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Herre Hamp

Flachs

( 37. Fortseßung.)

Madame Toussaint, mit ihrer ernsten Sprache, und Fräulein Marihe, mit ihrer spißen Junge, haßten sich in demselben Grabe, wie sie nach außen hin Liebenswürdigkeit martierten. Fräulein Marthe wäre gern in die Stelle Madame Toussaints gekommen. Sie war inftande, zehn Jahre auf die paffende Gelegenheit zu marten. Sie arbeitete gegen Madame Toussaint mit List und aller Energie; blieb aber dabei immer liebenswürdig.

Mabame Louffaint gab ihren Günftlingen unter den Räherinnen schöne Arbeit; vor allem Amélie Baucher, die zwar langsam, aber cratt arbeitete.

Sie zeigte Fräulein Marthe eine Garnitur aus handgewebtem Leinen mit Durchbrucharbeit:

,, Madame Rémois", sagte sie, unsere Berkäuferin bekommt fünf Prozent von den zwanzigtausend Franken Arbeitslohn für die Aussieuer Fräulein Waveiets. Mit ihrem Fixum und ihren Bro. zenten verdient fie in diesem Monat viermal soviel wie mir. Dabei tann sie sich wohl Pelze leisten! Sie und Fräulein Jacquin haben dies Muster da entworfen, als ich zwei Tage frant mar. Ich hoffe, jie wird Sie beide zuni Effen einladen. Sie werden sehen, wie hübsch fie mohnt. Ich habe meine Karriere perfehlt, Kleine. Ich bin nicht dreist genug gewesen. Anstatt erft Räherin zu werden, hätte ich beffer getan, Berfäuferin zu mer den; damals, als ich noch zweite war wie Sie jetzt. Dazu muß man Englisch sprechen können. Na, das lernt man schon. Es gibt heute genug Schulen, und was versteht denn Madame Rémols? Ihre Hemben fliden! Es ist noch nicht lange her, daß sie gelernt bat, handgewebtes Leinen von anderem zu unterscheiden. würde man für Geld verdienen, wenn man nur mirflich wollte! Cine Berläuferin braucht nur zu wissen, ob ein leid fizt; fie braucht es nicht zu arbeiten. Aber was würden Sie für Aussichten haben, mo Sie sogar mat den Kundinnen die Kleider entwerfen fönnen!"

Bas

Fräulein Marthe fühlte sich geschmeichelt, blieb aber unerbitt­lich. Sie wollte nicht Berfäuferin werden. Madame Toussaint murbe flar, baß sie dieses hartnädige Geschöpf nie los werden würde; deshalb fapte fie eine Bosheit:

,, Schabe, daß Sie so gar fein Sprachtalent haben, wo Sie doch sonst so schwaßen fönnen. Ben Sie Des" lernen sollen, brauchen Gie drei Tage; für jeden Buchstaben einen."

*

Beruf, Liebe und Eifersudt waren die Seele dieser Werkstatt, die Sdwester Claire so oft befuchte.

Fünf der Räherinnen hier maren in der Arbeitsstube bes Klosters ausgebildet morben. Aus alter Gewohnheit zeigten sie der Schwefter ihre Arbeit und flagten, daß fie bald arbeitslos würden.

Die befferen Näherinnen verdienten einen Frant fünfzig bie Stunde; die mittleren 20 oder fünfundzwanzig Sous Schwester Claire wurde erneut von Sorgen überfallen, die Freude nicht auffommen ließen.

Die Saisonarbeit war mit manchen plöglichen Graujamfeiten verbunden und lieferte Mädchen, die ihre Arbeit wirklich liebten, der Not aus. Sie wußten sich einzuschränken. Oft bestand ihre Mahl zeit aus einem großen Stück Brot und einem Stückchen Burst. Aber fie ließen sich nicht leicht die Baune verderben. Sie lachten viel und

über alles mögliche. Sie weinten auch leicht, waren aber auch ebenjo

rafd) wieber getröftet. Unverwüftliche Heiterteit stand über allen Wechselfällen ihres Berufs.

Am 25. November mar Santt Katharinentag; ein Tag aus­gelaffener Fröhlichkeit. Die Berkstatt lub dazu auch Fräulein Reine Jacquin ein. Sie nahm die Eintabung an, denn fie mar gern fröh lich. Sie machte die Müßen für die fünfundzwanzigjährigen Mädchen. Man lieferte ihr dazu ben weißen Stoff. bie Bänder und Die Spitzen. Mit Stolz war sie bei der Arbeit und sagte:

,, 3hr merbet bie schönsten Mügen in Baris haben."

