der Praxis auf bestimmte Befihlichten beschränkt bleiben. ( Bravo ! bei den Soz.)
Zwölf Jahre Republit haben den Eindrud nicht verwischen fönnen, daß die Erlangung der Berechtigungen eine Ungelegen heit des Besizes und der privilegierten Klaffen geblieben ist. ( Sehr gut! links, Bewegung.) Der Staat fann ebensowenig Persönlichkeiten schaffen, wie er Kultur schaffen kann. Aber bie Republik muß die Verkoppelung von Befiz und Berechtigungsansprüchen zu föfen versuchen. Demokratie bedeutet nicht die gleiche Berechtigung aller für alles. Aber nur der Staat verdient den Namen einer Demofrafie, der allen die gleiche Möglichkeit des Zugangs zu den Bildungsgütern schafft.( Stürmischer Beifall lints, Zurufe bei den Komm.)
Sie haben wirklich recht, die Forderung ist gar nicht neu; sie steht mit fast den gleichen Worten im Art. 146 der Reichsverfas fung. Die Forderung war in Weimar eine Selbstverständlichkeit, und niemals hätte die Sozialdemokratie dem Weimarer Schultompro miß zugestimmt, wenn nicht in ihm dieser Aufstieg der Begabten garantiert gewesen wäre.
Die nich besitzenden Bolfsschichten haben es geradezu als Berrat empfunden, daß man ihnen in den ersten zwölf Jahren der Republik jede Erfüllung dessen vorenthalten hat, was ihnen die Weimarer Berfaffung in ihren Grundfähen feierlich zugesichert hat.( Stürmischer Beifall bei den Soz., große Bewegung.) Ich bin auch heute noch überzeugt, daß meiner Forderung fein Wider fpruch entgegengesezt werden wird; man fann höchstens über Wege, Möglichkeiten und Tempo der Berwirklichung streiten. Aber mir fcheint, als ob für die Erfüllung der Verfassungsgrundsäge auf diesem Gebiet bisher herzlich wenig getan worden ist, und meine Hauptaufgabe werde ich darin erbliden, das Gefühl der Unerträglichfeit des gegenwärtigen Zustands immer wieder lebendig zu machen. ( Lebhafter Beifall bei den Soz.) Immer wieder werde ich der Deffentlichkeit den schweren Ernst dieses Fragentompleges vor Augen führen: der demokratische Staat, geschaffen durch die arbeitenden Schichten, muß das Vorrecht der Besizenden auf die Bildung aufheben und allen begabten Volksgenossen die Bahn frei machen für den Aufstieg durch Leistung.( Sehr gut! lintts.) Selbst bei der ernstesten Wirtschaftslage dürfen wir nicht vergessen, daß dieses Problem mindestens so ernst ist: den breiten Massen aus der Gedrücktheit und dem Einerlei des Daseins einen Ausweg zu eröffnen, der ihrem Leben Sinn und Zwed gibt.
Den Maffen eine Perspektive zu eröffnen, wenigstens ihren begabten Kindern und Enteln wachsende Lebensmöglichkeiten zu eröffnen, das ist die Aufgabe des Bildungsministers, demgegenüber jede andere von untergeordneter Bedeutung ist. Un'er allen Aufgaben meiner Berwaltung ist die Beseitigung des Bildungsprivilegs die oberfte.
( Lebhafter Beifall bei den Soz., Zurufe bei den Komm.: Das werden Sie auch nicht schaffen!) Ich verspreche nichts, denn ich tenne die Weite des Weges. Aber ich fenne auch meine und meines Ministeriums Entschlossenheit, diese unsere erste und wichtigste Aufgabe mit allen Kräften anzugreifen. Jeder Kultusminister muß fich als Exponent( Heiterfelt rechts!) der Sehnsucht der breiten Maisen nach Bildung fühlen, und das um so mehr, je mehr er sich selbst als Bersönlichkeit fühlt. Mit den Schlagworten Indi vidualismus und Rollettivismus, Masse und Persönlichkeit, ist nichts Bejentliches gesagt, Damit ist nur die französische Kunst, in Antithesen zu denken, grobichlächtig und schülerhaft topiert. Das odi profanum vulgus des Horaz, das sich nicht Gemeinmachen mit der Masse, hat längst aufgehört immerer Gefühlsausdrud der Persönlich feit zu sein. Heute iff nur eine Persönlichkeit, wer das Abstandsgefühl zur Maffe tineclich überwunden hat zugunsten des Verbundenheitsgefühls mit dem unbekannten Soldaten des Daseinstampfes.( Stür mischer Beifall links.)
