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BERLIN Donnerstag 3. April

1930

Der Abend

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Nr. 158

B 79 47. Jahrgang

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Hugenberg rettet Brüning!

Umfall der Deutschnationalen.- Hugenberg geht im Gelächter unter.

Der Reichstag lehnte heute in namentlicher Abstimmung den sozialdemokratischen Mißtrauensantrag gegen die Regierung Brüning mit 252 gegen 187 Stimmen ohne Stimmenthaltungen ab. Die Mehrheit für die Regierung beträgt also 65 Stimmen. Die Deutschnationalen stimmten nach Abgabe einer Erklärung Hugenbergs für die Regierung.

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Der volksparteifiche Führer Scholz hat mehr recht gehabt als er selbst geglaubt hatte: Es ist nicht nur auf die Dauer unmöglich, gegen die Sozialdemokratie zu regieren, es geht kaum drei Tage lang! Was der Reichs es geht kaum drei Tage lang! Was der Reichs tag heute erlebt hat, ist politisch in höchstem Maße blamabel. Die Regierung Brüning lebt nur von der Gnade der Hugenberg - Partei, was ihren Kredit im In­lande noch mehr untergraben muß als bisher. Gleichzeitig wird sie auch im Auslande auf das schwerste tom promittiert, denn eine Regierung, die nur von der Gnade des unversöhnlichsten Feindes der bisherigen Außen­politit am Leben erhalten wird, die sich aber von diesem gleichen Parteiführer beschimpfen und mit Erpres fungsdrohungen bedenken lassen muß, fann fein Ber­

trauen im Auslande finden.

,, Einmal muß doch Nationalpolitik vor Speckzoll gehen."

Reichskanzler Brüning :

Zunächst möchte ich bemerken, daß die Fragen in bezug auf des Auswärtigen Amts besprochen werden können. Nun hat der unsere Außenpolitit bei dem in Kürze zu beratenden Etat Abg. Scholz nach dem Termin der agrarpolitischen Maßnahmen gefragt. Ich muß dazu bemerken, daß die Reichsregierung aus eigener Initiative und auf besonderen Auftrag des Reichspräsidenten an die Beratung agrar. politischer Hilfsmaßnahmen herangegangen ist, die dem bedrohten Osten Hilfe und Unterstützung bringen sollen. Sie hat dabei gleich zeitig das Programm von Herrn Schiele in ben Kreis ihrer Be­ratungen hineingezogen und noch im Laufe der nächsten Woche Das Programm für die außerordentliche Osthilfe wird ebenfalls so­werden die gesetzgeberischen Vorschläge dem Haus unterbreitet. fort in Angriff genommen werden. Einige Anfragen sind gestellt worden, unsere Handelspolitik betreffend. Ich beziehe mich auf die Erklärung der Reichsregierung und stelle fest, daß die

notwendige Kontinuität der Handelsvertragspolitit auch von der neuen Reichsregierung durchgeführt

Gleichzeitig aber hat die Deutsch nationale Bar tei eine Ratastrophe erlitten, die noch größer ist als die vom August 1924, da sie bei der Dawes- Abstimmung auseinanderfiel. Hugenbergs Presse hat noch bis heute früh werden wird. Der Abg. Breitscheid hat eine Reihe von Besorg­auf das entschiedenste gegen die Unterstützung der Regierung niffen ausgesprochen, und Fragen gerichtet, die sich auf etwaige An auf das entschiedenste gegen die Unterstützung der Regierung werden wird. Der Abg. Breitscheid hat eine Reihe von Besorg sich ausgesprochen und der Deutsche Schnelldienst" Hugen- wendung des Art. 48 beziehen. Die Reichsregierung wird nach bergs prägte noch gestern das klassische Wort: sorgfältiger Prüfung, wenn überhaupt notwendig, in jedem einzelnen Falle entscheiden, ob die verfassungsmäßigen und rechtlichen Bor. aussetzungen des Art. 48 gegeben sind. Ich habe bereits in einer Rebe in Köln meinen Standpunkt dazu ausgeführt. Ich habe dort festgestellt, und das stimmt mit Erklärungen überein, die hier von Barteien abgegeben worden sind, die in der Regierung vertreten find, daß von dem letzten Mittel, dem Art. 48, erft Gebrauch gemacht werden soll, erst dann oder nur dann, solange wir teine Hoffnung mehr haben, daß Parlament und Parteien ihre Mission selbst erfüllen. Ob der Art. 48 überhaupt zur Anwendung ge­langen muß, das ist eine Entscheidung, die dies Haus in kürzester Zeit selbst zu treffen hat.

