von allen Seiten; Meereshöh« 42 Meter. Einheimisch sind die Erlen dort nicht, sondern sell 56 Jahren angepflanzt, im Gegensatz zur allgemein bekannten Schwarzerl«(A. glutinosa), die natürlich sehr verbreilet ist. Dielleicht haben ander« Beobachter in diesem Januar dieselben Wahrnehmungen hinsichtlich des äußerst frühen Ausblühens der Grauerle gemacht. Auf alle Fälle muß das ungewöhnliche Datum festgehalten werden. Wenn die Schwarzerle synonym auch Alnus Februaria genannt wird(ste blüht oft schon im Februar, aber vierzehn Tage später als die Grauerle), so könnte dieses Jahr die Grauerle Alntu januaüa getauft werden.