Große Koalition in Sachse «. Sechs Lahre soziaftetnolrahsche Opposition. Von Hugo Saupe , M. d. R. Gerade m dem Zlugenblick, ht dem sich die Krise in der Rsichs. koalitwn zum Höhepunkt entwickelt, ist von den Landes nstanzen der sächsischen Sozialdemokratie der Beschluß gefaßt worden, mit den Demokraten und der Boltspartei m Verhandlungen über die BiDung einer Regierungskoalition einzutreten. Sachsen repräsentiert die Parteiorganisationen, in dendn die Äoa- litionspolitit des Reiches am schärfsten bekämpft worden ist. Dieser Kampf dürste trog des neuesten Beschlusses kaum vermindert wer- den. Von Sachsen aus wurde der einzige größere' Vorstoß gezen die Preußenkoälition geführt. Trotzdem der Beschluß der Landes- instanzen. Demzufolge dürsten entweder gänzüch neue Gesichts- punk.« aufgetreten sein oder aber es muß in den Massen der Partei eine tiefe Umstellung vor sich gegangen sein. Die bisherige Regierung Dünger wurde durch«fae Mehrheit gestürzt, die aus der Rechten(Nationassozialisten und Deutschnationalen) und der Linken(Sozialisten und Kommunisten) gebildet wurde. Das Kabinett stürzt« wegen feiner Haltung zu den Joung-Gesetzen. Im Grunde lag lediglich ein Regiefehler vor, der durch die Demagogie der beiden Rechtsparteien entstanden war. Wie dem auch sei, die 33 Mitglieder umfassende sozialdemokratische Fraktion hat für die Mißtrauensanträg« gestimmt, tn« gegen die Regierung wegen ihrer Haltung zu den Poung- Gesetzen gerichtet waren, obwohl in der gesamten Partei über die Beurteilung des neuen Reparationsplanes kemetfci Meinungsverschiedenheit vor» banden ist. Sie hat— nach Abgabe einer Erklärung— den Anträgen zugestimmt, um dos Kabinett Bünger unter ollen Umständen zu Fall zu bringen. In der Regierung selbst waren die Nationalsozialisten bisher noch nicht vertreten, aber sie übtm auf sie einen beherrschenden Ein- fluß aus, da ohne die fünf Nazis kein« Mehrheit vorhanden war. Vor einigen Wochen wurde der altsozialistische Arbeilsminister E l s n e r zum Rücktritt gezwungen. Auf diesen Posten hatte Herr K i l l i n g e r die Ansprüche setner Partei gebend gemacht. Mitten in dem Kuhhandel wurde nun das Kabinett gestürzt. Vor der ent- scheidenden Abstimmung zeigte der Führer der volkspartsilich n Landtagsfraktion, de? Dresdener Oberbürgermeister B l ü h e r, die Möglichkeiten auf, durch die eine Rogienmgskrise behoben werden könnte. 1. Landtagswahlen. 2. Große Koalition, deren Zustande- kommen er für am unwahrscheinlichsten hält, 3. Regierung auf der Basis der bisherigen Koalition, also ein Kabinett, in dem den Na- tionalsozialisten noch größerer Einfluß eingeräumt weiden müßte, «ine Rechtsregierung noch schwärzerer Art. „Könnte das der Sinn der Entscheidungen fein, von denen sich die sozialdemokratische Landtagsfraktion bei ihrer Abstimmung leiien ließ?' So lautete die Frage, die die Parteiorgaifationen zu beant- warten hatten. Di« Antwort wurde schnell gefunden. Sie fordert Anbahnung von Verhandlungen mit. den Demokraten und der Volkspartei, und zwar mät dem ausgesprochenen Zweck, wenn irgend möglich, die Groß» Koalition einzugehen. Die Bedingungen werden noch festgelegt. Ob der nun zustande gekommene Beschluß dieses Ziel verwirklichen läßt, das bleib« da- hingestellt. Die Mehrheit der Landesinstanzen hat jedenfalls nicht mir demonstrieren wollen. Der Leipziger Bezirk— wenigstens der erweiterte Bezirksvorstand— hatte den durch Indiskretion in die' Presse gebrachten Beschluß kau m sechs Stund«NN a ch dem Sturze derMr�girrung gefaßt.