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Beilage

Sonnabend, 15. März 1930

Der Abend

Shalausgalle des Vorwants

Der unbekannte Vollmar

Revolutionäre Anfänge eines politischen Führers

Und

Als Georg von Bollmar in der Blüte seines politischen| So vor allem mit dem Historiker und Publizisten Peter Bawsehr geneigt, diejenigen Leute zu beneiden, welche sich in der Schaffens stand, mar die heute fämpfende Generation der deutschen   rom  , dessen mutiges Eintreten für den nihilistischen Attentäter Sozialdemokratte taumi geboren. Bielleicht hat sich in dem Kopfe Leo Hartmann zu einer furzfristigen Ausweisung aus Front eines älteren Genossen noch die Vorstellung von dem großen geistigen reich führte.. Ringtampf zwischen, Bebei und Bollmar erhalten ein Ringtampi, der fast drei Jahrzehnte umspannte. In Dresden   1903 er reichte, der theoretische und taktische Meinungsstreit zwischen den beiden großen Parteiführern feinen Höhepunkt, ohne daß er eigent lich zu einer wirklichen Wendung in der Politik der deutschen   Sozial­demokratie führte. Bebel wurde von dem Gedanken getragen, daß

Peter Larecrow

ber Rapitalismus in furzer Frist fatastrophal zusammenbrechen werde. Aber hinter diesem Gedanken stieg wohl vor allem die Ueberzeugung auf, daß in Deutschland   nur eine politische Revo Intipn den Weg für eine schöpferische Demokratie bahnen könnte. Die Sozialdemokratie nerfchärfte nach dem Dresdner   Barteitag nicht ihre Rampfmittel gegenüber der bürgerlichen Gesellschaft. Sie schied Den Revisionismus" nicht aus und entschloß sich nicht zu einer repolutionären Attade auf die bürgerliche Gesellschaft Sie arbeitete unabläffig an dem Ausbau ihrer wirtschaftlichen und sozialen Macht nerhältnisse, duf den ja Vollmar besonders seinen Blick gerichtet hatte.

Wenn nun die heute tämpfende Generation der Sozialdemo. fratie vielleicht noch ein verschwommenes Bild von dem Revisio nisten", dem ,, Realpolitiker", dem Budgetbewilliger" und bäuer­liden" Agrarpolitiker Vollmar hat, der Revolutionär, der ,, Sozialrevolutionär" Bollmar ist nie in ihr Bewußtsein getreten. Ich erinnere mich noch wie heute, als wir Jungen" 1890 auf dem Parteifongreß zu Halle nach dem Play Georg von Bollmars schauten, weil wir glaubten, daß sich dort ein Verteidiger unserer jung oder, besser und richtiger vielleicht, unserer altrevolutionären Ansichten erheben werde. Der Vollmar des Jahres 1890 hatte aber bereits engste Fühlung mit dem oberbayerischen Arbeiter und Bauern genommen, und der internationale, revolutionäre Sozialismus, den er in Zürich  , Genf  , Paris  , Brüssel fennengelernt hatte, war in ihm in dem völlig anderen südbayerischen Milieu starf verblaßt.

Zum Sozialrevolutionär hatte sich Bollmar in den Jahren 1880 bis 1883 völlig ausgereift. Und dieser Prozeß des Hineinwachsens in die sozialrevolutionäre Idee hängt vor allem mit Bollmars Aufenthalt in Paris   zusammen. Hier hielt er Zwiesprache mit dem russischen Revolutionär Peter Lawrow  , mit der polnischen Revolutionärin Maria von Jankowska, mit den Kommunefämpfern Jaclard, Benoit Maton, Baillant und anderen.