Mangel nicht durch die Einbildung wettmachen, er sei eine Persönmem heute das Gefühl für die Maffe abgeht, fann diesen Das Schifffal der Maffe steht heute im Zentrum des geiftigen und fittlichen Erlebens.
Bei aller Unantastbarkeit des privaten Eigentums felen Sic fich darüber flor: Befih iff Schuld.( Große Bewegung.) Persönlichkeit ist heute der gesteigerte Ausdrud überindividuellen Empfinbens, ift heute ein Stüd des Kollettivmillens unserer Zeit. Das ist tein Parador, fondern die. Anerkennung eines tulturellen Brozeffes von ungeheurer Tragweite. Wer heute Persön lichteit wilt, muß zur Maffe ftreben. Als Sozialist mill er burch Intensivierung und Organisierung der Wirtschaft die mirtschaftlichen Hemmnisse aus der Welt schaffen, die der geistigen Entfaltung aller Glieder des Boltes entgegenstehen. Das Ziel aller Kultur ist das Werden des Menschen als Träger geistiger Werte im Giiedbemußtsein des deutschen Boltes und das Erleben des deutschen Boltes felbft als Glied der Gemeinschaft aller Böffer. ( Lebhafter anhaltender Beifall lints.)
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Die Debatte, in der der Deutschnationale Delze, der 3en frumsführer 2 a uscher, Genoffe König und der Kommunist Ausländer sprachen, fand in dem Hause nach dieser Rede nur noch wenig Beachtung.
mus Kleiner Aprilscherz. 10 moles
BODEN
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VERFASSUNG
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ARTIKEL
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DER
VERFASSUNG
BRUNING
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Brüning:„ Treten Sie nur auf diefen völlig sichern Boden..."
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April, April!"
Gebrochene Amnestie.
Burüdgefehrte Emigranten von litauischem Offiziergericht verurteilt.
Kowno , 31. März.( Oft- Expreß.)
Vor dem Kriegsgericht in Schaulen standen fieben Teilnehmer des misglückten Putschversuchs von Tau roggen. Sie waren nach dem Mißlingen des Aufstandes ins Ausland geflüchtet, kehrten jedoch nach Litauen zurück, als die litauische Regierung durch einen Aufruf allen freiwillig zurückkehrenden Emigranten Straflosig: feit ausicherte. Sie wurden jedoch dem Kriegsgericht
Höllenmaschine im Rathaus?
Ein geheimnisvoller Fund.
Gegen 1 Uhr nachts lief bei der Feuerwehr vom Pförtner des Berliner Nathanses die Meldung ein, daß er im Eingang zum Gebäude in der Königstraße eine Höllenmaschine entdeckt habe. Näheres über die Art des seltsamen Fundes war bei Schluß des Blattes noch nicht zu erfahren
Gemeindewahlen in Off- D.- G.
Deutscher Stimmenrüdgang.
übergeben mit der Begründung, daß die Straflosigkeit nur für solche politische Vergehen zugesichert sei, die die Emigranten nach ihrer Flucht noch begangen hätten!! Die Oppositionspresse hat daher der Regierung vorge worfen, daß sie ihre Zusicherung willkürlich ausgelegt hat. Das Urteil lautete für einen Angeklagten auf lebenslängliches Zuchthaus, zwei wurden freigesprochen, die übrigen erhielten 6 bis 15 Jahre Zuchthaus.
rennen zu beschließen. Vielleicht hätte der Senat mit sich rebent lassen, wenn nicht die Spannung zwischen dem Ministerpräsidenten und dem Senat bestiinde, die leßteren veranlaßt, Tardieu, wo es nur geht, Schwierigkeiten zu bereiten. Es blieb somit Tardieu nichts übrig, als flein beizugeben und vom Parlament ein Budgetzwölftel zu verlangen.
Die Rammer hat nach furzer Debatte bas. Budgetzwölftel.
gegen die Stimmen der Sozialisten und der Kommunisten bewilligt.
Dreis flott Fünfmächtepakt. Boraussichtliches Ergebnis der Flottentonferenz.
London , 31. März.( Eigenbericht.)
