Nr. 109 47. Jabraana 1. Beilage des
1. Beilage des Vorwärts
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Postwagen als
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Seltfame Schidjale hat der Bostmagen Nr. 409 hinter sich. der Dor einem halben Jahrhundert auf der Strede Beriin Magdeburg tehrte. Damals pflegte noch die Boft ihre von der Reichsbahn bezogenen und verafteten Boftwagen an Liebhaber zu versteigern; on legteren fehlte es niemals, da so ein billiger Hauserjah" rasch auf einem Heinen Grundstück auf gestellt, im Winter marm und doch recht geräumig war. Die Leidenschaft für abgebaute Postmagen nahm solche Formen an, daß sich die Hauswirte in ihren Interessen geschädigt fühlten und eine Eingabe bei der Regierung machten, in der sie gegen die bedrohliche Konkurrenz protestierten. Run murden die Beräußerungen der alten Bostwagen eingestellt; fie manderten nunmehr in die Bahnmerfstätten, wo sie nach Bermertung des guten Materials abgemradt murden. Aber Nr. 409 entfam gerade noch diesem Schicksal. Er wurde in Potsdam geholt, nach dem Anhalter Bahnhof gebracht, auf den Rollwagen geladen und erst in der Albertstraße| in Schöneberg aufgestellt. Bon da übersiedelte er nach vier Jahren it die Albrechtstraße nach Steglig. Seit 1904 steht er in einer menig belebten Seitengasse und dient zur Hälfte als kontor, zur Hälfte als Küche. Die Inneneinrichtung hat sich nur wenig geändert. Die Regale für die Briefpost, der Schlitz für die Bahnpost, die bequemen Doppeltüren erinnern an
J. 14
Vorwärts Donnerstag, 6. Mórz 1930
Kohlenkontor.
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A
die frühere Bestimmung. Der alte eiserne Ofen strömt behagliche Wärme aus. Die Klosettanlage ist in einen fleinen, verdedten Weinkeller umgebaut. Elektrisches Licht und Telephon erhöhen die Brauchbarfeit des jetzt von seinen langen Fahrten auf einer Balkenlage ausruhenden Postwagens. Kinder sind hier häufige Gäste und geben sich mit Genuß der Illusion hin, in einem richtigen Eisenbahnmagen zu sitzen.
überschwemmt, jede Verbindung zu den umliegenden Dörfern ist unterbrochen. In einem anderen Dorfe find 12 5äufer ein gestürzt. In 2b find über 80 Häufer zerstört morden. In der Stadt Moissac sollen über 100 Personen in den Fluten ertrunken sein. Diese Meldung ist jedoch noch nicht bestätigt. Die Gesamtzahl der Todesopfer dürfte mit 200 nicht unter schätzt sein.
Die Ueberschwemmungstatastrophe im Süden Frankreichs fcheint bereils ihren Höhepunkt überschriften zu haben. Ihre Ausdehnung, der angerichtete Schaden und die Zahl der Opfer ließ sich bis Mittwoch abend auch nicht annäherungs weise schätzen. Die betroffenen Orte sind immer noch von der Ummelt abgeschnitten; Eisenbahn - und Straßenverkehr 6 Millionen fließen in einen besonderen Betriebsmittelfonds
ruhen vollkommen.
In mehreren Städten, wo die entfesselten Fluten besonders arg müteten, macht sich schon Lebensmittelfnappheit bemertbar. Auf der Strecke zwischen den Städten Tournemire und Millan ist die Lokomative eines Personenzuges in den Schuttmassen eines Bergrutsches begraben worden. Im gleichen Augenblick ereignete sich ein zweiter Erdrutsch, so daß der Zug stundenlang von beiden Seiten festgeklemmt war. Die Reisenden hatten keine Möglichkeit, sich in Sicherheit zu bringen. Rechts von dem Gleis war ein Abhang, der durch die Regengüsse aufgeweicht mar und von dem Dauernd neue Erdrutsche drohten; lints von den Schienen war leberschwemmungsgebiet. Die Passagiere mußten daher über 24 Stunden in dem Zuge zubringen und fonnten nur durch die opferfreudige Tätigkeit eines Bohnwärters mit Lebens mitteln versorgt merden. In der Nähe der Stadt Billemagne hat sich ein Dammbruch ereignet. Die Landschaft murde vollkommen
Aluizio Azevedo
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bra Mianischer Miretshaus
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Im Traum nicht, meil ich ja gar nicht geschlafen habe. Aber ich hab' allerlei Bisionen gehabt."
