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Dienstag

1. April 1930

Unterhaltung und Wissen

André Dahl: Die Hausordnung

Wir waren drei Maler auf Ferien. Einer hatte vor kurzem 70 000 Franken geerbt. Die anderen hatten nur Talent. Ich will feine Namen nennen, um nicht etwa einer ruhmreichen Künstler laufbahn im Wege zu stehen.

Nun hatte sich Herr Duzambois uns gegenüber übel benommen. Wir waren nämlich in seinem Hotel ,,, hotel zu den britischen Inseln" nannte es sich, abgestiegen und hatten tein anderes Gepäd als eine gemeinsame Schachtel aus gelbem Karton, die von ferne wie ein Stoffer aussah. Es ist wahr, daß wir die Totenstille feines Speise­jaales durch übermütige Gesänge störten, deren Refrains wir mit den Löffeln gegen die Flaschen flopften. Man könnte schließlich noch Die Tatsache gegen uns ins Feld führen, daß wir unsere Rechnungen seit drei Wochen nicht bezahlt hatten.

Aber dafür hatten wir doch Leben und Heiterkeit in seine öde Bude gebracht. Aus dem Fremdenbuch ersahen wir zum Beispiel die Vornamen der Gäste und wir gratulierten jedem einzelnen zu seinem Namenstage, indem wir die altersschwache Zierpaime aus dem Lesezimmer vor sein Zimmer stellten.

Deffenungeachtet benahm sich Herr Duzambois nicht sehr nett uns gegenüber. Eines Tages Hopfte er an die Türe des Zimmers Nr. 36, das wir bewohnten, trat ein und sprach mit un­aussprechlicher Würde: Das geht nicht so weiter, meine Herren Künstler, daß Sie sich da in meinem Hotel breitmachen, ohne auch mur einen Sou seit drei Wochen bezahlt zu haben. Ich brauche meine Zimmer

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,, Wie? Sie brauchen Ihre Zimmer?"

,, Ja, in paar Tagen wird die landwirtschaftliche Ausstellung eröffnet.

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,, Und wer sagt Ihnen, daß wir nicht zur landwirtschaftlichen Ausstellung gekommen sind? Wir haben eine ganze Menge erste flaffiger Referenzen."

,, Nein, ich will feine Referenzen, ich will Geld. Ihre Rechnung beläuft sich schon fast auf 3000 Franken und

Die sollen Sie sogleich haben", sagte der eine von uns, dessen Ontel erst türzlich gestorben war, ich brauche mir zur Post zu gehen und Ihnen den Betrag anweisen..."

,, Wozu eine Anweisung? Wenn Sie das Geld haben, tönnen Gie es mir doch gleich geben

,, Nein, verehrter Herr. Wir bezahlen grundfäßlich nur mit An weisungen. Wir bezahlen alles mit Anweisungen: unsere Freundinnen, unsere Autos und unsere Kinofarten. Sie müssen nur sagen, ob Sie lieber eine Bostanweisung, einen Postiched, eine telegraphische Bostanweisung, eine Ueberweisung auf Ihr Post sparlassentonto oder ein Schächtelchen mit fünf reizenden roten Siegeln haben wollen. Unsere einzige Gorge ist, Ihnen einen Ge fallen zu tun.

Aber, wenn ich Ihnen eine quittierte Rechnung gebe...

,, Niemals! Wir haben die schlimmsten Erfahrungen mit quittierten Rechnungen gemacht. Bleibt also nur eine Bostanweisung übrig. Betrachten Sie sich als bezahlt! Und morgen mittags find Ihre Zimmer frei...

Da stieg in uns der Gedante auf, auf eine niedliche Weise Rache zu nehmen. Im Hotel befand sich nämlich oberhalb eines jeden Bettes eine Hausordnung mit Paragraphen, die die Haftung für nicht bei der Kasse hinterlegte Wertsachen ablehnte und die Gäste auf ihre Schadenersaßpflicht für alle Beschädigungen des Bettes auf­merksam machte. Sie war in einem naiv- obrigkeitlichen Stile ab­gefaßt und hing an der Wand wie ein Gebet, das man vor dem Einschlafen aufzusagen hat. Man schenkt solchen Hausordnungen nur selten Aufmerksamkeit. Mit Unrecht! Sie verdienen es, gelesen zu werden. Nicht etwa, weil man sich an sie halten soll sondern, weil in ihnen der ganze pfiffige Handelsgeist der Hotelkrämer ver­förpert ist.

Nur 20 Minuten brauchten wir, um eine neue Hausordnung zusammenzustellen.