Es ist bisher nur wenigen Kreisen befannt geworden, daß Bollmar in Paris   eine gleichstrebende Genossin in Sonja Kowa= lefty fand, die sich einen Weltruf als bahnbrechende Mathema tiferin erobert hat. Wir besigen wohl von Bollmar selbst eine treff­liche Stizze von der genialen Persönlichkeit der Sonja Kowa fem fn, aber ihre politischen Anschauungen streift er nur nebenber. Bollmar erwähnt in dieser Stizze, Daß sie eine aus. gesprochene Sozialistin mar, die während der Zeit des Härtesten Drudes des Sozialistengefeßes mit deutschen   Sozialdemo traten freundschaftlich verfehrte. Nicht selten hätte sie ihr Weg von der sie feiernden wissenschaftlichen Gesellschaft zu den gehezten Sozialdemokraten, mit denen sie einen regen geistigen Verkehr pflegte, geführt.

Sonja Kowalemffy war die Tochter des Oberbefehlshabers der russischen Artillerie, des Grafen Wasili Corvin Kruto. moti. Sie tut in ihren ganz jungen Jahren einen großen Sprung ins Freie, als fie mit dem Paläonthologen Kowalewsti eine Schein­ehe eingeht. Sie will eben auf alle Fälle aus der russischen Er. ftarrung heraus. Sie geht nach Paris   und wird durch die Repo­tution ber kommune auf das tieffte erschüttert; sie selbst befreit ihren Schwager Victor Jaclard aus den Händen ber rache süchtigen Versailler.

Sonja Kowalewsky hat später während ihres Pariser Auf enthalts auf bestem Fuße mit den russischen Nihilisten" gestanden.

In den Jahren 1882 bis 1883 hat mun Sonja Kowalewsky cinen außerordentlich interessanten Briefwechsel mit Georg von außerordentlich interessanten Briefwechsel mit Georg von Bollmar unterhalten. Merkwürdigerweise ist der Biographin der Sonja Kowalewifn, der Frau Charlotte Leffler, dieser Briefwechsel völlig entgangen. Und doch kannte Frau Charlotte Leffler sehr gut die politischen Pariser   Kreise, in denen sowohl Georg von Bollmar als die Sonja Kowalewsky verkehrten. Frau Leffler hat überdies die persönliche Bekanntschaft Bollmars gemacht und mit ihm Briefe gewechselt.

Der interessante Briefwechsel der Sonja Kowalewsky mit Boll mar befindet sich in dem Archiv der Sozialdemokratischen Boriel, immd er gibt sehr tiefgehende Aufschlüsse über die politischen Ana fchainungen beider Persönlichkeiten.

In ihrem an Bollmar gerichteten Brief vom 2. April 1882 bedauert Sonja Kowalewity, daß sie mit Bollmar nicht das Thema

Engrenage  ( Triebwerf) des praftischen Handelns schon so verwickelt haben, daß ihnen teine Auswahl und feine Entscheidung mehr über­laffen bleibt, sondern ihre ganze Tätigkeit durch die Berhältnisse unb die Forderungen ihrer Partei streng vorgeschrieben ist. welche Erleichterung wäre es für mich, zu solchen Zeiten alle mich qualenden Gedanken und Zweifel meinem Freunde anzuvertrauen und mich wohl auch in manchem von ihm unterrichten und belehren zu lassen. Ja, glauben Sie mir mein Freund, Ihre Freundschaft ist mir fehr teuer, und vielleicht zu feiner Zeit meines Lebens habe 24.5.82

Hochwächster Marquis de Rochefort! Gefährlicher Sonchanoff! Bereiten. Barbés.

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der alten Internationale besprochen hat. Sie schreibt dann wörtlich: Interessanter Vertreter des neum gert. Geſchlächts der Names Fores

,,... Meinen Sie nicht, daß die Zeit gekommen ist, wo man wieder eine ähnliche Gründung, nur mit strengerer Organisation und mehr präzisen Zwecken ins Leben rufen sollte? Ich bin in

diesem Gedanken so bekräftigt, wenn ich unsere russische Emii: gration, die an Mangel an Tätigkeit ganz zugrunde geht, betrachte. Und doch glauben Sie nicht, daß diese Emigration bei der sie un­ftreitbar tennzeichnenden Energie auch hier im meftlichen Europa  , unter einer guten Führung, auch gute Dienste leisten könnte? Ueber Dieses Thema habe ich viel phantasiert diese letzte Zeit, obgleich ich auch fürchte, daß Ihnen, der Sie in dem wirklichen Kampfe felbst begriffen sind, meine Phantasien recht unfruchtbar erscheinen mürben."