Sie gab aus ihrer eigenen Tasche noch etwas bazu, sprach aber nicht darüber, wie gewöhnlich Gie machte gern Geschente. Sie aufte einmal in der Woche einer alten Frau an der Ede Saint­Eustache eine Zeitung ab. Sie gab ihr einen Gou mehr, als der aufgedruckte Preis war.

Fräulein Jacquin faufte aus eigenen Mitteln Band hinzu für die Müzen der Katherinetten. Es tat ihr nicht allzu weh: es foftete sie nur eine Woche lang morgens die Milch. Man frühstückt auch ganz gut bei Brot und Wasser, vorausgesetzt, daß man es ein bischen zuckert, was sich nicht jeder leisten kann. Fräulein Jacquin war geradezu in das Dulden verliebt. Sie liebte gerr asfetisch und faſteite sich. Es war ihre einzige Charakterschwäche. Sie pflegte zu sagen, daß diese kleinen Wäschenäherinnen, die hübsch angezogen fein wollen, wenig verdienten und es schnell ausgaben; fie hatten noch nicht gelernt, vieles zu entbehren.

Am Santt Katherinentag ließ Herr Dessard Champagner in feine Am Sankt Katherinentag ließ Herr Dessard Champagner in feine Werkstätten holen. Es war allerdings nicht die erste Marte. Wenn die Firma prozential in ihren Generaluntoften fich ebenso freigiebig gezeigt hätte mie Fräulein Jacquin, dann hätte fie eine schlechte Bilanz gehabt.

Fräulein Jacquin hatte nie so etwas Herrliches getrunken. Mon schenkte freigiebig ein; jede Arbeiterin tonnte ihren Kelch zmeimel füllen. Manche der Mädchen hatten den Katherinentag bei Firmen gefeiert, wo man nur einmal einschenkte und nicht einmal das Glas poll

Die Lehrmädchen bekamen weniger, wie sich das gehört, damit für die Vorarbeiterinnen mehr übrig blieb; das verlangte die Hierarchie in diesem Beruf.

Amélie Baucher und zwei anderen hübschen Mädchen wurde von 3mei älteren Arbeiterinnen, die für diese Art Suftigkeit zu haben maren, ein Blumenstrauß überreicht.

Fräulein Jacquin fette Fräulein Marthe eine schön bebänderte Müge auf: ein Meter Seide, bas Meter zu drei Franken fünfunda neunzia: das beste, was sie in dieser Art gefunden hatte. Die Aro beiterinnen waren weder geizig noch vorsichtig bei ihren Ausgaben. Sie empfanden weniger die Unsicherheit ihres Berufs als die Ent­behrungen. Am heutigen Tage etwas entbehren, was dazu gehörte, bas stimmte fie traurig; weniger der Gedanke, daß es ihnen später cinmal an manchem fehlen würde. Sie beschenften sich mit Bonbons und Blumen. Biele Lehrmädchen und Zuarbeiterinnen hatten dereien, die ihnen von den Welteren geschenkt worden waren.

Mädchen. Aeltere fezten fic nur auf, wenn sie jünger erscheinen wollten. Der offizielle Urlaub für dies Fest begann erst mittags; aber schon seit elf Uhr vormittags war man luftig. Man feizte Fräulein Jacquin, die sich dagegen wehrte, eine Müze auf. Mit lachenden Augen und rosigen Baden sah sie in ihrer bebänderten Mühe reizend aus. Die Arbeiterinnen famen und baten:

Fräulein Reine, geben Sie mir einen Ruß."

Die jungen Mädchen, die sich sonst über die älteren gern mo. tierten, waren heute zahm und sagten ihnen Liebenswürdigkeiten. Herr Dessard erlaubte, daß in den Salons getanzt wurde. Er ließ sogar ben perlgrauen Teppich hochnehmen. Um ein Uhr wußte man, daß bei anderen Firmen, trobem es auch erfttlaffige Häuser waren, der Chef feinen Sett und feinen Kucher angeboten hatte. Die Bankangestellten und die Verkäufer der Galeries de France", die die Arbeiterinnen bei Dessard tannten, wurden schnell von dem Ball benachrichtigt. Es waren genug gut angezogene Tänzer da.

Manche der Arbeiterinnen nahmen Abfcliftoffe, un fidy damit zu verkleiden. Die Stoffabfälle gehörten ihnen. Was sie beim 3us fdneiden übrig behielten, nahmen sie mit.

