1930
Der Abend
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Nr. 134
B 67 47. Jahrgang
66 anzeigenpreis: Die einfaltige Nonpareillezeite
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Janson verklagt den ,, Vorwärts"
Im Zusammenhang mit den durch die Presse gegangenen Behauptungen, Oberbürgermeister Dr. Janjon habe von einem Bemerber um den Eisenacher Polizeifommiffarposten, Polizeianwärter Machts, Referenzen von Nationalsozialisten, von Stahlhelmführern verlangt und gefordert, daß der Beamte nicht gegen Nationalsozialisten bei einem Putsch einschreiten dürfe, hat Oberbürgermeister Dr. Janson Strafantrag gegen den Polizeianwärter Machts, den„ Borwärts" und andere 3eitungen geftelt. Bon zuständiger städtischer Seite wird mit geteilt, daß die Unterredung des Oberbürgermeisters mit dem Unmärfer feineswegs eine politijoje Tendenz hatte und lediglich vorhandene ungünftige Auskünfte aufklären und nach Möglichkeit eat. fräften jollte. Die Stelle eines Polizeifommiffars follte mit einem Mann besetzt werden, der persönlich unbelastet und ohne jede politische Bindung ist. Die behaupteten zusammenhänge mit Staatsminister Frid seien völlig frei erfunden.
Weimar , 20. März.( Eigenbericht,).
In der heutigen Sigung des Thüringischen Landtags: gab der Landbundführer äfer folgende Erklärung.ab:
„ Nach Mitteilungen der Bresse , die unterstützt wurden durch Verbreitung im Rundfunt, foll der sozialdemokratische Reichsinnenminister Severing an die Thüringer Regierung einen Brief gerichtet haben, wonach für Thüringen die durch das Reichsinnenministerium laufenden Mittel gesperrt merden. Da bis gestern abend ein Schreiben dieses Inhalts bei Der thüringischen Regierung nicht eingegangen war, war eine Be stätigung der Rundfunt- und Zeitungsmeldungen nicht zu erreichen. Wenn schon der Weg des Reichsinnenministers, die Deffentlichkeit in breitester Form zu unterrichten, bevor die thüringische Regierung
Renntnis non feinen Absichten hatte, mehr neudeutschen Re gierungsformen als den zwischen öffentlichen Organen er forderlichen Taft entspricht, so müssen wir insbesondere die
auf Untergrabung der Autorität und Selbständigkeit unseres Heimat. landes Thüringen gerichteten Maßnahmen auf das schärfste zurüdweisen. Was hier der Reichsinnenminister versucht, ist mit Sinn und Geist der Reichsverfassung unvereinbar. Wir sind uns klar darüber, und werden in unserer Auffassung noch bestärkt durch das Vorgehen des Reiches gegenüber Bayern , daß hinter den Maßnahmen des Reichsinnenministers parteipolitische Ziele der Sozialdemokratischen Partei sich verbergen. Aeußerungen sozialdemokratischer Abgeordneter in diesen Tagen im Thüringer Landtag und sozialdemofratische Presseäußerungen bestätigen diesen Verdacht.
Da die Landbundfraktion sich des Eindrucks nicht erwehren farn, daß das Borgehen des Reichsinnenministers parteipolitische Gründe hat, das ohne Fühlungnahme mit der Thüringer Regierung und ohne eingehende Prüfung der Tatsachen erfolgte, da wir ferner der Auffassung sind, daß das Land Thüringen durch das völlig ungerechtfertigte Borgehen des Reichsinnenministers in unnötige Beunruhigung versetzt wird, die sein Ansehen schmer schädigen tönne, erwarten wir von der Regierung eine beschleunigte Erklärung und Stellungnahme zu dem Vorgang.
Darüber hinaus ermarket die Landvolkpartei, die sich stützt auf die starte, durch die letzten Landtagswahlen zum Ausdrud gefommene Selbständigkeit der thüringischen Bevölkerung, eine umfaffende, energische, der Bedeutung des Landes entsprechende Ab. wehr gegenüber den ungerechtfertigten verfassungswidrigen Angriffsmaßnahmen des Reichsinnenministers."
