2flr. 153* 47. Iahrgang
i. Beilage des Vorwärts
Dienstag, 1. April 1930
Das erneuerte Feue
BranÄo!'- y d erschien, VI V/V i und auf Ii\l s r Sua- J föfipnf>iira � A*'
Anläßlich der zu Deginn d«s kommenden Monats in Berlin statt- findenden F eu e rs ch u tz w o ch o ist das alte Feuerwehnnuseum in der Suarezstraße einer gründlichen Um- gestaltung unterzogen morden. Als im Jahre 1922 die Zentralisation der Berliner Feuerwehren ersolgre, fanden sich auf den verschiedenen Bcrufsfeu erwachen alle möglichen ltleräte. historische Stück«, Drandolv- jekt« usw., so daß es lohnend dies alles zusammenzufallen der Feuerwache in de rczstrohe 9/l9 in Charlottenburg zur Ausstellung zu bringen. Di- Räume liegen im zweiten Stockwerk der Wache. Im ersten Raum befin den sich komplette Fahrzeug«, alte Feuerspritzen, Waffcrtonnen, Punrp- werkc und der vor dem Zkrieg« in Berlin m Verwendung gewesene Fontanemast. Unter den Spritz n verdienen besonders zwei Stück« erwähnt zu werden, in erster Linie eine alte Feuerspritze mit kupfernem Wenderohr aus dem Fahr- 1729, deren Radkränze noch nicht einmal beschlagzn sind. Dieses Fahrzeug ist das einzige seiner Art in Deutschland . Eine zweite Feuerspritze hat die Form eines Mörserieldgeschützes mit ein>m obprotzbaren Anhängewogev. Außerdem sind hier«ine ganze Reihe größerer Gerät«, wie chakanleitern, Wasserermcr, Rettungssäcke usw. Ein zweiter Raum enthält die Modelle von bespannten und unde- spannten Fahrzeugen aller Jahrgänge bis zu den modernsten Lösch- zügen. Schließlich zeigt«in dritter Raum die Rettungsgerät», Rauchschi itzap parate. Sauerstofffchutz, Lösch- und Beleuchtungegeröte, Brandobjekte und Modelle von Feuerwochen. Bei den Rettungs- geraten ist ein« vollkommene Sammlung der in Berlin in Gebrauch gewesenen Apparate, teilweise in Naturgröße, teilweise in Modellen vorhanden. So u. a. Rutschtücher. Sprungtücher Rettungskleben. Retrungshaken, Gurthaken und Rewrngsapparate. Die Zusammen- stellung der Rauch- und Sauerstossschutzapporate biete« ein« völlige llebersicht der Entwicklung dieser Geräte von den Erstanfängen bis zur Gasmaske der Jetztzeit. Die Abteilung Ausrüfiungs- pegen stände zeigt die ältesten Berliner Feuerkappen aus Blech
Alter Wisserwagen von 18S4 und Spritze aus dem 18. Jahrhundert
oom Anfang des 19. Jahrhunderts. Feuerwehrmannskappen etwa aus dem Jahre 1S50 und 1870, Feuerwehrhelme, Epauletres, Feuer- wehrmannsäxt«, Gurt«, Beile Säbel , Seitengewehr«, Signalinstru- mente und Nachtwächtcrrufhörner wie sie zur Bekanntmachung des Feuers auf Türmen und auf der Straß« noch Mitte des vorigen Jahrhunderts verwendet wurden. Besonderes Interesie verdienen die verschiedenen Brandreste:«rplodiert« Stahlflaschen in bizar- ren Formen, Drahtglasstückc, die sich im Feuer wie Teig gebogen Koben, eine halb geschmolzene elektrische Bogenlampe, geschmolzen« Geldstücke, Gegenständ« aus Leder, die sich im heißen Feuer in gradezu lächerlicher Weise zusammengezogen haben, geschmolzene Wachstöpse aus einem Friseurladen, bei denen durch Wcgschmelzcn des Wachses sonderbare Gebilde mit träumerischen Augen entstanden sind. An den Wänden befinden sich Tafeln mit den Namen der in Ausübung ihres Berufes gefallenen Angehörigen dar Berliner Be> rufsfeuerwehr. Bilder von Brand- und Unfallstellen sowie statistische Darstellungen, die sich aus Brände, ihr« Bekämpfung und Häufig- feit beziehen. Das Museum ist täglich außer Sonntags von 10 bis 12 Uhr geöffnet.