Eine Buchdruckerei, die sich sonst mit der Herstellung von Bartezetteln beschäftigt, besorgte in vier Stunden den Druck Und als der Abend kam, war die neue Hotelordnung in allen Zimmern an Stelle der alten angeschlagen.

Die neue Hausordnung hatte einen Vorteil: vollkommene Klar heit! Nichts überließ fie dem Zufall. In bezug auf Bollständigkeit war sie unübertrefflich.

hotel zu den Britischen Inseln."

§ 1. Die Herren Reisenden, welche zu schnarchen pflegen, werden gebeten, das Schnarchzimmer im ersten Stod zu benügen. Dieser Raum ist so eingerichtet, daß die anderen Gäste durch die Schnarchgeräusche nicht gestört werden.

§ 2. Aus gesundheitlichen Gründen bleiben die WC's vom Morgengrauen bis zum Einbruch der Dunkelheit geschlossen. § 3. Gowohl das Stubenmädchen als auch der Hausknecht sind verheiratet. Der Schwester des Wirtes läutet man fünfmal.

§ 4. Die Direktion übernimmt für am Korridor zurück gelassenes Schuhwerk teine Verantwortung. Die Herren Reisenden merden gebeten, ihre Schuhe am Abend zur Kasse zu geben.

§ 5. Im Hotel nicht eingenommene Mahlzeiten werden nicht abgezogen. Die Mahlzeiten werden vielmehr in Konservenbüchsen aufgehoben und den Reisenden bei ihrer Abreise ausgefolgt.

§ 6. Bei einem Todesfall muß das Leichenbegräbnis im Hotel bestellt werden, ebenfo alle Mahlzeiten.

§ 7. Gäste, die zeitlich früh geweckt werden wollen, haben mittels eines mit 2 Franken 40 geftempelten Gefuches ernsthafte Gründe für ihr Begehren anzuführen.

§ 8. Ab 8 Uhr abends steht den Gästen ein Kreuzworträtsel­löfer, um Schlaflosigkeit zu vermeiden, zu mäßigen Bedingungen zur Verfügung.

§ 9. Im Falle einer Abreise ist das Zimmer bis Sonntag mittags abzubestellen, widrigens für die folgende Woche voll zu bezahlen ist.

Berordnet in unserem Hotel: Duz ambois( eigenhändig). Am nächsten Tage reisten wir nach Bezahlung unserer Rechnung beim Morgengrauen ab. ( Berechtigte Uebertragung aus dem Französischen von Leo Korten.)

Der Idyllendichter des Rokoko

Zu Salomon Geßners 200. Geburtstag am 1. April

schmückt. Berzuckert" nannter Herder, von einem neuen Begriff der Natur aus urteilend, seine Landschaft, seine Menschen Larven. Und dieser Nachahmer Theocrits ist wirklich ein unnaiver, tlar be­rechnender Meister, dessen Form in ihrer melodisch dünnen, zart abge­wogenen Brosa ganz den Stil der Rokokoschäferei festhält. Wie zahm ist die Natürlichkeit, die fein Silberstift andeutet! Wenn Geßner den bunten Etaffagen seiner sanft verklärten Landschaft einen Schimmer der Natur wie einen goldigen Glanz überhauchte, so ver­dankte er das seinem Schweizertum, das ihm den Hirten in einem edleren und freieren Geist zeigte.

Wer weiß heute noch von dem Boeten, der zum erstenmal das| Gemmendaratter, mit flaffizistisch- spielerischen Ornamenten ge­Bort Deutsche Dichtung" in die Weltliteratur brachte? Mit lächeln dem Achselzucken fehen sie heute, wenn sie hinsehen, auf den Mann, der mit deutschem Wort rund um die Erde die Völker in seinen Bann zwang, auf den armen Salomon Geßner aus Zürich ." So Wilhelm Raabe in seiner Erzählung ,, Hastenbeck", in der Zitate aus den Idyllen des Schweizers wie eine Blumengirlande stimmungsvoll die Hand­lung durchwinden. Auch Gottfried Keller hat in der entzückenden Literaturminiatur, mit der er den ,, Landvogt von Greifenfee" ge­schmückt, dem liebenswürdigen Malerdichter einen Dentstein errichtet. Seitdem man furz vor dem Kriege den Maler Geßner auf der Darmstädter Ausstellung deutscher Kunst 1650-1800 erst eigentlich entdeckt, hat der bildende Künstler den früher so berühmten Dichter mehr und mehr in den Schatten gedrängt. Jedenfalls waren die beiden Gemälde damals in Darmstadt eine Offenbarung, die vielen den Namen Böcklin auf die Lippen brachte, fie zeigten dieselbe Ein­heit von Natur und Mensch, dieselbe unbefangene Naturbeobachtung, aber freilich in einer ganz anderen zarten und zierlichen Tonart Neben die stets bewunderten Radierungen, mit denen er seine Dich tungen schmückte, traten nun die föstlichen Aquarelle, Guaschen und Tuschblätter, in denen seine Phantasie, seine glückliche Klarheit und Heiterfeit sich so reich auslebten, als seine Dichterflöte bereits längst verstummt war. Deshalb wäre es aber doch falsch, wie bereits ge­schehen, seine Boefien für ungenießbar zu halten und die lebendige Wirkung, die noch immer und heute wieder von seinem Schaffen ausgeht, nur aus seinen Bildern zu erklären. Wort und Bild ge­hören bei ihm so innig zusammen, daß nur der Verehrer des Dichters den bildenden Künstler ganz genießen kann.