( hoffentlich doch nicht als Gegensatz zum Homes Sapiens)

dörſelben.

Welche von allen diesen erhabenen Bezeichnungen gefällt Ihnen besten, mein sehr theuren. Freud, und mit welcher( Foll Ihm demütsege Fraukite Sie in der Zukunft bezeichnen? Olber ,,

In ihrem Briefe vom 4. Mai 1882 legte Sonja Kowalemity Schrez zur Seite, dar haben Sie doch wirklich

ein förmliches Bekenntnis zum Sozialismus ab. Sie schreibt an Bollmar:

4. Mal 1882.

Mein teurer Freund! Wenn Sie nur müßten, mein teurer Freund, wie ich Sie politischen Kampfe teilzunehmen und... für den Erfolg des so

in diesem Augenblide wenigstens, um die Möglichkeit, an dem

heiligen und so erwünſchten Zieles bettragen zu können, beneide!

Ich glaube mirklich, daß bei den jetzigen Verhältnissen eine ruhige bürgerliche Eristenz einem ehrlichen und denkenden Menschen nur unter der Bedingung möglich ist sich abjichtlich die Augen zuzufcheßen, und, auf alle menschlichen Beziehungen zu anderen Menschen verzichtend, sich nur mit ganz abftrafien, rein wissenschaftlichen Interessen abzugeben. Dann muß man aber auch jede Berührung mit dem wirklichen Leben auf das forgfältigste per­meiden; sonst wird die Empörung über die Ungerech tigkeit, die man überall um sich sieht, so groß, daß alle Inter effen dem Interesse des großen, vor unseren Augen sich abspielenben ökonomischen Kampfes gegenüber verblassen müssen, und die Ber fuchung, selbst in die Reihen der Kämpfer hineinzutreten, zu start wird.

Bis jetzt habe ich selbst stets das erstere getan. Zur Zeit der französischen   Kommune bin ich noch zu jung und viel zu sehr in meine Wissenschaft verliebt gewesen, um für das, was um mich herum ging, das richtige Berständnis zu haben. Seit der Zeit bin ich aus dem engeren Kreis meiner Fachgenossen und einiger Familienfreunde gar nicht herausgetreten. Ich hielt mich zwar selbst für eine Sozialistin( en principe und mit manchen Borbehalten), aber ich muß es Ihnen gestehen, daß die Lösung der sozialen Frage mur so entfernt und so dunkel erschien, daß ich es eigentlich eines ernsten Gelehrten, der was besseres tun fann, nicht mert hielt, sich damit eingreifend abzugeben. Nun aber, seit den letzten fünf Monaten, die ich in Paris   verlebt habe, mit Sozialisten der verschiedensten Nationalitäten in engeren Verkehr eingetreten bin und sogar einen sehr teuren Freund unter denselben gefunden habe, ist es ganz anders mit mir geworden. Die Aufgaben des theoretischen Sozialismus,.fowie auch Grübeleien über die Mittel des praktischen Kampfes drängen sich mir jeßt so un­widerstehlich auf und beschäftigen mich so fortwährend, daß ich mich wirklich nur mit Mühe zwingen tann, meine Gedanken auf meine eigene, dem Leben so fernstehende Arbeit zu konzentrieren. Ja, nicht felten bin ich von dem peinlichen Gefühl überwältigt, daß das,

Sonja Kowalewsky

worauf mein ganzes Denten und alle meine Fähigkeiten gerichtet habe, nur einer so kleinen Anzahl non Menschen irgendwelches Inter­effe bieten kann, während doch jetzt jeder Mensch verpflichtet ist, seine besten Kräfte der Sache der Mehrheit zu widmen. Wenn mich solche Gedanken und Zweifel überwältigen, so bin ich

der Deutschen Presse einen schönen Roff­

zu Reden gegeben. Und wie bedauere ich, daß. ich nicht einen Larkin var

zur Zeit als Sie Ihre. Jungfer Rede hielten, nicht in Berlin   war..