Dieser Erklärung schlossen sich an die Wirtschaftspartei und die Nationalsozialisten, während die Deutsche Boltspartei eine abwartende Stellung einnahm!
Die Regierung ließ erklären, daß ihr der fragliche Brief Severings erst heute, Donnerstag, gegen neun Uhr morgens zugestellt worden sei.
Die Erklärung des Landbündlers Klingt sehr energisch und sehr gereizt. Was muß das aber für eine Berwaltung sein, bei der ein am 17. März abgesandter Brief am 19. noch nicht in den Händen der zuständigen Regierungsstellen ist? Daß Rundfunk und Zeitungen die thüringischen Wähler über die standalöse Wirtschaft des Naziblods informieren, mag den Teilhabern der Friderei unangenehm sein, das ändert aber nichts an der Zweckmäßigkeit der Information. Im übrigen erwarten auch wir hier bald eine Erklärung der thürin gischen Regierung, noch mehr aber eine solche der Reichsanwalt. schaft, mas fie gegen Frid und Janson zu unternehmen gedenkt, die der Vorbereitung des Hochverrats dringend verdächtig erscheinen. Fortlegung auf der 2. Seite.)
Frankreich und der Young- Plan.
Kammerausschüsse einberufen.- Briand kehrt aus London zurück.
Paris , 20. März.( Eigenbericht.) Ministerpräsident Tardieu hat die Finanzkommission und die auswärtige Kommiffion der Kammer für Freitag zweds Beratung des Young- Plans zu einer gemeinsamen Sigung einberufen laffen. Tardieu und Briand werden in dieser Sitzung ausführliche Berichte erstatten über die Tragweite und die Folgen der neuen Reparationsregelung.
Die Stellungnahme der Fraktionen zur Ratifizierungsfrage ist höchst unklar. Die Rechte hat am Mittwoch in verschiedenen Quertreibereien versucht, die Zustimmung der Linken zum YoungPlan zu einem Bertrauensvolum für Zardieu zu stempeln. Daraufhin hat der sozialistische Abg. Vincent Auriol erklärt, daß gegenüber einer derartigen böswilligen Berdrehung der Regierungs. mehrheit die Berantwortung für die Ratifizierung überlaffen werden müffe. Die gleiche Erklärung gab am Mittwoch der Abg. Bergery in der Borstandsfihung der radikalen Partei ab.
Der Rechten ist die Aussicht, daß die Linke sich bei der Ab. stimmung über den Young- Plan eventuell der Stimme enthalten tönnte, höchst unangenehm. Namentlich das Echo de Paris ", Figaro" und ,, Ordre" protestieren, gegen die Unflugheit ihrer befreundeten Abgeordneten", die die Regierung in eine gefährliche Lage bringen könnte.
Eisige Kühle zwischen Macdonald und Briand . Paris , 20. März.( Eigenbericht.) Die Pariser Presse neigt mehr und mehr dazu, die
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habe am Mittwoch versucht, mit
Londoner Flottenkonferenz als endgültig gescheitert anzusehen. Macdonald so erklärt man Hilfe der Amerikaner Frankreich zu neuen Konzessionen zu zwingen und an Stelle des Verhältnisses von drei zu zwei zwischen Frank reich und Italien ein solches von sechs zu fünf vorgeschlagen. Gegenüber einer derartigen Bevorzugung Italiens und offensicht licher Benachteiligung Frankreichs sei Briand nichts anderes übrig geblieben, als seine Abreise nach Paris anzufündigen. Auch eine Abendunterhaltung zwischen Briand und Macdonald habe daran nichts geändert, denn die beiden Minister hätien sich höchst eisig getrennt. Wenn bis Ende der Woche, so schließen Matin" und Journal" ihre Berichte drohend, sich die Berhandlungslage nicht grundsäglich ändere, würden weder Tardieu noch Briand wieder nach London zurückkehren.