,, Ja, menn Geister von Toten dabei waren, ist es natürlich ernst. Aber vertrauen Sie lieber Gott und nehmen Sie sich zusammen. Denn wenn Sie zu sehr über ein Unglück jammern, fommt immer noch ein anders nach."
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Als Machona zu den Waschmannen zurüdlief, um den anderen zu erzählen, daß Piedade nachts die blutige Leiche ihres Mannes gesehen hatte, erhob die arme Frau ihre Stimme zu einem Jammergeschrei, das bis in die entlegensten Winkel Sao Romans gehört wurde und an das Gebrüll einer einsamen Kuh, die sich nachts in der Bildnis verlaufen hat, gemahnte. Dann ging fie nach Hause, während die anderen sich wieder an ihre gewohnte Tätigkeit machten. Man hörte Gefang und Gelächter, Krämer gingen ein und aus, die täglichen Besorgungen wurden erledigt, Joao Romans Laden empfing den üblichen Kundenstrom, und der Radau der Matfaronifabrik jegte zu seiner Zeit ein. Aber Biedade beachtete all das nicht. Sie saß auf der Türschmelle von Nummer fünfunddreißig wie ein trauriger, geduldiger Hund, der auf die Ankunft seines Herrn wartet, und jammerte nur ab und zu leise vor sich hin. Sie wünschte, fie fönnte vom Fled weg sterben, hier auf dieser Schwelle, wo sie so oft an Jeronymos Seite gefeffen, ihren Kopf an feine Schulter geTehni, ben Klängen feiner Gitarre und den Liedern der alten Heimat jenseits des Meeres gelauscht hatte. Aber dennoch tam ihr Gatte nicht zurück.
Als sie die Untätigkeit nicht länger ertrug, stand sie auf, ging auf das Feld hinterm Haus und führte laute Selbstge präche. In Augenblicken der Berzweiflung erhob sie die gefalteten Sände, nicht gegen den Mann, auf den sie wartete, jondern in ohnmächtiger But gegen das helle Sonnenlicht, gegen diesen tropischen Glanz, der das Blut der Männer zum Kochen bringt und sie der Sinne beraubt und aus tiefster Seele empörte sie sich gegen die üppige Fruchtbarkeit dieses neuen Landes, gegen den Reichtum der Natur, der in folcher Fülle über die Menschen ausgeschüttet ist, daß ihre Herzen,
In seiner gestrigen Sitzung beschloß der Magistrat, das Angebot der Gesellschaft für elektrische Unternehmungen( Gesfürel) anzunehmen. Die im Besitz der Stadt befindlichen Aktien der Süd. mest. Attiengesellschaft merden also nach den bekannten Bedingungen an die Gesfüret verkauft werden. Der Magistrat will den Gegenwert nicht in seiner vollen Höhe zur Entlastung des Haushaltes verwenden, vielmehr sollen 6 Millionen Mark einem besonderen Betriebsmittelfonds zugeführt werden. In der heutigen Stadtverordnetenversammlung wird nunmehr die Vorlage, der bekanntlich die Finanzdeputation bereits zugestimmt hat, als der bekanntlich die Finanzdeputation bereits zugestimmt hat, als Dringlichkeitsantrag erscheinen. Die Stadtverordnetenversammlung wird den Antrag voraussichtlich dem Haushaltsausschus überweisen, der seinerseits in der nächsten Sizung, die am Dienstag stattfinden wird, seine Entscheidung zu fällen hat. Die endgültige Amahme der Vorlage dürfte dann in der Sigung der Stadtverordneten am Dienstag tommender Woche erfolgen.
vom Bege abgeführt werden und sie ihre alten Gelübde vergeffen.
Laut schluchzend verfluchte sie die Stunde, in der sie ihr Heimatland verlassen hatte, ein Land, das alt und erschöpft und trant, aber voll Ruhe und Frieden war. O ja, Portugals Felder maren talt und melancholisch in ihrem bläßlichen Grün; nicht wie dieses neue, junge Land, das im Sonnenschein badete und duftete, wo jedes Blatt dieser muchernden Begetation ein giftiges Reptil verbarg und jede Blume die verhängnisvolle Süße der Wollust. In jenem stillen lieblichen Lande, aus dem sie tam, störte feines Tigers Gebrüll die mondhelle Nacht und fein abscheulicher Tapir brach aus dem Schatten des Waldes heraus. Dort wäre ihr Mann niemals vom Messer des Mörders getroffen worden. Und niemals hätte er seinem angetrauten Weibe die Treue gebrochen. Daher verfluchte sie die Stunde, in der ihr Fuß brasilianischen Boden betreten hatte, verfluchte sie aus bitterstem Herzen.