Brief Sonja Kowaleskys an Vollmar nach seiner Reichstagsrede zum Bismarckschen Cabakmonopol

ich einen Freund so bedurit, und würde auch nicht das Glück, einen 311 besitzen, fo schäßen verstanden haben, mie gerabe jetzt... Mit freundlichen Grüßen

Ihre aufrichtige Freundin

G. A.

wird, verfolgt sie seine politische Tätigkeit mit gespanntester Auf­Als Bollmar 1881 in den deutschen   Reistag gewählt merksamkeit. Am 12. Mai 1882 hält Bollmar seine berühmte revo lutionäre Rede zum Bismardschen Zabafmonopol Sie war eine geharnischte Kriegserklärung gegen die bestehende Reichs­regierung, eine uneingeschränkte Berurteilung ihrer Sozialpolitik und ein grundfäßlicher Verzicht auf die gefeßliche Taktik der politischen Machteroberung. Die Rede Bollmars erweckte im In und Ausland das größte Aufsehen, und am 21. Mai 1882 sendet Sonja Kowalewsky einen zustimmenden, temperamentvollen Brief an Bollmar.

Im August 1882 nach der Züricher, Konferenz der sozialdemo fratischen Abgeordneten schreibt Georg von Vollmar   feine viel genannten revolutionären Artifel: Aufhebung des Go­zialistengesetzes, die er noch als Broschüre unter dem Pseudonym Surtur herausgab. Den revolutionären Charakter dieser Broschüre fennzeichnet folgender Passus:

Lassen wir alles Bersteden, Bertuschen, Leugnen und Heucheln als unser unwürdig und rufen wir offen und steifnadig unseren Feinden zu: Jawohl, mir find, staatsgefährlich", denn wir wollen euch vernichten! Jawohl, wir sind die Feinde eures Eigentums, eurer Ehe, eurer Religion und eurer ganzen Ordnung"! Jawohl, wir sind Revolutionäre und Kommunisten! Jawohl, wir werden der Gewalt mit ber Gewalt begegnen! Jawohl, mir glauben fest an eine baldige Um­mälzung und Befreiung, wir hoffen auf sie und bereiten uns durch geheime Organisation und Agitation und alles, was eure ,, Gefeße" verbieten und uns gut dünft, auf dieselbe nach Kräften nor! Ihr habt die Machtfrage gestellt gut, wir nehmen fie auf. Wir werden uns eines nicht fernen Tages schlagen, und der Sieger wird das Gesetz machen!.

-

Dies ist die einfachste, würdigste und einzig den Verhältnissen entsprechende Politit."

Bebel wies die von Bollma: vorgeschlagene Tattif in einem hef­tigen Gegenartitel zurüd, da fie die Partei zugrunde richten und einen gemaltamten Sonflitt mit der Staatsgewalt provozieren, würde. Sonja Kowalewsly las mit großem Interesse" die Bro­schüre Bol.mars und bemerkte dazu:

Ihre Broschüre über die Tattit der Partei habe( ich) mit großem Interesse gelesen. Ich fann mir wohl denten, wie viele Don Ihren Genoffen durch Ihre Anfidten über das Ausnahmegeich der blüfft werten Ich meinerseits glaube, daß Sie vollständig redj haben, wiewohl Ihre Ansichten sich einirermaßen dem von- ben Nihilisten ausgesp: odenen und sich nicht immer als pratiifch erweisenden Princip: Je sdlimmer, desto besser, etwas nähern."

Der Briefwechsel der Sonja Kowalewity mit Bollmar beweift, mit welcher erstaunlichen Leichtigkeit die geniale Frau in die Theorie und die Tagesprobleme des Sozialismus eindrang. In den Jahren 1881 bis 1882 ist sie eine treue Beraterin und wirkliche Mit arbeiterin Georg von Bollmars gewesen.

Paul Kampffmeyer  .