Schießender Kommunist. Vier Personen verletzt.— Zwei Lohre Sefäagmel. Wieder«in kommunistischer Schießbold vor Gericht! Zum Glück sind ihm diesmal nicht, wie im Falle dar beiden Sozioldemo- knoten P-aage und Heinrich, Menschenleben zum Opfer gefallen. Bier Personen haben aber Schußverletzungm davon gatrogei', darunter ein alter Maren(sine schwere Aopsverwundung. Und wie m jenem Falle war auch diesmal der Zlusgangspiprkt die Anvernpelung einer weiblichen Person. Das Urteil lautete wegen versuchten Totschlages in vier Fällen auf drei Jahr« Geiängnis. Am 28. November gegen 11 Uhr landete der 22iährtge Arbeiter Gurkosch noch einer Bierreise Ecke Maria imen- und Naunhw straße. Bor dem Lokal N. unterhielt sich ein Mann mit dem 1 bjährigen Wirtstöchterlem. Gurkafch begrüßte das Mädchen mit den Worten:„Guten Abend, mein Kindchen Der Kavalier glaubte, seine Dam« gegen da? Ansprechen durch den unbekannten Mann in Schutz nehmen zu müssen und nannte G. einen Schnösel Gurkasch begab sich in da? Lokal, bekam hure statt de» bestellten großen Glases nur ein kleines Glas Bier, es kam zu einem Wortwechsel, der in
ein« Schlägerei ausartete und Gurkafch wurde an die Luft gesetzt. In feinem alkoholisierten Hirn kochte«s: er riß die Tür aus, schrie in? Lokal hinern:„Kommt raus. Lhr seid fertig bei nur"', zog ein« Parabellumpistol« aus der Tasche und feuert« mehrere Schüsse ab. Eine Kugel traf eine» vorübergehenden Reichs wehrmann und drei ander« Gäste des Lokals. Man eilt« dem fliehenden Revaloarhelden noch, holte ihn«in,«r bat:„aber Genossen, laßt mich los, ich werde politisch verfolgt', man ver- prügelt« ihn und bracht« ihn zur Polizei. Bor Gericht er klärte G., er habe nur auf den Boden geschossen, er sei aber in das Lokal ge, zerrt worden, seine.Hand habe dabei eine andere Richtung erhalten, und so seien die Gäste getroffen worden. Eigentümlich, daß kein Schuß fehlgegangen war? Der 22i ährige Gurkosch war ober bereits zweimal vorbestraft: enunal wegen Landfriedensbruchs und Ueberfalls auf Rationalsozialisten zu sechs Monaten Gefängnis uatd«in anderes Mal wegen«ine? ähnlichen Uebarfalls z>t zehn Monaten Gefängnis. Erst im Juli vorigen Jahres hatte er das Gefängnis verloffen und im November schon wiadsr seine wahr« Rowdynatur gezeigt. Die Schießerei Ecke Morianiwn- und Naunynstraße hotte bestimmt nichts Pvlltisches an sich. Hier waren die Opfer eimnal
nicht politische Gegner wie im Falle Heinrich und Paege. Das ober ist das Bedenkliche und Tieftrourige, daß Leute, die sich als zu einer politischen Arbeiterpartei gehörig betrachten, in ihrer Trunkenheit blindlings auf Menschen schießen. Die Verrohung gewisser Kreise kennt anscheinend keine Grenzen mehr.
Die Flucht aus dem Zelleugefängnis. Auf der Suche nach den Ausbrechern Soldbach und Schröder. Zu der Flucht der Strafgefangenen Gold dach und Schröder au» dem Zellengesängni» in der Lehrter Straße erfahren wir. daß bisher noch keine Spur der Entwichenen gesunden ist. Die Fahndung ist Kriminalkommissar O u o o s übertragen war- den, der im Jahre 1923 die Unierfuchung gegen Goldboch wegen des an dem Wachtmeister Steiner verübten Totschlages geführr bat. Im November 1923 flüchtete Goldbach aus dem Zuchthaus in Brandenburg . Er wandte sich nach Oesterreich und gab sich dort für den Sohn eines Gutsbesitzers aus. Er erfreut« sich ober nur sechs Monate der Freiheit: im April 1926 wurde er erneut fest- genommen, als er in Innsbruck «inen Einbruch versuchte. Er wurde über die deutsche Grenzt zu nickgebracht und in die Straf- anstalt in Lucka u eingeliefert. Von dort aus kam er in die Irrenobteilung des Gefängniffes in der Lehrter Straß«. Di« Untersuchung in der Anstalt hat crgeben, daß die .Krampfanfälle' der anderen Insassen zweifellos ein Täuschungsmanöver waren, um Goldbach und Schröder die Flucht zu erleichtern. Goldbach ist dafür bekamrt, daß er in der Verbrecherwelt Berlins einen großen Anhang hat. Auch diesmal dün'te er der Hilfe von außen sicher gewesen sein.. Ob Goldbach und Schröder noch zusammengeblieben sind oder sich getrennt haben, steht noch nicht fest.