Was war es, das den kleinen Prosadichtungen des jungen Schweizers eine so weit und tief reichende Wirkung verschaffte, daß fie in etwa 20 Kultursprachen übersetzt wurden, daß er in Fran reich so beliebt wurde wie fein anderer deutscher Dichter außer E. 2. A. Hoffmann, daß die Bester seiner Zeitgenossen ihm zu jubelten, Wieland und Rousseau , die Kaiserin Katharina und Diderot? Selbst der strenge Bessing rühmte, wie ,, ungemein schön und richtig" er schreibe, und Goethe meint in ,, Dichtung und Wahrheit ", daß seine whöchft lieblichen Idyllen eine unendliche Bahn eröffneten". Der arfadische Traum des Rofofo, die Schäferidyllit die in Frankreich von Watteau und seinem Kreise so zärtlich verflärt wurde, fand in Geßners Bildchen" einen ähnlich feinen poetischen Ausdrud. Frei­lich treten zu einem eigentlichen Rofofoelement noch gewisse ana­treont sche, empfindsame, naturbeschreibende und antilisierende Züge, die diesen Gebilden ihren eigenen Klang verleihen. Es ist der letzte reife Ausklang des Rokokostils in einer sehr deutschen, ja jogar schweizerischen Form; aber es ist doch Rofoto mit all seiner ge­fünftelten und stilisierten Grazie.

Nicht umsonst hat der Zeichner die Porzellanmalerei mit so viel Glid gepflegt. Etwas durchscheinend Zartes, Glaffes haftet seiner Dichtung an, belebt durch schalkhafte und fede Lichter. Wie seine Bignetten tragen diese Bildojen aus dem Hirtenieben einen niedlichen

Dieser frische Luftzug, diese reichere Tönung rief das allgemeine Entzüden hervor, ließ seine Poesie als die Höhe eines Stils, eben des deutschen Rofotostils, erscheinen, die wir noch heute empfinden. Freilich das Evangelium der Natur, das er predigte, fäuselte nur leise neben der brausenden Gewalt, die bald danach der Sturm und Drang " entfeffelte. Doch hebt ihn sein scharfes Künstlerauge über die anderen naturmalenden" Poeten. Er betrieb ja die Dichtung nur nebenbei, verstummte nach seiner Heirat allmählich und wandte sich mehr und mehr der bildenden Kunst zu. sich mehr und mehr der bildenden Kunst zu. Der leichtherzige Dilettant, der alles im Leben etwas spielerisch auffaßte, bewies als Beichner und Maler einen ungewohnten Fleiß und beschäftigte sich auch eifrig mit theoretischen Fragen. Von den Radierungen, die zunächst die kleinen Formen des Rototo in der Buchillustration glück fich anwendeten, ging er zu größeren Landschaftskompositionen über, die den Charakter der gemalten Idylle verlassen und die reizende Umwelt des Züricher Sees unbefangener festhalten. So gelangte er in seiner letzten Zeit zu einer Landschaftskunst, die vom Rofofo zum Realismus hinübertastet und schon einiges von der späteren Romantik vorausahnt.

Dr. Paul Landau .