---------- Die Sozialdemokratie Sachsens hat s«t 1024 in der Opposition gestanden. Wenn jetzt, im Angesicht der Entwicklung im Reiche, die Oppositionsstellung in Sachsen aufgegeben werden soll, dann mußten schwerwiegende Gesichtspunkt« maßgebend gewesen sein. Und doch waren es die gleichen Argumente, die bei jeder Koattrons- debatt« pro und kontra gewechselt wurden. Der erste Grund: die Legalisierung des Faschismus tn Sachsen—«ine Aera KilKngsr— soll verhindert werden. Seit dem Jahr« 1924 hat die bürgerliche Mehrheit ein« proletarische Machtposi- t i o n nach der anderen abgebaut. Trotz Mitregierung der Altsoziakisten. Di« Gemeindeordnung wurde auf die In- teressen des Bürgertums zugeschnitten. Der Sozialetat wurde abgebaut. Dutzend« von Millionen von Steuern wurden als Sondergeschenke den Hausbesitzern zugeschanzt. Die Agrarier sind fast völlig steuerfrei. In der Steuerpolitik wird Sach- sen nur noch von der»Oase Thüringen' übertroffeit. Di« Gewerbe- steuersätze sind noch niedriger als im gelobten Land Dr. Fricks. Nach den Vierteljahrecheften des Deutschen Städtetages wurden in den Städten wet mehr als 25 909 Einwohnern— umgerechnet ans den Kopf de? Bevölkerung— folgende Steuerbeträge, in Reichs- mark berechnet, gezahlt: Sachsen Thüringen Hessen Bayern Würtemberg Preußen 7,35 10,6-i 10,99 14,57 24,17 26,58 Für den Kommunaletat einer Stadt wie Leipzig wirkt sich die Steuerschutzgesetzgebung der bürgerlichen Regierungen zugunsten der B. sitzenden folgendermaßen aus. Wir stellen die Gewerbe- steuererträge des Rechnungsjahres 1929 gegeneinander:
10 000 15 250
12 606
So wirkt sich die Steuergesetzgebung des Lürgerblock-Sachsen auf die Finanzgebarung der Geineinden aus. Die Verwaltung Sachsens wurde nahezu sozialistenrein gemacht. Auletzt ging es um die proletarischen Feiertage. Der 0. November wurde abgebaut und der 1. Mai lediglich von den Demokraten gerettet. Nicht etwa aus Vorlieb« zum Wsltfeiertag, sondern weil die Leute um K ü l z nicht all« Hoffnung auf die Große Koalition verbauen wollten. Das Kernstück, um das jetzt gerungen wurde, war das Arbeitsministerium, an dem die de- kannten Spar- und Reformplän« praktisch ausprobiert werden sollten� Das war die Bilanz der sechsjährigen Opposi. tionspolitik im Lande des«inst gefeierten roten Königreichs. an der die tausend Ärbsiterwohnsitzgemeinden am bittersten zu leiden hatten. Jetzt galt es. zu entscheden, ob dieser Kurs weiter xe- steuert, ob die Nationalsozialisten endgültig als Schiedsrichter über die Gsühicke der sächsischen Arbciterschast gestellt werden sollten. Dies« Perspewosv haben die Bezirke Leipzig und Dresden mit großer Mehrheit, abgelehnt, nur Chemnitz . Zwickau und Plauen steuern im bisherigen Kielwasser fort. Von den Ber. tretern dieser Bezirk« wird gesagt, daß ein« Schwenkung der sächfl- fchen Politik von den Arbeitern nicht verstanden würde. In Lei p- Zig wurde die Prob« auf das Exempel gemacht. Der Zufall hatte «•s gewollt, daß die Generalversammlung der Unterbezirk« Groß. Leipzig und Würzen, die von den 41500 Mitgliedern des Bezirks insgesamt 32 800 umfassen, am Tage vor dem Sturz der Regierung und vor der Sitzung der Landesinstonzen einberufen waren. Groß. . Leipzig hat stich 254 Stunden long«st der Sachsenkrise befaßt. Zur
So gebls dem Rektor, der nach dem Gesetze Oer Schule fernhält Politik und Hetze!