Llm das Berliner Verfaffungsgeseh. Einspruch des Organisationsausschusses. Die gemischt« Deputation zur Vorberatung von Organisotionsent würfen hat i-n ihrer Sitzung am More- tag beschlossen, gegen die Verabschiedung des Sondergesetzes für die Verfassung der Stadt Bertin vor der endgültigen Entscheidung über die gesamte preußische StädteorOmlNg beim Landtag Einspruch zu erheben. Die Fraktionen werden auf Grund des Referentenentwurfs zur Reform der kommunalen Selbstverwaltung in Preußen, ferner der vom Städtetag vorgeschlagenen Reichs st ädteordnung und der Gutachten der Bezirksbürgcrmeister über die neue Bezirks- einteilung zu dem Gesetzentwurf für Berkin Stellung nehm«».
Schiffszusammenstoß in Amerika . Zehn Tote, zwölf Verletzte. p o r l l g n d(Oregon), 31. TNärz. va? Vergnügungsboot ,S wo n*, auf dem sich eine durch zwei Decks gehende groß« Tanzhalle befindet, wurde bei S L h et ens an Eolumbiafluß von dem Süstendampfer„Vavenport" gerammt. Der Lug der„Davenport" zersplitterte die Seitenmand der„Smau" und drang tief in das Tanzdeck ein auf dem sich gerade ein« große Anzahl von Tanzenden befand. Zehn Personen wurden gel ölet, zwölf verletzt. Da das Bergnügungsbaot auf eine Sandbank auslief und so vor dem Sinken bewahrt wurde-, kannte die Mehrzahl der 286 Passagiere ohne Schwierigkeiten und rasch gerettet werdsn. Der Daogiser, der die„Swan" im Schlepptau hatte, wurde bei dem Zufannnenswß leck und sank.
Bei der Kapitänswitwe Mette Frederikfen wohnt feit einigen Monaten ein junger Schriftsteller, Torben Rist, der angeblich aus Norwegen gekommen fein soll. Wer ihn gesehen hat. würde jedoch darauf schwören, daß er ein Italiener oder Argentinier ist: olioengrüner Teint, mandelförmige dunkle Augen und eine so langsame Art zu sprechen, als wäre er nicht ganz vertraut mit unserer Sprache. Außerdem hat der geheimnisvolle junge Mensch die seltsame Gewohnheit, auch bei hellstem Sonnenschein in einem schwarzen Mantel mit breitem, in der Tallle stark zusammen- Gezogenen Gürtel herumzugehen, eine Mode, die die Lynöer Züngliuge zu imitieren eifrig bemüht sind, denn natürlich hat der schöne Torben Rist schon so manches Mädchenherz auf der Znsel gebrochen, schon so manche Mädchenträne dürste in den letzten Monaten um seinetwillen geflossen sein. Seine Haus- frau. Frau Mette Fredrikfen, die vor zehn Iahren Mann und Sohn in einer Nacht auf hoher See verloren hat, beireut ihn auf das rührendste und kratzt jedem, der zu munkeln wagt. Torben Rist sei ein Anarchist oder Bolschewik, beinahe die Augen aus. Was wird die Arme wohl jetzt jagen, da Sandrups Astenbladet. das einzig wirklich rührige Organ tn diesem nerschlafenen Städtchen, die wahrhast sensationelle Meldung bringt, Fährmamr Hansen hätte in der Unglücks- nacht knapp vor der Explosion einen Menschen in schwarzem Mantel, der sich nicht zu erkennen geben wollte, nach Lynö übergesetzt..- Nun, ich mul jedenfalls in diesem Feuilleton, das eine Milieuschilderung und nichts anderes ist und fein soll, der Untersuchung, die nun wohl endlich von zuständiger Stelle geführt werden wird, nicht weiter vorgreifen. Eines aber ist jedenfalls bedauerstch: mit dem Sommer» frieden und der stillen Behaglichkest von Lynö, das eben jetzt feine strahlende Obstblüte im milden Licht der langen Abends duften läßt, ist es Heuer ein für allemal vorbei. Höchstens daß der Krug und das kleine rosa Badehotel ein paar Journalisten imd Reporter aus aller Herren Länder beherbergen wird,