Nach Hause zurückgekehrt, steigerte sich ihre Wut zu wilder Raserei, als sie die Bahiana in Nummer neun singen hörte. Ja, die Mulattin, diese tropische Schlange, die Samba tänzerin, sang beim Bügeln luftige und fröhliche Lieder, tauchte alle paar Minuten am Fenster auf, um Asche aus ihrem Eisen hinauszuschütten und sah sich gleichgültig nach allen Seiten um. Dann verschmand sie wieder, sang meiter und fümmerte fich nur um ihre Arbeit. 2h, zu niemand machte sie eine Bemerkung über das Verschwinden Jeronymos. Sie ging felten aus ihrem Zimmer heraus, und wenn, dann ließ fie fich auf feine Gespräche ein. Rummer und Gram halten das Feuer auf dem Herd nicht heiß", mar alles, was fie zu dem Fall zu bemerten hatte.
Aber als der Tag vorrüdte, wurde Rita nachdenklich und unruhig. Obgleich sie von der Angst vor Firmos Rache für immer erlöst mar, und obwohl sie mußte, daß ihr Schick fal non nun an mit dem des Steinbrechers verbunden mar, fühlte sie sich irgendwie bedrüdt, und ihr Gesang tönte nicht mehr so frei wie zuerst. Sie war neugierig, Näheres über die Ereignisse der Nacht zu erfahren, und wurde allmählich so ungeduldig, daß sie es nicht mehr länger aushielt. Sie hatte gehört, daß Piedade furz vor Mittag in tiefer Berzweiflung aufgebrochen war, um ihren Gatten zu suchen und daß sie verkündet hatte, sie würde nicht wiederkehren, che fie nicht Spuren von ihm gefunden hätte, und mußte sie auch ins rankenhaus, zu der Brüderschaft, zur Bolizei und zum Schauhaus selber gehen. Da wurde es Rita tar, daß fie
Straßenbahn gegen Straßenbahn.
Acht Personen am Anhalter Bahnhof verletzt.
Um gestrigen Spätnachmittag stießen in der Stresemannstraße unmittelbar vor dem Anhalter Bahn. hof zwei Straßenbahnwagen zusammen. Acht Personen, darunter die beiden Schaffner und ein Führer der verunglückten Wagen, erlitten erhebliche Verlegungen, Der Unfall paffterte an der Haltestelle Astanischer Plaz in der Stresemannstraße. Ein Straßenbahnmagen der Linie 8 fuhr ver mutlich infolge Bersagens der Bremse mit großer Bucht auf den Anhängewagen der Linie 2 auf. Die Berrons wurden eingedrückt und die meisten Scheiben zertrümmert. Eine Reihe von Fahrgästen, über die ein Hagel von Glas- und Holzsplittern niederging, erfitten Schnittverletzungen, Blutergüffe und Quetschwunden. Sechs von ihnen mußten zur Rettungs= stelle in der Eichhornstraße gebracht werden, wo ihnen sämtlich Notverbände angelegt murden. Mehrere andere Berletzte begaben fich in privatärztliche Behandlung. Beide Fahrzeuge miesen so schwere Beschädigungen auf, daß fie aus dem Berkehr ge= zogen werden mußten. Durch den Unglüdsfall entstand eine halb stündige Berkehrsstörung, die in der Hauptverkehrszeit zu langen Wagemansammlungen führte.
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Gestern abend lief der 3jährige Otto Baustmann in der Grenadierstraße in ein Schlächterfuhrmerf hinein. Die Räder gingen fo unglücklich über das Kind hinweg, daß der Ind auf der Stelle eintrat. In der Flughafenstraße in Neukölln wurde der 11jährige Schüler Kurt Walter von einem Brinafauto überfahren. Mit einem schweren Schädelbruch wurde der Junge bewußtlos ins Urbanfrankenhaus gebracht.
Der letzte Gruß.
Beisehung der verunglüdten U- Bahnarbeiter.