Oa Bildung oftmals frei und glücklich macht, Sorgt Frick, daß das ÄolkSvildungSheim verkracht.
L« einem bleibt gelassen er und kalt: Vom heut'gen Staate nimmt er gen» Gehalt.
Seuf. 1. März(Eigenbericht). Die ordentliche Sitzung, die der zweite Ausschuß der Wirtschaftskonferenz am Sonnabend abhielt, gab keinen Fingerzeig dafür, ob die Konferenz noch«in praktisches Ergebnis von einigem Wert erzielen wird........... Der Ausschuß nahm.— u nv erb i udl i ch. wie auf englischen Wunsch ausdrücklich erklärt wurde— den Bericht eines Unteraus- schusses über den Warenaustausch zwischen landwirt. schaftlichen und industriellen Ländern«ntgegen. Der Bericht wiederhast zum größten Teil die Forderungen der West- wirtschaftskonserenz vom Jahre 1927, geht aber insosern über sie hinaus, als er für die Behandlung der Ausfuhr der europäischen Landwirtschaftsstaaten«in Borzugssystem fordert, wogegen allerdings Holland und England Einwände erhoben. Auf französischen Wunsch wurde dann in die Beratung eines
Antrage» von Holland , Belgien . Luxemburg und Oesterreich sing»- treten. Die vier Staaten schlagen den Abschluß eines Abkommens vor, in welchem die beteiligten Staaten sich auf ein wirtschaftliches Programm, das ebenfalls den Wirtschäftsforderungen des Bölkcr- bundes entspricht, verpflichten und den................ ... Abschluß eine» ersten kollektiven Handelsvertrages— anstreben. Serruys- Frankreich begrüßte diesen Antrag, erhob aber so viel« Einwände gegen die wesentlichen Punkte des Bor- fchlages, daß es den Eindruck machte, als käme es Frankreich mehr aus eine weiter« Verwischung seiner schroffen Absage an ein« gemeinsam« Zollsriedenspolstit an als darauf, wenigstens diesen ersten kleinen Schritt zur Milderung der innereuropäischen Wirt- schaftskonkurrenz zu unterstütze». Die Debatte über den Antrag soll am Montag weitergeführt werden.
Entscheidung stand der Beschluß des Bezirksvorstandes, dar folgen- den Wortlaut hatte: „Der Sozialdemokratie liegt es als stärkster Partei nach parlamentarischem Brauch ob. di« Verhandlungen zur Bildung einer neuen Regierung aufzunehmen.' Dieser Entschließung wurde— keine Ueberraschung für den Kenner der Arbeiterpsyche im Leipziger Bezirk— mit etwa Vier- fünftelmehrheit zugestimmt. Die Befürworter der Verhandlungs- Politik fanden in der Versammlung keinen Widerstand, dafür ober die Gegner der Koalition. Von äußerstem psychologischen Interesse waren die Zwischenrufe, die den Gegnern der Koaliiion von Ar- beitern aus den Betrieben zugerufen wurden:„Wollt ihr, daß wir auch das Letzte noch verlieren?'—„Ihr habt keinen Mut, den Kamps mit dem Gegner aufzu- nehmen l' Die Verteilung der politischen Kräfte Sachsens ist besonders schwierig. Kein Zentrum ist vorhanden, lediglich 4 Demokraten als bürgerliche Mitte. Dazu als eigentlicher Koalitionspartner di« Deutsche Volkspartei . Die sächsischen Nationalliberalen waren de- reits in der Vorkriegszeit besonders bösartiger Natur. Trotzdem wurde in Leipzig der Anbahnung von Verhandlungen inst Vier- fünftelmehrheit zugestimmt. DoAäufig sst bei den Volk Sparteilern nicht allzu viel Neigung vorhanden, der Großen Koalition näherzutreten. Der Schlüssel der Lösung aber befindet sich in ben Händen der vier Demo- traten, ohne die keim« Mehrheit möglich ist. Sie entscheiden dem- zufolge über die Frage: Große Koalition oder Bürgerblock, der wiederum ohne die 5 Nationalsozialisten nicht möglich ist.