Die Stimmung auf der Flottenfonferenz mar am Montag nach Beendigung der Sigung der fünf Hauptdelegierten ausgesprochen peffimistisch. Sowohl in der Frage der politischen Sicherheit für Frankreich als in der Frage der Parität zwischen Frankreich und Italien ist die Sicherheit unverändert hoffnungslos, obwohl man offiziell immer noch mit einer Ueberwindung ber Schwierigkeiten zu rechnen scheint..
Kaffowig. 31. März..( Oft- Expreß.) Bei den gestrigen Wahlen in die Gemeindevertretungen Oft Oberschlesiens hatten die. Deutschen einen durchschnittlichen Stimmen verluft von 10 Prozent zu verzeichnen, der darauf zurückzuführen ist, daß felt den vorigen Wahlen( 1926) viele Deutsche abzupant dern gezwungen waren. Immerhin haben sie zum größten Ramsay Macdonald erklärte im Unterhaus, daß die Rea Teil ihren Mandatsbesitz gewahrt, teilweise sogar Stimmen ge gierung nach wie vor entschlossen sei, ein Ablommen zwischen sämt wonnen. Bon den 85 deutschen Mandaten entfallen 14 auf die lichen fünf Konferenzmächten und nicht nur zwischen zwei oder drei deutschen Sozialisten, 46. auf die deutsche Wahlgemeinschaft, von ihnen zustandezubringen. Während jedoch nach allgemeiner 4 auf die tatholische Boltspartei und 8 auf örtliche Listen, Weitere Auffassung der Fünf- Mächte- Paft im höchsten Grade unwahrschein deutsche Mandate sind in verschiedenen örtlichen Ginheitslisten entlich geworden ist, sind die Aussichten für einen Drei Mächtehalten. Für das Deutschtum schmerzlich ist der Verlust der Baft zwischen England, Amerika und Japan während der letzten Mehrheit in Tarnowiß, wo ein geringer Stimmenrüd 24 Stunden günstiger geworden. gang infolge Listenverbindung der Polen einen Verlust von drei Mandaten zur Folge hatte. Der in den 85 Mandaten sich ausdrückende deutsche Gesamterfolg ist um so bemerkenswerter, als fo= Westarp und der Rundfunk. wohl die Regierungspartei wie auch der Korfanty - Block die Parole Ein Bortrag über die deutschnationale Opposition. ausgegeben hatten, die deutsche Minderheit ganz aus dem Felde zu fchlagen. Eigene Liften hatten die Deutschen in drei Städten, acht Bor einiger Zeit hat Graf Bestarp sein Rundfunk. größeren Industrieorten und fünf Landgemeinden aufgestellt. In abonnement bei der Post gekündigt, weil er feine repuden übrigen fleineren Orten fonnten eigene Liften nicht aufgestellt blikanischen Reden im Rundfunt hören wollte. Er hat werden und die deutschen Stimmen tamen den polnischen Oppo damals diesen Schritt öffentlich befanntgegeben. Die Demonstration fitions liften zugute, auf denen auch einige Deutsche aufgestellt hat nicht lange vorgehalten gestern fonnte man Graf Westarp felbst im Rundfunt über das Thema, Opposition und Staatsführung" reden hören.
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Seine Ausführungen begannen mit einem Vergleich zwischen der Stellung der Opposition in der tonstitutionellen Monarchie und im demokratijch- parlamentarischen System, sie gipfelten in einer Berherrlichung der deutschnationalen Opposition als der Hüterin der wahren nationalen Gesinnung und des nationalen Widerstands pillens. Als das ideale Ziel seiner Opposition bezeichnete Graf Weftarp die Ersetzung der republikanischen Verfassung von Weimar durch eine konstitutionelle Monarchie auf völlig legalem Bege. Im übrigen grenzte er sich gegen eine Katastrophenpolitik nach Hugenbergs Muster ab und lavierte vorsichtig, um nicht Argus mente gegen die Koalitionsfähigteit seiner Gruppe zu schaffen.
Zwischenfall im Unterhaus. Schließlich Sieg der Arbeiterreg'erung.
Condon, 31. März.( Eigenbericht.)
Den Konservativen gelang am Montag infolge der Schachzlige, bie Regierung in einer Geschäftsordnungsfrage mit vier Stimmen in die Mehrheit zu bringen. Die Berkündung des Abstimmungsergebnisses wurde von der Opposition mit Rufen Surüdtrelen!" und ähnliches begleitet. Als die Ronservativen hierauf den Bersuch machten, aus diesem Ueberraschungsfieg Folgerungen zu ziehen und eine Ber tagung der Sigung durchzusetzen, gelang es den Mitgliedern der Arbeiterfraktion, die eilig aus den verschiedenen Ausschüssen herbeigerufen morden waren, diesen konservativen Plan zu durch freuzen. Die Regierung erzielte eine Mehrheit von zehn Stimmen, so daß die Tagesordnung ungestört fortgesetzt
perben fonnte,
waren.