Sandrups Amisaois, 21. Juni 1929; Verhaftung des Schriftstellers Torben Rist. Gestern abend um 1» Uhr wurde der auf Lynö wohnhafte Schriftsteller Torben Rist unvermutet verhastet. Wie ver- lautet, soll diese Verhaftung mit dem Brand des Aaresunder Badehäuschens in Zusammenhang stehen. Wir wollen nur hoffen, daß unsere Behörden sich nicht durch das Äejsellreiben gewisser sensationslüsterner Kreise zu einem unbesonnenen Schritt oerlesten ließen. Der junge Mann, der jest März dieses Jahres bei der allgemein im höchsten Ansehen stehen- den Witwe Mette Fredrikfen wohnt, von der er als überaus angenehmer, stiller und wohlerzogener Mieter geschildert wird, war bei seiner plötzlichen Verhaftung wie vom Donner gerührt. Frau Fredrikfen ist übrigens bereit zu beschwören, daß Herr Rist in der bewußten Nacht ihr Haus überhaupt nicht verlassen hat. Sandrups Afienbladci, 21. Juni 1929: Eine sensationelle Verhaftung.— Der Täter aus dem Fenster gesprungen. Wer ist Herr Torben Rist? Gestern abend ermannten sich unsere Behörden endlich so weit, daß sie den Schriftsteller Torben Rist, der ohne Zweifel mst Fährmann Hansens„Mann im schwarzen Mantel" identisch ist, verhastete. Wie sehr es an der Zell war, sich zu diesem notwendigen Schritt zu entschließen, beweist die Tatsache, daß Rist, der eben in seinem Zimmer mit dem Ordnen feiner Papiere beschäftigt war. beim Anblick der Polizisten in einem Satz zum Fenster hinau- s p r a n g. wo chn zwei andere Polizisten, die zum Glück vor dem Hause auf Posten standen, in Empfang nahmen und nach Ueberwindung heftigsten Widerstandes auf die Polizei- station von Sandrup brachten. Der Verbrecher leugnet bis jetzt standhast, soweit er sich überhaupt entschließt, die Fragen, die man an ihn stellt, zu beantworten. Unter seinen Sachen fanden sich unerklärlich viele dänische, norwegische, schwedische und englische Zeitun- gen, ein Mädchenkopf in Aquarell gemalt, ein Haufen überaus anstößiger erotischer Gedichte und—«in in weißes Seidenpapier gewickeltes blaues Band! Da Herr Rist erwiesenermaßen zu der jungen Russin in engen freundschaftlicklen Beziehungen gestanden bat und außerdem erwiesenermaßen knapp vor der Explosion bei Aaresmrd mst der Fähre nach Lynz fuhr, wird das Der- schwinden des jungen Mädchens sowie die Zerstörung des
kostbaren Badehäuschens wohl bald eine Erklärung finden. Vor allem aber wird es Aufgabe der Behörden sein, end' lich zu eruieren, wer dieser sonderbare„Schriftsteller", der ausgerechnet in Frau Mette Fredrikfens Häuschen feine erotischen Gedichte schreiben mußte. cigenUich ist. Der Insel hat sich eine begreifliche Erregung bemächtigt. Arme kleine Offipowna! Dagens Nphcder, Kopenhagen , 32. Juni 1929: Lustmord auf Lynö?— Der Verbrecher bereits in Haft. Die kleine Insel Lynö steht unter dem Zeichen von un- heimlichen Ereignissen. Vorgestern nacht wurde der Schrift- steller Torben Rist, der bei einer Kapitänswitwe Fredrikfen wohnt, unter dem dringenden Verdacht, an dem Verschwinden der Offipowna und der Explosion von Aaresund schuldig zu sein, in Haft genommen. Wie berechtigt diese Maßnahme war. ergibt sich schon allein aus der Tatsache, daß der Mörder, als die Polizeibcamten sein Zimmer betraten, zum Fenster hinaus zu fliehen versuchte und nur mst größter Mühe über- wältigt und nach Sandrup gebracht werden konnte. Unter seinen Sachen fand sich bei der Hausdurchsuchung schwer be- lastendes Material. In Lynö und Sandrup schwirrt es nur so von unheim- lichen Gerüchten. Wenn man den Erzählungen der Frauen und Mädchen, die sich nur langsam und schamhaft mst ihren Erlebnissen vorwagen, zuhört, muß Torben Rist geradezu ein erotisches Ungeheuer gewesen sein. Ja nicht einmal bei Kindern scheint seine schier unbezähmbare erotische Gier halt gemacht zu haben. Wir werden unsere Mstarbesterin. Fräulein Birgst Hosting, die durch ihre Freundschaft mst Frau Helene Delius mst den Berhästmssen auf der Insel besonders gut vertraut ist, nach Lynö entsenden, damst sie nicht nur der schwergeprüften Sängerin mit Rat und Tat zur Seste stehen, sondern uns auch auf das genaueste über jede Wendung, die dieser ent- setzliche Fall voraussichtlich noch nehmen wird, Bericht er- statten kann. Die Untersuchung wird, da der erfahrene Kriminalist des Amtsgerichts Sandrup, Niels Wessel, sich derzeit zur Erholung noch einer schweren Grippe in Italien befindet, in die Hände des jungen Untersuchungsrichters H. G Jakobscn gelegt wer- den. Wir wünschen Herrn H. G. Jakobson viel Mut und Glück zu diesem seinem schweren Debüt. ___(Fortjetzung folgt.)