Das war am 2. April. Am 3. bereits fiel die Hugenberg Partei auf den Speckzoll herein und ließ die ,, National politit im Stich! Das wird ihr noch länger anhaften als die Dames- Abstimmung!

Die entscheidende Gigung.

Interessiert wartende Menschen vor dem Reichstag , viel Polizei in Uniform und Zivil, Autoreihen. Um 11 Uhr eröffnet Bräsident Lōbe die stark besuchte und lebhaft bewegte Sigung Große Heiterfeit entsteht sofort, als der Präsident mitteilt, daß ne u in den Reichstag eingetreten fei auf Grund des Reichswahl Dorschlages den Namen des Abgeordneten verschlingt lautes Gelächter. Man kann nur ahnen, daß keinath gemeint ist, der an die Stelle Wunderlichs trat.

Dann wird die Programmbebatte fortgesetzt. Die

meisten Minister find nicht im Saaf, es spricht zunächst der Haten freuzgraf Reventlow, der schon gestern auf der Rednerliste gestanden, sich aber hatte streichen lassen. Heute ist er zunächst faum zu verstehen. Man hört nach und nach, daß Reventlow die einzelnen alten Minister durchhechelt, so Groener, Curtius, Birth usw., deren Taten die Frick- Partei nicht ver­gessen werde. Von den neuen Männern werde man abwarten, wie fie fich machen werden. Dann polemisiert er gegen die Rede Breit fcheids und verzeichnet mit Befriedigung, daß es dem Boltsparteiler Scholz gestern auch schon ohne die Sozialdemokratie zu gehen schien. Reventlow fommt dann auf die Religionsverfolgung in Ruß­ land und wendet sich gegen alle Versuche, aus der firchlichen Protest­bewegung einen politischen oder gar militärischen Feldzug gegen Rußland zu machen. Wir sind Gegner der Sowjetregierung, fagt er, aber wir werden jeden Versuch bekämpfen, Deutschland im Golde der Westmächte und im Intereffe Bolens gegen das raffische Bolt vorzuschicken. Zum Schluß erklärt er, die Hitler - Leute feien feine Faschisten, sondern Sozialisten!

Abg. Rädel( Komm.) fragt, ob die Hugenberg- Frattion einmütig oder wie bei dem Dames- Plan halb und halb stimmen werde. Jedenfalls würde sie die Regierung Brüning am Leben erhalten. Dann polemisiert Rädel gegen die Sozialdemokratie.

Abg. Bugenberg( Dnatl.)

( mit Ahal- Rufen und Gelächter und lebhaften Zurufen empfangen): Die, Barteien, die hinter dem angeblich überparteilichen Rabinett Brüning ftehen, haben vor­gestern der deutschnationalen Antrag auf Bertagung ab. gelehnt. Sie haben am gestrigen Tage den Antrag auf Ber­tagung von sich aus stellen müffen, da die Deutschnationalen im Plenum fehlten und der Ausgang dieser Berhandlungen von ihrem

Ueber die Stellungnahme zu den vorliegenden Miß trauensanträgen sind innerhalb der deutschnationalen Fraktion Meinungsverschiedenheiten vorhanden ge­wesen.( Stürmisches Gelächter.) Gestern nachmittag hat die Fraktion mit Dreiviertelmehrheit beschloffen( 3uruf Breitscheid: umzufallen!), im Falle der Ablehnung eines weiteren Bertagungsantrages zum Zwecke der Vorlegung der Agrargefeße dem Kabinett das Mißtrauen auszusprechen. ( Stürmisches Gelächter, Zuruf links das war gestern.)

Jawohl, das war gestern!( Stürmisches minutenlanges

Gelächter.)

Auf eine von mir im Einverständnis mit dem Fraktionsvorfigenden Oberfahren gegebene Anregung hat die Fraktion heute einstimmig die folgende Erklärung beschlossen, die der von allen Berufsständen der Partei getragenen Stellungnahme entspricht, die ich in Kaffel zum Ausdruck gebracht habe: Bei der besonderen Notlage der Landwirtschaft und der parbomentarischen. Gesamtlage wird jede Maßnahme ergriffen, und jeder Vorstoß unterſtüßt werben, von dem eine wirkliche Berbesserung der Lage der Land. wirtschaft zu erwarten ist."( 3uruf: Da liegt Hugenberg um Sped.)