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Frick, der Heimkrieger
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Unterschlagungen bei der Reichswehr .
Nachforderungen zur Deckung des Schadens.
In der Donnerstagsigung des Ausschusses für den Reichshaushalt fiand der Nachiragsetat des Reichswehrininistc= riums zur Beratung.
Bei dem Titel des Nachtragsetats, der die Reisekosten und Reichsbeihilfen für Soldaten beiraf, fragte der Abg. Künftler( Soz.) an, ob aus den im Nachtragsetat angeforderten Mittein auch die Reisekosten und Speisen für Heeresangehörige genommen werden, die bei Uebungen des Stahlhelms und anderer Am 19, September 1929 hatte der Jungstahlhelm in Neukölln einen Rechtsorganisationen militärischen Inferri dit erteilen. llebungsabend veranstaltet. An diesem beteiligte sich der Reichsshrjoldat Zschech nom Reichswehrregiment Nr. 4 als Ausbildner, 3ichech hat die Stahlhelmübungen in voller Uniform geleitet und später erst seinen Waffenrod mit einer Windjacke vertauscht. Bisher sei gegen den Soldaten nichts veran aßt worden. Die Vertreter des Wehrministeriums erklärten, im Augenblic feine Antwort erteilen zu können, sagten jedoch ausführliche Beantwortung zu.
Eine Nachforderung von 757000 Mt. für Ente schädigung usw. erregte im Ausschuß allgemeines Er. staunen. Mit dieser Summe soll eine Art Generalbereinigung der in den letzten Jahren
bei den Heereswirtschaftsämtern vorgekommenen Unfer.
schlagungen
vorgenommen werden. Diese Unterschlagungen betragen beim Heereswirtschafts- und Rechnungsamt der Kommandantur Berlin 489 000 m., beim Heereswirtschafts- und Rechnungsamt der Kraftfahrabteilung 3 in Cantwit 125 000 m., beim Heereswirtschaftsant in Stolp 33 000 m. usw. Sowohl der Referent Abg. Stüflen( S03.) wie die Redner aus der Mitte des Ausschusses gaben ihrem Be
fremden darüber Ausdruck, daß Unterschlagungen in solcher Höhe vorkommen konnten, ohne daß sie entdeckt wurden. Es müßten Fehler in der Organisation vorliegen, die unter allen Umständen zu beseitigen wären.
Die Beratung dauert fort.
Der 80 Millionen- Kredit der BVG. Aufsichtsrat macht Schwierigkeiten.
Die gestrige Aufsichtsratssitzung der Berliner Verkehrs A.-G. ( BVG.) beschäftigte sich mit dem Darlehnsangebot des unter Führung der Danatbant stehenden Bankenkonfortiums, das befanntlich ein Darlehen von 80 Millionen Marf gewähren will. Es tam eine Zufallsmehrheit für die Ablehnung der Banten bedingungen sowohl wie auch des Zustimmungsver trages, der das Verhältnis zwischen der Stadt und er BVG. endgiltig regeln soll, zustande. Augenblicklich finden daher neue Verhandlungen mit den Banken statt, um die Bedingungen nach den Wünschen des Aufsichtsrates umzugestalten.
76 Todesopfer eines Kinobrandes. Spiel mit Menschenleben in der Mandschurei . ,, Daily Expreß " meldet aus Tokio : Bei einem Brande in einem Kinotheater in Sirin( Mandschurei ) famen 76 Personen ums Leben. 27 werden ver mißt und über 100 erlitten Verlegungen. Die fata strophalen Folgen des Brandes sind vor allem auf die ganz ungenügenden Sicherheitsmaßnahmen zurückzuführen. Es ist die zweite Brandkata. strophe, die sich innerhalb weniger Tage im Fernen Ich war während des Krieges dort, wo mich mein sich, wie erinnerlich, in Shinkai in Korea ein ähnliches Often in einem Kino ereignet hat. Am 10. März hatte bayerischer König hingestellt hat!"
Unglück zugetragen, das über 100 Kindern das Leben gefoftet hat.