Das Wort nervös", dieses beliebte moderne Schlagwort, ge­hört dem deutschen Wortschatz in der Bedeutung, die man ihm heute beilegt, erst seit hundert Jahren an. Allerdings hat es nervöse Men schen früher auch schon gegeben, doch wandte man das Wort ner vös" camals nur dann an, wenn der Arzt einen Teil des Körpers als nervenreich". nervig oder nervenvoll" bezeichnen wollte. noch im 18. Jahrhundert gab es daher keine" nervösen" Menschen im heutigen Sinne, sondern allenfalls Menschen mit schwachen Mer Den ober mit reizbaren Nerven, wie man damals jagte. Ndah und nach entwickelte fich jedoch ein immer stärte es Intereff: für die verschiedenen Nervenzustände, und schließlich nannte man j'en unruhigen oder schaffen Menschen nervös", das Nervo in" wurde geradezu modern und das Wort nervös" zum ech e wort. Seitdem das Wort wie die Forschungen La en off feft: gestellt haben, im Jahre 1830 auch in der Literatur auftauchte, findet man es auf Schritt und Tritt als Bezeichnung für alles mögliche, jogar auf leblose Gegenstände angewandt. Ebenso hat sich das Wort Nervosität" start eingebürgert, das als erster der in der ersten Hälfte des 19 Jahrhunderts lebende österreichische Dichter und Arzt Ernst von Feuchtersleben gebrauchte und damit in den allgemeinen Sprachgebrauch einführte.

Beilage des Vorwärts

Eva und die Schlange

Es heißt zwar so sinnig: Ich will Feindschaft sehen zwischen dir und dem Weibe", und diese Feindschaft soll weiter bestehen zwischen den Nachkommen des Weibes und der Schlange. Aber wie man neuerdings sieht, bestehen zwischen beiden innige Be­ziehungen", insofern, als die elegante Frau in die Haut des Reptils gefahren ist, wenngleich auch nur mit den Füßen.

Betrachten wir heute die vielen, schönen Dinge in den Schau­fenstern unserer Spezialgeschäfte, so findet man, daß in den letzten Jahren die Haut der Reptilien benutzt und als Eidechsen-, Krokodil­und Schlangenleder verarbeitet wird. Wie man aus den Auslagen der Schuhgeschäfte erkennen kann, werden gerade in diesem Jahre Schuhe aus Schlangenhqut besonders bevorzugt. Also ein neuer, " guter" Einfall der hochentwickelten Industrie, um mit Hilfe der Mode, die da findet, man müsse doch stets das Neueste tragen, durdy ein neues Erzeugnis Geld verdienen will.

Nun könnten Evas Töchter ja listig behaupten, darin, daß sie in Schlangenschuhen gingen, erfülle fich in gewissem Sinne die über die Schlange verhängte Strafe, nämlich auf dem Bauche im Staube zu friechen. Manche Käuferin aber würde bestimmt einen derartigen Lurusschuh nicht erstehen, wenn sie wüßte, mit welcher Grausamkeit die Schlangen ihrer schönen Haut beraubt und zu Markte getragen werden. Die am hübschesten gezeichnete Schlange ist eine Art amerikanische Boa constrictor. Java mit den benachbarten Inseln ist das Land, aus dem die meisten Schlangenhäute geliefert werden. Die Schlangen werden für ein paar Mart den Jägern abgekauft. Das der Gesellschaft zugeführte Reptil wird von einem Eingeborenen am Kopf und Schwanz gepackt, ein anderer befestigt es mit einer um den Hals gelegten Schnur am nächsten Baum. Sodann wird unmittelbar hinter dem Kopf ein ringförmiger Schnitt ausgeführt und die Haut von den Muskeln des lebenden Tieres gestreift. Eine Stunde danach kann man die Zuckungen dieses bestialisch zu Tode gequälten Tieres noch wahrnehmen. Dieses Verfahren wird an­gewandt, um die Haut nicht zu verletzen.

Finden Sie nicht, daß die Strafe an Evas Berführerin ein bischen zu hart ist? F. P.

Der geheime Vogelzug

Das große Wunder der alljährlichen Wiederk.hr der Zugvögel beginnt. Unruhe herrscht im Reich der gefiederten Luftbewohner. bis in die erste Woche des Mai werden wir nun viele neue Stim­

men hören, die wir lange nicht vernommen und uns an immer neu auftauchenden Lieblingen in Wald und Flur erfreuen. Biele Tau­sende von Meilen legen sie zurück auf ihrer Reise aus fernen Län dern. Die, die aus Aufrita kommen, müssen wohl an die 7500 So