Herr Dessard lieh vier einfache Kostüme der Kollektion. Bäschenäherinnen suchten daraus eins aus rosa Taft für Amélie Baucher aus Man gab ihr die Goldschuhe eines Mannequins, denn thre Fußbekleidung wirfte allzu ärmlich unter dem Seidenstoff. Viele der jungen Mädchen trugen Drangeblüten am Mieder, die ihnen von den Direktricen geschenft waren.

An diesem Tage mußten die Firmenchefs mit den Arbeiterinnen Rachficht üben. Alles war luftig und brüberlich geftinnnt; ein Beruf und eine Firma.

Fräulein Touffaint gab Fräulein Marihe einen Ruß. Fräulein Olga und die Mannequins nahmen im Straßenkleid am Ball teil, aber manche der Werkstattmädchen, die viel und sehr gut tangben, übertrafen an Anmut und Leichtigkeit die Vorführdamen, Don denen mehrere schon dreißig waren. Die sechzehnjährigen Ar­beiterinnen nannten sie trotz ihrer stolzen Haltung nur: die Alten. Die Schneiderinnen fung oder verheiratet jahen im Gesicht oft hübscher aus als die in der Ehe verblühten Mannequins.

Alles freute sich. Die Katherinetten stellten sich im Kreise um Herrn Deffard auf. Jede Werkstatt fchickte die jüngste Arbeiterin, dem Chef einen Kuß zu geben. Die Tänzer holten noch Champagner. Das Drdhefter fpielte die Marseillaise  .

Madame Loussain sagte:

,, Das ist eine noble firma."

Bel der Sie eine gute Stellung haben, erwiderte Fräulein Marthe Durch die großen Glasfenster fah nian auf der Straße die Scharen der Schneiderinnen vorüberspazieren. Das Gespenst nahen­der Arbeitslosigkeit tat der Freude der Bariser Mädchen teinen Abbruch. Reine Jacquin fagte, es gäbe weniger Tage im Leben einer Arbeiterin wie diesen. Sie faß schüchtern in dem Sessel, in dem Fräulein Wavelet gefeffen, um sich die Modenschau anzusehen

Fräulein Olga übte noch Tanzschritte für den Ball der Pariser Schneider am 8. Dezember. Dies war der Ball der Chefs.

,, Ohne Müze gibt's auch feinen Auß."

Die stürmischen jungen Leute trennten die Gruppe. Es waren schlecht erzogene Männer, die sich hinreißen ließen von ihrer Gier, die Frauen zu berühren und zu füffen. Sie stürzten sich zu drei oder vier auf ein Mädchen, suchten mit gierigen Lippen deren Wange, während hinter ihnen schon die anderen drängten. Die fleinen Mädchen, ausgelassen und doch ängstlich, freischten und suchten ihr Gesicht zu schützen. Schließlich famen sie aus dem Drängen heraus, ohne Buder, mit aufgelöstem Haar und zerknitterter Müße.

Fräulein Jacquin brachte sie wieder in Ordnung und schalt fie aus, unterstüßt von Madame Toussaint, die jetzt sehr streng wurde. Es war unter der Würde einer Borarbeiterin, mit diesen fleinen Mädchen auszugehen, die tro all ihrer abmehrenden Gesten im Grunde zufrieden waren, daß man sie füßte.

Die Firma hatte einen Ball gegeben, damit die Arbeiterinnen ihr Bergnügen nicht auf der Straße fuchten. Das wäre der Firma Deffard unwürdig gewesen. Manche Arbeiterinnen entrüsteten sich über die Grobheit folcher Zärtlichkeiten.

Amélie Baucher wandte sich um nach der Schar der Kuß­mütigen, die jetzt wieder über andere Müzen herfielen.

Die Direttrice lud Reine Jacquin zum Essen ein in ein Gofal der Vorstadt Montmartre. Einige der Mädchen fagten:

,, Das tann fie gut und gerne tun; sie hat ihr genug Modelle gestohlen."

Fräulein Jacquin erwiderte die freundliche Einladung dadurch, daß fie Kaffee und Litör spendierte.

Die vernünftigen Mädchen hatten sich ihren freien Tag gut ein­geteilt; sie würden auf den Ball oder ins Theater gehen; sie hatten Billetts getauft und alles wohl geordnet.