Verenguer deckt den König. Verschärfung der Zensur? Madrid , I. März. Di« Angriffsrede Sanchez Guerra» auf den König Alfons XIII . hat solchen Widerhall gesunden, daß sich di« Regierung Bevmguer zu einer Gegenerklärung veranlag fühlte, in der es heißt: „Die Regierung wolle nicht verlangen, daß all« Politiker mit ihr zusavunenarbeiten. aber sie lasse nicht zu. daß gewiss« Politiker di« Beruhigung durch gewalttätige Kundgebungen(?) zu verhindern suchten. Die Regierung erinnere daran, daß jederzest jemand die gesetzlich« Verantwortung für di« Hand. lungen der Krone trage und daß man stets Rechenschaft ver- langen und erhallen könnte, ohne daß man deshalb die Institu» Honen anzugreifen brauche, die jenseits aller Diskus- s i o n e n bleiben müßten. Die konstitutionell« Monorchie, verkörpert durch die Person des Königs, sei ein gesetzliches Postulat und die Regierung werde nicht dulden, daß sie von irgendeine Seite angegriffen werbe
Wie Havas aus Madrid berichtet, hast die Reglerung Perenguer im Augenblick die Veranftastung von Wahlen für u n- angebracht. Wie es heißl, sollen Propagaudoredeu mid ösfeat- liche Kundgebungen in Zukunft nicht mehr gestattet werden. Die Zeasur werde beibehalteu. vielleicht sogar verschärft. Den in Valencia ausgebrochenen Generalstreik de- trachtet man in Madrider maßgebenden Kreisen lediglich als eine Solidaritätskundgebung für die Streikenden in Sagunto , die höchstens 24 Stunden dauern werde.
ltngarifcher Amnestiebeirug. Sozialdemokratischer Protest in der Budapester Festsitzung. Budapest , 1. März. Die Vudapester S ta dt ve ro rd n e te n o e rs a m m t u n g hiell am Sonnabend ein« Festsitzung anläßlich des zehnten Jahrestages der Ernennung Horthys zum Reichsverweser ab. zu der unerwarteterweise auch die Sozia ldemokrateu erschienen waren. Nach dem Absingen der Nationalhymne, die auch die Sozial- demokraten stehend mit anhörten, gab der sozialdemokratische Ab- geordnet« P e y e r eine Erklärung ab, in der er ausführte, daß sich die Sozialdemokraten als betrogen fühllen, da sie erwartcu durften, daß die Amnestie auch auf politischeDergehen und auf die Emigranten ausgedehnt würde. Wäh« rend der Ausführungen Peyers verließen die Vertreter der Rechts- Parteien den Sitzungssaal und Peyer wurde wegen feiner Aeuherung zur Ordnung gerufem Nachdem Peyer seine Erklärung abgegeben haste, verließen die Sozialdemokraten den Sitzungssaal und die Vertreter der bürgerlichen Parteien er- schienen wieder, um dem Reichsverweser ihre Huldigungen darzu- bringen. Gowjet-Oemen<i zur Affare Tibareu. Bvkarefler presse bleibt bei itzren Angaben. Bukarest , J. März(Eigenbericht) Di» Berliner S o w j« tb otschqft hat bestrstten, daß die russische Handelsgesellschaft in Berlin auch nur irgend etwas mit der in fRumänien ausgebeck. en Spionageyfsäre zu tun hat Di« rumänische Presse hast demgegenüber ihr« Behauptungen über die bisherigen Ergebnisse der polizeilichen Ermsttlungen auf- recht. Im übrigen dürft« die schon in absehbarer Zell stostfindende Gerichtsverhandlung die erforderlich« Aufklärung bringen.