Kilo­

meter durchfliegen, während man in Amerika solche fleinen Luft­reisenden beobachtet hat, die an die 30 000 Kilometer zu überwinden hatten. Soviel man sich auch gerade in neuester Beit mit dem Rätsel des Bogelflugs beschäftigt hat, jo bleibt doch noch manches Geheimnis zu lösen. Durch die in großem Maßstabe vorgenomme ren Beringungen, die zuerst von der deutschen Vogelkunde eingeführt wurden, hat man die Routen der einzelnen Luftwanderer festgestellt und fartographisch aufgenommen. Aber gerade ein so hervorrag n der Kenner, wie der langjährige Leiter der Bogelwarte Roffi ten, Prof. J. Thienemann , hat in seinem schönen Buch Rossitten". in dem er einen Rückblick auf seine Lebensarbeit wirft, betont, daß noch viele buntle Fragen zu lösen sind. Der lofale Beobachter", schreibt er, ist zu sehr an die Scholle, an Raum und Zeit gebunden, und die Vögel sind doch die beweglichsten Geschöpfe. Imuner möchte er hinter ihnen her in die Ferne reisen. Alle die großartigen neuen Erfindungen der Technik, Radio, Telephon, Auto, Luftschiff, foll­ten in den Dienst der Bogelzugsforschung gestellt werden. Das Der Beringungsversuch würde bald ungeahnte Fortschritte bringen." hat wohl eine Brücke geschlagen zwischen der Heimat und der fern: n Winterherberge unserer Zugvögel, aber andere technische Hilfsmittel, die uns gestatten, Raum und Zeit zu überwinden, müßten hinzu treten. Den Vogelzug zu beobachten und dabei das Weiter zu notieren, wie es bisher üblich war, tann uns nur wenig weiterbrin­gen. Eine Erscheinung, die bisher noch kaum wissenschaftlich näher erforscht worden ist, liegt darin, daß es neben dem offenen auch noch einen geheimen Bogelzug gibt. Den offenen Vogelzug, wenn er m der Luft oder in den Büschen und auf den Triften lebendig ist," den Notizen und Tabellen aufgestellt. Aber wie steht es nun wenn schreibt Thienemann, kann jedermann beobachten und darüber wer­folgende Verhältnisse eintketen: Im Frühjahr finden sehr oft Mossen. rüdzüge nach Süden zu statt Früher freute ich mich dann, d nn ich glaubte, die Bogelscharen müßten nun nochmals vorüberkommen. Weit gefehlt! Die Bugzeit geht vorüber, es ist ungünstiges Wetter und fein einziger Bogel kommt durch. Wo sind nun diese Scharen geblieben?"

Diese Massenrückzüge im Frühjahr sind meist die Folgen eines noch in den späteren Frühlingsmonaten einsetzenden Frostes. Die Bögel fehren dann wieder selbstverständlich nach Norden zu ihren Brutplätzen zurück, das wird durch den Beringungsversuch unum­stößlich bewiesen. Aber wie ist der Zug vor sich gegangen? Das ist die Frage, auf die man oft teine Antwort geben kann. Ebenso ist es, wenn dauernd ungünstiges Wetter im Frühjahr herrscht. Der Bogelbeobachter wartet und wartet, aber fein Bogel kommt. Der Laie glaubt nun, daß sich der ganze Zug auf den Schluß zusammen­drängen werde. Doch auch dies ist nicht der Fall. Die ganze Zug= zeit geht vorüber und man hat nichts gefchen. Die Vögel müssen eben unter anderen Bedingungen gezogen sein als denen, die uns be­tannt sind. Der örtliche Beobachter bekommt ja von der gewa't gen Völkerwanderung des Frühjahrs nur einen winzig tleinen Teil zu fehen, mag er auch manchmal über die ungeheuren Scharen stauren, die vorüberrauschen oder mag er frühmorgens das Gewimmel ter Kleinvögel bewundern, die über Nacht eingetroffen sind. Die Haupt­maffen bleiben verborgen; sie stellen den g- he'men Vogelzig dar. In diesem geheimen Bogelzug", sagt Prof. Thienemann liegt ein gut Teil des'selhaften an dem ganzen Vogelzug problem einge­schlossen. Der Anreiz zum 3uge freint sich im Borel ve schieten auszuwirken. Das eine Mal drängt sich alles cuf bevorzug'en Sel­len zusammen, so daß der Zug sichtbar vor aller Augen vor sich geht, und das andere Mal ziehen die Bögel vielleicht mehr zerstreut oder nur bei Nacht, ohne einzufallen, oder höher als sonst; wir missen es

nicht, jedenfalls in einer Weise, daß sich die ganze Erscheinung mehr oder weniger der menschlichen Beobachtung entzieht. Das Bestim= mende dabei scheint die Witterung zu sein."