Nach dem Effen ging Madame Toussaint meg, in hoheitsvoller Baltung, wie es fich geziemt für eine Direttrice, die nicht ihre Auto­rität bei solchen Dummheiten einbüßen darf. Fräulein Jacquin wollte Amélie Baucher, die sie feit der Klosternähftube fannte, nicht verlassen. Es folgte erneut ein leberfall durch junge Leute. Als die Mädchen fich wieder fammelten, stiegen zwei in einen Bagen, mintten ( Fortjeßung folgt.) und riefen: Kommt doch!"

Das neile Buch

Kanalwege nach Oeflerreich

Dr. Arthur Hoßbach hat ein Buch Die Berkehrsbedeutung des Großschiffahrtsweges Rhein- Main- Donau   für die großdeutsche Wirtschaft" mit einem Vorwort von Reichstagspräsident be herausgebracht( Heim- ins- Reich- Verlag, Berlin  ), in dem es sich um die enge Verbundenheit der Anschlußfrage mit dem Projekt des Rhein- Main- Donau- Kanals handelt. Aus der sehr sorgfält gen Untersuchung der Wechselwirkungen ergibt sich eine Fülle über­raschender Schlußfolgerungen. Wir erfahren, daß nicht nur Dester­reich durch den Anschluß gewinnen wird, sondern auch Deutschland  . Desterreichisches Erz und österreichisches Holz wachsen nahe an Deutschlands   Grenzen, tönnen aber nicht in größeren Mengen aus Defterreich bezogen werden, weil die Transportkosten für diese Maffengüler gegenwärtig zu hoch find. Finnisches und schwedisches Holz, das zu Schiff angefahren wird stellt sich heute noch billiger als das nahegelegene österreichische Holz. So würde ein leistungs­fähiger Kanal ben Güteraustausch zwischen beiden Ländern erh b lich verbilligen und jenen Zustand fchaffen helfen, den man mit dem Schlagwort Wirtschaftlicher Anschluß zu bezeichnen pislegt. Defterreich vor allem tönnte den empfindlichsten Schwächepun't seiner Wirtschaft, feine Kohlenarmut, überwinden, indem es rheinisch­westfälische Kohle beziehen würde. Aus der angestellten Fracht­foftenberechnung für Ruhrkohle ergibt sich deutlich die Ueberlegen­heit der fünftigen Wasserstraße über die tschechischen und polnischen Bahnlinien, auf die Desterreich heute bei der Kohlenversorgung feiner Wirtschaft angewiesen iſt.

Madame Toussaint und Fräulein Jacquin gingen zusammen. Bor ihnen hüpfte Amélie Vaucher mitten in einer lebhaften Gruppe Die Straße gehörte ihnen. Am Opernplak erhielten die Katherinetten die ersten Küsse. Amélie hielt liebenswürdig ihre Bange hin und Das gewissenhaft und ohne unangebrachten Optimismus ge schriebene Buch ist ein neuer Beweis dafür, daß die politische For fagte: ,, Nur nicht drängeln, das liebe ich nicht." Eine verheiratete derung des Anschluffes zugleich eine wirtschaftliche Notwendigkeit darstellt, ohne deren Berücksichtigung Desterreich nicht gefunden kann. Bälchenäherin mehrte ab:

WAS DER TAG BRINGT.

Der Stromverbrauch der New- Yorker U- Bahn.

Die Stromlieferung für die New- Dorfer Untergrundbahn geht vom Jahre 1931 an in die Hände der New York   Edison Co. über. Die Gesellschaften, die die Bahn bisher mit Strom belieferten. sehen sich außerstande, die Lieferung fortzusehen, weil sie ihre Werte wäb rend des Erweiterungsbaues der New- Yorter Untergrundbahn nicht in gleichem Maße erweitern fönnen. Während im Jahre 1931 die Bahn nur für etwa 2,25 Millionen Mart Strom abnehmen wird, steigt der Verbrauch durch den Ausbau der bisherigen Linien bis zum Jahre 1940 auf schäßungsweise 26,5 Millionen Mart, also auf über das Zehnfache.

Massengrab in der Kirche.

Eine feit einiger Zeit als Kino dienende armenische Kirche in dana, einer Stadt von 90 000 Einwohnern in Kleinasien  , wird jett umgebaut. Dabei entdeckte man im Keller der Kirche ein Massen

FUNK UND­

AM ABEND

Freitag, 4. April.

Berlin  .