Der Genat gegen Tardieu.
Nur ein Budgetzwölftel bewilligt.
Paris , 31. März.( Eigenbericht.) Am Montag beschäftigte sich die Kammer mit dem Budget provisorium für April.
Als Tardieu im Herbst v. 3. fein erstes Kabinett bildete, ertlärte er, der bisherigen Budgetschlamperei" ein Ende machen zu wollen, und das Budget unbedingt bis 1. Januar unter Dach. und Fach bringen zu molien. Tardieu formte aber auch dieses Ber[ predjen nicht einlösen. Um feine Blamage zu vertuschen, fette er die Verlegung des Budgetjahres vom 1. Januar bis zum 1. April durch und gewann dadurch für die Erledigung des Budgets drei Monate. Bieder erklärte Tardieu bei feinem zweiten Regierungs antritt, daß dieser Termin unter allen Umständen innegehalten werden müsse, widrigenfalls er demiffionieren werde. Und mieder wurde der Termin nicht innegehalten und wieder demissinonierte Tardieu nicht. Jeht war es der Senat, der, nach bem die Kammer turz vor Toresschluß mit der Budgetberatung endlich fertig geworden war, fich hartnädig weigerte, einen
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50- Milliarden- Etat, wie Tardieu es wünschte, im Sechstage.
Uraufführung in der Bolfsbühne
Michael Gold : Das Lied von Hoboken ". Eine amerikanische Komödie, die Verständnis für die traurige Lage der nad) Amerika verpflanzten Reger weden will. Der Versuch der Bearbeiter, aus dem Stoff eine Art Dreigroschenoper zu machen, ist nicht gelungen. Dgr.
Aber Herr Curtius!
In seiner letzten Rede am Sonnabend abend vor der franzö fischen Kammer hat Tardieu bei der Erörterung der Sanktionsfrage ein Wort zitiert, das ihm gegenüber Dr. Curtius im Haag gebraucht haben foll. Danach hätte der Reichsaußenminister geäußert, daß nur eine Regierung von Verrüdten den Young Plan mutwillig zerreißen fönnte. Tardieu gloffierte diesen Ausspruch, indem er die Namen Hugenberg und Hitler namte.
Dr. Curtius, der offenbar die löbliche Absicht verfolgie, durch diesen durchaus treffenden Ausspruch die Franzosen von der aus brücklichen Erwähnung des extremen Falles" abzubringen, hat da mals die Kreise gemeint, die das Boltsbegehren in Szene gesezt hatten und die auch nach dessen Mißerfolg verkündeten, sie würden, wenn fie ans Ruder fämen, den Young- Blan nicht anertemmen und nicht ausführen.
Bekanntlich gehörten dem Reichsausschuß für das Deutsche
Schwecht
Herr Schiele hat sich zwar für den Landbund vom Zuchthaus. paragraphen 4( mit Rücksicht auf Hindenburg ) etwas distanziert, er ist aber im famofen Reichsausschus" geblieben, als dieser Baragraph nur infofern abgeändert wurde, als zwar Hindenburg . aber nicht die Minister von der Zuchthausdrohung ausgenommen murden. Herr Schiele ist ferner während der ganzen, Boltsentscheid fampagne Mitglied jenes Reichsausschusses geblieben, der noch nach dem Hereinfall vom 22. Dezember stolz verkündete, das Gesetz gegen die Verslavung des deutschen Boltes" sei in Wirklich
teit angenommen, da mehr Stimmen mit" Ja" abgegeben worden feien als mit Rein".
"
Auf diese Leute vom Reichsausschuß" hat Dr. Curtius Tardieu gegenüber das harte Bort geprägt:„ Eine Regierung Dou Berrückten". Wird sich Herr Schicle dieses nachträglich bekanntgewordene Werturteil aus dem Munde seines neuen Kabinetts follegen gefallen lassen? Oder wird er die Aufhebung der Iminu nität von Dr. Curtius beantragen, um ihn gemäß dem Republif. Schutzgesetz unter Antlage stellen zu laffen?