Am gestrigen Nachmittag wurden die beiden Opfer des Bahnunglückes nom 28. Februar d. I. am Schlesischen Tor, der 56jährige Kolonnenführer Emil Baschin und der 33jährige Arbeiter Karl Sperber, nach dem städtischen Friedhof Schöneberg , Eythstraße, zur letzten Ruhe begleitet. Viele, viele maren getommen, den beiden maderen Männern, die ein unglückseliges Geschid mitten aus der Arbeit und aus dem Kreise ihrer Familie jäh gerissen hatte, den letzten Gruß zu spenden. Kollegen und Freunde, sofern sie nicht Dienftespflicht abhielt, maren vollzählig erschienen, von der BBG. Direktor Brolat, verschiedene Vorstandsmitglieder und Beamte; ein Hügel von Kränzen schmückte die beiden Särge. Pfarrer Rackwitz- Neukölln sprach schlichte Worte am Grabe, und unter den Klängen eines Trauermarsches sanken die Särge in die Tiefe. Hell schien linde Vorfrühlingssonne auf die frischen Gräber, dunkel und schmer aber lasteten Schmerz und Trauer auf all jenen, denen Vater und Gatte, Freund und Ernährer genommen waren.
Selbstmord eines Reichswehrfeldwebels.
In der Nacht zum Dienstag verübte, der 28jährige Unierfeldwebel Paul Falt von der 7. Kompagnie des Infanterie regimentes 9 in der Kaserne in Potsdam Selbstmord durch Erschießen. Falf war im Jahre 1922 bei der Reichswehr eingetreten, er mar bei seinen Kameraden allgemein beliebt. Der plötz liche Berzweiflungsschritt, dessen Motive bisher völlig ungeklärt sind, erregt besonderes Aussehen. Falt hatte noch in sein Dienst bu ch eingetragen, daß er Selbstmord begehe und den Gefreiten I. mit dem Wecken beauftragt habe.
Der Präsident der Oberpostdirektion Berlin , Ernst Gentzke, ist gestern nach furzem Krantenlager gestorben. Am 1. Ottobe: 1919 wurde Genkte zum Vortragenden Rat ernannt, am 1. April 1920 wurde ihm die Zeitung der Oberpostdirektion Berlin übertragen.
genau so gespannt war wie Biedade, fie zog sich hastig um und verließ das Haus ebenfalls. Es traf sich, daß beide ungefähr gleichzeitig heimkehrten und Sao Romao in heller Aufregung über Firmos Tod und seine Wirkung auf die Kazentopfgemeinde vorfanden, die den Stockfischen das Verbrechen zuschrieb und heilige Eide schmor, den Mord an ihrem Führer zu rächen. Der Wind, der vom Grundstück der Feinde her wehte, schien geradezu mit Haß und Rachedurft geladen. Selbst die Sonne war friegerisch und ging in einem Meer von Blut unter.
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Piedade kam nicht schmerzerfüllt, sondern wutschnaubend nach Hause zurück. Ihre Erkundigungsfahrt war von Erfolg getrönt gewesen; sie hatte von ihrem Mann und seinen Treiben meit mehr erfahren, als sie jemals zu hoffen gewagt hatte. Sie mußte, er war nicht tot nein, in der Tat, er mar höchft lebendig. Durch einen Kollegen Alexandres hatte sie vernommen, daß er an jenem Morgen sehr früh auf der Straße hinter dem Steinbruch gesehen worden war und zu verstehen gegeben hatte, er fäme von zu Hause und hätte die Siedlung durch die Hintertür verlassen. Sie mußte nun auch, daß ihr Mann feinen Koffer vom Krankenhaus abgehalt, daß er am Abend zuvor mit Pataca und Ze Carlos bei Pepe starf getrunken hatte, und daß dann alle drei in ziemlich berauschtem Zustand nach dem Strande zu gegangen maren. Da sie von dem Verbrechen noch nichts mußte, glaubte die arme Frau, ihr Mann hätte mit seinen Freunden mild gezecht, sei dann spät in der Nacht beschwipst nach Hause gekommen, und sei dann bei der Mulattin geblieben, die schon lange ihr möglichstes getan hatte, um es so weit zu bringen".
Nachdem sie sich den Sachverhalt so zurechtgelegt hatte und von Eifersucht verzehrt war, eilte die betrogene Frau nach Hause zurück; fie erwartete, ihren schuldigen Gatter bereits vorzufinden und beabsichtigte, den Zorn, der sie zu erstiden drohte, auf seinem Haupt zu entladen. So lief fie ohne haltzumachen und ohne mit jemand zu sprechen, direkt auf Nummer fünfunddreißig zu. Sie rechnete damit, die Tür offen und den leichtsinnigen Steinbrecher wartend zu finden. Wie grausam war daher ihre Enttäuschung, als fie die Tür verschlossen und verriegelt fand, wie sie sie nerlassen hatte. Sie holte sich den Schlüssel von Machona, die ihn Jeronymo hatte aushändigen fallen, und die Nachbarin er fundigte sich mieder nach dem Berbleib ihres Mannes und erzählte ihr von der Ermordung Firmos.
( Fortfegung folgt.)