16.05 Obering. Kar! Fr. Nägele: Motorrad  , Automobil, Käufer. 16-30 Orchesterkonzert.( Berliner   Funkorchester.)

18.00 Die Augen des ewigen Bruders" von Stefan Zweig  ( Sprecher: Dora Saloschin).

18.30 Dr. Wolfgang Pohl: Sozialpolitische Umschan.

18.53 Das neue Buch.

19.05 Mexikanische Musik anf Schallplatten. Einführung: Erich Knauf  . 20.00 Aus der Philharmonie. Zum Besten bedürftiger Studenten­31.15 Orchesterkonzert 22.30 Dr. F. Anders: Kartenspiele. Anschließead: Beliebte Operettenmelodien( Schallplatten).

Königswusterhausen.

16.00 Dr. Hische: Berufseignung. 17.30 Mersmann: Gespräche über Musik. 17.55 Staatskommissar Rönneburg  , M. d. R.: Die letzten Hilfsmaßnahmen für

Ostpreußen  .

18,20 Dr. Elisabeth Keimer- Dünkelsbühler: Bei den deutschen   Führern in Rom  . 18.40 Englisch für Fortgeschrittene.

19.05 Reinhard Mumm  , M. d. R.: Friedrich von Bodelschwingk. 19.30 Wissenschaftlicher Vortrag für Aerzte.

20.00 Ein Gespräch zwischen Axel Eggebrecht   und Richard Huelsenbeck  .

Die Ratherinenmüße befamen nur die fündundzwanzigjährigen 20.30 Orchesterkonzert.

grab. Die Leichen waren einfach aufeinander getürmt und mit Rail überschüttet worden. Man nimmt an, daß die Leichen von den großen Chriftenmeheleien in Adana   im Jahre 1909 herrühren. Begnadigung einer Mörderin.

Der Präsident der Republik Finnland   begnadigte die Studentin Margit Niinineu, die im Jahre 1928 wegen Ermordung des Kauf manns Engblom zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt werden mar. Damit hat eine der entseglichsten Liebestragödien einen erfreulichen Abschluß erhalten, denn menn jemals in einem Falle, so fann man hier sagen, daß nicht die Mörderin, sondern der Ermordete schuldig war. Die Studentin hatte sehr schwer zu kämpfen, da sie völlig mittellos war. Aber ihre hervorragende Begabung und ihre Eignung für die Wissenschaft hatten dazu geführt, daß die Universitätslehrer sich für sie interessierten und ihr das Studium ermöglichten. Ins besondere war es der Privatdozent Dr. Törnudd, der nicht nur ein wissenschaftliches, sondern auch ein persönliches Interesse an der jungen Studentin hatte. Er war ihr aufopferungsvollster Lehrer und wurde allmählich zu ihrem Bertrauten und schließlich ihr Bräutigam. Durch einen Glüdszufall erlangte die Studentin eine Stellung bei dem Kaufmann Engblom, der sie als Sekretärin an­ftellte. Eines Abends zeigte Engblom fein wahres Gesicht. Er schloß die Türen ab und vergewaltigte das junge Mädchen. Um es seinen Wünschen weiter gefügig zu machen, drohte er der Studentin überdies noch, der ganzen Gesellschaft von Helsingfors   bekannt­zugeben, daß fie seine Geliebte geworden sei, falls sie nicht in eine Fortsetzung des Berhältnisses einwilligen wollte. Durch diesen furcht­haren Borfall schien das ganze Leben des jungen Mädchens ver­nichtet, der sie konnte sich den Krallen des Scheusals nicht ent­ziehen, wenn sie nicht in der ganzen Deffentlichkeit bloßgestellt werden wollte. In ihrer seelischen Not offenbarte fie fich ihrem Bräutigam, der nunmehr darauf sann, fich und seine Braut an dem Schänder ihrer Ehre zu rächen. Sie beschlossen. den Kaufmann zu ermorden und führten diesen Entschluß auch eines Abends aus. Die junge Studentin wurde verhaftet, da man durch die Untersuchung darauf tam, daß nur sie die Täterin sein fonnte. Es stellte sich auch heraus, daß der Universitätsmagister Törnudd Beihilfe geleistet hatte. Schließlich tam es zu einem Prozeß, in dem das Mitleid der ganzen Gesellschaft auf seiten der Angeklagten war Aber das Verbrechen verlangte Sühne, die verhältnismäßig sehr mild ausfiel, da beide nur mit verhältnismäßig turzen Zuchthausstrafen davontamen. Die Studentin wurde nun begnadigt, da sie in einer Art geistiger Rot­wehr gehandelt hatte.