Die Deutschnationale Boltspartei lehnt heute die Miß­trauensanträge ab.

übermorgen und in der weiteren Folge tun werden.( Stürmisches

( Stürmisches Gelächter.) Sie werden sehen, was wir morgen und Gelächter.) Ich habe nicht die Absicht, die Fraktionserklärung, die ich abzugeben habe, durch Diskussionen zu unterbrechen. Aber im allgemeinen darf ich Ihnen bei der großen Freude, die Sie zeigen, sagen, daß Sie selbst doch im allgemeinen von mir die Auffassung vertreten haben, daß ich nicht zu den Menschen gehöre, die aufe auf allen pflegen.( Beifallflatschen lines, stürmische minuten­lange Heiterfeit und Unterbrechung, zahlreiche Rufe: Umzu fallen!)

Die Ablehnung der Mißtrauensanträge erfolgt im Hinblick auf die von der neuen Regierung mit starken Worten

angekündigten Maßnahmen zum Schuße der schwer notleidenden Landwirtschaft und der in ihrem Dasein als deutsche Gebiete ge­fährdeten Ostprovinzen. Nach allem, was die Linkspresse über gewiffe

Machenfchaften hinter den Kuliffen ausgeplaudert hat und was sonst darüber bekanntgeworden ist, war Linie die Rettung der Ditprovinzen und der Landwirtschaft Zwed für große Teile der jetzigen Koalition der Mitte nicht etwa in erster und Ausgangspunkt der neuen Koalition, sondern die 3er. ich I agung der Deutschnationalen Boltspartei, bie fich weniger als Partet, besonders als Parlamentspartei, fühlt, sondern als das stärkste Bollwert der nationalen antimarriſtiſchen

In der deutschnationalen Fraktion hatten, wie man erfährt, zwölf Mann offen gedroht, die Frak. tion zu verlassen, wenn man nicht beschließe, die Regierung Brüning zu retten. Hugenberg erklärte darauf, nach der ersten Fraktionsspaltung wäre eine zweite nicht zu ertragen. Er mochte auch fürchten, daß diese zwölf noch andere mitziehen. Die UmfaII. erklärung wird von Hugenberg selbst abgegeben, um den Sturm, der sie begleiten dürfte, als Ablenkung von der Riesenblamage zu benuhen, die sich diese Partei selbst bereitet.

Bewegung. So fagt ein bekanntes Lintsblatt: Diese Teile des Pro gramms, Spaltung der Hugenberg- Barteien zu vereiteln, liegt nicht im republikanischen Interesse. Seine Durchführung wäre ein Ber such der neuen Regierung und gäbe ihr für die Zeit dieser Durch führung die Daseinsberechtigung, die sonst fehlt.( Hört, hört!) Diese Hoffnungen find enttäuscht worden. Brüning, so sagt ein anderes Blatt, hat sich im besonderen getäuscht über die Mannschaft, die ihm Herr Schiele von den Deutschnationalen zuführen könnte. Herr Schiele kommt als Braut ohne Mitgift. Kommt er allein ohne Hilfstruppen, dann hat der ganze politische Plan einen Teil seines Fundaments verloren.( 3wischenrufe: Sie sind das Gift, das er mit­

bringt! Buruf:

Hugenberg als Braufvater. ( Stürmisches Gelächter.) Wir haben feinen Anlaß, uns von diesem Spiel in unseren Entschließungen führen zu laffen. Wir sind dar­über einig, daß wir für diese Regierung und ihr Handeln nicht Wir halten diese die mindeste Verantwortung tragen. Regierung, vom Standpunkt der Rettung Deutschlands aus gesehen, für einen schweren Fehler, dessen Wiedergutmachung nur von einer geschlossenen Rechten erfolgen lann Obwohl unsere Gesamt­auffaffung eine abweichende ift, glauben wir, der Regierung den Weg zunächst freilaffen zu sollen. Wir haben den Wunsch, daß die angekündigten Maßregeln zur Rettung der Landwirtschaft und des deutschen Ostens von der Gesamtheit der neuen Regierung und der

qonislgesid pe si dom, vid, tim

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